comparethet
Nr. 276 2. Jahrgang
Reklame und Tat
Nach dem Tag der nationalen Solidarität
Der Tag nationaler Solidarität, das heißt die Veranstal fung des Bettel- und Almosensozialismus ist vorüber. Mit erleichtertem Aufatmen verfündete heute abend der Rund: funt, daß keiner der nationalsozialistischen Stars erschossen oder erschlagen worden ist, die zum chrfürchtigen Staunen der von der„ Emigrantenpresse"( ohne die nun einmal feine reichsdeutsche Verlautbarung mehr denkbar ist) belogenen Ausländer„ als Bolfsgenossen unter Volksgenossen" iammelten, Wieviele Schußengel in Uniform und in Zivil nm die Herren herumstanden, wird nicht verraten, inter: essiert uns auch nicht, da keiner von den illegalen Marristen im Reiche beabsichtigt, einen privaten Gerichtstag über irgend einen nationalsozialistischen Führer zu halten. Wie der 30. Juni gezeigt hat, besorgen die Herren das gründlichst unter sich.
Mit Triumph wird verkündet, das Ergebnis dieses Sammeltags sei 3,5 Millionen Reichsmart. Nehmen wir wohl: wollend an, Herr Goebbels , der durch einen überschwenglichen Aufruf dafür dankt, hätte ausnahmsweise die Wahrheit ge= fagt. Stellen wir auch den hohen Prozentsaz, der erfahrungsgemäß, und wie durch hunderte Gerichtsurteile nachzuweisen ist, an den Händen forrupter Hitlerbonzen fleben bleibt, nicht in Rechnung. Dann sind gestern für jeden Unterstützungsbedürftigen, deren es nach amtlichen Verlautbarungen in diesem Winter 17 bis 18 Millionen gibt, etwa 20( zwanzig) Reichspfennige gesammelt worden. Dafür dieses Aufgebot. Dafür die Propaganda. Dafür das Selbstlob der gesamten großen und kleinen Nazibonzokratie.
Man muß demgegenüber einmal daran erinnern, was früher geleistet wurde. Freilich, ohne daß eine riesige und loftspielige Reflameorganisation aufgezogen wurde.
Nus Reichsmitteln sind im Jahre 1931 für die Ber: billigung von Fleisch 18 Mill., für die Verbilligung von Kohle 12 Mill, Mark ausgegeben worden. Daneben lief eine umfangreiche Aktion zur Verbilligung von Brot und Kar: toffeln, sowie für Kohle. Die Brotverbilligung wurde auf fast 7 Millionen Marf angegeben. Die Verbilligung von Kar: toffeln mit 7,5 Millionen. Die Kohlenverbilligung erreichte gar 17 Mill. Marf. Allein durch diese Maßnahmen, die nur ein Teil der ganzen Aktion waren, sind mehr als 60 Millionen Marf gegeben worden. Und zwar in einer Art und Weise, die jeder spürte, auf die jeder ein Recht hatte und für die er nicht zu betteln brauchte. Ein Hilfsbedürftiger 3. B. in Berlin befam eine Verbilligung von Brot von 4 Pfg. pro Kopf und Woche. Die Kartoffeln wurden um 70 bis 80 Pfennige pro Zentner verbilligt. Je Kopf und Monat wurden 50 Pfund Kartoffeln gewährt. Bei Fleisch gab es eine Ver: billigung um 30 Pfennige, für je ein Pfund Fleisch wöchent: lich. Die Verbilligung bei Kohle betrug 40 bis 50 Pfennige pro Zentner. Jede Familie erhielt einen Zentner im Monat. Die Lebenshaltung einer Familie wurde durch diese Maßnahmen in den Wintermonaten um folgende Beträge verbilligt:
pro Woche um 0,16 Mark pro Woche um 0,40 Mart pro Woche um 1,20 Marf pro Woche um 0,25 Mark
der Verbrauch an Brot der Verbrauch an Kartoffeln der Berbrauch an Fleisch der Verbrauch an Kohlen 2,01 Mark wöchentlich oder 52,26 Mart im Winterhalbjahr war also die Verbilligung, die allein auf Grund dieser Aktion des Reiches jedem Silfsbedürftigen zuteil wurde. Das Natio: nalsozialistische Winterhilfswerk hatte im Jahre 1933 Leistungen, die nur einen Betrag von 20,85 Mart pro Kopf erreichten. In früheren Jahren zahlten aber viele Ge= meinden Weihnachtsbeihilfen in barem Gelde, 10, 20, 30, ja bis 50 Mark die Familie. Auch die Invalidens, Alters: und Unfallrentner haben mehrere Jahre Weihnachtsbeihilfen erhalten. Für alle diese Leistungen brauchte niemand zu betteln. Die Mittel wurden den öffentlichen Kassen ent: nommen und nicht an den Straßenecken erbettelt oder aus der Lohntüte gestohlen. Hohe Vermögens: und Einkommen: fteuern, Stenern auf den Verbrauch von Lurusgegenständen forgten dafür, daß die Reichen herangezogen wurden.
