Ich nahm Rücksprache mit ihrem Unterfuchungsrichter, durfte die Akten einsehen und erfuhr, daß es sich um eine langgefuchte Hochstaplerin handelte, die mir inzwischen schon etliche andere, nicht minder intereffante Geschichten erzählt hatte.
Eine Gefangene hatte Besuch von ihrem Berlobten. Das Gespräch drehte sich um die Heiratsfrage. Sie war ein stark gewachsenes Menschentind, nicht schön und nicht häßlich, aber von besonderer Wirkung auf die Männer. Nach dem Besuch blieb sie im Arbeitsfaal, in dem man später einen verlorenen, heimlich geschriebenen Brief derselben Gefangenen fand. Er hatte nachstehenden Wortlaut:
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Frau, die längst über dem Leben steht und ganz anders. Und nur diejenigen Gefangenen für die dieses Haus auch nicht die geringste hatten ein gutes Auskommen mit ihr, die Bedeutung hat. Ja, so fonnte es ihr schließ fie als Frau Doktor cchteten. Die Mutter lich doch nicht schwer fallen, zu mir zu fom- erzählte, jammerte: men. Ich selber habe eine wahnsinnige Angst Mein Mann hat sie um ihre Schwinde vor dem Altwerden. Liebster, weil das Leben, leien oft halb totgeschlagen. Schon als fleines das, was ich mit Leben zu bezeichnen pflege, Kind. Sie erzählte uns mit einer Sicherheit dann zur Neige, in die Brüche geht. Man und Ueberzeugungskraft die märchenhaftesten wird eines Tages feine Liebestraft mehr in Geschichten. Den Kindern wußte sie Erleb fich fühlen und womöglich vergebens einen nisse zu schildern, die erfunden waren, als Trost juchen, wie ihn meine alte Großmutter habe sie sie wirklich erlebt. Und alle hatten schon lange gefunden hat. fie gern. Ihr Kind( bei der Mutter untergebracht) scheint ihr nachzuarten. Jetzt ist es sechs Jahre alt. Nealich kam sie patschenaß nach Hause und erzählte, sie sei in den Stenal gefallen. Ein Polizist habe sie gerettet. In Wirklichkeit hatte sie sich im Nachbarhaus in eine Wassertonne gestellt. Unheimlich fann einemt werden, daß man Kind und Kindeskind so hat. Ich weiß nicht, wo es herkommen kann. Und dabei ist meine Toch ter so talenivoll."
Nun lebe wohl und behalte mich lieb. Sch will mich mit meiner letzten Zigarette heute abends ins Bett legen und an unsre Liebe denken. Schick mir durch S. bald wie der einen Brief und möglichst auch Schokolade und Zigaretten. Am unauffälligſten es in der Mittagsstunde, fannst Du ihm mal fagen. Nun schlaf schön, süßer Junge. Deine treue Auguste."
,, Geliebter, viel fann ich Dir heute nicht fchreiben, denn ich hatte Besuch von meiner bereits fiebenundachtzigjährigen Großmutter, bie in ihrem ganzen Leben zum erstenmale bieses verfl... Haus betreten hat. Sie kam, weil sie mir nicht länger verheimlichen Dem Verlobten hatte sie die GewissensBonnte, daß meine liebe Mutter seit drei Wo- frage gestellt, ob er ihr auch Tag um Tag Bonnte, daß meine liebe Mutter seit drei Wo- treu sei. Eine Stunde später schrieb ſie vorthen im Marienkrankenhaus liegt und eine chivere Operation durchzumachen hatte, von stehenden Brief an einen Gefangenen. ber sie sich nur sehr langsam wieder erholt. Meinen Schmerz fannst Du gewiß verstehen, aber auch meine Freude, daß die alte Dame einmal den Mut fand, mich hier im Kerker zu besuchen, dann aber auch, daß fie, so alt chon, noch so rüftig ist. Wenn wir erst frei find, wirst Du sie kennenlernen. Sie ist eine
Sturmgefang.
Von Carl Zudmaher. Dran, dran, ob Sieg, ob Untergang, Ob Mann, ob Weib, ob Kinder. Thr beugtet lang und allzu lang Die Hälse eurem Schinder, Der Not und Drangsal heißt. Wir wollen ihn zerschlagen,
Wie man ein schlechtes Werk zerschmeißt! Hilft ihm tein Flehn und Klagen.
Dran, dran mit Wut und Sturmgefang, Der Himmel wird ihn hören,
Auf unsre nackte Fahnenstang
Muß Gott den Treucid fdywören.
Uns zieht ein Stern voran,
Der wird lebendig werden, Und jeber wirket Mann für Mann, Das himmlisch Reich auf Erden.
*
Eine Mutter besuchte mich im Gefängnis. Ihre Tochter war in Haft. Seit dem sechzehnten Lebensjahr mit geringen Unterbrechungen. Nun war sie fünfundzwanzig. Ale Frau Doktor v. Burgheim wurde fie uns eingeliefert. In Wirklichkeit hieß sie
des Firmaments nur mehr mit Grau überzogen und düster sah.
Allmählich sah es aus um die Bergiverfsstadt, als habe man sich bemüht, dem Antlitz der Erde auch die letzte Spur von Schönheit zu rauben, auf daß es den Sklaven des Werks gar zu schwer fiele, die schöne Oberfläche alltäglich mit der wüsten Tiefe zu tauschen. Auf daß sie gefügiger sich in ihre Not ergäben.
