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Wie das phosphoreszierende Leuchten funkelnder Schlangemutgen zog ihn dieses tiefrote Licht in den Fenstern an. Die schwache Natur des mutwsen Sklaven ver­mochte nicht, sich von allen Ketten feines Dqscins loszureißen. Erschrocken vor seinem eigenen Uebermut und etwaige Folgen blitz­schnell im Kopfe erwägend, druckte er sich ems den-Reihen der Demonstranten und

lief blindlings gegen das Tor des Gerichts­gebäudes. Schwer keuchend fiel er in den dunklen Korridor. Hinter dem Torflügel verborgen, beobachtete er nun die heran- nahenden Reihen. Mit der stummen Ver­zweiflung eines ewigen Sklaven, der sich niemals mehr aukschwingen wird, mit einem grenzenlosen Abscheu vor der Schande seine­eigenen Lebens, schaute er auf diese

Menschen, die so stolz, so mutig und so siegesgewiß dahergingen. Bewundernd schaute er auf sie, wie auf die Verkörperung des auferstandene« Frühlings und der schönsten, der heiligsten Hoffnungen. Und als er leise den Kehrreim der^Interna­tionale" wiederholte, flössen Tranen der Freude über seine Wangen.

Bruder, komm... Bon Karl Germor. Bruder komm es lockt der Mai Bade dir die Seele frei. Bon des Mtags Schlacken. Bruder komm es lockt der Mai Bom Helotenjoch mach frei Deinen müden Nacken. Bruder komm es lockt das Licht Siehst Du auf den Gaffen nicht Maieusonuenkindrr? Bruder komm lockt das Licht Setze auf dein froh Gesicht, Bist ja doch kein Sünder. Bruder komm es lockt die Luft Fühlst Du nicht in deiner Brust Freiheitssehnen drängen? Bruder komm es lockt die Luft Deinen Kittel arg berußt, Latz am Nagel hängen. Bruder komm Lust, Licht und Rai Locken, rufen:»Mach dich frei." Kannst Du widerstehen? Bruder komm sei einmal frei! Einmal nur im Jahr ist Mai Komm erhör mein Flehen!

Du fragst, mein Freund. Dem i. Mal gewidmet. Du fragst, mein Freund, warum mein Blick unruhig, mein Haupt zu Boden geneigt ist? Ich kann, mein Freund die Schande, die um mich herum ist, nicht ertragen. Sieh, wie frech sie wurde, die menschliche Schmach! Sie versteckt sich nicht mehr, sie verstellt sich nicht mchr. Offen wck> roh marschiert fie durch die Straßen in den hellen Tagen und Nächten. Sie verwandelt das Leben in einen ekelhaften Jahrmarkt, wo man handelt, wo man kaust und verkauft. Alle und alleL: die Arbeiterkrast von Millionen, den Saft der menschlichen Seele. Den erfinderischen und forschenden Ge­danken des Gehirns. Das göttliche Talent der Menschen, die männliche Jugendkrast, dir Reize der Frauen. Und wenn ich mit Swlz und erhobenem Haupt, mit Frechheit in das Gesicht des Lebens schaue, sehe ich, wie die Käufer geputzt und ge­schmückt umhergchen. Sehe ich dagegen die Verkäufer, die Sklaven, die Sklavinnen, die Händler und Händlerinnen wird mein Blick nuruhig und ich senke mein Haupt zu Boden, vor Schande vor dieser Menschheit, vor Schmach vor diesem Leben. Du ftagst, mein Freund, warum so viel Lesiwn in meinem Blicke liegt, so viel Kummer in den Zügen meines Antlitzes? Ich habe, mein Freund, die Hölle des Le­bens durchquert und dos Schreien der mensch­lichen Seelen vernommen, die dort gemartert und gequält werden. Ich sog ungeheure mensch­liche Leiden in mich ein. Ich sah, wie eine