Versammlungswelle
an der Saar
Gesunkenes
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Durchschnittseinkommen
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Entbindungsanstalten
sind Luxus
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Das Eintreffen von Rudolf He ß, dem Stellvertreter des„ Führers, wird in den nächsten Tagen, vielleicht schon morgen, in Paris erwartet. Er hat anfündigen lassen, daß er nur in seiner Eigenschaft als ehemaliger Frontkämpfer französische Kriegsteilnehmer besuchen will und keineswegs. mit offiziellen Aufträgen fomme. Die französische Regierung dürfte infolgedessen von der Anwesenheit des Herrn Rudolf Heß nicht Notiz nehmen, jedoch ist nicht ausgeschlossen, daß er, einmal in Paris , dennoch versuchen wird, mit französischen Ministern in Fühlung zu kommen, wie das auch Herr von Ribbentrop bei seinem letzten Besuch getan hat.
Die Reise von Rudolf Heß erwidert den Besuch, den der französische Deputierte Goy und der Pariser Stadtrat Monnier bei Adolf Hitler gemacht haben. Die beiden Herren hatten feinerlei Auftrag, dem Führer Erklärungen abzugeben, und zudem ist Herr Monnier ein übelbeleumundeter Mann.
Er war Verwaltungsrat der Banque Centrale du Com= merce, die nach verschiedenen Betrügereien liquidieren mußte. Er hatte, wie ihm vor Gericht nachgewiesen wurde, Berbindungen einesteils mit der Suete Generale, deren Spizzel er war, und in derselben Zeit mit einem gewissen Holzmann, feinem Freunde und seinem Compagnon, ber von Zeit zu Zeit ins Gefängnis geht und wieder heraus: kommt, dessen Nationalität übrigens wandlungsfähig ist, und der eine Menge Gefängnisse in den verschiedenen Län: dern Europas frequentiert hat. Dieses Subickt hat der " Führer" und Reichskanzler des Deutschen Reiches zu sich eingeladen, um ihn als Friedensboten nach Frankreich zu schicken.
Hier weiß man sehr wohl, daß der„ Aegypter" Rudolf Heß nicht das Recht hat, für die deutschen Frontkämpfer zu sprechen, auch wenn er einer der vielen Kriegsteilnehmer war. Er vertritt lediglich von der NSDAP . abhängige bezahlte Parteiangestellte, zu denen er selbst gehört. Die früheren deutschen Frontfämpferorganisationen, die schon seit einer Reihe von Jahren nicht nur Verbindungen mit ihren französischen Bruderorganisationen hatten, sondern mi: ihnen in der Giamac international zusammengeschlossen waren, bis Hitler auch diesen Bund zerschlug, egistieren nicht mehr. Die Führer dieser Kriegsteilnehmer und Vorfämpfer der Verständigungspolitif wurden in die Konzentrationslager geschleppt, wenn sie nicht vorher schon getötet wurden. Die französischen Kriegsteilnehmer sollten Herrn Heß , der mit seiner Frontfämpfereigenschaft paradiert, fragen, warum er, als der neben dem Führer mächtigste Mann, nicht endlich die deutschen Frontfämpfer und Pazifisten in Freiheit setzt. Ein Mann, der mitschuldig ist an der Einterferung und Folterung von Frontkämpfern und Friedensfreunden, wie Dr. Mierendorff, Dr. Schumacher, Ernst Heilmann ( alle drei Kriegsbeschädigte), Ludwig Menn, Offietky, Süfter, Thälmann und vielen anderen, ist nicht befugt, als Verstän digungspolitiker aufzutreten.
