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SSanven ohne weiteres gestattet wird. Der amerikanische   Tarif ist streng schutzzöllnerisch geworden. Unsere und auch Englands Aus- fuhr nach Amerika   hat erheblich abgenommen. Nach den amerikanischen   Quellen sind 1834/95 von Anierika nach Europa   ausgeführt worden für 628 Millionen Dollars Maaren. Di« Einfuhr von Europa   betrug 384 Millionen Dollars, oder 244 Millionen Dollars, also fast eme Milliarde Mark weniger. Die Amerikaner wissen genau, daß sie von der Erhöhung der Zölle eine Ver- mehrung derZolleinnahmen nicht zuerwarten habe», wohl abereineBer» Minderung der europäischen   Einfuhr durch Verdrängung der enro- päischen Maaren vom amerikanischen   Markte. Namentlich die amerikanische   Textilindustrie hat sich erheblich entwickelt, besonders in den Südstaate», wo die Rohbaumwolle prodnzirt wird. Auch die neueste Dingley-Bill ist nur ein Ausfluß des Bestrebens, den euro  - päischen Einfluß fernzuhalten. Auch auf anderem Gebiete wird gegen die Einfuhr vorgegangen. So hat der Präsident der Vereinigten Staaten   im Dezember vorigen Jahres die Tonuengelder von deutschen   Schiffen eingeführt. Eine fernere Rücksichtslosigkeit ist, daß trotz der Saratoga-Konvention ein Zuschlag zum Zuckerzoll er- hoben wird. Es giebt keinen deutschen   Exportartikel, welcher nicht von der Zollelhöhung getroffen wäre. Es Handell sich nickt mehr um Schutzzölle, sondern um gänzliche Beseitigung der europäischen  Konkurrenz.(Sehr richtig! rechts). Amerika   ist durch keine Ver- träge gebunden, wir können nicht das geringste gegen Amerika  unternehmen. Wir müssen uns daher die Frage stellen, ob wir bei dem Meistbegünstigungsverhältniß länger verbleiben wollen. Wir müssen abwarten, welche Entscheidung über die Dingley- Bill getroffen wird. Geht unsere Ausfuhr nach Amerika   noch weiter zurück, dann glaube ich, daß Deutschland   sich dagegen wehren muß. Ein differenzirter Zoll auf Petroleum   und Kupfer Amerika  gegenüber wäre durchaus angebracht, und bezüglich Fleisch. Speck, Schmalz u. f. w. könnten es uns die Amerikaner nicht übel- nehmen, wenn wir die Sätze des Dingley-Tarifs ihnen gegenüber anwendeten. In Amerika   macht sich das Bestreben geltend, einen sehr hohen Zoll auf ausländische Rohbaumwolle einzuführen von 60 pCt. des WertheZ. Die deutsche Landwirthschast hat an dieser ganzen Frage n»r ein untergeordnetes Interesse, denn sie führt nur ivenige ihrer Produkte aus, mit Ausnahme des Zuckers, dessen Export jetzt wegen der Unruhen aus Kuba   gestiegen ist. Aber die Landwirthschast hat nur ein indirektes Interesse an dieser Frage. tier kommt die Solidarität von Industrie und Landwirthschast in rage und deshalb haben wir die Frage aufgeworfen.(Zustimmung rechts.) Es muß uns erwünscht sein, bei den Verhandlungen mit Amerika   möglichst mit anderen Staaten zusammen vor- zugehen. Auf England wird ja dabei wenig zu rechnen sei». Wir befinden u»S in einer Zwangslage insofern uns die Amerikaner zwingen werden, unfern Bedarf ans andern Ländern zu decken. Die Differenzirung der amerikanischen   Waaren wird keine zolltechnische» Schwierigkeiten mit sich bringen, denn eine solche Differenzirung besteht ja schon gegenüber Spanien  . Sehr einfach wäre die Sache, wenn wir das amerikanische   Verfahren der Fakturenlegalisirnng einführen würden. Man sagt ja: von Englands Seite würde nichts geschehen, denn der britische Löwe trage ja noch immer den Cobdeu'schen Maulkorb. Aber wir wollen uusere Hände rühren, denn»vir tragen trotz aller Bemühungen unserer Frei- Händler diesen Maulkorb nicht.