denfare

Nr. 272 2. Jahrgang

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Schacht siegt

Rücktritt

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Sarbrücken, Donnerstag, 6. Dezember 1934 Chefredakteur: M. Braun

maßgebender NSDAP. - Wirtschaftsführer

Berlin , 5. Dezember.

Wirtschaftsdiktator Dr. S ch a cht übt gegenwärtig eine lebhafte Aktivität aus. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß in dem Kampf, der hinter den Kulissen

Zuchthaus

für cassengemischte Liebe

Seite 2

Reichstagsbrandstifter entlacot

Seite 4

Schule, Peitsche und Judennase

Seite 5

Dem ,, Grenzland" zum Gruß

Seite 8

Sturz alter Kämpfer"

zwischen Schacht und Darre, also zwischen dem hochkapi Der Fall Brückner: wegen nationalsozialistischer Betätigung

talistischen und phrasen- sozialistischen Kurs geführt wurde, Schacht Sieger geblieben ist.

Der Sieg des Bank- und Börsenfürsten Schacht offenbart sich vor allem in der Schaffung der Neuorgani sation des Unternehmertums sowie in dem Rücktritt des Grafen von der Golg. Offiziell wird er da­mit begründet, daß mit dem neuen Gesetz über die Schaffung einer Unternehmerorganisation für ihn eine Tätigkeit als Führer der deutschen Wirtschaft kein Raum mehr vorhanden sei. Jn Wirklichkeit aber ist dieser Rücktritt darauf zurückzuführen, daß die neuen Maß­nahmen Schachts in schärfstem Widerspruch mit den frü­heren Erklärungen der nationalsozialistischen Führer über den nationalsozialistischen Gemeinschaftsgedanken stehen. Auch soll, wie wir hören, der Präsident des deut­ schen Industrie und Handelstages, Dr. von Renteln, einer der Vorkämpfer des korpora­tiven Gedankens in der deutschen Wirtschaft, von seinem Posten zurückgetreten sein.

Ein weiterer Personalwechsel, und nicht der letzte, wird heute in Form eines mehrwöchigen Krankheitsurlaubs" des Präsidenten Dr. Kleiner vom Deutschen Spar­kassen und Giroverband, der Spizenorganisation der deutschen Sparkassen, bekannt. Nach unseren Informa tionen wird er nicht wieder auf diesen Posten zurück kehren. Auch der stellvertretende Präsident Dr. Weil ist auf Urlaub" gegangen. Diese Personaländerung dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, daß nach Ansicht der Sparkassenorganisation die Sparkassen bei den Verhandlungen der Banken- Enquete zu schlecht ab­geschnitten haben. An Stelle von Dr. Kleiner wird zu­nächst vorläufig Staatssekretär Dr. Scharzkopff, der Generaldirektor der Landeskreditkasse und Giro­zentrale Kassel, mit der Leitung des Sparkassen- und Giroverbandes beauftragt. Dr. Schwarzkopff war vom August 1932 bis zum nationalsozialistischen Umschwung im Februar 1933 Staatssekretär im Reichswirtschaftsministe­rium als Nachfolger von Dr. von Trendelenburg.

Der Rücktritt dieser Männer und die neuen Gesetze Schachts bedeuten die Abkehr von dem natio nalsozialistischen Wirtschafsprogramm, das bekanntlich seinem Wortlaut nach ,, unabänderlich" ist und für dessen Durchführung die Führer ihr Leben ein­setzen sollten. Von all diesen hochtrabenden Worten und Versprechungen ist nichts als das Gesicht eines schran= kenlosen Hochkapitalismus geblieben.

Die neuen Gesetze

Von den verschiedenen Gesetzen, die soeben von Reichs­kabinett auf Vorschlag Schachts verabschiedet wurden, ist von ganz besonderem Interesse das Anleihe stock= gesetz, das eine Ergänzung zu dem am 29. März 1934 erlassenen Kapitalanlagegeseß darstellt. Danach dürfen Kapitalgesellschaften von ihrem Gewinn nicht mehr als sechs Prozent des eingezahlten Kapitals in bar ausschütten. Hat jedoch eine Gesellschaft im Vorjahr mehr als sechs Prozent Dividende verteilt, so ist eine Barausschüttung des Gewinns bis zu acht Prozent zulässig. Der Mehrbetrag des den Ge= sellschaftern zur Verfügung gestellten Gewinnes muß als Anleihestock zur Verfügung gestellt werden und darf erst nach vier Jahren unter die Gesellschafter aufgeteilt werden. Den für den Anleihestock bereitzustellenden Betrag darf die Gesellschaft nicht mehr selbst anlegen, sie hat ihn der Deut­ schen Golddiskontbank zu überweisen, die ihn für die Ge­sellschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen anzu­legen hat. Der Anleihestock gehört nicht mehr zum Ver­mögen der Gesellschaft.