Rudolf Heß hat soeben in einer Rede in Bochum , die von der französischen Presse fommentarlos wiedergegeben wird, u. a. gesagt:
Wir Deutschen sind heute nicht mehr der Meinung, daß Frankreich , wie wir es besonders zur Zeit des Ruhreinbruches glauben mußten, die Vernichtung unseres Landes mit allen Mitteln betreibt,
Nachdem schon Goebbels einmal das Buch des sogenannten „ Führers" mit der Haft psychose des Verfassers erklärt hat, macht nun Heß einen neuen Versuch, das kriegshezzerische und franzosenfresserische Werf„ Mein Kampi" mit einer Handbewegung abzutun. Die erwähnte Stelle der Rede von
Auch die private Wohltätigkeit tat ihr Bestes. So die sozia: listische Arbeiterwohlfahrt und die christliche Karitas, und zu alledem kamen noch die Gewerkschaften und die vielen nossinnen halfen. Nur schrie das niemand in die Welt hinaus. Voriges Jahr noch ließen sich Millionen Volksgenossen durch den Goebbelsschen Propagandaschwindel täuschen. Inzwischen aber hat man auch im Reiche längst wieder Ver aleich anzustellen gelernt zwischen jetzt und früher, und das Ergebnis ist:
fonftigen Arbeiterorganisationen, die ihren Genofen und Ge- BORzentod im Auto
Früher wurde wirksam und still geholfen. Jetzt wird lärmend Reklame gemacht für die überfütterte Partei: und Staatsbonzokratie. Die Not wird mit ein paar Bettel: pfennigen abgeipeist, und das Elend der hungernden Frauen und Kinder ist gerade gut genug, um der Parteipropaganda und der Ruhmsucht der nationalsozialistischen Parteibeamten zu dienen, von Göring und Goebbels bis herab zum letzten forrupten Hitlerbonzen,
Weimar , 9. Dez. Der Gauleiter von Thüringen teilt mit: Samstag abend verschied der SA.- Gruppenführer und thüringische Staatsrat Dr. Gustav Zunfel an den Folgen eines schweren Autounfalls. Er beabsichtigte, mit seinem Kraftwagen zur Ausübung seiner Sammeltätigkeit anläßlich des Tages der nationalen Solidarität nach Apolda zu fahren. Sein Wagen geriet am Ausgang der Stadt Weimar , am Flughafen, infolge der Glätte der Straße ins Schleudern und schlug mit der rechten Hinterseite, wo unglücklicherweise der Gruppenführer saß, gegen eienn starken Baum. Zunkel wurde aus dem Wagen geschleudert und siel so unglücklich, daß er einen schweren Schädelbasisbruch erlitt. Es trat im Gehirn eine innere Blutung ein, dazu kam Atem= lähmung und Herzschwäche, die dann den Tod herbeiführte.
Dr.
Heß will nämlich nichts anderes, als Hitlers Schundbuch damit zu erklären, daß er es unter den Einwirkungen des Ruhrkampfes geschrieben habe. Das ist in mehrfacher Beziehung ein neuer, grober Schwindel. Hitler hat das Buch erst ein Jahr nach dem Ruhreinbruch geschrieben und hat es später unter genauer Kenntnis der von ihm mit leidenschaft= lichem Haß befämpiten Verständigungs- und Pat: politik nicht nur aufrechterhalten, sondern ergänzt. In der uns vorliegenden 68. Auflage, die im Jahre 1933 gedruckt ist, sind nicht nur die bekannten wüsten Beschimpfungen gegen das„ vernegerte" und„ bastardierte“ Frankreich enthalten, dessen Vernichtung als nächstes Ziel der Politik des„ dritten Reiches" proklamiert wird, sondern wird auch jede Verständigungspolitik mit Die Locarno = Hohn und Wut abgelehnt.
