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Beilage zur Deutschen Freificit Ereignisse und Geschichten
Sonntag- Montao. den 16. und 17. Dez mber 1934
Eine Gottlosen- Ausstellung
Luzern beherbergt gegenwärtig eine Anti- GottlosenAusstellung. Sie ist in der Kaserne aufgestellt. Das allein kennzeichnet deutlich diese Art Christentum Diese Ausstellung würdigt der ehemalige Theologie. Professor Dr. Ragaz in folgenden ernsten Betrach
tungen:
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Ich bin während eines kurzen Zeitraumes zweimal in einer Gottlosen- Ausstellung gewesen. Das erstemal war es eine Ausstellung der russischen Gottlosigkeit das heißt: eine gegen die sogenannte Gottlosigkeit der Russen gerichtete Selbst- Ausstellung bürgerlich- christlichen Pharisäertums. Durchzittert von einer zornigen Erregung, wie ich sie seit vielen Jahren nicht mehr erlebt, aber nicht über die russische Gottlosigkeit, sondern über die Gottlosigkeit des Unternehmens, bin ich weggegangen.
das nicht eine Ausstellung der Gottlosig keit? Nur vollendete Gottlosigkeit konnte uns in solche Zustände führen. Nu vollendete Gottlosigkeit kann eine solche Ausstellung schaffen Nur vollendete Gottlosigkeit kann durch eine solche Ausstellung gehen, ohne sich zu entsetzen, Müssen sich die Menschen, die sich hier begegnen, nicht aufs tiefste voreinander schämen? Und die Jugend, die unschuldigen Kinder! Daß sie das sehen müssen! Müssen wir uns nicht vor ihnen schämen? Da geht vor mir ein Lehrer mit einer Klasse von Gymnasiasten, Gewerbe- oder Handelsschülern, und erklärt ihnen diese Dinge in militärpatriotischem Stil.
Er selbst, der Lehrer, scheint keine Ahnung von der Furchtbarkeit der Tatsache zu haben, daß er den Schülern solche Dinge zeige. Und doch wird vor solchen Dingen aller Unterricht, der noch irwendwie dem Geiste und der Menschlichkeit dienen soll, zur Farce. Eher spüren das die armen Jungen, die ihr Lehrer, hoffentlich ohne es selbst zu wissen, anlügt. Sie tun mir in tiefster Seele leid, diese armen Jungen! Daß wir es dahin gebracht haben, ihnen solche Dinge zeigen zu müssen, oder zu meinen, wir müßten sie ihnen zeigen!
Und nun bin ich wieder in einer Gottlosen- Ausstellung gewesen, einer noch viel schlimmeren. Diesmal stellte die wirkliche Gottlosigkeit sich selbst unmittelbar aus, aber nun nicht die reussische, sondern die schweizerische, und allerdings nicht nur die schweizerische. Die zweite Ausstellung hieß freilich nicht Gotlosenausstellung, sondern Luftschutzausstellung. aber hier bin ich nun der Gottlosigkeit von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden. Die Empfindung, die mich hier überkam und mich bis in die letzten Tiefen erbeben ließ, war nicht mehr die des Zornes, obschon Zorn auch dabei war, sondern die des Entsetzens, der Scham, der Verlorenheit. Ja. Zorn war auch dabei. Zorn über die Menschen, die hier, um damit die Wirklichkeit des Krieges zu vernebeln und ihren Militärgötzen vor einer Bedrohung durch die Wahrheit zu schützen, zum Teil auch um eines neuen Geschäftes willen, es wagen, ihren Mitmenschen und Mitbürgern mit einem solchen Betrug zu kommen. Denn welcher Mensch, der sich noch einen Rest eigenen Urteils bewahrt hat, kann auch nur einen Augenblick sich einbilden, daß die furchtbaren Kindereien, die uns als Schutz gezeigt werden, uns wirklich schützen könnten? Sie können uns doch nur zeigen, daß wir durch alle diese Mittel nicht geschützt werden könnten. Das war sicher auch bei der großen Zahl der Besucher der Eindruck dieser ungewollten Ausstellung der ungeheuren Gefahr eines neuen Krieges. Sie muß eine Verstärkung des Antimilitarismus, eine Förderung der großen revolutionären Erhebung gegen den Krieg bewirken, die kommen muß und kommen wird. Aber wie gesagt, dieser Zorn war nicht das vorwiegende Gefühl, war ein furchtbarer, ein vernichtender Schmerz darüber, daß die Tatsache einer solchen Ausstellung überhaupt möglich ist, daß es mit uns Menschen soweit gekommen ist. Das wären also nun die Menschen. geschaffen nach dem Bilde Gottes, an die wir geglaubt. für die wir gehofft, gearbeitet, gelitten und ge- größten Teil zustimmend, führen sie ihren Betrieb fort.
