partei wollen neue 3lle auf alle Lebens. mittel. Jeder Bissen Brot, jides Häppchen Fleisch soll verteuert werden und gerade die größten Familien würde diese neue Teuerung am meisten treffen. Die Sozialdemo fraten haben diese Lebensmittelzölle im legten Reichstag verhindert; nun sollen die Frauen am 7. Dezember felbst darüber entfcheiden. Wählen sie deutschnational oder deutschoolksparteilich, dann kommen die Zölle auf Lebensmittel. Und nicht nur diese, auch Zölle auf Industrieprodukte drohen. Dabei wollen Deutschnationale und Volksparteiler nicht etwa, daß die Löhne steigen. Im Gegenteil, die Löhne sollen sinken, die Arbeitszeit verlängert werden; die Erwerbslosenfürsorge soll abgebaut werden, wenn darüber auch einige tausend Menschen zugrunde gehen, wie der deutschnationale Abgeordnete Dr. Quaah im Haushaltsausschuß des Reichstags sagte. Die Wohnungsbewirtschaftung soll aufgehoben werden, damit die Mieten steigen, das Wohnelend noch größer wird, und die Boltsfeuchen, Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten, noch mehr steigen.
Die Sozialdemokraten haben die Mietsteuer bekämpft, fie haben durch eine vernünftige Siedlungspolitik der Wohnungsnot abzuhelfen versucht; durch Schaffung fortwährender Er weiterung der Wochenhilfe haben sie den notwendigsten gefeßlichen Schutz für Mutter und Kind geschaffen. Dem legten Reichstag lag ein Gesezentwurf aus dem Washingtoner Abkommen vor, der diese Hilfe weiterausbauen will. Bon den Wahlen am 7. Dezember hängt es ab, ob der tommende Reichstag für die Not von Mutter und Kind Berständnis hat; bei den Wählerinnen Negt die Entscheidung. Die Gesundheitsfürsorge muß ausgebaut werden; Deutschnationale und Boltsparteiler werden feine Besizsteuern für diese Zwecke bewilligen.
der Jugendliche bei der Begehung der Straftat die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht besaß.
Diese frühere gefeßliche Rege.ung wurde feit langer Zeit als unhaltbar angesehen, und seit dem Jahre 1907 lagen Vorschläge zur Abänderung dieses traurigen Zustandes vor. Allein erst der Entwicklung nach der Revolution, und zwar zum wesentlichen Tell den Anregungen des Genossen Prof. Dr. Radbruch als Reichsjustizminister und der Unterstützung der sozialistischen Reichstagsmitglieder blieb es vorbehalten, in jahrelangen Kämpfen das Jugendge. richtsgesetz zu schaffen, das seit dem 1. Juli 1923 in Kraft getreten ist. Schulkinder fommen jeht nicht mehr auf die Anklagebank. Die Strafbarkeit eines Jugendlichen beginnt nun erst mit dem 14. Lebensjahr. Die sozialdemokratische Fraktion hatte darüber hin aus beantragt, Strafmündigkeit erst mit dem 16. Jahre eintreten zu laffen, war aber hiermit nicht durchgedrungen.
Ein Junge oder ein Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren dürfen nur bestraft werden, wenn sie zur Zeit der Tat nach dem Grade ihrer geistigen und fittlichen Entwicklung fähig sind, das Ungesetzliche ihrer Tat einzusehen und ihren Willen dieser Einsicht gemäß zu be stimmen. Das Gericht muß alfo die persönlichen Eigenschaften des Jugendlichen, seine Intelligenz, seinen Charakter, seine Entwicklung und feine Umgebung sorgfältig prüfen, ehe es zu einer Verurt ing fommen darf. Es hat nicht in erster Linie zu fragen: wie muß der Jugendliche bestraft werden, sondern: wie fann der Jugendliche vor weiteren Straftaten bewahrt, auf den rechten Weg zurüdgebracht werden? Trotz mancher Mängel liegt hierin der große Fort schritt des Jugendgerichtsgesetzes: der Erziehungsgedanke hat gegenüber dem reinen Strafgedanten gefiegt. Steht jetzt ein Jugendlicher vor dem Richter, so muß dieser zuerst prüfen, ob Erziehungsmaßregeln erforderlich sind; sind diese Maßregeln ausreichend, so hat der Richter von Strafe überhaupt abzusehen. An Erziehungsmaßregeln stehen ihm zu Gebote: Berwarnung, Ueber. weisung in die Zucht der Eltern oder der Schule, Auferlegung be. fonderer Verpflichtungen, z. B. Verbot des Rauchens, des Besuchs von Kinos, Varietés, Tanzlokalen, die Unterbringung in eine Pflegestelle oder Anstalt, Schußaufsicht oder Fürsorgeerziehung.
Für das Recht der unehelichen Mutter und ihres Kindes ist bisher nur die Sozialdemo. tatie eingetreten; für die Abänderung der Abtreibungsparagraphen des Strafgesetzbuches haben praktisch und mit Erfolg nur die Sozialdemokraten gefämpft. Die Kommugericht abgeurteilt. Es besteht aus einem auf diesem Gebiete er niften behaupten es anders, aber fann eine ernste Frau diese Partei überhaupt noch ernst nehmen? Wohl kaum, denn tatsächliche Arbeit haben die Kommunisten im letzten Reichstag überhaupt nicht geleistet. Sie haben vielmehr immer wieder gesagt, daß sie mit allen Anträgen, die sie stellen, nur Stimmung machen wollen für die Weltrevolution. Das ist ihre Sache, aber Sache der wählenden Frauen und Mädchen am 7. Dezember ist es, dafür zu sorgen, daß die gegenwärtigen Lebensverhältnisse besser werden und daß die blutige Bergangenheit nicht wiederkommen fann.
