Straßburger Wochenbericht wunden war, so floß doch der kleine Obolus, den der

Straßburg , den 17. Dezember 1934. Eine Delegation reist nach München

Die Bevölkerung von Schiltigheim nimmt lebhaften An­teil am Schicksal ihres von der Hitlerjustiz zu sechzehn Monaten Gefängnis verurteilten Mitbürgers Emile Küst­ner. In mehreren Protestversammlungen, die immer sehr gut besucht waren, nahm die Bevölkerung Stellung gegen das überaus harte und ungerechte Urteil, das gegen Küstner in München ausgesprochen wurde. Nun reiste im Auftrag einer solchen Versammlung eine aus drei Bürgern be­stehende Delegation nach München , um sich nach Küstner zu erkundigen und für seine Freilassung einzutreten. Die Delegation, der auch ein Verwandter des Verurteilten an­gehörte, wurde dort sehr ungnädig empfangen. Man gab ihr zu verstehen, daß ihr Besuch durchaus unerwünscht sei und sie sich zum Teufel scheren möchte, denn ,, hier komman­dieren wir". äußerte sich der Herr Generalstaatsanwalt. Einem der Delegierten, dem Verwandten Küstners, wurde dann aber doch Sprecherlaubnis erteilt. Er konnte aller­dings nur im Beisein eines Ueberwachungsbeamten sich unterhalten. Außerdem nahm der französische Konsul an der Unterredung teil. Die Fragen, die Küstner gestellt wurden, beantwortete er auf eine Art und Weise, aus der man entnehmen konnte, daß es ihm nicht schlechter, aber auch nicht besser geht, als vielen wegen politischer Ver­gehen in Deutschland die Gefängnisse füllenden Menschen. Die Delegation verließ also das ungastliche Deutschland . ohne viel ausrichten zu können. Wie wir erfahren, wird der Gemeinderat von Schiltigheim demnächst einen An­trag an die französische Regierung richten, der von zwei Gemeinderäten in Paris vertreten wird, sich so­fort für die Freilassung Küstners zu verwenden, der zweifellos das Opfer eines ungeheuerlichen Fehlurteils ist. Es ist arzunehmen, daß mit dem nötigen Nachdruck amt­licher Stellen die deutschen Staatsanwälte etwas kommender sein werden, wie es der Generalstaatsanwalt in München der Delegation gegenüber war.

Die rote Nelke am schwarzen Rock

zuvor­

Dem Herren Abgeordneten Thomas Selt, der den Kreis Erstein in der Kammer vertritt, passierte dieser Tage ein viel belachtes Mißgeschick. Als er sich nach Colmar begab, um an einer Herbsttagung der elsässischen Winzer teilzunehmen, geriet er versehentlich in die in einem anderen Lokal stattfindende Familienveranstaltung der sozialistischen und von ihm als gutem Katholiken nicht wenig bekämpften Sportvereine. Am Saaleingang ließ er sich gegen Erstattung des Eintrittsgeldes gerne eine rote Nelke ins Knopfloch stecken und betrat den Kopf voller philosophischer Gedankenden dicht besetzten Saal. Dort wunderte man sich sehr über den seltsamen Besucher, der sich eine ganze Weile die Darbietungen der sozialistischen Sportler gefallen ließ. Plötzlich schien er seinen Irrtum be­merkt zu haben. Der Abgeordnete, dem man im Elsaß

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kämpferische katholische Abgeordnete am Saaleingang leistete, in die sozialistische Wahlkasse. Diese seltene Spende und ihre humorvolle Geschichte wird im sozialistischen Lager so bald nicht vergessen werden. Bei der zuvorkommenden Behandlung, die Herrn Selts bei den Sozialisten widerfuhr, darf man sich vermutlich einen heil­samen Einfluß auf die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen ihm und seinen sozialistischen Gegnern ver­sprechen. Oder nicht?

