Deutsche Stimmen Beilage zur Deutsɗfien Freiheit

Samstag, den 15. Dezember 1934

Kindsweihe unterm goldenen Rad

Die Sippe singt sabbernd zuc Sonne

95

Nicht erschrecken! Die Deutschgläubigen" sind zwar Heiden, aber Menschen wurden bei der ersten Namens­weihe" in Berlin nicht geopfert. Professor Hauer, der Führer der Deutschen Glaubensbewegung, war auch nicht in aligermanischer Tracht erschienen, sondern im Zivil des zwanzigsten Jahrhunderts. Die übrigen Gäste waren zum großen Teil in nationalsozialistischen Parteiuniformen. Das Podium prangte in reichem Blumenschmuck. An den Wän­den hingen Hakenkreuzfahnen. In der Mitte des Podiums erhebt sich ein hoher Sockel, der in eine Fahne der Deut­schen Glaubensbewegung gehüllt ist: blaues Tuch mit einem goldenen Sonnenrad, einer Abwandlung des Hakenkreuzes. Darauf eine flache Opferschale. Vor dem merkwürdigen Sockel ein blumengeschmückter Korb. Im Korb: ein Baby... Die Anhänger der Deutschen Glaubensbewegung ver­werfen das christliche Ritual. Professor Hauer war persön­lich erschienen, um dem Akt ein besonderes Gepräge zu geben. Ein Trio: Klavier. Geige, Cello, begann die Es- Dur­Serenade von Haydn zu spielen. Haydn für Heiden?! Doch keine Zeit für Ueberlegungen! Schon wimmelt Menschen, sie umringen das Baby, das nicht..Hurra! ein Junge!", sondern ein Mädel ist. Jetzt steht der Zeremonien­meister auf dem Sockel und zündet in der Opferschale Feuer an. Wenige Sekunden nur, und Flammen lodern empor: die Weihe kann beginnen. Der Sprecher beginnt mit dem Versspruch in feierlichem Pathos:

Sonnenverwandte Heilige Flamme

Schlage empor!

Reinheit und Ehre Sollst du bedeuten, Leuchtend dem Kinde Im Dunkel der Nacht. Brennende Liebe Sollst du entzünden, Liebe zur Heimat,

Zu Sippe und Volk!

es von

Eine Sprecherin, sie vertritt die Weiblichkeit, das Mütter­lichkeitsprinzip, fährt fort:

... wir stören nicht, wir lassen sich entfalten. Was keimend und noch bang verschlossen ruht, Und schau'n mit Andacht, wie sie sich gestalten Und heftig hin zur Blüte treibt das Blut. Professor Hauer tritt jetzt vor die brennende Opferschale, um die Weiherede zu halten. ,, Wir wollen geloben," sagt

Ein Palestina- Buch

Erich Gottgetreu . Das Land der Söhne. Palästina nahe gerückt. Verlag der Buchhandlung Richard Lanyi, Wien .

Erich Gottgetreu ist den Lesern der..Deutschen Freiheit" kein Fremder. Manche der in seinem Buch gegebenen Schil­derungen aus dem Land zwischen Euphrat und Tigris sind hier bereits abgedruckt worden. Jetzt hat er seine zahl­reichen Feuilletons, in denen er seine Eindrücke vom Hei­ligen Lande wiedergibt, zusammengefaßt zu einem Buch, für das ihm alle dankbar sein müssen, deren Sehnsucht heute über Berge und Meere zu den jüdischen Brüdern und Schwestern hinwandert, denen blindwütender Rassenhaẞ die deutsche Heimat geraubt hat, und die nun die alte, an­gestammte Heimat wiedergefunden haben, die ihre Väter einst verließen als Pioniere einer Lehre, die die Welt er­oberte, und in die die Söhne heute zurückkehren, um ,, als freies Volk auf freiem Boden" zu leben.

Erich Gottgetreu ist ein Plastiker, der aus Worten ein packendes, hinreißendes Kunstwerk formt. Wir folgen ihm, dem Palästinawanderer, vom Berliner Kurfürstendamm bis zu seiner ersten Raststätte in Palästina, der alten Siedlung En- Harod. Wir erleben mit ihm Erez Jisrael, das Land der Väter, das nun das Land der Söhne werden soll. Wir folgen ihm auf seinen Streifzügen durch das Land, und mit jeder Seite, die wir in dem Buche blättern, werden wir heimischer in dem Lande, werden uns die Gestalten vertrauter, die es beleben. Wir sehen sie vor uns, die jugendlichen Einwan­derer, die im Schweiße ihres Angesichts den Boden bestellen,

Das Heiligste vied entweiht Mehr als peinliche Minuten...

