Judenanzeigen und Schutzhaft
In der Westfälischen Landeszeitung" vom 12. Dezember ließt man:
Wenn wir wiederholt Gelegenheit nehmen mußten, uns mit der„ attinger Bettung" zu beschäftigen, dann hatte dies schon seinen Grund, so auch heute wieder. Wir konnten des öfteren den Beweis dafür erbringen, daß sich innerhalb des Betriebes der„ Sattinger Zeitung" feit der Machtübernahme des Nationalsozialismus nichts geändert hat. Darüber fonnten auch nicht die höchsten Anstrengungen hinwegtäuschen, im redaktionellen Teil dieser Zeitung den Anschein zu erwecken, als sei man 150prozentiger Nationalsozialist. Jeder, der die Verhältnisse in unserem Städtchen kennt, hatte dafür nur ein Lächeln und mag oft genug ge= dacht haben:„ Spiegelberg , ich fenne dir!" Wir können nur noch einmal betonen: Im politischen Teil dieser Zeitung war man, und das ist bei der Einstellung solcher Zeitungen nicht weiter verwunderlich. 150prozentiger Nationalsozialist während den Anzeigenteil, einmal groß. einmal weniger groß, fette Judenanzeigen zieren. Im lokalen Teil war man natürlich immer die allein maßgebende Heimatzeitung" während man im gleichen Atemzug in Werbebriefen nach Effen usw. schrieb:„ Hattingen , eine tote Stadt. Der Hatfinger fauft außerhalb, fauft da, wo man in den Geschäften Auswahl hat."
Und jest, gleichsam als Krönung der ganzen Konjunkturritterei, wird uns die Meldung durchgegeben, daß der Sohn des Verlegers. der stellvertretende Betriebsleiter 5. Hundt, wegen unsozialen Verhaltens zu= nächst in Schubhaft genommen werden mußte. Diese Maßnahme wurde notwendia, da sich innerhalb des Betriebes wegen des radikalen Verhaltens dieses Reitgenos= fen gegenüber der Angestelltenschaft größte Erregung bemerkbar machte und mit Ausichreitungen und anberen unangenehmen Vorkommnissen ge= rechnet werden mußte....
Verkauf an eine neue Finanzgruppe
Die Bailer National 3eitung" meldet aus Berlin : Die frühere Firma Rudolf Mosse , jetzt Buch- und Tief= druck GmbH., in dem das„ Berlinei Tageblatt" die„ Berliner Volkszeitung" und die„ Berliner Morgenzeitung" er= schienen sind, ist jetzt an eine neue Finanzgruppe für den Preis von 5,7 Millionen Mart verkauft worden. Das Unternehmen mußte bekanntlich vor Jahresfrist einen Vergleich anstreben, da es in Zahlungsschwierigfeiten geraten war. Es wurde bisher in der Hauptsache von den Hauptgläubigern weitergeführt. Durch den Verkauf scheinen nun die Hauptschwierigkeiten behoben zu sein, und es heißt, daß das Unternehmen in der bisherigen Form weitergeführt werden soll. Zum Generalbevollmächtigten des neuen Unternehmens wurde ein gewisser Direktor Jambromsfi ernannt, der bisher das Zentralorgan der Deut schen Arbeitsfront ,„ Der Deutsche", geschäftlich leitete. Diese Beitung stellt, wie wir seinerzeit bereits berichteten, als Tageszeitung ihr Erscheinen ein. Aus dem Uebergang dieles Herrn vom„ Deutschen " zur Buch- und Tiefdruck GmbH. fann man schließen, daß als Käufer dieses Unternehmens Streife anzusehen sind. die der Deutschen Arbeiter= bant nahe stehen, jener Bank also, die damals auch das Blatt der Deutschen Arbeitsfront ,„ Der Deutsche", finanziert hatte.