Praktisch stellt also dieses Gesetz nichts anderes als eine neue Steuer dar. Das Unternehmertum wird aber von diesem Gesetz zu einem nur geringen Teil erfaßt, da die Zahl der Gesellschaften mit einer solch hohen Dividenden­ausschüttung außerordentlich klein ist. Nach fachmännischen Berechnungen kommen dafür nur ungefähr sieben bis acht Prozent aller Kapitalgesellschaften in Frage. Die Beträge, die auf Grund dieses Gesetzes an die Deutsche Golddiskont­bank abgeführt werden, werden auf etwa 40 Millionen Reichsmart geschäßt, wobei sie für die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung bereitgestellt werden sollen.

Bezeichnend ist auch das Gesetz über die Unterkunft der Bauten. Es wird in diesem ausdrüdlich erklärt, daß

abgesetzt und ausgestoßen

Berlin , den 5. Dezember.

Die von uns seit einiger Zeit berichtete Spannung in den plosion geführt, die zeigt, wie schwer es ist, die geplanten hohen Regionen der NSDAP . hat soeben zu einer ersten Er­personellen und sachlichen Aenderungen bis nach der Volks= abstimmung an der Saar zurückzuhalten. Die Nationalsozia­listische Korrespondenz meldet:

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Der Führer hat, wie die NSK, meldet, den Gauleiter von Schlesien , Helmut Brückner, wegen partei: schädigenden Verhaltens seiner Stellung ais Gauleiter enthoben und aus der Partei ausgeschlos= sen. Der preußische Ministerpräsident, General= ring, hat den Oberpräsidenten von Schlesien und preußi­schen Staatsrat Brückner seiner sämtlichen staat: lichen Aemter und Funktionen enthoben, nachdem der Gauleiter Brückner vom Führer wegen partei­schädigenden Verhaltens seiner sämtlichen Parteiämter ver­lustig erflärt und aus der Partei ausgeschlossen worden ist. Brückner ist der Führer und Begründer der nationalsoziali­stischen Bewegung in Schlesien , an deren Spitze er seit 1925 ununterbrochen gestanden hat. Schon vorher hatte er das völfische Organ Schlesische Volfsstimme" gegründet, der im Laufe der Jahre einige weitere Zeitungsgründungen folg= ten. Seine Zeitungen erlaubten ihm sehr im Gegensatze zu den Parteiangestellten eine starke Unabhängigkeit in der NSDAP. , und er hat immer wieder betont, daß er seinen Gau ehrenamtlich führe.

nern und Einschreiten gegen Gerüchtemacher, die aber in der SA. selbst massenhaft vertreten sind, scheinen nicht mehr vorzuliegen.

Der Führer" und Reichskanzler trennt sich von seiner alten Massenbasis und ihren alten Vorfämpfern. Sein Ehr­geiz ist, den Weg zu gehen, auf den ihn die konservativen, tapitalistischen und militärischen Kräfte des Reiches und aus­ländische Mentoren verweisen: Liquidierung des National­sozialismus bis auf die Reste einer systemtreuen Präto­rianergarde und rücksichtsloses gewaltsames Niederhalten aller radikalen Elemente.

So erhält der Führer" die Sicherheit, daß ihm die Reichs­ wehr , die nur die Aufrüstung von ihm verlangt und erwartet hat, daß ihm die hohe Bürokratie, die Ruhe im Staate braucht, daß ihm die Industriekapitäne, Großgrundbesitzer und Bank- und Börsenfürsten, die sozialistische Experimente fürchteten, das Zeugnis des Wohlverhaltens ausstellen. So würde er sich als Geschäftsführer des konkursreifen deut­ schen Kapitalismus noch eine Weile halten können.

Inzwischen breitet sich aber die Enttäuschung bei den be­trogenen und verratenen Schichten, die esen Mann in gläu­biger Einfalt hochgetragen haben, immer weiter aus. Der Fluch des Verrates heftet sich gerade aus den Reihen seiner bis dahin treuesten Anhänger an den Namen Adolf Hitler . Er steht mehr und mehr als der Funktionär, als das Werk­zeug reaktionärer Schichten vor dem erwachten Volke. Noch ist die Opposition, die von Tag zu Tag wächst, auf viele Gruppen verteilt. Es ist uns die Aufgabe gestellt, diese viel­gestaltige Opposition zu einer großen Macht zu einen. Nicht unter abgebrauchten Schlagworten und nicht mit dem Blick auf überlebte Gruppierungen Rechts" und" Links", sondern mit dem Willen, alle Deutschen zu vereinen, die der Nation einen großen voltssozialistischen Durchbruch gemeinwirt­schaftlicher Ordnung und geistiger Freiheit erkämpfen wollen.