Menge junges Leben in sinsteren Löchern er­stickt wird. Wie viele viele menschliche Blu­men welken, ohne einen Lichtschein der Sonne zu erreichen. Ich sah, wie rücksichtslos der Jugend ihre Lebensfreude erstickt und vergiftet wird, wie frühzestig das Feuer der menschlichen Augen erlischt. Alles dies flocht sich in dem Kämmerchen meines Gehirns ein und ver­einte sich mit dem Blute der Adem, vereinte sich mit dem Glan; meiner Augen und prägte sich in den Zügen meines Gesichtes aus.. Du fragst, ulcin Freund, warum in meinem Blick so viel Zorn brennt, warum in meiner Stimme so viel Galle und Bitternis klingt, warum ich so verbissen mit den Zähnen knirsche?. Ich bin, mein Freund, über Bmdcrgräber, über Schlachtfelder gewandert, dort hörte ich die letzten Todesrufe der jungen Leben, die unschuldig gemordet worden sind. Tausende von Flüchen und Verdammnissen habe ich vernommen, die von den Bmdergräbern hinausgetragen wurden. Monatelang habe ich den menschlichen Fäulnisgemch der Gemor­deten in mich gesogen. Jedes Atom davon war ein tausendfacher Fluch gegen die: die sie hineingcstoßen und schonungslos gemordet haben, die sie so der Fäulnis preisgegcben, ihnen die Welt und den Sonnenschein raubten. Du fragst, mein Freimd, warum mein Blick mit so viel Feuer ausleuchtet, meine Stimme so triumphierend klingt und über meinem Gesicht eine kindliche Freude sich bereitet? Wenn ich sehe, mein Freund, wie die grüne Welt aufblüht, wenn ich daS junge, frische Leben sprossen sehe; wenn ich das Jubeln und Singen der Chöre in der Lust höre; jvenn ich das Rauschen des Waldes vernehme, erwacht in mir eine junge Lebensfreude, die ein Feuer der Liebe zum neuen Leben zündet. Wie ein junges Kind lacht und tanzt in mir die Lebensfreude. Und wenn ich den Chor der menschlichen Stimmen, daS LiU> der Freiheit; des Kampfes und Sieges höre, wenn ich Tausende von menschlichen Stimmen in einem Ruf sich ver­einen höre, lodert in mir steges-triwnphierend mein Blick auf. Dann sehe ich die Körnchen der Erd« aussprosseu, die Toten aus den Gräbern steigen. Ich sehe sie, die Armee der Befreier. Ich sehe wie das Gute, das Ewige, das Mensch­liche sich wie ein breiter Strom, wie eine große Flut über die Erde ergießt rind das Blut ab­wäscht, das sie generationenlang schon entweiht; hat. Zerstört die Manern, die Grenzen zwischen Böllern und Menschen! Weckt Leben und Freude in der menschlichen Gesellschaft, auch im Menschen selbst und verjagt die Schande, die Schniach des Lebens! Dann, mein Freund, leuchtet mein Blick auf, meine Stimme jubelt sicges-triumphierend und eine kindliche Freude ergießt sich über mein Antlitz. Elkon^ Chrabelewsky (übertragen von A. Walek).

Feste. Maschinen rasseln, Räder surren, Riemen sausen. Am Schraubstock, an der Bohrmaschine, an der Drehbank stehen Arbeiter, feilen, bohren, drehen, nieten, arbeiten an einem Teil einer großen Maschine, eines Autos, kurz, eines Gegenstandes, dessen Konstruktion, dessen Aus­sehen sie oft nicht einmal kennen. Arbeite!» toilmig, Differenzierung, das ist der Endersolg des Entwicklungsganges der Technik. Stun­den, Tage, Wochen, Monate, Jahre hindurch oft immer denselben Griff, den gleichen Schlag oder Druck, dieselbe monotone, geist­tötende Arbeit. Alle zwei Minuten ein Auto, schreibt Ford, täglich so und so viele Motor­pflüge, Straßenbahnwagen, sagen andere, und Dritte nennen die in die Tausende gehende Zahl der geschlachteten Ochsen, Schweine und Ham­mel. Niemand aber schreibt von dem Geist, den diese Arbeit tötet. Der Mensch ist ein Sklave der Maschine. Wie kann Maschinenarbeit anregend, freudebringcnd werden? Das ist ein Problem. Sicherlich nicht durch dasZurück zum Handwerk", wie es von einem Teil der bürger­lichen Jugend propagiert wird. Sicher nie­mals, indem man sich den Fortschritten der Technik cptgegenstellt, sondern nur durch die größtmöglichste Differenzierung aller Arbeiten, aller Produktionen, gleich welcher Art. Eine noch größere Arbeitsbeschränkung als es heute der Fall ist, wäre dadurch in greifbare Nähe gerückt und ausreichende Freizeit wäre der Gewinn.Uns fehlt nichts, um so frei zu sein wie die Vögel sind, nur Zeit," heißt cs in einem Gedicht. Doch das ist Zukunftsmusik. Wie können wir heute schon Freude in unsere Herzen und Hirne tragen? Müde gehen jung und alt noch des Tages Mühe und Arbeit heim. Graue Not empfängt sie und doch wollen sie sich freuen, und manche greifen zum Schimdroman statt zum guten Buch, sitzen im Kino und scharren sich sinnlos zusanrmengestellte, blöde und seichte Filme an, statt des Lehrfilms, deS guten Films, gehen in die Operetten, nm Schlagerzotrn und häßliche Musik mit anzu­hören, statt in ein gutes Theater oder eine Oper. Auf dem Tanzboden amüsieren sie sich bei Jazzmusik, häßlichen Schieber- und Wackel­tänzen und beim Gesang gemeiner Liederterre, bei Alkohol und TabakSdunst. llnd das alles, weil sie nicht unterscheiden können zwischen gut und schlecht. 5kein Fest können sie feiern ohne Zotengcsang, ohne erotische Reize, ohne den ihre Hirne verblödenden Alkohol. DaS ist das Fest, ein Spiegelbild unserer morschen Kultur, der Erfolg falscher Erziehung und monotoner Arbeit. Und doch sind Kräfte am Werke, Vertreter der neuen Menschheilsidee unserer sozialistischen Weltanschauung, im Bunde mit der vorwärts- strebenden Arbeiterschaft und ihrer jungen Ge­neration, uni Neues zu schaffen, eine neue Fcstkultur zu bauen, getragen vom Gedanken der Gemeinschaft. Arbeiterdichtung, Volks­musik und-lied, Sprechchor, Laienspiel und neuer Tanz, das sind jene Dinge, die uns