Beulenpest
Wir lesen im Montag", Berlin :
Bald wird unsere Textilindustrie durch die Erfindung und Vervollkommnung der Vistra- Faser imitande sein, wenn es notwendig würde, einen wesentlichen Teil unferes Tertil- Rohstoffbedarfs zu decken. Sollte wirklich der neue, der deutsche Stoff noch diese und jene Unvollfommenheit zeigen, etwa in der Nässe noch nicht so form= beständig sein, nun so werden wir ihn einmal öfter aufbügeln und im schlimmsten Fall auch einmal mit ausge= beulten Knien und ohne Bügelfalte gehen.
,, Es muß anders werden"
Ueber unser Befinden kann ich wenig Neues mitteilen. Die üblichen Herbstfrankheiten sind überwunden. Die Heizung fithktioniert einwandfrei was will man mehr?
Das Leben geht seinen Weg. Von Zufriedenheit unter den Menschen fann nicht geiprochen werden, besonders da täglich alles teurer wird. Die Fleisch- und sonstigen Preise steigen täglich Erbsen kosten pro Pfund 50 Pfennige, sie sind also taum noch zu bezahlen. Es hat sich natürlich jeder nach seinem Können mit Vorräten eingedeckt. Aber das können ist natürlich auf wenige Menschen begrenzt.
Jeder glaubt, daß der Winter sehr schwer wird. Und in den letzten Wochen will das Kriegsgespräch nicht verstummen. Neue Nahrung erhalten diese Debatten durch mehrfache Verdunkelungsübungen, die durch die Polizei angeordnet werden. Sämtliche Lichtquellen müssen so verstopft merden, daß nach außen kein Lichtschein durchdringen kann. An diesen Tagen beginnt mit der einbrechenden Dunkelheit an allen Stanten und Ecken der Stadt ein großes Nagein. Die Straßenbeleuchtung ist in einem Falle schon am vorhergehenden Tage abgeschaltet worden, so daß eine Beleuchtung nur durch die Schaufenster der Geschäfte erfolgte. Die Lam pen an den Straßenecken und Kreuzungen, die bisher besonders kräftig waren. sind umgebaut worden und jetzt io matt, daß ihr Schein nur zu erkennen ist, wenn alle anderen Lichtquellen ausgeschalter sind In diesen Lampen sind jetzt ganz schwache Tiefstrahler, die nur im eng begrenzten Umfreis wirken. Daß überhaupt eine Lampe darin brennt, erkennt man nur, wenn man unmittelbar darunter steht. Es hat nicht den Anschein, als ob dieser Umbau nur für die VerdunkeIungsübung" erfolgt set...
Daneben wird behauptet, daß die Reedereien so disponiert hätten, daß sich am 1. Januar alle deutschen Schiffe in deutschen Gewässern aufhalten. Die Getreideschuppen im Safen sind bis oben hin vollgestapelt. Eine ähnliche Ausnügung ihrer Kapazität kannte man nur 1914. Dazu kommt die Vergrößerung der bisherigen Flugzeug= merte Wulf- Fokker und die Neueinrichtung der Flugzeugfabrikation bet der A- G Weser". Diese Werft hatte bisher nie mit derartigen Dingen zu tun. Man darf wohl eine enge Verbindung zwischen Werft und Reichsluftfahrtsministerium darin erblicken, daßneuerdings der Bruder des Ministers Göring dem Aufsichtsrat der Werft beigetreten ist. Innerhalb des Werftbetriebes sind die Vorbereitungen der Neueinrichtung des Kriegsschiffbaubüros im Gange. Die Werft galt bisher als private Aftiengesellschaft. Seit einem halben Jahr rechnet sie zu den gemischtwirtschaftlichen Betrieben. Das erlebten in der praktischen Bedeutung die Kriegsbeschädigten. Ihnen wird
Schacht sammelt
Die Herren Gläubiger werden gebeten, noch etwas zuzulegen!