Sache der wählenden Frau am 7. Dezember ist es, eine Zukunft schaffen zu helfen, in der ein reines Mutter und Kinderglüderblühen tann. Um dieser Zukunft willen muß sie die Liste der Sozialdemokratie für den Reichstag und für den Landtag wählen.
Junge Sünder vor Gericht.
Bon Stadtrat Walter Friedländer , Berlin . Wer tann diese blaffen Gesichter mit angftverdunkelten Augen pergeffen, die vor dem düsteren Ernst des Gerichtssaals, dem forschen ben Blick des Richters im schwarzen Talar und des ebenso feierlich verhüllten Staatsanwalts ganz in sich hinein vertriechen? Bielen von ihnen tritt hier die Autorität des Staates zum erstenmale voll Ins Bewußtsein, mit ihrer Gewalt, die den Jungen oder das Mädel thre Hilfslosigkeit fühlen läßt.
Bis zum vorigen Jahre tamen Kinder und Jugendliche vom awölften Lebensjahre ab, die gegen ein Strafgesetz verstoßen hatten, dor die allgemeinen Strafgerichte, das Schöffengericht, die Straffammer oder das Schwurgericht, 12 und 13jährige Kinder standen oft wegen geringfügiger Straftaten zwischen gefährlichen Berbrechern vor dem Gericht, hörten beim Warten auf den Korridoren von den gewohnheitsmäßigen Besuchern dieser Stätten böse Dinge. Nicht wenige von ihnen fühlten sich dann vor den Richtern als Helden eines Theaterstückes, wenn sie mit einem heimlichen Blick auf thre Freunde und Bekannten, die dichtgedrängt im Zuschauerraum faßen, dem Richter eine freche Lüge weiszumachen verfuchten. Gelang es ihnen, freigesprochen zu werden, weil die Tat ihnen nicht nachgewiesen werden konnte, oder famen fie mit einem Verweis davon. well bei ihrer Straftat ein besonders leichter Fall vorgelegen hatte, fo meinten fie oft genug, in dem Verfahren einen Triumph errungen zu haben. Sonst aber mußte das Gericht auf die gleichen Strafen ertennen, wie gegen Erwachsene. Erforderlich war nur, daß
Alle Straftaten Jugendlicher werden jetzt von dem Jugend fahrenen Richter als Borsitzenden und zwei Jugendschöffen, die aus einer vom Jugendamt eingereichten Vorschlagsliste ernannt find. Einige besonders schwere Straftaten werden vom großen Jugend gericht entschieden, das aus zwei Richtern und drei Jugendschöffen gebildet wird. Das Berfahren ist im Gegensatz zum gewöhnlichen Strafprozeß nicht öffentlich. Hierin ist vom pädagogischen Standpunkt aus ein wichtiger Gewinn zu erblicken. In der Ber handlung werden gar oft Dinge ans Licht gezogen, die das Scham gefühl des Mädchens oder des Jungen tief berühren, die als Schuldige oder als Zeugen in das Verfahren verwidelt find. Jezt können nicht mehr alle Bekannte und Nachbarn mit gespannten Ohren auf den Bänten des Saales fizen und fich an der Berlegenheit der armen jungen Menschen weiden. Es fällt auch jenes Gegenteil fort, daß sich teder geartete Jugendliche durch den Zuhörerkreis in eine Heldenrolle gedrängt fühlen.
Was führt unsere jungen Sünder vor die Schranken des Ges richts? In der Zeit der Inflation und der raschen Geldentwertung waren neun Zehntel aller Straftaten von Jugendlichen Eigentums. vergehen, Diebstahl und Unterschlagung. Besonders häufig war in dieser Zeit der Metalldiebstahl, zu dem auch die zahlreichen Auffauf stellen die Jugendlichen start anregten. Damals haben sich an solchen Metalldiebstählen gerade die jüngeren 12. bis 13jährigen Jungen be teiligt. Jetzt sind diese Straftaten Jeltener geworden und auch die Eigentumsvergehen sind zurückgegangen. Hingegen wird oft genug der Junge oder das Mädel vor das Gericht gezogen, weil sie gegen einen ihnen ungerecht erscheinende Polizeistrafe Einspruch erhoben haben. Hier handelt es sich zumeist um geringfügige Bergehen; besonders häufig stehen hier die Anklagen wegen des Bersäumens der Fortbildungsschule zur Verhandlung.
Die turzfristige Freiheitsstrafe, die früher häufig verhängt und vollstreckt wurde, wird heute von den meisten Jugendgerichten nur selten und ungern angewandt. Sie befürchten, daß ein Jugendlicher, der auf einige Tage ins Gefängnis gesteckt wird, dort schlecht beein flußt wird. Erziehlich ist es gewiß nicht, daß diese Jungen und Mädchen auf ein paar Tage im Gefängnis bleiben. Schwere Ver brechen sind bei Jugendlichen in lezter Zeit nicht so häufig gewesen. In der Mehrzahl der Fälle kann das Jugendgericht deshalb im Urteil die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aussehen. Der Jugendliche soll sich dann in einer Probezeit von zwei bis fünf Jahren Straf erlaß verdienen; bewährt er sich in dieser Frift, so wird ihm die Strafe erlassen. Bei der Beurteilung der Straftat fann das Jugendgericht stärker als früher die soziale Lage der Jugendlichen und seiner Familie berücksichtigen und damit auf die wahren Ursachen des Verbrechens zurückgreifen, die oft genug nicht in der verbrecherischen Neigung des jungen Menschen, sondern in dem harten Zwang der Not zu finden find.