Nr. 281

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- 2. Jahrgang

Fretheil

Einzige unabhängige Tageszeitung Deutschlands

Saarbrücken, Sonntag, Montag, 16. 17. Dezember 1934 Chefredakteur: M. Braun

Das Programm der Einheitsfront

nach dem 13. Januar

Seite 3

Sieg der alten Kämpfer" des Kapitalismus

Die Umsiedlungsaktion

in Walhall

Seite 4

Seite 7

Minister Rusts Geschäfte

Ein Korruptionsgesetz für ,, alte Kämpfer"

Berlin , 15. Dezember.

In dem Bündel von Gesetzen, das das Reichskabineti in seiner wahrscheinlich letzten Sizung dieses Jahres eben dem neuen Gesetz zur Unterdrückung der Oppofition in den eigenen Reihen der NSDAP. durch Zuchthaus und Schalott beschlossen hat, befindet sich eines mit ganz eigenartigem zivilrechtlichem Inhalt. Das amtliche Kommunique te: lt Par­über etwas verschwommene Angaben mit:

Zunächst wurde ein Gesetz über de nAusgleich bürgerlich­rechtlicher Ansprüche genehmigt. Der nationalsozialistische Staat fordert von dem einzelnen Volksgenossen ein hohes Maß von Opferbereitschaft zum Besten des Ganzen. Ein leuchtendes Beispiel dieser Opferwilligkeit sind die zahlosen Opfer an Blut und Vermögen, die im Kampfe um die nationalsozialistische Erhebung von den alten Kämpfern der NSDAP gebracht worden sind. Des­halb muß jeder einzelne gewisse Nachteile, die ihm durch politische Vorgänge dieser Erhebung erwachsen find, im Interesse der Gesamtheit grundsätzlich selbst auf sich nehmen. Lediglich für außergewöhnliche Schäden, deren Tragung ihm nach gesundem Empfinden billigerweise nicht allein zn= zumuten ist, kann der Volksgenosse einen ge= wissen Ausgleich beanspruchen. Dieser Aus­gleich kann ihm nach dem hente angenommenen Gesetz über den Ausgleich bürgerlich- rechtlicher Ansprüche unter be: stimmten Voraussetzungen und in einem besonders vor= gesehenen Verfahren zn Lasten der Allgemein heit gewährt werden, doch ist die Anwendung des Gesetzes ausdrücklich auf Vorgänge beschränkt, die sich bis zum 2. August 1934 ereignet haben. Es handelt sich also um die Zuwendung von. Ver­mögensvorteilen für besonders ausgesuchte und bei der Reichsregierung in gutem Ansehen stehende sogenannte ,, alte Kämpfer". 3u asten der Allgemeinheit" sollen finanzielle Zuwendungen, über deren Höhe und Art zunächst nichts gesagt wird. für rein parteipolitische Ver­dienste" gewährt werden. Ob es sich um Penfionen, Renten oder um Abfindungssummen oder um alle diese Zu­wendungen handelt, wird nicht gesagt. Sicher ist jedenfalls, daß sich die Reichsregierung mit diesem Gesetz ein neues Kor­ruptionsgebiet erichlosen hat. Die alten Kämpfer" werden auf eine Art politischen Bestechunaskonds hingewiesen, an dem sie nur dann beteiligt werden sollen, wenn sie sich allzeit demütig dem Willen der Herrschenden unterwerfen.