Aus der ,, Westfälischen Landeszeitung" vom 7. Dezember: ,, Es ist beschämend, daß immer noch Verhaltungsmaß­regeln erlassen werden müssen, daß jeder Deutsche beim Erklingen der Nationalhymne oder des Horst­Wessel- Liedes sich von seinem Platz zu erheben hat. In den meisten Fällen werden Verstöße gegen dieses selbst­verständliche Gebot in Wirtshäusern begangen, und das zwingt zu energischer Stellungnahme. Im Wirtshaus haben diese beiden Hymnen überhaupt nichts zu suchen! Hier wünschen sie häufig in ,, Stimmung" geratene Gäste, und das allein sollte einen Gaststättenbesitzer von sich aus bestim­men, seine Musiker vom Spielen der geforderten Lieder ab­zuhalten. Den Gästen gegenüber ist hierbei nicht einmal Mut zu beweisen, sondern etwas Takt dürfte genügen, ihren Patriotismus" zu dämpfen. Es ist falsch verstandene Vaterlandsliebe, wenn man vor mehr oder minder trunkenen Hörern diese Weisen erklingen läßt, sie sind schließlich das Heiligste, was wir Deutschen im Lied haben.

Ein Vorgehen gegen die erwähnte Geschmacklosigkeit würde zudem die Scham ersparen, daß torkelnde Bierbank­politiker schwankend aufstehen und möglichst mit erhobe­nen Biertöpfen in der Hand in umnebeltem Zustand ihr

er ,,, das zu tun, was wir vermögen, daß dieses Kind heran­wachse zu der Schar der Erlesenen, daß es werde, was sein Name sagt: Almut, die Edelmütige.... Der Geist unserer Ahnen walte über dir! Die Frauen alle, die Germaniens Größe mitgestaltet, helfend seien sie dir nahe! Der ewige Wille des Reiches durchdringe und lenke dich, bis du das Ziel ereichst, das dir bestimmt, zum Heile deines Volkes. Heil dir!"

Der Moment der Aufnahme des Kindes in die Sippe ist gekommen. Der Vater selbst nimmt aus den Händen der Mutter das Kind in Empfang und spricht Weiheworte. Dana erschallt in Versmaß ein Sprechchor:

Sippe sind wir Neuen Genossen,

Artrein entsprossen.

Sippe! Ich künde Nordischem Blut! Gebunden im Blute,

Vom Ahnherrn zum Enkel Des Ewigen Weg!

Gruß dir! Klein- Almut, Glied in der Kette Deutscher Geschwister!

Ahnfrau du werde Starker Geschlechter, Wahrend der Stolzen Stolzeste Art!

Alle Anwesenden fallen ein:

Wir sind das deutsche Volk. Wir sind der Wald, aus dessen Dunkel Der starken Stämme Kraft zum Lichte ringt. So nimmt dich Deutschland auf in seine Reihen. Du sollst in uns nur deutsche Brüder finden! Wir alle stehen zu dir in deiner Not! Dein Leid. Du sollst es uns und keinem Priester künden! Zum Schluß meldet sich noch einmal die Sprecherin: Mein Kind, tritt ein ins Leben,

Es wird dir Sturm und Sonne geben.

Das schwärzeste Gewölk vertreibt ein frischer Wind, Die Sonne lacht doch stets dem artgesunden Kind. Frei sollst du sein in deinem Handeln,

Kein fremder Geist soll dich verwandeln. Deutsch liebst du Volk und Heimat, Hof und Stern. Deutsch sei dein Glaube nicht aus fremder Fern. Die deutschen Märchen sollen deine Seele weiten, Die Großen deines Volkes dich geleiten.