stritten, diese Wesen, die einander als Dämonen von der Luft aus mit Feuer und Gift vertilgen, die Pest übereinander
ausstreuen!
Das wären also die Menschen, die Brüder Christi. Söhne und Töchter Gottes, diese halb lächerlichen, halb entsetzlichen Gasmaskenträger, diese in Keller eingesperrten, zitternden Kretins! So weit hätten wir es also gebracht! I st
Clemens Krauß
Der neue Berliner Operndicektor
Wir entnehmen die beifolgende, sehr wohlwollende Beurteilung des Nachfolgers von Furtwängler , des bisherigen Wiener Operndirektors Clemens Krauß , dem neuen ,, Wiener Tagblatt". Sie steht allerdings in einigem Gegensatz zu den Lobsprüchen, die Krauß von den Nationalsozialisten und ihrer Presse schon im voraus erhält. Sie sind ihm dankbar dafür, daß er dem Rufe Görings folgte und Furtwängler ersetzte, Die Meldung, daß Clemens Krauß seine Tätigkeit in Wien aufgibt und nach Berlin als Leiter der Oper übersiedelt, kommt nicht überraschend. Seit Wochen und Monaten deutete alles darauf hin, daß diese Lösung zu erwarten ist. Krauß folgt indessen vermutlich nicht nur der stärkeren Lockung, die Berlin auf ihn auszuüben vermag, sondern bei seinem Entschluß wird wohl auch das Bewußtsein mitbestimmend gewesen sein, daß seine Wiener Position längst nicht mehr so fest gegründet ist. Es gab vielfach Verstimmungen, die nicht nur hinter die Kulissen gebannt blieben, sondern auch nach außen hin zutage traten.
Der tiefere Grund dieser inneren Entfremdung zwischen Krauß und Wien liegt wohl in seiner eigenen Persönlichkeit begründet. Sein hervorragendes, interessantes und ungewöhnliches Künstlertum hatte stets mit gewissen Hemmungen zu kämpfen, die dazu führten, daß sich die vielfachen Werte seiner Persönlichkeit nicht immer mit der wünschenswerten Entschiedenheit durchzusetzen vermochten. Auch bei manchen von seinen schönsten und eindrucksvollsten Aufführungen war bisweilen der Eindruck nicht abzuleugnen, daß sich der Dirigent von seinem Regisseur führen und bestimmen ließ, daß er in der Oper, die immer und in erster Linie ein musikalisches Kunstwerk ist, dem Primat der Musik nicht voll zur Geltung brachte. Eine weitere Dämpfung seines Wirkens ging von dem Kreise jener Künstler aus, die ihm persönlich nahestan den und für die er sich auch mit dem ganzen Gewicht seiner künstlerischen Persönlichkeit einsetzte.