politik wird von dem deutschen Führer und Reichskanzler als feige Unterwerfung einer ehr- und charakter= los gewordenen Nation beschimpft. Adol Hitler sagt auf Seite 761 feines elenden Machwerks von den deutschen Staatsmännern der Locarnopolitik, die er jetzt zu kopieren und pazifistisch zu übertrumpfen versucht: „ Da die Leitung unserer Geschicke seit Kriegsende, nunmehr ganz unverhüllt, durch Juden besorgt wird, kann man wirtlich nicht annehmen, daß nur fehlerhafte Erfenntnis die Ursache unseres Unglücks sei, sondern man muß im Gegenteil der Ueberzeugung sein, daß bewußte Absicht unser Bolk zugrunde richtet. Und sowie man erst von diesem Gesichtspunkt aus den scheinbaren Wahnsinn der außenpolitischen Leitung unseres Volfes überprüft, enthüllt er fich als höchst raffinierte, eisigkalte Logit im Dienste des jüdischen Welteroberungsgebanteng und-kampfes." Das ganze Kapitel über die Locarnopolitif wimmelt von Schimpfworten über die feigen Staatsmänner und die ,, parlamentarischen Strohtöpfe", über die Minister als windigste Murkser", weil sie Ver= sklavungsdelikte, wie den Vertrag von Locarno , geschlossen haben. Wir verzichten darauf, weitere Beweise der geistigen Verfassung und des Bildungsgrades von Adolf Hitler zu geben.
Dieses wüste Buch aber ist eben erst, dicht vor der Friedensreise von Rudolf Heß , durch einen Erlaß des Reichsunterrichtsministers Rust für immer als die Grundlage des Unterrichts für die deutsche Schul= jugend bestimmt worden. Das aber und noch nicht einmal so sehr die materielle Ausrüstung ist das EntGeneration des scheidende: die ganze heranwachsende deutschen Volfes wird in einem haßerfüllten rachsüchtigen Kriegsgeiste erzogen, der gefährlicher ist als Flugzeuge und Tanks, und der Urheber dieses blutigen Ungeistes ist und bleibt der deutsche Führer" und Reichskanzler Adolf Hitler , dessen rohes Buch für immer ein Zeugnis dafür bleiben wird, in wie tiefe Barbarei Teile des deutschen Volkes wider den heiligen Geist einer großen Kulturnation durch Landsknechtsführer und Demagogen gestoßen werden konnten.
Nach vielen Befundungen in dem rohen Bekenntnisbuche Adolf Hitlers haben seine ganze Marristens und Judens verfolgungen zuletzt außenpolitische und Triegerische Gründe. Er schreibt mit klarer Deutlichkeit, daß Deutsch land erst von diesen inneren Feinden gesäubert werden müsse, che der Kampf nach außen vorgetragen werden fönne.
Selbst wenn Hitler zu der außenpolitischen Kriecherei, die er seit Jahr und Tag betreibt, nun auch noch die unvor= stellbare Selbstdemütigung einer Scheiterhaufenverbrennung seines fürchterlichen Buches hinzufügen würde, hätte sich nichts geändert. Die von ihm gegründete und geführte natio= nalsozialistische Bewegung muß sich in den Gesetzen vollenden, nach denen sie angetreten ist: Haß, Terror, Gewalt, Krieg. Sehr viele unterrichtete Franzosen wissen das sehr wohl, und sie suchen das andere Deutschland , das nicht von Hitler repräsentiert wird. Es wird auch mehr und mehr darauf hingewiesen, daß das außenpolitische Bekenntnis Lavals in der französischen Kammer bei aller Höflichkeit der Form sich nicht von denen Barthous unterscheiden. Frankreich were die vertragswidrige Ausrüstung des„ dritten Reiches" nicht anerkennen und sich nicht mit der vollendeten Tatsache ab= finden. Auch Laval verweise Deutschland auf die Verhandlungen im Völkerbund. Es sei das im Grunde eine höfliche aber entschiedene Ablehnung des Standpunktes, en Baldwin als Sprecher der englischen Regierung im Unierhause vertreten habe. Auch müsse Frankreich die nötige Rid sicht auf seinen neuen russischen Verbündeten nehmen. Das sind die Stimmungen, in denen Frankreich den Stellvertreter des„ Führers" erwartet,