*
Jetzt aber ist der Frühling gekommen über dieses graue Land der Deden, in die Wüstenei
Der Arbeit.
Zu Füßen der Halden begann es. Schüch tern wagten sich ein paar blaßgrüne Grasspitzen ans Licht. Dann blühten auf einmal graugrüne Flede um die Stein- und Schutthügel. Birkenstämmlein, verkümmert und in grauem Rinden fleid, belaubten sich zartgrün. An den Stellen, wo schwarze Leitungsrohre, von Hügel zu Hügel ziehend, die Erde berührten, sprossen Grasbüschel.
Frühling im Kohlenrevier.ermliche Schrebergärten, zwiſchen Halden und
Bon Heinz Eisgruber.
Zwischen Hügeln liegt die Bergwerksstatt. Aber es find feine Hügel, auf denen ozonouftende Tannenwälder lagern oder Rinderherben weiden und Bauern pflügen. Es sind Halden, Kohlenhalben, Gesteinshalben.
Bor Menschenaltern fing es an. Als fie bie erste Stohle aus der Tiefe holten und das bie erste Stohle aus der Tiefe holten und das blinde Gestein auf den grünen Rasen schütteten. Unaufhörlich ſpien die Schächte Steine und Geröll aus. Kotereien warfen über das hell graue Gestein dunkelgraue Schlade. Die Schutt hügel fraßen um sich, gierten polypengleich das grüne Land in sich. Zu Füßen der grauen By ramiben sprangen schmutzige Quellen auf: die Schlammgewässer der Tiefe, die Abwässer der Maschinen. Sie floſſen in die Bäche und Flüsse und färbten die glasklaren dunkel und trüb. Essen wuchsen hoch und ihr Qualm legte sich an den Hängen fest, daß das Auge die Farben
Schlammgräben eingezwängt, mühsam der Verwiiftung abgetroht, gaben fargen Sträutern Luft und Leben. Und auf ganz, ganz alten verlassenen, vermosten Halden frochen dünne Gras faben zwischen den Schladen.
bleichen Kumpels über die graugrüne Welt, die Bärtlich streicheln die müden Blide der fich in ihre Stein- und Schuttelt wagt. Ein dather Hoffnungsschimmer stiehlt sich ihnen ins Herz. Der schmutzige Himmel über den Säuptern hat sich ein wenig gelichtet. Es geht ich ein wenig leichter und aufrechter. Die frummen Rüden versuchen, sich ein wenig zu ftreden. Wie in den Gräsern und Baumstämmen will auch in den Leibern und Seelen der Saft hochschießen. Der Frühling ist da. Die Erde erwacht. Und will auch die blaſſen Kumpels, die von der Schicht heimlehren, anſteden. Einer tut einen hellen Pfiff. Da schauen die Mädels um, die vor ihnen schreiten.
Dem fonnte ich nur zustimmen.
Ich wüßte immer fortlaufend von dies fen meinen Beobachtungen zu berichten. Es handelt sich da um diejenigen Gefangenen, die nicht dem Richter, sondern dem Psychiater gehören. Und ich denke daran, daß Amerika anfängt, Schritte zu unternehmen, Asyle statt Gefängnisse zu bauen. In Europa aber will man noch immer nicht hören und nicht sehen.
Von der großen Schladenhalde, über die Tag und Nacht die glühende Masse aus den Stolsöfen rollt, schießen rauchende, flammende Steine. Und versengen und bedecken das bißthen Grün, das eben aus dem mageren Beden gekeimt war. Die Halme krümmen sich wie in Qualen, werden gelb und grau und schwarz; ein Flämmchen züngelt hoch. Und das Früh lingswunder ist tot.
Die Kumpels kommen nach Hause. In niedere, frumme Häuser. Hinter den Häusern, deren Wände von Staub und Ruß geschtvärzt sind, ragen die Halden hoch. In den dumpſen Häusern drängen sich bleiche Gesichter.
Hier ist kein Frühling. Immer noch nicht. Er macht Halt vor den Haustüren der Kumpels. Der Lohn ist zu farg. Viele haben nicht einmal Arbeit. Und trockenes Brot schmeckt auch im Frühling schlecht.
Die Kumpels stehen vor den Haustüren und ihre Augen suchen die Sonne, die sich nicht hinter den Schladenbergen hervorwagt. Und
einer frägt langsam und schwer: Wann wird's bei uns Frühling werden, Genossen? So richtig und saftig: Frühling! Wann wird der Früh ling zu den Hungernden und Unterdrückten fommen?!
Die Straße lang marschiert Arbeiterjugend. Singend und festen Schrittes.
Und über die Schladenberge stiehlt sich ein Sonnenstrahl.
Nestroy- Sätze.
Ich hab' einmal einen alten Isabellenschimmel an ein' Ziegelvagen g'sehn, seitdem bring' ich die Zukunft gar nicht mehr aus'm Sinn.
Es ist so edel, wenn man seine Hand einem Menschen in die Hand legt, dem man j' von Rechts wegen ins G'ficht legen sollt.
Armut ist ohne Zweifel das Schredlichste. Mir dürfte einer zehn Millionen herlegen und jagen, ich soll arm sein dafür, ich nehm's nicht.