Lay

Feieraberd

Feierabe

Nr. 28.

Enterhaltungsbeilage.

Wanderfomödianten.

Bon einer Spielzeit in Südmähren .

1926.

Nach einer langen Eisenbahnfahrt durch der Sehnsucht nach Lebensinhalt kamen wir, packen wohl als ansehnliches Arbeitspensum Schlesien und Böhmen , auf Holzbänken schla- und suchten nach Dingen, die der Glanz des buchen durften. Wenn wir auch nicht mit der fend, essend, rauchend, zerschunden von Kan- Seltenen und der Reflex des Romantischen trostlosen Müdigkeit und dem Fatalismus ten, zitternd, erfrischt vom eiskalten Wasser umgab. Wir waren Bohemiens und von eines Werftarbeiters oder irgendeines groß­Der Bahnhofsbrunnen und zum Säubern viel allem Luxus entwöhnt. Ausgenommen der städtischen Berufsmenschen die wenigen Stuns zu müde, torkelten wir durch Znaim , das uns Luxus der Boheme: Geld als Mittel zum den ausnützten, die uns für uns selber blieben. mit grauen Straßenreihen und überschwemm- Ausgeben zu betrachten und Uhren und Klei­tem Kazenkopfpflaster ebenso unfreundlich an- dungsstücke, die plötzlich ihren Daseinszweck sah wie der böhmische Januarhimmel und bei den jeweiligen Besitzern erfüllt zu haben Die tschechischen Beamten. Dazu waren wir schienen, in irgendeiner Trödlergasse zu ver­ohne Geld und aus der deutschen Inflation setzen oder gegen reizende Dinge unter uns geflüchtet.

auszutauschen. So schufen wir uns in Dreck und oft bitterer Not immer den faszinieren­den Trug des Vagabunden: nach innerer Laune leben und die faule Sicherheit des bürgerlichen Sofas verlachen zu dürfen.

Durch lange ,, Walzen", die uns aus

Bei einem Wurstessen des Deutschen Vereins, wo wir Mysterienspieler wenig Dank für Lönslieder und Balladen und die Kalauervorträge eines Znaimers lebhaften Applaus ernteten, bekam unsere Begeisterung, durch die physische Schwächung der Reisetage genommen unsere beiden Mädchen von angegriffen, den ersten Stoß. Immerhin fonnten wir mun wenigstens die paar Kronen für die Gepäcksanslösung aufbringen.

-

Unser erestr Spielort dieser mährischen Tournee hieß Milleschib, ein kleines Dorf in der Nähe Znaims, nach dem wir ein Stüd per Bahn und den Rest auf einem Leiter­wagen durch die Schneelandschaft fuhren.

Die ersten Häuser tauchten auf im Dun fel. Durch unsymetrische Fenster fiel hie und da Licht, ein gelber Petroleumschein glitt ar den buntgestrichenen Lehmwvänden der Dorfs straße hin und spiegelte sich in Pfützen. Ueber den niedrigen Dächern and den Bäumen eine blaue Unendlichkeit, in der Sterne gliserten, falt und klar. So klein empfand ich nirgends die Dinge der Landschaft und so groß und übermächtig nie wieder den Himmel, ivie in diesen kotigen, flachen Gebieten Mährens.

