Deutsche Stimmen Beilage zur Deutschen Freiheit

Freitag, den 28. Dezember 1934

Ereignisse und Geschichten

Wann wird Schiller verbrannt?

Ein aufrechter Reiniger beklagt sich...

Die Anklageschrift, die wir hier veröffentlichen, ging uns von einem Deutschen zu, dem die Reinigung des germa­nischen Geisteslebens am Herzen liegt, der eine scharfe Unterscheidung zwischen nationalsozialistischem und staats­gefährlichem Gedankengut herbeisehnt:

Volksgenossen! Es ist eine Schmach und eine Schande, was für zersetzende Schriften heute noch im deutschen Volke verbreitet und gelesen werden dürfen, ohne daß die Regie­rung dagegen einschreitet. Ich zitiere hier einige Stellen aus gewissen Büchern, die in öffentlichen Leihbibliotheken ganz schamlos verliehen, die in Bücherläden ohne Scheu aus­gestellt werden. Sie selbst mögen entscheiden, ob der Autor. der mit frecher Stirn die heiligsten Belange der Nation zu schmähen wagt, zu den hetzerischen Elementen gehört oder nicht, ob seine Bücher den Scheiterhaufen verdienen oder ob sie dem deutschen Volk, der deutschen Jugend weiter verkauft, ja empfohlen werden dürfen.

Bedenken Sie, daß die folgenden Zitate nur eine kleine, willkürliche Auslese bedeuten und daß sie beliebig er­weitert werden könnten. Sie entstammen im übrigen alle der Feder des gleichen Autors( ich habe zur besseren Kenn­zeichnung nur die Ueberschriften hinzugefügt) und lauten:

Verjudung als Fortschritt:

Zwei Religionen, welche den größten Teil der bewohnten Erde beherrschen, das Christentum und der Islamismus, stützen sich beide auf die Religion der Hebräer, und ohne diese würde es niemals weder ein Christentum noch einen Koran gegeben haben. Ja, in einem gewissen Sinne ist es unwiderleglich wahr, daß wir der mosaischen Religion einen großen Teil der Aufklärung danken, deren wir uns heutigen Tages erfreuen.

Gegen Wotan:

Durch die mosaische Religion wurde eine kostbare Wahr­heit, welche die sich selbst überlassene Vernunft erst nach einer langsamen Entwicklung würde gefunden haben, die Lehre von dem einigen Gott, vorläufig unter dem Volke verbreitet und als ein Gegenstand des blinden Glaubens so lange unter demselben erhalten, bis sie endlich in den helleren Köpfen zu einem Vernunftbegriff reifen konnte. Dadurch wurden einem großen Teil des Menschengeschlechtes alle die traurigen Irrwege erspart, worauf der Glaube an Vielgötterei zuletzt führen muß, und die hebräische Ver­fassung erhielt den ausschließenden Vorzug, daß die Reli­gion der Weisen mit der Volksreligion nicht in direktem Widerspruche stand, wie es doch bei den aufgeklärten Hei­den der Fall war.

Gegen Streicher:

Von diesem Standpunkt betrachtet, muß uns die Nation der Hebräer als ein wichtiges universalhistorisches Volk er­scheinen, und alles Böse, welches man diesem Volke nach­zusagen gewöhnt ist. alle Bemühungen witziger Köpfe, es zu verkleineren, werden uns nicht hindern. gerecht gegen dasselbe zu sein.

Tausend Jahre Drittes Reich?

Alles darf dem Besten des Staates zum Opfer gebracht werden, nur dasjenige nicht, dem der Staat selbst nur als ein Mittel dient. Der Staat selbst ist niemals Zweck, er ist nur wichtig als eine Bedingung, unter welcher der Zweck der Menschheit erfüllt werden kann, und dieser Zweck der Menschheit ist kein anderer, als Ausbildung aller Kräfte des Menschen, Fortschreitung. Hindert eine Staatsver­fassung, daß alle Kräfte, die im Menschen liegen, sich ent­wickeln; hindert sie die Fortschreitung des Geistes, so ist sie verwerflich und schädlich. Ihre Dauerhaftigkeit selbst gereicht ihr alsdann vielmehr zum Vorwurf als zum Ruhme

sie ist dann nur ein verlängertes Uebel; je länger sie Be­stand hat, um so schädlicher ist sie.