(Beifall rechts.) Staatssekretär v. Marschall  : Meiner Antwort, daß ich bereit sei, die Frage zu beantworten, mich ich insofern eine Beschränkung geben, als die Sache sich noch in der Schwebe befindet und die ver- bündeten Regierungen»och keine Stellung genommen haben bezüglich des zukünftigen Borgehens. Ich bin aber bereit, die Frage zu be- antworten, welche Schritte der Reichskanzler gethan hat zur Ver- Hinderung der Maßregeln, die man in Aussicht genommen hat im Repräsentantenhaus. Ich muß mich darauf beschränke» zu erklären, was gethan ist, um die zweifellos schädigende Gesetzgebung zu verhindern. Der Vorredner meinte, die Meistbegünstigung Amerika's beruhe aus dem Notenaustausch von Saratoga und auf dem preußischen Bertrage von 1828. Das ist nicht zutreffend. Ein Verlrag zwischen den Vereinigten Staaten   und dem Deutschen Reich besteht allerdings nicht, aber es find Verträge mit Einzelstaaten vorhanden. Zuerst der preußische Vertrag vom 1. Mai 1823, welcher nach unserer Auffassung die unbedingte Meistbegünstigung enthüll. Tie ver- bündeten Regiornngen sind der Meinung, daß diese Verträge auf das Reich übergegangen sind, weil diesem die Zoll- gesetzgebung zusteht; diese Verträge haben ihre territoriale Giltigkeit verloren nicht erst durch Gründung des Reiches, sondern durch Gründung des Zollvereins. Die Giltigkeit des Vertrages ist auch von beide» Theilen durch konkludente Handlungen zugestanden worden durch Beanspruchung von Rechten und Erfüllung von Verpflichtungen anf grund dieser Verträge, zum Beispiel 1885, als Fürst Bismarck   erklärte, daß die Vereinigten Staaten   von Nordamerika   meistbegünstigt seien, also auch de» niedrigen Roggenzoll, den der spanische Handelsvertrag enthiell, zu beanspruchen hätte». Ferner hat Fürst Bismarck  , als Amerika   eine» Vertrag mit Spanien   abschließen wollte, bezüglich der Zollfreiheit des kubanischen   Zuckers, ans grund des preußischen Vertrags die Zoll- freiheil auch für deutsche» Zucker beansprucht unddaran ist derVertrag ge- scheitert. Es ist also ein langjähriger beiderseitiger Besitzstand der Meist- bcgünstignng vorhanden. Je umfangreicher und einflußreicher die wirthschaslliche» Beziehungen sind, um so mehr wird man der Wahrheit nahekomme», ivenn man sagt, daß diese Entwickelung dein Wohlstand beider Länder in gleichem Maße zu gute kommt. Ich fürchte allerdings, daß drüben die Vorstellung besteht, daß wir das größere Jntereffe an der Aufrechterhaltung des bestehende» Zu- standes hätten. Ich kann das nur als«inen bedauerlichen Jrrthum erklären und würde es nicht verstehen, ivenn auf grund dieses Irr- thums die Gesetzgebung vorgehen sollt«.(Sehr richtig! rechts.) Gegen Treue und Glauben würde es verstoßen haben, wenn wir die Vertragszöll« für Getreide Amerika   nicht zugestanden hätten. Durch den Notenaustausch haben wir nicht das Recht der Zollsreiheit für Zucker anf alle Zeit erhalten, sondern nur so lange ein anderer Staat die Zollfreiheit beanspruchen kann. Die Einführung eines Zuckerzolls war keine Verletznng der Abmachungen, wohl aber lag eine solche Verletzung vor bei dem Zuschlag für den Zucker, der aus Prämien zahlenden Länder» kam.