Dänemark bis Italien geführt hatten, war in uns diese Unbedingtheit des Vagabunden zur Norm geworden. Nach anstrengenden Anderntags, auf einem Leiterwagen durch Spieltagen kam zufällig ein freier Tag. Wir die verschneiten Felder Mährens Holpernd, zogen die Allee, die der erste Hauch des Früh­An einer Wegkreuzung war das Gast bespritzt von Schne etwasser und Kot, um- jahrs umfing, zur Stadt, und all unsere Er- haus, in dem wir spielen sollten. Wir traten pfiffen von Winden, die durch die Mulden sparnisse gingen unter Scherz und Lachen in in einen Raum von geringem Ausmaß. Ar and über die Schwellungen des Flashlandes kleinen Launen auf. Nachdem wir uns einigen Tischen saßen Bauern und Zigeuner, schlugen, kam Frische und Mut uns wieder. Strümpfe, Sragensnöpfe und Briefmarken franken Wein und spielten Karten. Im Hof Die Vagabondage lachte aus uns zwei Ko- gekauft hatten, warfen wir die letzten Kronen standen ihre Wohnivagen mit dem bunten mödiantinnen und vier Komödianten, die auf einer Seiltänzertruppe auf dem Znaimer Landstraßenputz. Eine fettglänzende Schwarz­Versprechungen des Deutschen Kulturverban- Marktplatz in Grandezza in den Hut. Dar- haarige und zwei, drei Kinder preßten ihre des nach Mähren gezogen waren. Wir waren nach lebten wir ein paar Tage von trockenem Nasen gegen die Wagenscheibe und gewaltige mehr noch erfüllt von eigener Abenteuerlich-| Brot oder Nüssen. Um irgendeinen Reiz zu Sundetiere bellten im schwankenden Laternen keit, als von dem Zauber der mittelalterlichen genießen, ohne den wir im Augenblick nicht schein. Spiele, deren primitive Art unserem Wollen leben fonnten, schlugen wir nützlichere Dinge Nach der Begrüßung und einer Abend und Können entspr. So fühlten wir uns aus. Ohne Bagen stellten wir uns jedoch auch mahlzeit von rechtschaffener Quantität wur­berufen: durch gänzlich undogmatische Reli- in den Dienst einer Idee, die uns manchen den uns auf den Fußboden einige Lagen giosität in Kunstentfremdung, Bäuerlichkeit leeren Magen und manches Lager im Stroh Stroh geschüttet, und obgleich die Zigeuner und Dorfenge einen idealen Funken hineinzu- oder im Wartesaal aufzwang. Im Wagemut noch ihre letzten Trümpfe auf den Tisch schlus tragen. waren wir den Bürger überlegen und nur gen, schliefen wir unbekümmert ein, während Ueber den persönlichen Reiz hinweg, in auf Wagemut war die Tournee aufgebaut. sich unsere Mädchen im Raum nebenan unt unbekannten Gegenden herumzustreifen und Uns reizte allein das Leben in seinen die größere Hälfte eines Kinderbelts zu strei­Eigenartiges zu entdecken, bewog uns ferner Gegensätzen, während die ruhige Vernunft ten schienen. der Gedanke, deutschen Volksgenossen, die uns unserer besten Eigenschaft beraubte: des Am anderen Tag rollten wir alle erreich­durch eine lächerliche Grenzbestimmung nach Selbstvertrauens und des festen Optimisms, baren Bierfässer in in die Wirthausstube, dem verlorenen Kriege Fremdkörper und daß wir weder verhungern noch verdursten schleppten einige Lagen Bretter darauf und Stieffinder im übermütigen Tschechien ge- könnten! Der biblische Satz von den Bögen fertig war das Podium". Unsere Kulissen" worden waren, das Bewußtsein ihrer Zuge- unter dem Himmel, die der himmlische Vater war ein noch tadelloss glänzender grüner Vor­hörigkeit zum Deutschtum auf eine elementare ernährt, traf auf uns zu, freilich mit der Ein- hong aus Sadtuch, der bei Kerzenbeleuchtung Art zu stärken und nicht durch nationalisti- ja ränkung, daß wir nicht träge waren, son- als Rahmen und Hintergrund wunderbar sches Geschrei. dern täglich Strapazen der Reife, Auftauen mystisch aussah. Dieser grüne Vorhang, den der Bühne, Nachmittags- und Abendvorstel- wir danach unzählige Male noch auf- und lung, Biederabbauen der Bühne und Stoffer- labspannten, trat nun zum ersten Mal in

Aus Proletarierverhältnissen und Arbei­terversammlungen, aus der Großstadt und