-

und deren Traum es noch vor kurzer Zeit war, nach bestan­denem Abiturium die Universttät zu beziehen; Aerzte, Rechtsanwälte, Kaufleute. die vielleicht zuvor nie eine Sichel oder einen Pflug betrachtet haben, bewähren sich als tapfere, landwirtschaftliche Arbeiter. Die Orangenernte ist in vollem Gang. Es fehlt an Arbeitskräften. Da kommt es zur Revolte auf der Schulbank", die Schulklassen leeren sich, ebenso wie Maurer, Schuster und Schneider bewährt sich die Schuljugend bei der Erntearbeit. Ein Singen und Klingen geht durch das ganze Buch, das wir nicht aus der Hand legen, bevor wir das letzte Blatt gelesen haben. Auf diesem letzten Blatt wird uns erzählt, wie man in Haifa das Wochenfest, das Fest der Erstlinge, feiert.

,, Auf einer Tribüne am Ende der Herzl- Straße steht Ussischkin , der Präsident des Keren- Kajemeth. Abgesandte der Kolonien bringen dem verehrten Bodenvater des Landes die Frucht der Arbeit dar wie vor Jahrtausenden ihre Ahnen den Zehnten dem Priester....

Jetzt singen sie die Hatikwah. Und die nächste Minute webt einen Schleier über die lärmende Straße: Ussischkin

spricht. Eine Taube hält er in der Hand:

..In vielen Farben schimmert das jüdische Volk wie diese Taube. Frei, ganz frei zu sein, sehnt sich das jüdische Volk wie diese Taube.... Es wird frei sein wie diese friedliche Taube."

-

Und da fliegt der Vogel hoch die Blicke folgen ihm nur noch den Himmel."

über die jubelnde Menge aber jetzt sehen wir

,, Herz" entdecken. Fernerhin würden dann restlos Betrun­kene nicht vergeblich zum Aufstehen aufgefordert werden müssen, denn um solche handelt es sich meist, die sich davor weigern. Das sei einmal schärfstens betont, vor allen Dingen Lesern ausländischer Zeitungen gegenüber, die die Notwen­digkeit von Erlassen über ,, Aufstehen beim Erklingen der Nationalhymne" nie begreifen werden! Also: Das Deutsch­landlied und das Horst- Wessel- Lied gehören nicht in Gast­

stätten.

Im Anschluß hieran sei ein Ereignis gestreift, das man vor einigen Tagen in Berlin erleben konnte. Ein Kammer­musik- Quartett spielte die ,, Kaiservariationen" von Haydn , die bekanntlich das Deutschlandlied zum Thema haben. Beim Erklingen der ersten Takte erhoben sich ganze Reihen von Anwesenden und schimpften auf die Sitzen­bleibenden. Die Sitzengebliebenen spöttelten über die Ste­henden, es waren mehr als peinliche Minuten, wobei betont werden muß, daß sich das alles unter Men­schen abspielte, die zur Elite" gehören wollen.

Man erspare uns künftig derartige Vorgänge. Die ,, Kaiser­variationen" sind ein Kammermusikwerk, das man sich ohne Gewissensbisse im Siten anhören darf! Es wird gebeten, hier etwas aufklärend zu wirken. Mit 150 Prozent geht es ebenso wenig wie mit 5 Prozent!"

.

freignisse und Geschiciten

Jüppchen berichte Magda

,, Magdalena, schnell die Limonade! Jottseidank, der Rummel ist vorbei. Lieber zehnmal BDM.- Parade Als noch einmal diese Bettelei.

Also: Wie ich da am Adlon ankam ( Links Gestapo, rechts das Militär) Und die Menge ziemlich dicht herankam, Hatt' ich Angst ich sei zu populär.

-

Der Chauffeur blieb auch in meiner Nähe, Die Bereitschaft hatte Hoch- Alarm. Mein SS. - Schutz sprach, wenn er was sähe, Nähm er mich beizeiten untern Arm.

Und dann kamen die genau Gesiebten Ganz spontan auf meine Büchse zu Und sie spendeten. weil sie mich liebten ( Doch legten nachher noch was zu!)

Dann kam ich der Polizei abhanden, Weil sie drinnen mich beim Tee geglaubt. Einer schrie, eh sie mich wieder fanden: ..Juden is det Sammeln nich erlaubt!".

Doch ich ging zu Fuß. Das will was heißen. Ueber mir stand Bürgermeister Sahm. Und dann wollte einer Blumen schmeißen. ( Ob der Werfer wohl von Heimann kam?!)