(Sehr richtig! rechts.) Wir haben dagegen amtlich Protest erhoben und die Regierung der Bereinigte» Staaten hat diesen Protest als berechtigt anerkannt. Präsident Cleveland   hat vom Kongreß die Aufhebung des Zuschlages verlangt; der Senat gab diesem Ansinnen nicht statt(Unruhe rechts). Wir haben diesem Proteste keine weitere Folge gegebe» angesichts dc� Anerkennung unseres Rechts standpnnktes seitens der Vereinigte» Staate»(Lachen rechts), weil infolge der Revolution aus Kuba   der deutsche Zucker i» größerer Menge als sonst nach Amerika   ging. In der Dingley-Bill ist nicht allein der ZuckerzollZ erheblich er- höht worden, sondern auch der Zuschlag auf den ganzen Betrag der Prämie. Wir haben dagegen protestirt in der Protestnote vom ö. April 1897, welche die Abmachungen von 1891 infolge dieses Vorgehens als hinfällig bezeichnet und die Beseitigung des Meist- begünstigungsverhällnisses als nothwendig hinstellt. Gegen das Vorgehen der nordamerikanischen Staaten haben wir keine Be- schwerde erHobe», weil die Jnteressenten sich zuerst selbst dagegen wehren müssen, und weil derjenige, welcher von seinem Rechte Gebrauch macht, niemanden verletzt. Aber unbeschränkt ist die Autonomie der Staaten nicht. Denn kein Staat kann seine eigenen Produkte den Nachbarn aufdrängen, während er sich den Produkten der Nachbarn verschließt. Es ist eine allgemein menschliche Eigenschaft, daß jede Aktion, welche über das Maß hinausgeht, eine Reaktion hervorruft. Es scheint auch diesmal die Flnlhwelle des Schutzzolls die höchste Höhe erreicht zu habei', und es dürfte die Gegenströmung beginnen. Das ist die Sachlage. Mit Bedauern habe ich wahrgenommen, daß man meine Ausführungen zum theil mit Heite>keit auf der Rechten begleitete. Vielleicht wird einer der Herren mir mittheilen, was wir angesichts der Sachlage anderes hätten lhun sollen.(Sehr richtig! links.) Es ist heute noch alles in der Schwebe, und heute schon Entschlüsse zu saffe», daS wäre ein bedenkliches Vorgehen.(Zustimmung.) Auf Antrag des Abg. Barth tritt das Haus in die Be­sprechung der Interpellation ein. Abg. Barth(frf. Vg.) weist darauf hin, daß durch die Mac Kinley-Bill allerdings der Export Deutschlands   abgenommen habe, aber durch die Ermäßigungen des Tarifs im Jahre 1894 der Export wieder gestiegen fei. Allein entscheidend sind die Zollverhältnisse für Export und Import nicht. Ich erinnere auch an die Wirkung der Silberagitation in Amerika  . Gegen die Erhöhung der Schutzzölle an sich kann Deutschland   keine» Protest erheben, da Vertragsrechte nicht entgegenstehen. Aber die ganze Situation giebt Veranlassung, die Frage zu prüfen, ob nicht über die Auslegung von Handelsverträgen und über Streitigkeiten aus denselben durch ein Schiedsgericht entschiedcn werden kann. Trotz der hohen Tarifsätze der Dingley-Bill denkt in England niemand daran, Retorsionsmaßregcl» zu ergreifen. Bei solchen Maßregeln spielt immer die Leidenschast eine Rolle und nicht blos die wirklichen Interessen. Die Leidenschaft wird gewöhnlich un, so größer, je weiter der schutzzöllncrische Bazillus verbreitet ist; da seine Verbreitung in Amerika   sehr ausgedehnt ist, würde die Retorsion dort sehr stark sein, und schon deshalb ist kaltes Blut dringend noth- wendig. Denn durch Drohungen werden sich die Amerikaner nicht einschüchtern lassen, ebensowenig wie mau die deutschen   Schutz- Zöllner 1879 durch Drohungen zurückgehalten hätte. Man kann nur die Hoffnung hegen, daß die Amerikaner mit der Dingley-Bill dieselben schlimmen Erfahrungen machen werden, wie mit der Mac Kinley-Bill. Wenn ivir uns gedulden. werden die Dinge i» Amerika   bald wieder ein erfreuliches Ansehe» gewinnen. Abg. v. Heyl(natl.) spricht sein volles Vertrauen zum Reichs- kanzler aus, daß er in der schwierigen Situation das Rechte treffe» werde. Daß wir gegen dies neuere Vorgehen Amerika's nichts thuu