Antreten! Abtreten!

Heldenmütter:

Lange Zeit hat man jene spartanische Mutter bewundert. die ihren aus dem Treffen entkommenen Sohn mit Un willen von sich stößt und nach dem Tempel eilt, den Göt­tern für den Gefallenen zu danken. Zu einer solchen un­natürlichen Stärke des Geistes hätte man der Menschheit nicht Glück wünschen sollen. Eine zärtliche Mutter ist eine weit schönere Erscheinung in der moralischen Welt, als ein heroisches Zwittergeschöpf, das die natürliche Empfindung verleugnet, um eine künstliche Pflicht zu befriedigen. Autarkie:

Aller Kunstfleiß war aus dem Lande verbannt. alle Wissenschaften wurden vernachlässigt, aller Handelsverkehr mit fremden Völkern verboten, alles Auswärtige wurde aus­geschlossen. Dadurch wurden alle Kanäle gesperrt, wodurch einer Nation helle Begriffe zufließen konnten; in einer ewigen Einförmigkeit, in einem traurigen Egoismus sollte sich der Staat ewig nur um sich selbst bewegen. Blut und Boden

Schändlich! Schändlich! Wir haben aus der geheiligten Asche unserer Väter unsere Harlekinsmasken zurecht­

Der kühne Sammler

( Freiestens nach bekanntem Vorbild.) Ich weiß nicht, was soll es bedeuten? Zum Klumpen die Masse sich bailt. Ich sehe, umzingelt von Leuten, Eine kleine, miese Gestalt.

Ein Zwerg, auf humpelndem Fuße, Erhebt. ermunternden Blicks, Die Rechte zum Hitlergruße.

In der Linken schwingt er die Büchs.

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Er schwingt sie mit klapperndem Klange Und singt den Worst- Kessel" dabei. Die Menschen stehn nach ihm Schlange, Und doch kommt keiner ihm bei.

So sehr sie stoßen und schieben, Ist, wo er geht. um ihn her, Eine leere Fläche geblieben, Ein Eiland im stürmischen Meer.

Sonst könnte am Ende verschlingen Den Zwerg die Maske. Indes: Die ihn am nächsten umringen, Sind in eiserner Kette SS. !

gestoppelt, wir haben unsere Schellenkappen mit der Weis- Theater in Paris

heit der Vorwelt gefüttert.

Führer von einst

Es scheint dem Gang der Dinge gemäß. daß der erste König ein Usurpator war, den nicht ein freiwilliger ein­stimmiger Ruf der Nation( denn damals war noch keine Nation), sondern Gewalt und Glück und eine schlagfertige Miliz auf den Thron setzten.

Wen meint er?

Seine Gesetze sind der Versuch eines Anfängers in der Kunst, Menschen zu regieren. Schrecken ist das einzige Instrument, wodurch er wirkt. Er straft nur begangenes Uebel, er verhindert es nicht, er bekümmert sich nicht darum, die Quellen desselben zu verstopfen. Kritikaster:

er­

Das Geschäft aller vereinigten Bürger war, sich zu halten, was sie besaßen, und zu bleiben, was sie waren, nichts Neues zu bewerben, nicht auf eine höhere Stufe zu steigen. Unerbittliche Gesetze mußten darüber wachen, daß der Fortschritt der Zeit an der Form der Gesetze nichts ver­änderte. Um diese lokale, diese temporäre Verfassung dauerhaft zu machen, mußte man den Geist des Volks auf

( Stenokritiken)

I

Mucki.

Im Théatre des Arts", das schwer zu kämpfen hat. gibt man ein Stück mit dem Inhalt: ein Theater, das schwer zu kämpfen hat...

Sie spielen dort ihr eigenes Schicksal. Das des Theaters überhaupt. Und... auf Teilung.

Il

Titel: Crépuscule du Théatre".

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Autor: Lenormand ; der ernste Schriftsteller, von dem in Deutschland früher ein Kriegsstück gespielt wurde( Der Feigling"): ein Hypnosenstück( ,, Traumjäger"); in Vagantenstück(. Die Torr

Er war allemal aufr

Jetzt zeigt er i dem Bühnendichter Theater stirbt, Nämlich:

itung wert.

