Schutz­zőlle

H- ABEKING 24

Graf Westarp  : Das Volk hungert bei vollen Scheuern."

Seine Freunde schreien nach Schutzöllen, damit das Volk noch mehr hungern muß 1 Frauen, wollt Ihr Euch und Eure Kinder von den Agrariern aushungern laffen?

Die fromme Webersfrau!

Bon Minna Lodenhagen.

Das kleine Erlebnis, das ich hier erzähle, hat eine unserer alten Borfämpferinnen, als fle nach langen Jahren harter Arbeit zur Er. holung im Gebirge war, gehabt. Ich gebe es fo wieder, wie fie es mit mitgeteilt hat:

Aus niedrigen Hütten flapperten eifrige Webstühle.

Ich hatte das fchlesische Dörfchen hinter mir gelassen und mich in Sinnen verloren auf einen der fanft auslaufenden Berge des Gebirges niedergelassen.

Da schlich wieder das Geräusch einer Arbeit an mein Ohr. Eine Arbeiterfrau in mittleren Jahren schnitt mit einer ffeinen Sichel das Gras von dem Abhang des Berges.

Erfüllt von der Schönheit des Sommertages, in deffen Klarhelt die blauen Berge Schlesiens wirken wie ein Märchen aus Gottes besten Schöpfertagen, teilte ich mich mit der Arbeitenden in Worten des Entzückens.

Die Frau aber klagte: Wohl ist der Sommer schön, aber kurz. Der Winter aber ist hart und lang. Oft find wir im Winter durch Schneefälle von der Welt abgeschnitten und wissen dann manchmal nicht, woher Nahrung nehmen für Menschen und Bleh. Im Sommer aber machen uns die großen Herren das Leben noch schwerer als nötig tut. Sie verbieten uns, das Bieh, unsere Ziegen, draußen welden zu laffen, damit ihnen die Jagd nicht verdorben wird, ihnen gehören ja die Jagdgründe.

Man arbeitet redlich und betet, wie sich's gehört, und hat doch bel aller Plage kaum das nackte Leben."

Haben Sie," erwiderte ich, noch nie darüber nachgedacht, ob leine andere Hilfe gibt, wenn das Beten nicht hilft?

Ich stehe nun schon ein langes Leben lang in der Arbeiter bewegung und fämpfe gegen folches Unrecht der großen Herren, wte es Ihnen hier geschieht. Wenn alle Ihre Leidensgenoffen das täten, würde es auch für Sie bald beffer werden."

,, Das dürfen wir nicht, der Herr Pfarrer fagt, die Sozialdemo­fraten wollen die Religion abschaffen, und die muß der Mensch haben. Darum müffen wir uns das Herz reinhalten. Der Beichtvater iſt fehr ftreng."

Die Religion," sagte ich, fann und will die Sozialdemokratie nicht abschaffen. Sie hält nur der Kirche ihr Unrecht vor, daß sie dte Sünde der großen Herren, alle Unterdrückung gutheißt, von Euch aber Duldfamkeit als Gottes Gebot verlangt. Habt Ihr schon einmal baran gedacht, ob der Beichtveter Eurem großen Herrn wird sagen, daß er sich nicht erheben sollte über den Willen felnes Gottes und

Eurem Bleh, die Sonne und die Weide des Sommers nicht ver wehren dürfte?"

Rachdenklich nickte die Frau mit dem Kopfe und meinte: Es Grasschnitt zufammen, schulterte ihn und ging ihrer Hütte zu." mär' halt gut, wenn mehr Aufklärung unter uns fäme," raffte ihren

Neue Brotverteuerung?

Die deutsche Landwirtschaft fordert Schutzölle. Auf jeden Zent­ner Getreide, der vom Ausland fommt, foll ein möglichst hoher Zoll erhoben werden. Der Preis des Auslandsgetreides würde dadurch in Deutschland   fo fteigen, daß die inländische Landwirtschaft keine Konkurrenz zu fürchten braucht und ihrerseits recht hohe Preise für das deutsche   Getreide verlangen tann.

Solche Schutzölle für Getreide bedeuten eine Begünstigung der Landwirtschaft auf Kosten der Industriearbeiter. Sie erhöhen die Einnahmen der Landwirte, und die Induftriearbeiter müffen von threm geringen Lohn mehr ausgeben für Brot.

Gegen Schulzölle wird sich das Ausland auf die gleiche Weise zur Wehr sehen. Es wird wahrscheinlich die Einfuhr deutscher In­duftrieerzeugnisse erschweren. Damit verschlechtert sich die Arbeits­möglichkeit der deutschen Arbeiter. Wenn die Schutzölle für Ge­freide beschlossen werden, müssen die Arbeiter also nicht nur höhere Brotpreise bezahlen, sondern sie haben auch mit der Verschlechterung Ihrer Arbeitsverhältniffe zu rechnen.

Die Entscheidung über die Schutzölle trifft der Reichstag, der am 4. Mai gewählt wird. Die rechtsstehenden Parteien werden die Wünsche der Landwirtschaft unterstützen und für Schutzölle ein­treten. Die Sozialdemokratie wird gegen Schuhzölle und für die Niedrighaltung der Brotpreise fämpfen. Ob sie eine neue Brot der sie in den neuen Reichstag einzieht. verteuerung verhindern kann, wird abhängen von der Stärte, mif

geordneten, die am 4. Mal gewählt werden, ruht zur Hälfte bei den Die Entscheidung über die Zahl der sozialdemokratischen Ab­löfen haben, die Einnahmen und Ausgaben des Arbeiterhaushaltes Frauen. Die Arbeiterfrauen sind es, die die schwierige Aufgabe zu miteinander in Einklang zu bringen.

Werden sie stimmen können:

für eine Partei, die den Schutzöllen zustimmt?

für eine Partei, die den Agrariern, die fich während des Krieges und in den Jahren der Geldentwertung gefundgemacht haben, weitere Bortelle zufchanzi?

für eine Partei, die glaubt, man könne dem Arbeiterhaushalt die Einnahmen verringern und gleichzeitig die Brotpreise erhöhen?