Stadt im Weihnachtszauber

Auf dem Broglie play erinnert der Christkindl­markt an das bevorstehende Weihnachtsfest. Der Harz­geruch der Tannen und der würzige Duft der unzähligen Lebkuchen und sonstigen Süßigkeiten locken die Kinder, die die engen Budengassen durchfluten ins Zauberreich des Weihnachtsmannes. Die großen und kleinen Geschäfts­häuser der inneren Stadt haben ihre Auslagen schon ganz auf den Weihnachst verkauf eingerichtet und erfreuen durch interessante Auslagen das Herz des Beschauers. Den Kin­dern der Arbeitslosen wird dieses Jahr durch die Präfektur auf Anordnung der Ministerpräsidenten ein besonderes Weihnachtsgeschenk bereitet, bestritten aus freiwilligen Spenden, die schon in großer Zahl eingegangen sind. Auch das Arbeitslosenkomitee will den Kindern eine Freude machen. Im Uniontheater findet zu diesem Zweck am 20. Dezember eine Vorstellung mit dem Hinker'schen Volksstück Alles isch de geje" statt, dessen Rein­ertrag für die Bescherung der Kinder der Arbeitslosen ver­wendet wird. Sollten nicht auch die Emigranten versuchen, den Kindern, die mit ihren Eltern in die Verbannung gingen, eine gemeinsame Weihnachtsfeier zu bereiten? Est gibt wohltätig gesinnte Menschen genug, die zu nützlichen Spendén gerne bereit wären.

Ein Schwindlerquartett ausgehoben

Gaunereien sondergleichen verübten hier unter der Firma Crédit Strasbourgeois" vier Schwindler, die trotz ihres plumpen Auftretens vertrauensselige Menschen um etwa 100 000 Franken betrogen haben. Sie versprachen in Inseraten, an jedermann Kredit zu geben. Kamen Gutgläubige, dann ließen sie sich sowohl für die zu gewährende Kreditsumme, wie auch für die entstehenden, die eigentliche Kreditsumme beinahe erreichenden Un­kosten Wechsel ausstellen, die sie sofort in den Ver­kehr brachten. Allerdings ohne auch nur einen Centime an den Kunden auszubezahlen. Unter den Betrügern befinden sich auch zwei Saarländer , ein Ernst Jenewein aus Dudweiler und ein Alfons Levy aus Beurig- Saarburg bei Trier . In Metz wurde die Filialleiterin des Straßburger Unternehmens, eine gewisse Anna Boller aus Saar­ brücken , bereits zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Gegen die Straßburger Schwindler läuft gegenwärtig ein Untersuchungsverfahren.

einen gewissen Sinn für Wit und Humor nicht abspricht, Einem Kassenboten 60 000 Franken gestohlen

stand auf, schmunzelte sich ein Verslein auf seine Zer­streutheit und pilgerte dann frohen Mutes zu seinen Winzern, wo hoffentlich bei einem guten Tropfen die Odyssee des Herrn Seltz genügend gefeiert wurde. Wenn auch das rote Blümlein bald aus dem Knopfloch ver­

Ein Kassenbote, der auf einer hiesigen Bank 60 000 Franken in Tausend- Frankenscheinen in Empfang nahm, um sie bei der Banque de France in kleinere Stücke umzu­tauschen, mußte zu seinem Schrecken feststellen, daß ihm das ganze Geld, während er sich am Schalter mit einem

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Bekannten unterhielt, gestohlen worden war. Die Täter, es handelt sich um zwei verdächtige Individuen, die am Kassenschalter in der fraglichen Zeit beobachtet wurden, werden verfolgt. Ein eleganter Gauner kaufte dieser Tage in einem Straßburger Juwelengeschäft für tausend Franken einen Ring. Als er den Laden verlassen hatte, stellte die Verkäuferin zu ihrem Schrecken fest, daß ein wertvoller Brillantring( Preis 20 000 Franken) ver­schwunden war. Da der Dieb vorgab, nachmittags wegen eines anderen Kaufs noch einmal kommen zu wollen, aber nicht erschienen ist, darf man annehmen, daß er nur, Affäre um den wertvollen Ring zu stehlen, die ganze inszenierte. Die Polizei vermutet, daß es sich um einen Gauner großen Ranges handelt.