In diesem Zusammenhang interessiert auch die Frage, wie diejenigen Parteigenossen entschädigt werden, die als Grün­der und Besitzer von Parteizeitungen diese in den Besitz der Partei überführen müssen. Der Fall Brückner hat demt Führer wieder einmal gezeigt, welche Gefahr nationalsozia= listische Zeitungen sind, die sich im Besitz von hohen national­sozialistischen Würdenträgern befinden, denn durch diese öffentlichen Sprachrohre erhalten diese nationalsozialistischen Provinzführer einen Einfluß, den ihnen die Berliner Zen­trale nicht gewähren möchte. Das gilt auch für Julius Streicher , dessen Zeitungen, insbesondere der Stürmer", längst zu den Anstößigfeiten des Systems gehören,

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Die SS. entwaffnet! Voller Sieg der Reichswehr

Berlin , 15. Dezember. General von Fritsch als Chef der Obersten Heeresleitung drängt den fräuflichen Reichswehrminister von Blomberg mehr und mehr zur Seite, Innenpolitisch und außenpolitisch

Wie wird man Millionär? sezen sich die konservativen Ziele durch, die General von

Daß solche Zeitungsverfäufe von alten Kämpfern" an die NSDAP , hinter der in solchen Fällen direkt oder indirekt die Staatsfassen stehen, mit gewaltigen Gewinnen für den Ver­fäufer abschließen können, zeigt der Fall des preußischen Kul­tusministers Rust , über den uns aus der Umgebung des Stellvertreters des Führers, Rudolf Heß , folgender Be­richt zugeht:

Rust , der vor einigen Jahren den Schuldienst quittieren mußte, weil er nach ärztlichem Urteil für diese Tätigkeit geistig nicht mehr genügend intakt war, hat damals zusammen mit einem Herrn Behrendt das Stammkapital von 13 000 Reichsmart für das nationalsozialistische Parteiblatt Nieders sachsens, die Niedersächsische Tageszeitung" ( NTZ.) aufgebracht. Herr Rust war mit 7000 und Herr Behrendt mit 6000 Reichsmark beteiligt. Bei dem jezigen Verkauf an die Partei hat sich der vielbeschäftigte Reichs­minister natürlich dieser kleinen Einzelheiten nicht mehr er­innert. Es wurde bei dem Geschäft lediglich auf den jezigen

Wert der Zeitung gesehen. Da die Druckerei inzwischen aber die Maschinenparks des einstigen sozialdemokratischen Bolts

willens" in Hannover nationalsozialisiert" hat, ist dank der revolutionären Verdienste des Herrn Rust und seiner Schlagetots das einstige Käseblättchen mit seiner damaligen Winkeldruckerei eine gehörige Summe wert. So erhielt denn Serr Rust von der NSDAP für seine Zeitung die schöne runde Summe von 1200 000 Reichs marf( in Worten: eine Million zweihunderttausend Reichsmark) ausgezahlt. Für die Partei und für Herrn Rust war damit die Ange= legenheit geschäftlich fanber erledigt, bis eines Tages bei Herrn Heß, dem Stellvertreter des Führers", ein aufge: regter und schimpfender alter Kämpfer" erschien und Herrn Rust mit Worten belegte, die sonst nur in der Unterwelt üblich sind. Allmählich fam Herr Heß hinter folgenden Tats bestand:

Herr Rust hat, nachdem er die Riesenkaufsumme aus der Kasse der Partei oder der des Staates, denn Partei und Staat sind ja eins, einfassiert hatte, seinem Kompagnon Behrendt, der einst 45 v. S. des Kapitals geleistet hatte, tren und brav mit den alten 6000 Reichsmart abgefunden. Eine wahrhaft brüderliche Teilung! Der alte Kämpfer" Behrendt forderte nun von Heß einen Druck auf Rust , dem Mitinhaber der Zeitungsfirma ein Anteil von etwa 500 000 Reichsmart aus: zuzahlen. Rudolf Heß machte sich start, diese Forderung, die selbst innerhalb des Klubs Immertren" als berechtigt gelten dürfte, bei Rust durchzusetzen. Einigermaßen beruhigt fuhr der alte Kämpfer" ab. Schließlich, so dürfte er gedacht haben, hat man doch das Eigentum sozialdemokratischer Arbeiter nicht nur für Herrn Rust allein gestohlen.