Matirischen Bildern. wie m't

e umgesprungen wird. Wie das

Ein Seemann lebt auf einsamer Scholle mit einem vogel­haften Wesen, einer Möwenfrau. Dies leise Märchenstück

derjenigen Stelle festha' en, worauf er bei ihrer Gründung( findet er) wird in Paris vergröbert. In Berlin macht man bestanden.

Wühlmaus:

Die schönsten Träume von Freiheit werden im Kerker ge­träumt. Das kühnste Ideal einer Menschenrepublik, allge­meiner Duldung und Gewissensfreiheit, wo konnte es besser und natürlicher zur Welt geboren werden, als in der Nähe Philipps des Zweiten und seiner Inquisition? Ich hoffe

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das genügt! Und der Name des verderb­lichen Zersetzers soll ihnen nicht vorenthalten werden. Er lautet: Friedrich Schiller ! Nachzulesen sind die angeführten Stellen in: Etwas über die erste Menschen­gesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde", Die Sendung Moses " ,.Die Sendung Moses " Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solone", ,, Der Spaziergang unter den Linden"

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,, Briefe über Don Carlos".

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Und diesen Friedrich Schiller feiert der deutsche Rund­funk, vergöttert die deutsche Schule, hebt selbst Herr Dr. Goebbels in den Himmel! Wie sollen wir deutschen Staatsmänner, die wir besten Willens sind, den Gedanken­gängen der Führer zu folgen, aus dem entsetzlichen Wirr­warr klug werden?

Wer hilft uns wer beantwortet unsere Fragen: was ist in Deutschland erlaubt, was verboten? Was darf geschrieben werden und was nicht? Warum wird Friedrich Schiller nicht verbrannt? Hat Hitler nie etwas von ihm gelesen?

Ein Vorschlag für die Herren Reichstagsabgeordneten

Ein Freund aus dem Elsaß schreibt uns:

Ich lese fast regelmäßig Ihre Zeitung, denn uns alte Elsässer, die wir lange vor dem Kriege und besonders wäh­rend des Krieges unser Teil preußischen Terror und preußi­scher Schinderei abbekommen haben, interessieren natürlich die Zustände an der Saar und im ,, dritten Reich" ganz be­sonders( mit Sympathie für Ihre Anstrengungen). Sie hatten mehrmals darauf hingewiesen, daß die sogenannten Herren Reichstagsabgeordneten ungenügend zum Winterhilfs. werk beisteuerten. Man hätte nun erwarten können, daß ihr oberster Herr ein Mittel finden würde, dies zu schmeißen; doch fehlt anscheinend hierfür die Imagination". Also ein Vorschlag! Warum nicht eine Reichstagssitzung, wofür diese Herren ja eigentlich da sind und noch glänzend bezahlt dazu. Die Sache wäre sehr einfach und wie bei allen diesen Ta­gungen in einigen Minuten erledigt. Z. B. so:

--­

mit

Befehl Eine Reichstagssitung ist für morgen vor­mittag angesetzt. Zweck. Winterhilfswerk. Ausrüstung: Galaausrüstung mit sämtlichen Orden Brieftasche mindestens einem Hunderter. Entschuldigungen werden nicht angenommen. Unentschuldigtes Fernbleiben: 1000 Mk. Strafe. Vorgesehene Dauer: 29% Minuten.

-

Verlauf der Situng: Alles ist an seinen Plätzen Horst- Wessel - Musik. und wartet. Trommelwirbel Exzellenz Göring: Achtung! Stillgestanden!( Der Führer betritt den Saal.) Heil. Heil, Heil, Heil Hitler!

Der Führer tritt an seinen Platz und grüßt: ,, Danke! An­fangen!"

Exzellenz Göring : Der Zweck ist bekannt! Jeder der Herren hat mindestens einen Hunderter zur Hand zu

nehmen, dann wird reihenweise zu Exzellenz Goebbels an den Tisch getreten und die Scheine werden dort abgeliefert, dann wieder reihenweise von der anderen Seite in die Plätze eintreten. Rührt Euch!( Die Scheine knittern in den erregten Händen.) Heraustreten!"

Das Geschäft wickelt sich mit militärischer Genauigkeit und Schnelligkeit ab.