-

Eine Dame sagte: Komm mol, Kleener." Und ich sehnte mich nach meinem Benz, Als ein Bettler, echter Spree - Athener , Meinte: ,, Ihr seid schofle Konkurrenz!"

Dann hab ich mich schnell hinwegbegeben, Denn es gab Gelächter und Applaus. Nächstes Jahr( wenn wir es noch erleben) Schro ich liter doch vom Auto aus!"

Henning Luderstadt.

Proleten zu Pferde

Die Arbeiter, denen man alle Rechte genommen hat, sollen jetzt ein neues Recht erhalten, nämlich das Recht zu sterben. Das Reiten soll, wie der Pressedienst von Kraft durch Freude " meldet, von nun an nicht mehr das Vorrecht des Herrenklubs sein. Bei näherer Ueberlegung stellt sich aller­dings heraus, daß dieses Recht auf das Reiten kein Recht auf Freude, kein Recht auf Leben, sondern nur die Erlaubnis zum Sterben ist.

Denn diese Geschichte mit den Reitfreuden hat einen von Haben wir nicht schon Leuten des Hintergrund. ,, Systems" gehört, der Reitsport müsse aufhören, ein Privat­luxus zu sein? Ja, der General von Seeckt z. B. hat in seinem Buch Gedanken eines Soldaten" in diesem Sinne Stellung genommen. Allerdings hat er seine Sache sachlicher verfoch­ten und aus einer militärischen Notwendigkeit keine Soziali­sierung des Pferdesports und Befreiung des Arbeiters ge­macht. Er sagte damals, schon einige Jahre vor der nationalen Eehebung:

..Es ist durchaus unerwünscht, wenn die Reiter von privater Hilfe abhängig werden, oder wenn das Reiten eine Frage des Geldbeutels wird. Hierzu gehört freilich die Ueberzeugung, daß der Reitsport kein Privatluxus, son­dern ein unentbehrlicher Faktor bei der Ausbildung der Armee ist..."( S. 133-135.)

Dieser General der., November- Ohl" war doch ein famoser ..Nationalsozialist"! Reitsport hier, Reitsport dort. es ist nichts weiter als die Militarisierung des Volkes. Jeder darf sterben!

zu.

Aber hat das Pferd militärisch nicht ausgespielt, nachdem die Heere motorisiert werden? Gehört die Kavallerie nicht der Vergangenheit an? Gewiß, die Zeit der Verwendung großer, geschlossener Kavalleriekörper ist vorbei, aber im neuen Heeressystem fallen der Kavallerie neue Funktionen Das Prinzip moderner Kriegsführung ist schnelle und plötzliche Entscheidungsschlacht. Bewegung ist Sieg! Den Motorfahrzeugen stehen da gewisse Schwierigkeiten ent­gegen. Gut ausgebautes Straßennetz, sichere Brücken, nicht zu große Höhen, Möglichkeit der Oelzufuhr usw. sind Voraus­setzungen, an die das Motorfahrzeug gebunden ist. Der Tank ohne Oel ist wertlos, Pferde aber sind sehr leicht zu er­nähren, weil sie außerordentlich genügsam sind. Pferde sind also militärisch notwendig. In technisch und industriell weniger entwickelten Ländern spielen sie eine ganz besondere Rolle. Trotzki sieht den schwachen Punkt in der Versorgung der Roten Armee gegenwärtig im Mangel an Pferden... Wie zu Napoleons Zeiten braucht die Armee auch heute noch für je drei Soldaten ein Pferd."

Die moderne Kavallerie erfordert sehr qualifizierte Men­schen, weil der Kavallerist eine Art Infanterist zu Pferde ist und darum sehr vielseitig ausgebildet werden muß. Darum suchen sie den Arbeiter!

Wohlauf Proleten, aufs Pferd aufs Pferd! Ihr seid des Herrenklubs Erben, Er hat sich vom Reiten abgekehrt, Denn ihr seid besser zum Sterben!

Aber Schiller!

W.

,, Ein Wesenszug begegnet uns zunächst, worin wir dem heutigen Schiller wesentlich ferner stehen: Es ist seine scharfe Trennung der geistig- willensgemäßen und der sinn­lich- triebhaften Natur des Menschen und die damit bundene Hochwertung des Geistig- Vernunftgemäßen."

ver­

Aus ,, Schiller und die Gegenwart" von Walter Linden in der Zeitschrift für Deuts