Inzwischen sind allerdings einige Wochen ins Land ge= gangen, ohne daß Herr Behrendt den erwarteten Scheck von Herr Rust erhalten hätte.

Vielleicht kann das neueste Gesetz den peinlichen Zwischen: fall beenden, indem man Herrn Behrendt für seine Verdienste um die gute Sache aus Reichsmitteln entschädigt."

Verschwörernest der russischen Weißgardisten

Fürst" Awalow- Bermond steht an ihrer Spitze

Von unserem Korrespondenten

Paris , 15. Dezember.

Die Humanite" macht im Zusammenhang mit der Er­mordung Airows folgende Enthüllungen über die Tätig­feit ruifischer Weißgardisten in Berlin :

Der Machtantritt Hitlers und seiner Nazimörder ist von den weißen Emigranten begeistert begrüßt worden. Sofort seien russische nationaliozialistische Organisationen gebildet worden, die in direkter Abhängigkeit von den Naziführern des Reiches ständen.

Die Organisation der russischen Nazis führte ansangs die Bezeichnung Rond", die Abkürzung für..Rossiiskoié natzio­nal- sotzialistitcheskoie dvijénié". Ihr Führer war A. P. Svietozarov.

Die russischen Nazis in Deutschland gliederten sich in uni­formierte Sturmabteilungen. Sie nahmen an allen Hitler­Rundgebungen teil. Querit hielten sie ihre Zusammenfünfte in den Lafolen der deutschen SA ab.( In Berlin in der Brandenburgischen Straße Nr 69; dann im Viktoria- Garten, und schließlich schlugen sie ihr Büro in der Berliner Straße 14 in Wilmersdorf auf, während sie dieselben Ver­sammlungslokale beibehalten.)

Infolge von Interventionen( von seiten der russischen Regierung. D. Red. der D. F.) wurde der Rond" im letzten Winter ausgelöst, um sich aber in anderer Weise von neuem

zu bilden. Bei der Wiedergeburt" am 9. Januar 1984 ver­suchte der Vorsitzende der Vereinigung der Jungrussen", Kazem- Beck, die Verbindung seiner Organisation mit Sitler zu lengnen. Aber Kazem- Beck gab schließlich zu, daß der " Rond" seine Tätigkeit untyer neuem Namen und in neuer Gestalt" wieder aufgenommen habe.

Diese neue Organisation heißt Nationalsozia= liitiiche rufiiiche Riga" Sie arbeitet in enger Ver­bindung mit dem weißrussischen Stabschef, General Miller in Paris .

Die ruifischen Nazis erhalten ihre Befehle von den Herren Deutschlands , vor allem von Alfred Rosenberg . Die Weiß­russen erhalten eine ähnliche Ausbildung, wie die in... Yanka Pusta. Die jungen russischen Nazis werden in der Führung der Waffen von Reichswehroffizieren aus­gebildet.

Die russischen Faschisten in Lettland , Estland , Finnland , Polen und Jugoslawien stehen noch in enger Fühlung mit der Berliner Organisation. So ist der Führer des Baltikum­Abenteuers und baltische Fürst" Awalow- Bermond, der für Rechnung der Hitler- Rosenberg dort intrigiert. Am 24. April schrieb die litauische Zeitung Jaunafas Zifias":

Es ist für niemand ein Geheimnis, daß hinter Awalow= Bermond Hitler und Rosenberg stehen und Bermonds Pläne in Wirklichkeit ihre Pläne sind. Bermond ist nur derjenige, der, wie 1919, sie auszuführen hat"

Fritsch seit einer Reihe von Monaten verfochten hat. Die SA. ist seit dem 30. Juni erledigt, freilich durch Methoden, die dem General von Fritsch nicht gefallen und ihm einige nabe politische Freunde gekostet haben. Nun wird die S. entmachtet. Die Entwaffnungsaktion gegen die schwarze Garde schreitet fort. Das SS.- Heer muß alle Gez mehre und Maschinengewehre abliefern und darf nur Res volver und Ehrendolche behalten. Nur die Leibstandarte Adolf Hitlers , die von aus dem ganzen Reiche ausgesuchten Gardisten besteht, behält ihre militärische Bewaffnung

Die Entwaffnung der SS. hat nicht nur innen, sondern auch außenpolitische Gründe, Man will so zunächst Frankreich und dann dem Völkerbund beweisen, daß es eine bewaffnete Miliz nicht gibt und weder SA. noch SS. militärischen Charakter tragen.