Exzellenz Goebbels meldet an Exzellenz Göring : Fertig!" ( Läßt schmunzelnd die Scheine in dem Handkoffer des Adju­tanten verschwinden.)

Exzellenz Göring meldet dem Führer: ,, Fertig!" Der Führer: ,, Danke!" Grüßt und wendet sich zum Gehen! Alles donnert Heil, Heil, Heil, Heil... Exzellenz Göring : Achtung! Wegtreten!"

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h. b. Auch die Mucker können im neuen Deutschland einen großen Triumph für sich buchen. Die Leiterin des Damen­Ausschusses des Deutschen Hockeybundes, Frau M. Galvao­Rieck( Hamburg ) hat folgende amtliche Bekanntmachung

erlassen:

..Ich weiße noch einmal ausdrücklich daraufhin, daß das Tragen von kurzen Sporthosen oder Hosenröcken vom DHV . und von der FJH. verboten ist. Auch bitte ich die Spielführerinnen, darauf zu achten, daß die Röcke nicht un­ästhetisch kurz getragen werden."

Was müssen die Hamburger Nazirieken alles zu verbergen

haben!

aus der poesiereichen Möwe, mittels Regisseurwahnsinns ein unzüchtig turnendes Affenweib. In England wird alles ein Weihnachtsstück; die Möwe fällt als shocking weg. In Italien formt der Regisseur ein Schreckensdrama: der Seemann fißt aus Hunger die Möwe.

IV

Satirisch Uebertriebenes aber ein wehmütig schöner Schluß. Das alte Theaterhaus wird ein neues Kino. Die Schauspieler verlassen ihre geliebten Bretter, einet nach dem andern( ich dachte: wie beim Vater Haydn in jenem Orchesterstück ein Mitglied der Kapelle nach dem andren melancholisch abzieht).

V

Es gibt etliche französische riftsteller, die ihr eignes. Land weniger schätzen als wir. Dazu gehört Raynai( er schrieb Das Grabmal des unbekannten Soldaten"). Savoir ( er schrieb das merkwürdige Schauspiel Er"). Lenormand ist der dritte.

Alle drei sind Sucher nicht Vollender. Sie liegen unsrer suchenden, nicht blitzhaft klappenden Art mehr als den tag­klaren Parisern.

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VI

Diesmal, sucht" Lenormand kaum. Jedoch am Schluß erschüttert er wenn ein Schauspieler den Sperrsity in wundervollen Worten anfleht: die Sprechbühne nicht sterben zu lassen.

Wie ein Mann erheben sich die Leute... mit feuchten Augen.

VII

Wir alle hängen doch vr mmt an dieser seltsamen irdi­schen Einrichtung. K.. r.

Selbst heute.

Wir wollen nicht..."

Skandal in einem Münchner Kino

In den Luitpold- Lichtspie', dem zweitgrößten Kino Münchens , kam es bei der Vorführung des englischen Films ,, Das Mädchen aus Wien " zu Lärmszenen, weil anwesende Nationalisten im Hauptdarsteller, dem Engländer Arthur Risco e, einen Nichtarier zu erkennen glaubten. Bei der Liebesszene zwischen Riscoe und seiner Partnerin, Magda Schneider begann ein ohrenbetäubender Lärm mit schrillen Pfeifensignalen und Rufen, wie: ,, Weg mit den Juden!" Wir wollen nicht, daß Juden deutsche Frauen in die Arme nehmen!" Viele Kinobesucher protestierten, worauf der Krawall sich noch verstärkte. Demonstranten versuchten, die Projektionskabine zu stürmen. Doch ließen sich die Operateure nicht davon abhalten, den Film weiter. laufen zu lassen. Als die Demonstranten sich vor den Pro­

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jektionsapparat stellten und der Lärm zunahm, drängte sich das Publikum nach den Ausgängen. Ein Polizeiauf­gebot stellte die Ordnung wieder her. Aber die Direktion des Kinos sah sich gezwungen, den Film abzusetzen und zu erklären, beim Erwerb ausländischer Filme sich die Certi­fikate über die arische Abstammung aller Mitwirkenden vorzeigen zu lassen. Was den angefeindeten englischen Dar­steller Arthur Riscoe betrifft, so hatte dieser Goebbels deu Nachweis seiner arischen Herkunft schon unterbreitet..