..Krämerseelen"
In der nationalsozialistischen Parteis und Regierungszeitung,„ Frankfurter Volksblatt" findet sich folgender Vermerk:
Die„ Krämerseelen". Unser Mitarbeiter Gerberus hat in seiner Glosse am vorigen Sonntag den Wunsch ausgesprochen, daß man frummen Krämerseelen", die das Volk bewuchern, täglich den Buckel gründlich vollzählen soll. Obwohl das Wort Krämer in diesem Zusammenhang nicht mißzuverstehen ist, stellen wir auf Wunsch doch fest,
ihre Rente nicht mehr ausbezahlt, weil irgendwo eine Bestimmung existiert, daß in solchen Betrieben, deren Unkosten zumindest mit 50 Prozent vom Reich getragen werden, also auch bei Behörden, alle beschäftigten Kriegsbeschädigten mit Teilrenten diefes Betrages abgespeist werden. Die Betrof= fenen haben Einspruch erhoben, find jedoch in letzter Instanz abgewiesen worden. Es handelt sich immerhin um zirka 90 Personen.
Es wird nun von der Werftleitung in der Oeffentlichkeit behauptet, daß die jetzige Belegschaft von 2300 Wann in furzer Zeit auf 6000 Wann gesteigert werden soll. Doch allein mit den jekt vorliegenden Aufträgen erscheint dies ausgeschlossen. Es müssen also noch weitgehende Pläne bestehen, die bis jekt nicht erkennbar sind, jedoch weit über den Rahmen der jetzt schon befannten Flugzeugfabrikation hinausreichen.
Dabei scheiden die Angestellten, die jetzt zur Werft gehören, aus der A.-G. Weser aus und werden der neuen Firma überwiejen. Einige Angestellte wurden bei dieser Ueberweisung mit Zulagen bedacht. Auf Druck der in der A.-G. Wejer verbleibenden Angestelltenschaft hat der Vertrauensrat der alten Firma gegen diese Zulagen Einspruch erhoben, doch nahm die Direktion der neuen Firma von diesem Einspruch keine Notiz. In anderen Fällen hat man Angestellte, die aushilfsweise beschäftigt werden und diese Arbeit mit Genehmigung der Angestelltenversicherung ausüben, gezwungen, während der Zeit ihrer Aushilfetätigkeit auf eine Pension zu verzichten, die diese Angestellten als 50prozentig Erwerbsunfähige erhalten. Auch hier geht der Truck vom Vertrauensrat aus. der diese Pensionsbeiträge tassiert für die Unterstüßung notleidender Volksgenossen". Diese Vorfälle sind natürlich in allen Büros bekannt und erregen Kopfschütteln. Daneben versuchen dieselben Vertrauensräte, mit dem alten Angestelltenrat in ein besseres Verhältnis zu kommen und flagen über die feindliche Haltung dieses letteren, weil sie darin auch die Ursache ihres geringen Einflusses im Betrieb sehen. Neben diesen Vorgängen, die ja nicht direkt mit den Kriegsgerüchten etwas zu tun haben, machen jedoch noch andere Gespräche die Runde. Zum Teil wirken sich die Meldungen aus dem Ausland aus, wonach die Oesterreich- Angelegenheit nach der Saarabstimmung wieder ausleben soll. Und stark ist be= sonders die Annahme, daß die Saarabstimmung nicht ruhig verlaufen wird. Gelegentliche Besucher, die geschäftlich im Saargebiet waren, berichten von starfem Torror der„ deutschen Front". Private Schäßungen sprechen von einem Stimmverhältnis von 40 zu 60 Prozent für Deutschland . Andere Leute behaupten, daß die Vertrauensleute der deutschen Regierung die Chancen mit 50 zu 50 Prozent einschätzen. Außer= dem glaubt man feststellen zu können, daß die Propaganda der deutschen Regierung und ihrer Beauftragten im Saargebiet nicht mehr fruchten.
Man ist überzeugt, daß die Aussichten für den Status quo täglich steigen. Aus all diesen Mitteilungen folgert man
Sa hier feine Verallgemeinerung vorliegt und daß die wuchernde„ Krämerseele" nichts zu tun hat mit fleinent Geschäftsleuten, die sich in Handel und Wandel ihrer Pflichten gegenüber ihrem Volte bewußt find.