Brückner hat den typischen Lebenslauf so vieler hoher Füh­rer der Nationalsozialisten. Als 18jähriger ging er im Jahre 1914 friegsfreiwillig ins Feld. Er wurde Offizier und setzte nach dem Friedensschlusse, der ihm keine Möglichkeit zu einer bürgerlichen Existenz bot, das friegerische Leben fort. Er wurde Gruppenführer beim deutschen Selbstschutz in Ober­sozialistischen Größen Beziehungen anknüpfte. Seine poli­schlesien, wo er mit Heines und anderen späteren national­tische Betätigung hat ſich ſtets in seiner schleſtſchen Seimat, Auch in Danzig ! mit der er sehr verwurzelt war, abgespielt. Seit dem Jahre 1930 gehörte er dem Reichstag , seit dem Jahre 1932 dem preußischen Landtag an.

stöße mit den großagrarischen schlesischen Magnaten gehabt. Als Oberpräsident hat er wiederholt schwere Zusammen­Brückner bekannte sich öffentlich als Bodenreformer und Sozialrevolutionär. Er bewegte sich dabei auf einer Linie mit dem pommerschen Gauleiter Karpenstein, der schon vor einigen Monaten aus seinen Aemtern geflogen ist, und mit dem ostpreußischen Oberpräsidenten Erich Koch , um den sich Stille ausgebreitet hat. Von seinem großen Erich- Koch- Plan", der Ostpreußens Industrialisierung vor­sah, hat man seit Monaten nichts mehr gehört. Unruhige vorwärts drängende Geister sind bei dem Führer" und Reichskanzler nicht mehr beliebt.

Danzig , 5. Dezember.

Der frühere Leiter der Danziger Senatspresse= stelle, Streiter, der vor einigen Tagen vom Gauleiter von Danzig aus der NSDAP . ausgeschlossen wurde, ist von der Kriminalpolizei verhaftet worden und befindet sich in Untersuchungshaft.

Wenn es sich um kriminelle Gründe handelte, würde man sie gleich angegeben haben.

Es ist anzunehmen, daß der Sturz Streiters mit den in= neren Kämpfen der Partei zusammenhängt, die vor einigen Tagen zum Rücktritt des Senatspräsidenten Rauschning geführt haben.

Am vergangenen Sonntag hat wieder einmal die A. ver Professor Leisegang

sucht, einen Beweis ihrer Existenzberechtigung zu geben, in­dem sie überall im Reiche große Aufmärsche inszenierte, aber diese Paraden machten nicht mehr viel Eindruck, weil man allgemein glaubt, daß die Bedeutung der A. und ihrer Füh­rer vorüber ist. Es flang verdächtig an die letzten Reden Ernst Röhms an, wenn sein Nachfolger als Chef des Stabes, Pg. 2uzze, in Hannover sagte: Wenn man in den letzten Monaten sagte, die SA. sei überflüssig, so darf man darauf sagen: Die Aufgaben, die wir bis jetzt geleistet haben, sind gering zu nennen gegenüber den noch zu er= füllenden."

Größere Aufgaben für die SA. als Ererzieren und ge­legentliches Paradieren, Bespißelung von politischen Geg=

in Zukunft für eine angemessene Unterkunft der Arbeiter bei Außenarbeiten und zur Beseitigung gesundheitsschädigender Einflüsse Vorsorge getroffen wird. Damit werden amtlich wieder einmal, wie so oft, nachträglich unsere Greuel­märchen" bestätigt, daß Arbeiter, die zum Bau von Auto­straßen, Tiefbauten usw. herangezogen wurden, bisher unter denkbar schlechtesten gesundheitlichen Verhältnissen arbeiten mußten,

Ein anderes Gesetz befaßt sich mit der Erweiterung der Befugnisse des Reichskommissars für Preisüberwachung. Das Gesez dehnt die Befugnisse

Dank des Vaterlandes

Professor Dr. Leisegang in Jena , der vor einigen Tagen auf Grund der Verordnung zum Schutze der Regie­rung der nationalen Erhebung gegen heimtückische Angriffe zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde, ist nunmehr aus dem Nationalsozialistischen deutschen Frontkämpferbund ( Stahlhelm) ausgeschlossen worden. Leisegang ist mehrfach verwundeter, mit hohen Orden ausgezeichneter Kriegsteilnehmer. Er gehörte seinerzeit zu den wildesten Gegnern Prosessor Lessings in Hannover .

des Reichskommissars über den Kreis der täglichen Bedarfs­deckung hinaus auf gewerbliche Leistungen und Lieferungen überhaupt. Auch damit hat die Richsregierung selbst zuge= geben, daß ihr Kampf gegen die Kleinhändler und Hausierer praktisch einen Kampf gegen Windmühlen bedeutet. Jetzt soll der Versuch gemacht werden, auch eine Senkung der Roh= stoffpreise und der Fertigwarenerzeugnisse beim Lieferanten herbeizuführen. Der Reichsnährstand ist aber von dieser Maßnahme noch immer nicht berührt, so daß die Lebensmittelpreise weiter auf dem erhöhten Niveau bleiben.