dürfen, will mir nicht einleuchte». Wenn die Thorhcitcn allzniveit gehen, dann müffen wir uns doch fragen, ob wir das ruhig hin- nehmen können, nachdem Amerika   die Meistbegünstigung ohne jede Konzession erhalten hat. Der neue Diuglcy-Tarif hat für Deutsch­ land   eine um so größere Bedeutung, als dadurch die deutsche Steuer- und Sozialpolitik beeinflußt ivird. In Frankreich   bestehen keine Einkommensteuern und keine sozialpolitischen Lasten. Ferner sind die Beziehungen zwischen Nord- und Südamerika stelig ge- wachsen, und die panamerikanische Bewegung steht nicht mehr blos auf dem Papier.' Durch die Drohung mit dem Zuschlag für Zucker haben unsere Unterhändler sich einschüchtern lassen, und so kam das Saratoga- Uebereinkommen zu stände. Wir müssen ebenso vorgehen wie Frank- reich und einen Maximal- und Minimaltarif einführen und auf grund deren unsere Beziehungen zu den anderen Staaten regeln. (Zustimmung rechts.) Aber die deutsche Aengfilichkeit hat ein solches Vorgehen bisher verhindert. I» dem amerikanischen   Petroleum liegt ein großes Objekt der Repression. Ebenso liegt es mit dem amerikanischen   Obst. Wenn Landwirthschast und Industrie geschlossen in die Schlanken treten, dann ivird es möglich sein, daß wir eine für die nationale Arbeit günstige Handelspolitik erreichen.(Beifall rechts.) Staatssekretär v. Marschall  : Der Vorredner weiß ganz genau, wann die Handelsverträge zu kündigen sind, aber er läßt uns immer im Stich, wenn wir fragen. was er an die Stelle setzen wolle.(Zuruf: Autonome» Tarif!) Einen autonomen Tarif kann Deutschland   allein nicht machen (Heiterkeit), weil es ein so stark exportirender Staat ist. Der Vor- redner hat ausgeführt, daß die Gewährung der Zollermäßigung a» die Vereinigten Staaten   ein reines Geschenk gewesen sei.(Sehr richtig! rechts.) Der Kühnheit des Vorredners, daß er durch seine Pläne alle Beziehungen mit den anderen Staaten zerstören will, stehe ich vollkommen neidlos gegenüber.(Zustimmung links.) Abg. Richter(frs. Vp.): Der neuere amerikanische   Tarif ist zum theil eine sreihändlerische Vorlage, weil sie namentlich für die Textilindustrie Tarifermäßigungen vorsieht, und es sind noch weitere Erleichterungen in Aussicht genommen; wen» man diese Deutschland   nicht zugestebcn würde, so würde das ein Unrecht sein. Die Verhältnisse in Kanada   zeigen, daß ivir einen großen Vorlheil von der Meistbegünstigung haben. Graf Kanitz ist als Vertreter der Industrie aufgetreten; in dieser Maske war er mir nicht bekannt. Die deutsche Industrie wird auch den Verfasser des Antrages, der den deutschen   Arbeitern die Lebens- mittel verthenern will, nickt als ihren berufenen Vertreter an­erkennen. Dieser Beschützer der Industrie will amerikanisches Vieh und Fleisch mit einem Zoll belegen, ja sogar die Baumwolle. Die Industrie wird auch Herrn v. Heyl, obgleich er auch Großindustrieller ist, nicht als ihren Vertreter an- erkenne». Seine eigene Handelskammer in Worms  , deren Präsident er ist, erkennt seinen Standpunkt nicht mehr an. Die Reden des Hcrin v. Heyl zeigen eine solche Bunt- scheckigkeit und geistreiche Oberflächlichkeit, daß man daraus gar nicht eingehen kann. Herr Mac Kinley ist ein Schüler der deutschen  Schutzzöllner, der sich ausdrücklich auf den Fürsten Bismarck berief. Die Mcistbcgünstigungsklausel ist eine Schranke gegen die Bevorzugung anderer Staate». Die Theorie der Handelsbilanz ist von der Wissenschaft längst ausgegeben und Graf Kanitz und Herr v. Heyl sind die letzten Vertheidiger dieser falschen Theorie. Nach dieser