Die kleinen Geschäftsleute, die bei dem Hakenkreuz blatt Beschwerde führen, sind mit Recht mißtrauisch ge worden. An die Krämerseelen, die das Reich regieren, rührt ja doch keiner aber auf kleine Bäcker, Fleischer, Händler und Kramladenbefizer wird, nun die Pleite nicht mehr zu verbergen ist, der sogenannte Volkszorn los gelassen.
die dringende Gefahr eines Putiches vor der Abstimmung, oder, im Falle der Sitlerschen Niederlage, mit einem Putsch nach der Abstimmung. Auch ist man überzeugt, daß an eine Bezahlung der Saargruben von der deutschen Regierung gar nicht gedacht wird.
Ich erwähne diese Dinge nicht, weil sich etwa politisch ce schulte Menschen darüber unterhalten. Nein, diese Dinge werden in jeder Unterhaltung von jedem erwähnt. Und es kann nicht mehr überraschen, wenn ein Krieg fommt. Ueberraschen würde höchstens, wenn er nicht kommt. Damit joll aber nicht gesagt sein, daß der Krieg gewünscht wird. Im Gegenteil, manist gegen den Krieg, von wenigen Einzelgängern ausgenommen. Auch in SA.- Kreisen will man ihn nicht. Wohl hört man den Einwand, der Krieg sei das einzige Mittel, in Deutschland Klarheit und Aenderung zu bringen Diese Menschen glauben, daß sich dann die inneren Verhältnisse rasch wieder ändern werden, und rechnen vor allem damit, daß ein neuer Krieg nur von sehr kurzer Dauer sein könnte.
In diesen Tagen laufen auch Polizeibeamte mit Karteifarten herum, die bei den aufgesuchten Männern feststellen sollen, wo die letzte Beschäftigung war, das Militärverhältnis ujw. Jeder Beamte hat bestimmte Jahrgänge zu bearbeiten. Soweit sich hier erkennen läßt, werden aber nur über 45jährige aufgesucht. In einem früheren Regierungsgebäude ist jetzt das neue Bezirkskommando eingerichtet. Bei der Besichtigung während des Umbaues versicherte ein Offizier einem Handwerker. daß, wenn das Ausland uns nur noch ein Jahr rüsten lasse, es fommen könne in jeder Form. Interes sant ist, daß alle diese Erfahrungen aus den letzten drei Wochent stammen und feineswegs zur ständigen Unterhaltung eines, sondern aller Volksfreise gehören.
Die Berdunklungübungen haben so manchem vor Angen geführt, daß es sich weder um eine Uebung, noch eine vor: bereitende Rüstung, sondern ganz einfach um eine zwed= bewußte Kriegsvorbereitung handelt,
Sie haben eine bisher nie beobachtete Nervosität hervorge rufen. Straßenwachen, die sich aus verschiedenen politischen und behördlichen Formationen rekrutierten, mußten die Straßen passieren und diejenigen, die nicht genügend abgedichtet hatten, auf ihre Fehler aufmerksam machen. Wie ich genau weiß, sind diese Mahner in verschiedenen Fällen sehr unhöflich behandelt worden. Antworten wie„ Ich bin nicht für Krieg, ich bin für Frieden", waren noch die sachlichsten. Zum Teil hat man diesen Leuten die Polizei auf den Hals geschickt. Für Nichtbefolgung der Vorschriften war eine Straje von 150 Mark angedroht. Tie Zeitungen beruhigten dann die Gemüter oder versuchten es wenigstens. Wir wollten ja feinen Krieg, es würde auch feiner fommen, aber man fönnte eben doch nicht wissen, ob wir nicht doch eines Tages überraschend überfallen würden und dann sei es gut, zu wiffen, wie man sich schübe. ( Schluß folgt