So ergab sich nach dem ersten, überaus verheißungsvollen Jahr seiner Direktionsführung ein seltsamer Zustand. Sein Interesse konzentrierte sich immer mehr und immer entschiedener einzig auf diejenigen Vorstellungen, die unter seinem Regime auch eine neue szenische Gewandung erhalten hatten und ebenso bildete sich im Sängerensemble eine Gruppe favorisierter Künstler, von
Aber da fällt mir ein, daß ja diese Jungen, ja fast alle die Besucher dieser Gottlosen- Ausstellung von Mord und Hölle, Religionsunterricht gehabt haben, vor Christus gestellt worden sind und von der Bergpredigt gehört haben, den zehn Geboten und nun sind sie hier! Und da denke ich nun noch weiter. Es stehen ja in Zürich auch Kirchen. Neben dieser Ausstellung der Gottlosigkeit stehen Gotteshäuser. Was sagen diese dazu? Ist es denkbar, daß in diesen Kirchen ein Pfarrer auf die Kanzel geht, ohne sich der Tatsache dieser Gottlosigkeit bewußt zu sein, ohne dagegen Zeugnis abzulegen: ich meine nicht gerade gegen die, Ausstellung, sondern gegen die Tatsächlichkeit, die eine solche Ausstellung praktischer Gottlosigkeit ermöglicht, vor welcher die russische, die theoretische Gottlosigkeit der Bolschewisten, zu einem Kinderspiel wird? Können neben einer solchen Ausstellung Kirchen Christi stehen? Ist eine solche Nebeneinanderstellung noch erträglich? Ist sie nicht noch schlimmer als die Gottlosigkeit der Ausstellung selbst? Können Kirchen neben einer solchen Ausstellung bestehen, ohne sich mit der letzten Kraft gegen sie, das heißt: gegen das, was sie symbolisiert, zu erheben? Aber wo vernimmt man etwas davon? Von einer solchen Erhebung der vielgepriesenen Kirche, nicht bloß dieses oder jenes religiös- sozialen Pfarrers von einem Zeugnis der Gemeinde gegen solche Greuel der Hölle? Wo sind die, welche so unermüdlich gegen die russische Gottlosigkeit ihre Stimme erheben? Seelenruhig, ja zum
Horch, da läuten ja auch die Glocken, die Dämonen vertreibenden( das war ja ursprünglich der Sinn der Glocken)
aber kaum haben sie begonnen, da erhebt die Sirene ihre Stimme, die Warnsignale: Flieger kommen! Teufel nahen getaufte, jedenfalls getaufte! Dämonen!" Ach Gott im Himmel, siehe doch darein! O Gemeinde Christi, erwache! Wenn du erwachst, dann hast du die Kraft, Dämonen zu bannen.
welchen sich andere verdiente Kräfte zu Unrecht in den Schatten gestellt sahen. Immer schärfer und offenkundiger wurde ein Trennungsstrich gezogen: hier Krauß, seine Garde, seine Aufführungen, dort alles übrige, was zum Institut gehört. Diese Beschränkung auf ein einseitiges Tätigkeitsfeld, diese bewußt vorgenommene förmliche Isolierung hatte eine verhängnisvolle Folge: die Gesamtheit dessen, was die Wiener Oper ist und sein soll, entglitt mehr und mehr der unmittelbaren Führung des Direktors. Wie schade, daß dieser Entwicklung nicht rechtzeitig entgegengewirkt
Elegie eines entäuschten Nobel- Friedenspreis- Kanidaten
Da hält man täglich laute Friedensreden Und gibt die allerschönsten Interviews, Vergißt sich selbst und alle Erbfeindfehden, Hälts Hinterpförtchen auf für all und jeden, Und denkt, man kenne seine alten Schweden , Und dann heißts: Henderson!( Umsonst der Schmus.)
Hat es nun Sinn, dem eignen Heer zu trotzen, Wenn man das Friedenssehnen so verkennt? Man läßt den Generalstab staunend glogen Und hofft, man kann als Friedensengel progen Und dann kommts so! Der Frieden ist zum Kotzen, Wenn man nicht MICH als seinen Führer nennt!!
Nun kann ich nur mit E. K. I. mich brüsten, Als unbekannter Friedens- Aspirant;
Muß Boten schicken an die fernsten Küsten. Die Andern tun, als ob sie gar nichts wüßten. ( Braucht ich nicht Zeit, um ganz komplett zu rüsten, Dann wär, statt Frieden, längst Mein Kampf entbrannt!) Heinrich Ersch
( Stenokritiken) 1
Es besteht hier ein Ciné- Club", der seinen Mitgliedern ( in einer Sitzung sind manchmal Stücker fünfhundert bis. sechshundert in einem prachtvollen Saal seẞhaft).... der seinen Mitgliedern unveröffentlichte Filme, verbotene Filme, kurz: merkwürdi Filme vorspielt.
Auf solchem Weg ist jetzt Horst Wessel in Paris gelandet ( für einen Abend).
II
Dieser Film ist in Frankreich verboten. Auch seinen Wert nach ist er schlechtweg ,, verboten". Hanfstängl, der ihn sch... sch... schuf, hat das nicht erkannt. Andere Deutsche trotzdem; sogar bis runter zum Goebbels. ( Der Lahme" wie der versorbene Pg. Ernst ihn genannt hat wünschte die Zurückziehung dieser Mißpahurt, nach einer. Entbindung von H. H. Evers.)