falschen Theorie müßte England längst verarmt sein. Zur Aushebung des Einsnhrverbots amerikanischen   Schweinefleisches waren ,vir verpflichtet, sobald die Bedenke» gegen die Behandlung des Schlachtviehes verschwunden waren. Bezüglich der inter  - nationale» Zollftreitigkeilen könnte das Schiedsgerichtsverfahren sehr wohl eingeführt werden. Bezüglich des Petroleummonopols haben sich schon Rückschläge gezeigt. Die Zunahme des Ver- brauchs von Glühlicht und Elektrizität sorgt dafür. Daß das amerikanisch« Obst Absatz gefunden hat in Deutschland  , ist ein Beweis dafür, wie sehr der Obstkonsum noch der Ausdehnung fähig ist. Aber Sie(rechts) sehen in jeder Zollerhöhnng einen Vortheil, während wir darin einen Nachtheil erblicken, iveil dadurch der Konsum vermindert wird.(Widerspruch rechts.) Durch Drohungen und aufregende Reden, durch Zollchikanen u. f. w. wird sich Amerika  nicht einschüchtern lassen. Wir müssen dafür sorgen, daß nicht die nationale Lcidenfchait hineingezogen wird in diese Frage. Wenn wir alle unsere Vertragsbeziehungen aufgäben, dann würden die anderen Staaten davon den Vorlheil haben, welche ihre Ver- träge aufrecht erhalten. Man will diese Vorgänge in Amerika   nur benutzen, um höhere Zölle auf Lebeuimittel herbeizuführen.(Leb- haster Widerspruch rechts. Zustimmung links.) Abg. v. Kardorff(Rp.): Berechnen Sie einmal, daß 1400 Millionen Mark Lebensmittel nach Deutschland   importirt werden, welche die deutsche Erde selbst erzeugen könnte. (Lebhafte Zustimmung rechts. Lachen links.) Diese 1400 Millionen Mark würde» in Arbeitslohn der arbeitenden Be- völkerung in der Landwirthschast zu gute gekommen sein. Nachdem der Zolltarif von 1879 den Reichstag pafsirt hatte, reichte Herr v. Varubühler mit mir dem Fürsten Bismarck ein Promenwria ein. worin wir uns dafür aussprachen, sämmtliche Meistbcgünstignugs- vertrage zu kündigen, oder mindestens einer Revision zu unter- werfen. Fürst Bismarck   wollte damals darauf nicht eingehen, ihm lag der Frankfurter   Friede noch zu nahe. in welchem Frankreich   das Meistbegünsligungsrecht eingeräumt war. In späteren Jahren bestand Fürst Bismarck   selbst daraus, daß im Auswärtigen Amte eine sorgfältige Statistik aufgestellt wurde über die Wirkung der Meistbegünstigungssysteme mit den verschiedene» Ländern mit der ausgesprochenen Absicht, sich für die Zukunft einen autonome» Tarif, eine» Minimal- und Maximal- tarif zu schaffen, von dem aus»nan ans grund von Handelsverträgen zu Konventionaltarifen mit andere» Ländern gelangte. Wir haben es sehr bedauert, daß. ehe diese Idee zur Ausführung kam, das jetzige System der Handels- vertrüge inaugurirt wurde. Wir wünschen, daß durch diese Ver- Handlung die Regierung beeinflußt wird, in unserem Sinne zu handeln und nicht in der Weise der Abgg. Richter und Barth, die hier> mehr als Delegirt« des Aus- landes aufgetreten sind, denn als Delegirte deutscher   Wahlbezirke. Wir haben das Gefühl, daß zu Zeiten des Fürsten Bismarck die Amerikaner sich das nicht erlaubt haben würden, was sie sich jetzt uns gegenüber erlauben. Eine kleine Handhabe haben wir in der Hand, und die wird es den Amerikanern nahe lege», etwas rücksichisvoller uns zu be- handeln. Die Herren Amerikaner entsenden jetzt eine Kommission nach Europa  , um internationale Verhandlungen in der Währnngs- frage anzuknüpfen. Zu keinem Dinge gehört mehr ab- solntes Vertrauen zu der Zuverlässigkeit und Loyalität des anderen Staates wie gerade in der Währnngsfrage.