Schreckliches Familiendrama in Mülhausen

In der oberelsässischen Industriemetropole erschoẞ ein arbeitsloser Friseur seine beiden sieben- und achtjährigen Kinder, worauf er sich selbst entleibte. In einem Brief gibt der unglückliche Mensch an, daß er nach vergeblichem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit diesen Schritt getan habe, der ihm als letzter Ausweg geblieben sei.

Die Polizei säubert

In den Straßen der Altstadt und ihren verschiedenen Lokalen wurden in den letzten Tagen polizeiliche Razzien durchgeführt. Dabei gelang es jedesmal, Elemente aufzu­stöbern, die sich entweder unerlaubt hier aufhalten oder aber sonstwie gegen die Gesetze verstoßen haben. Sie wanderten in die Fadengasse.

BRIEFKASTEM

Aus der Pfalz wird uns geschrieben: Was in der. ,, Deutschen Freiheit" schon für die allgemeinen Verhältnine festgestellt wurde, trifft auch speziell für die Pfalz zu. In Ludwigshafen sind am Tag der nationalen Solidarität" ganze 5000 Mart gesammelt worden. In Pirmasens hat der Stadtrat noch 1932 den Betrag von 25000 Mart bewilligt als Weihnachtsbeihilfe. Dazu kam dann noch das von den Wohlfahrtsverbänden gesammelte Geld unter Leitung der Stadt, wobei stets mehr erzielt wurde, als jetzt bei der mit so großem Tamtam aufgezogenen Sammlung, bei der die meisten Pfennige gegeben haben, um den Belästigungen zu entgehen. Auch was früher an Hergabe von Kleidern und Wäsche für die Armen geleistet wurde, hat heute kein Beispiel.

6. v. R. Ihr Freund ist noch nicht ganz von der Echtheit des Ernitschen Dokuments überzeugt? Er glaubt noch an Hitlerdementis? Erinnern Sie ihn doch daran, daß man auch die Homosexualität Röhms stets bestritten habe, bis sie von Hitler selbst nach dem 30. Juni bestätigt wurde. Das Dokument Ernst ist übrigens einer genauen Untersuchung unterzogen worden. Anerkannte Schrifts experten hätten bestätigt, daß die Unterschrift unter dem Dokument von Ernst selbst stamme.

H. B., Warschau . Wie Sie uns schrieben, ist die Verbreitung des in Polen bisher verbotenen Buches Mein Kampf " von Adolf Hitler deutschen Pressemeldungen zufolge freigegeben worden. Die polnischen Leser werden kaum Sympathien für Hitlerdeutschland gewinnen.

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Für den Gesamtinhalt verantwortlich: Johann Pis in Dube weiler; für Inserate: Ctto Kuhn in Saarbrüden. Rotationsdrud und Verlag: Verlag der Volksstimme GmbH. Saarbrüden 3, Schüßenstraße 5. Schließfach 776 Saarbrüden.

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Was ist's mit dem Arbeitsdienst?

Lies ,, Jungens im Moor" und du weißt es!

Ein erschütterndes Dokument! In seinen einfachen Worten zeigt es, wie der Idea­lismus der deutschen Jugend von unfähigen Kommißknechten erschlagen wird. Was die Nazis anfassen, wird Zwang, Sklaverei und Militarismus. Das beste an jeder Sache erstirbt: Die Freiwilligkeit!

Man muß das Wort ,, freiwillig" vom deut­ schen Arbeitsdienst streichen.

M. M. ein alter Lagerführer.

JUNGENS

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IM MOOR

SDIEN

Wer unter diesem Beichen diente, hat bewiesen, daß er bereit ist, zu wirken für den Wiederaufbau

unferes Vaterlandes!

Dies Buch müssen alle Eltern und Jugendlichen lesen!

48 Seiten

N

Preis 2,- Fr.

Bestellungen erbeten an

Verlag der ,, Volksstimme"

Saarbrücken 3, Schützenstraße 5, Telefon 207 31 und seine Buchhandlungen: Saarbrücken , Trierer Straße, Neunkirchen und Saarlouis .

SAARLANDER BEIM ARBEITSDIENST