III
Der Clubvorstand hat im Beginn: Kundgebungen zu anier lassen. Nachher, in der Aussprache( mit Worterteilung), stand ein Gall auf id lächelte:..Man hat zu pfeifen, zu klatschen, zu zischen das hab ich getan."
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untersagt
aber nicht zu gähnen;
Begeisterte Zustimmung... in Gegenwart der deutschen Botschaft, die durch Sendlinge vertreten war.
IV
In der Anwesenheit von Landsleuten zu schweigen, wäre für mein Gefühl Pflichtverletzung. Also nachdem eine Zahl sehr guter Redner genügend Nachteiliges gesagt hatte, trug ich, dem kategorischen Imperativ gehorchend, meinen Scherf in wenigen Sätzen bei. Unter Berufung auf Shaw, der robe je 1 ch eb. Wenn er nun erst diesen... Geschichtsfilm gesehen hätte na!
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In der angeregten Debatte verhielten sich die Mitgneder durchaus maẞvoll, auch gegen einen nazifreundlichen Redner. Jedoch eine nette Dame, beherzt und gutgekleidet. ergänzte das, was der Film über Horst Wessel verschwieg: ,, Il était un maquereau- er war ein Zuhälter!" Sie errang. einen festlichen Erfolg.
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Für die deutsche Botschaft( die ja insgeheim anständiger sein mag als die von ihr bediente Partei) war es unangenehm, daß sie zu dieser Verunstaltung auch noch Zertreter gesandt hatte. K.. r.
wurde, daß sich ein Künstler von so glänzenden Qualitäten Das tassereine WC.
wie Krauß nicht zu einer freieren, universellen Auffassung aufzuschwingen vermochte.
Als Krauß nach überraschend glanzvollem Aufstieg in verhältnismäßig jungen Jahren an die Spige der Wiener Oper berufen wurde, schien er alle jene Fähigkeiten und Talente mitzubringen, die ihn für dieses Amt geradezu prädestinierten. Und doch fehlte ihm eines, vielleicht das Wichtigste: die spontane und selbstverständliche Einfühlung in den Geschmack und in die Tradition des Wiener Publikums. Er rechnete nicht mit dem eminent musikalischen Sinn des Wieners und ließ das Ausstattungswesen überwuchern. Darum begegnete er zumal mit seinen Erneuerungen der großen deutschen Meisterwerke so vielfach auf Widerspruch und Ablehnung: etwa mit dem„ Ring". den Meistersingern", dem., Freischütz" und der„ Zauber flöte ". In allen diesen und ähnlichen Fällen spürte man ein fremdes, kühles, unromantisches Element am Werk, das die Freude an der mit größter Sorgfalt und Hingebung durchgeführten Arbeit empfindlich beeinträchtigte. Dieser ausgezeichnete Musiker ließ die andern gewähren, wenn es galt, die primäre Forderung des musikalischen Kunstwerkes zu verteidigen.
Der Direktionsrat der Bundestheaterverwaltung, Ker
Wir lesen in der ,, Braunschw. Landesztg." Nr. 312: ,, Fort mit ,, Toilette"! Für dieses rein französische Wort. das von vielen obendrein(!) noch deutsch ausgesprochen wird, ist im neuen Deutschland kein Platz mehr. Leider findet man dieses Wort fast im ganzen Reiche in den Wirtschaften, auf Bahnhöfen usw. Gegen die Bezeichnung ,, Herren " oder Damen " an den Türen einer Bedürfnisanstalt ist wohl nichts einzuwenden. Aber die zum Teil recht großen Hinweisschilder mit dem französischen Wort ..Toilette" müssen verschwinden. Es erscheint mir als die beste Lösung, wenn diese Schilder ersetzt werden durch die beiden Buchstaben., WC"( Wasserklosett), wie ich es schon gesehen habe."
Immer feste deuff!
In den ,, Schlesischen Monatsheften", Blätter für nationalsozialistische Kultur des Südostens. findet sich folgender Kernspruch:
So ähnlich wird Christus es wohl auch gemeint haben.
ber, wurde zum einstweiligen administrativen Leiter der Er bewundert sich
Wiener Oper ernannt