(Heiter- keit). Die Amerikaner sollten sich überlegen, ob sie durch ihr Ver- fahren in der Meistbegünstignngssrage sich dieses Äertranen nicht in recht hohem Maße verscherzt haben. Nach Ablehnung eines Vertagungsantrages erhält um S Uhr das Wort Abg. Graf Limburg-Stirum(k.): Eine solche Behandlung, wie die Amerikaner sie geübt haben, dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Selbst der Zollkrieg wäre dem Fortbestehen des jetzigen Zustandes vorzuziehen. Deshalb kann ich der Regierung nur rathen, daß wir baldigst zu einem autonomen Tarif kommen mögen. Staatssekretär v. Marschall  : Gewiß muß man seine eigene Würde wahren, aber man muß auch die eigenen Interessen vertreten, und wir hätten unsere Zuckerindustrie geschädigt, wenn wir damals in Differenzen mit den vereinigten Staaten gekommen wären, denn der Export der Zuckerindustrie nach Amerika   war niemals so groß wie damals. Abg. v. Stumm(Rp.): Ich hoffe, daß die Auseinander- sehungen die Wirkung haben werden, daß ein autonomer Zolltarif aufgestellt wird, damit Zugeständnisse nur gemacht werden können, wenn die anderen Staaten auch Zugeständnisse machen. Um S'/e Uhr werden ei» Schlußantrag und ein Vertagungsantrag abgelehnt.' Abg. Ahlwardt  (mit Heiterkeit empfangen): Zur Herbeiführung der unglücklichen Situation, in der sich Deutschland   zetzt durch die Wahl Mac Kinley's befindet, hat niemand mehr beigetragen als der Abg. Barth.  (Heiterkeit.) Diese Lachansälle bei meinen Aeußerungen berühren mich etwas eigenthümlich. Dieses Lachen, während das Gesicht verbittert aussieht, läßt mich auf eine Erkrankung schließen, die ich acute Talrnuditis nennen könnte.(Lachen.) Für die nächsten vier Jahre ist für Deutschland   nichts zu hoffen. Die amerikanischen   Hochschutzzöllner werden ihre Pläne dnrchsühren zur Schädigung des deutschen   Handels und der deutschen   Industrie. Abg. v. Heyl: Wenn ihn der Staatssekretär um die Kühnheit seiner Vorschläge nicht beneide, so beneide er den Staatssekretär um seine Erfolge ans diplomatischem Gebiete auch nicht. Abg. Barth: Ich würde aus die absurde Bemerkung des Herrn v. Kardorff, daß wir, Herr Richter und ich, als Delegirte des Auslandes aufgetreten sind, nicht eingehen, wenn Herr Ahl- warbt nicht etwas Aehnliches ausgeführt hätte, nämlich, daß ich als Delegirter Deutschlands   gegen die Wahl Bryan's gewirkt habe. Diese Behauptung ist ebenso absurd, wie die Behauptungen des Herrn v. Kardorff. Präsident v. Buol: Das Wortabsurd« ist parlamentarisch nicht zulässig. Abg. Richter: Der Vorwurf des Herrn v. Kardorff ist ebenso häßlich, wie wenn ich behaupten wollte, daß Herr v. Kardorff als Delegirter ameritanischer Silbermiuenbesitzer austrete. Abg. Ahlwardt: Ich habe nicht gesagt, daß Herr Barth   der Delegirte Deutschlands war zur Bekämpfung der Wahl Bryan's. sondern er war der Abgesandte der Goldjnden, der eigentlichen Herrscher seiner Partei. Abg. Barth: Der Präsident hat mcine Bezeichnung einer Aeußernng des Herrn v. Kardorff alsabsurd" gerügt. Herr v. Kardorff hat aber Herrn Richter und mich alsDelegirte des Auslandes" bezeichnet. Wenn wir nicht darauf abwehrend anl- worten können, dann sollte uns der Herr Präsident wenigstens gegen solche Bemerkungen schützen, die eine empfindliche Beleidigung ent- halten.(Zustimmung links.) Präsident v. Bnol: Ich weiß nicht, ob die Bemerkung gefallen ist; jedenfalls ist aber der Ausdruckabsurd" gebraucht worden und ich halte ihn für unzulässig. Abg. Barth: Daran, daß Herr v. Kardorff den bemängelten Ausdruck gebraucht hat, hat im Hause niemals ein Zweifel ge- herrscht. Abg. v. Kardorff: Ich bin den Herren zu jeder persönlichen Genugthuung bereit.