..Der Doktor spricht"

Elegien des Reichsreklameministers

Wenn es im dritten Reiche" einen Mann gibt, der über die Volksstimmung Bescheid weiß, so ist es Herr Dr. Josef Goebbels . Wir wollen ihn daher heute in der ,, Deutschen Freiheit" leitartikeln lassen. Jeder der fol­genden Sätze ist ohne Aenderung einer Goebbelsrede in Dortmund entnommen, über die die nationalsozialistische ,, Westfälische Landeszeitung" in ihrer Folge 340" unter der Ueberschrift berichtet: Der Doktor spricht." Laufige Zeiten

Es ist nicht wahr, wenn unsere Gegner heute sagen, mic wären demagogisch in den Versammlungen mit feilen Versprechungen wie Brombeeren herumgegangen, im Gegenteil, soweit mir zum Volk sprechen konnten, haben wir gesagt: Es wird eine harte, schwere DuI­dungs, Opfer- und Leidenszeit geben, und in dieser Zeit muß das Volk darüber entscheiden, ob es überhaupt noch ein nationales Schicksal und eine nationale Zukunft zu vergegenwärtigen hat.

Aufhängen!

Sie laufen hinter der Zeit her mit einer asthmatischen Beklommenheit. Es sind die Menschen, die niemals Ge schichte machen, für die die Revolution sozusagen ein Selbst zweck ist. Für uns war die Revolution ein Mittel zum Zweck, und der Selbstzweck, den es zu erfüllen galt, ist die Erhaltung des Lebens unseres Volkes.( Bravo !) Wenn mir einer entgegentritt: Auch im Dritten Reich werde ich ewig Revolution machen", dann kann ich ihm nur zur Antwort geben: Dann nimm dich in acht, daß du eines Tages nicht aufgehängt mirst!

Die totale Unpopularität

Die nationalsozialistische Staatsführung hatte, als sie die Macht übernahm, auch nicht die Möglichkeit, sich populär zu machen, denn die Zeiten waren vorbei, wo man von der Hand in den Mund leben konnte. Unsere Politik war nun mittlerweile ein ganz ernstes Duell mit dem Schicksal geworden. Entweder oder. Und mir durften deshalb auch nicht davor zurück­schrecken, wenn es nötig war, unpopuläre Maßnah­men zu treffen. Das hatten wir auch in der Vergangen­heit getan. Wir waren ja nicht immer populär gewesen, sondern wir waren erst populär geworden, und zwar dadurch, daß wir in der Vergangenheit etwas taten, was die meisten nicht für richtig hielten. Und so wie unsere Politik populär murde, wurden wir dann auch popular. Auch heute ist es so. Wir müssen manches tun, was der eine oder andere nicht versteht. Wir tun das, weil wir es für richtig halten und weil wir den Nutzen des Vaterlandes im Auge hatten. Jm allgemeinen ist es ja nicht sehr populär.

Keinen Beifall in der Gegenwart

Aber ich bin überzeugt, wenn wir durch ein opferreiches Leben nach und nach die deutsche Verschuldung abtragen, daß unsere Enkel uns dafür dankbar sein werden, daß wires getan haben und daß wir den Mut hatten, unpopulär zu sein. Jm Grunde genommen ist es uns nicht darum zu tun, den Beifall der Gegenwart, sondern den der Zukunft zu er werben. Die Zukunft soll uns verstehen und die Zukunft