(Große Unruhe links.) Präsident v. Buol behält sich vor, nach Untersuchung der Sache darauf zurückzukommen. Schluß 63U Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 2 Uhr(Nechnungs- Vorlagen. Servistaris und Reliktengesetz). Polizeiliches, Gerichtliches ,e. Zu unserer Notiz in Nr. 100Ein eigenartiges Jubiläum" wird uns berichtet, daß das Landgericht in Dresden   nur deshalb die Ansehung des Termins gegen die Genossen Reichard und Schulz so weit hinausgeschoben hat, weil die Sammlung und Bearbeitung des umfangreichen EntlastungS- Materials durch den Vertheidiger und das Gericht sich nicht schneller bewerkstelligen ließ. Rechtsanwalt Heine hat die Ladung von 33 Entlastungszeugen beantragt. Der Genosse Wabersky vomHamburger Echo" war neulich von der fünften Abtheilung des Hamburger Schöffen- gerichts wegen Beleidigung des aus dem Frankfurter   Schaffuerprozeß sattsam bekannt gewordenen Hamburger Polizeikommifsars Kämpe zu einer Geldstrafe von 30 M. verurtheilt worden, weil imEcho" ohne Namensnennung gesagt war, daß ein bekannter Kriminal- kommissar, gegen de» ei» Disziplinarverfabren eingeleitet sei, am Verfolgnngswahnsinn erkrankt sei. Der Vorsitzende des Schöffen- gerichts,'Amtsrichter Dr. Görden, der auch schon einmal gegen zwei Mitarbeiter desEcho" Strasantrag wegen Beleidigung gestellt, denselben aber vor der Hauptverhaudlung»vieder zurück- gezogen hat, stellte in den Urtheilsgründen fest, daß ans derver- hetzenden Tendenz des sozialdemokratischen Arbeiterblattes die Absicht und das Bewußtsein der Beleidigung hervorgehe." Gegen das Urtheil legten der Amtsanwalt, der 2 Monate Gesängmß beantragt hatte, und der Angeklagte Berufung ei». Bor dem Landgericht hielt der Staatsanwalt die Berufung jedoch nicht mehr ausrecht, weil aus der inkriminirten Notiz uichl die Person des Beleidigte» zu erkennen sei und der Angeklagte esbedauerlicherweise" ablehne, den Namen des Beamten, der gemeint sei, zu nennen. Der Vertheidiger de- antragt« aus demselben Grunde Freisprechung, bot aber zum Schluß seins Plädoyers durch Zeugenbenennung den Wahrheitsbeweis an. Auf diesen Antrag ging das Gericht jedoch in keiner Weise ein. sondern erkannte ans den vom Staatsanwalt angeführten Gründen auf Freisprechung._ Gewerkschaftliches. Berlin   n»b Uiiigebnng. Achtung, Schuhmacher! Die Arbeiter der Werkstätten von Reib, Dearnebourg, und Stolzenberg haben wegen Lohndifferenzen die Arbeit niedergelegt. Wir ersuchen diese Werk- slätten bis aus weiteres zu meiden. Morgen Abend findet in dieser Angelegenheit eine öffentliche Versammlung statt.(Siehe Annonce.) Die Agitationskommission. Achtung, ASphnlt-Fnßbodenleger! Die Arbeiter der Firmen Kopp u. Cie., Lietz, Aorlstraße, und Schlesing, welche sich mit dem Verlegen von S t a b f u ß b o d e n in Asphalt beschäftigen, werden ersucht, sich am Donnerstag, den 6. Mai. abeuds 8tzc Uhr, im Lokale des Herrn Zu b eil, Linde, fftr. 106, einzufindc». Es soll i» einer gemeinsamen Sitzung mit der Kommission der Parketlbodcnleger- Branche eventuell ein einheitlicher Preis für da? Verlegen von Stabfußboden in Asphalt festgestellt werden. I. A.: Otto N e r r e, Wilmersdorf  . Hebet die Maifeier bringt derLokal-Anzeiger" die ver- logene Mittheilung, daß bei der Baufirma Held n. Frank« nur ein kleiner Theil der Arbeiter gefeiert habe und die Fehlenden im Laufe des Tages ersetzt wurden. Thatsächlich haben sämmtliche Arbeiter mit wenigen Ausnahmen die Arbeitsruhe gefordert und dem entsprechend die Maiseier begangen.