Rolland hat diesen Dichter des orientali schen Proletariats als Gorki des Balkans be zeichnet, nicht unberechtigt, halten die weiteren Geschichten des Zograffi, was der erste Band verspricht. Gütige Fügung des Schick fals, daß der Menschenfischer von Villeneuve den Vagabunden strati aus den tiefen Waf
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fern des sozialen Ozeans abgefischt hat". Ein niederträchtiger Zufall könnte ihn sonst viel leicht doch einmal nach Bayern führen, und dort würde man ihn als Arbeitsscheuen und statsgefährlichen Landfahrer" auf ein paar Jahre ins Gefängnis sperren. Daher auch der Name Kulturbolf. Bruno Bogel.
Das mittelalterliche Brag.
Es dürfte in ganz Europa teine Stadt geben, die in ihren Bauwerken so viele af schlüsse über die deutsche Geschichte gibt wie Pag. Gerade weil Böhmen von jeher Grenz mark nach dem Osten hin gewesen ist, hat sich hier das deutsche Wesen besonders scharf herauskristallisiert. Im Wettbewerb mit slawischer Eigenart mußte es sich behaupten und durchsetzen. Man gesteht angesichts des Prager Stadtbildes, das ein so vielgereifter Mann wie Alexander von Humboldt unter die vier schönsten Städte der Welt rechnet, daß dies überraschend gut gelungen ist. Trotzdem werden nur bor nierte Nationalisten daraus Kapital schlagen fönnen in bezug auf die Genesung der Welt". Denn das Mittelalter tennt nicht die engen völkischen Schranken, mit denen die kapitalisti schen Staaten des 19. Jahrhunderts sich abschlossen im Widerspruch zu der Weltwirt schaft, an der sie doch alle teilzuhaben suchen, sondern es wird beherrscht von der Universalidee der römischen Kirche.
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Es ist eine Mischkultur, die an der Moldau aufblüht. Das slawische Element hat ant wenigsten Anteil daran, wiewohl der Name der Stadt, so gut wie der der meisten oberfächsischen Orte slawischen Ursprungs ist und von derselben Wurzel abgeleitet wie die Namen, die in Bayern auf Reute " oder" Reuth", in Niedersachsen auf Rode" endigen und Rodung" bedeuten. Aus der Zeit, die am Rhein und an den Abhängen des Harzes so föstliche Denkmäler geschaffen hat, wie die Dome von Mainz , Worms und Speyer , die Kirchen von Köln , von Hildesheim und Braunschweig , ist zwar nichts Bedeutendes in Prag erhalten. Die St. Georgenkirche auf dem Hradschin, eine oder die andre Rundkapelle, in altem Gemäuer verstedt, erinnert an die Zeit, in der die Stadt Bistum geworden ist. Erst nach Karl dem Großen war von Deutschland aus Böhmen den Christentum gewonnen worden, und wenn auch fchon im 11. Jahrhundert deutsche Kaufleute in Brag anfäffig waren, so ist von ihrem fulturel len Einfluß doch noch wenig zu spüren. Die Gotik hat, um in den östlichen Marken heimisch an werden, länger gebraucht als in Westdeutsch
land.
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Erst die Spätgotik ist neben dem Barock der maßgebende Prager Bauftil geworden. Die Dynastie der Luxemburger, die im Jahre 1310 mit König Johann den Thron bestieg, hat sich um die böhmische Kultur die größten Verdienste erworben. Das Land ist fruchtbar und reich an Silbererzen, an vielbefahrenen Handelsstraßen gelegen. Es umfaßte eine viel größere Bodenfläche als heute, denn es begriff einen großen Teil der fränkischen Lande mit ein und reichte bis nahe an den Nürnberger Stadtbann heran. Die Einkünfte dieses Königreiches müssen gewaltig gewesen sein. Johanns von Böhmen Sohn Karl, als deutscher Kaiser Karl IV. , der von 1346 bis 1378 regiert hat, zog Böhmen allen andern Kronländern vor. Dieser ungewöhnlich begabte Fürst hat sie Mark Brandenburg erworben. wofür ihn Wilhelm II. mit einem Denkmal in der Sieges allee gestraft hat und er hat viel für Tm
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Pariser Sorbonne im Jahre 1348 eine deutsche Universität geftiftet und seine Residenz unt einen schönen und für damalige Begriffe weit räumigen Teil, die Neustadt, vergrößert. Und die Brücke, die die Königin aller Brüden ge blieben ist, namentlich nach dem Verschwinden von Pöppelmanns Augustusbrücke in Dresden , die Karlsbrüde, ist sein Werk und von den Architekten des Beitsdoms ausgeführt worden. Noch heute steht sie mit ihren alten Brüden türmen, die den Bomben Friedrichs II. getropf haben, und noch heute steht, nach dem Vorbild germünde getan. Er hatte auch eine große Bordes Altstädter Brückenturms erbaut, der Bul liebe für Nürnberg , wo er im Jahre 1356 ie verturm mitten in der Stadt. Es gibt keine berühmte Goldene Bulle " erließ, um die Rechte köstlicheren Denkmäler der Profangotik: reich der Kurfürsten festzulegen. Und tatsächlich und blühend und doch massiv künden sie von wird, wer Nürnberg kennt, in der Prager einer Zeit, die fruchtbar war an künstlerischen Altstadt auf Schritt und Tritt an die Stadt an Gedanken wie wenige. Selbst der französische der Begnių erinnert. Der Altstadtring mit der Königshof, an dem Karl erzogen war, konnte! doppeltürmigen Teynkirche, die mächtig über sich mit dem böhmischen nicht messen. In das vorgelagerte Schulgebäude emporragt, hat Tale der Beraun, südwestlich von der Haupt viel vom Nürnberger Marktplatz. stadt, mußte ihm der Meister von Arras eine ,, Tehnschule" und Teynkirche" bezeichnen Königsburg errichten, zu der die Schilderungen etwas Abgezäuntes. Der Hof dahinter heißt von der Gralsburg als Vorbild dienten und noch heute, trotzdem das Deutsche überall ausgedas Papftschloß in Avignon . Das köstliche merzt ist in der tschechoslowakischen Hauptstadt, Kleinod aber in dieser Burg Karlstein sind drev Ungeld". Hier befand sich im Mittelalter der Kapellen, von denen eine, dem heiligen Kreuz Bollstapel der deutschen Kaufleute, gegen die geweiht, oben im höchsten Turm hinter vier übrige Altstadt streng abgegrenzt; alle Waren, Meter diden Mauern, an ihren Gewölben mit für die das Ungeld", d. H. der Zoll, bezahlt Gold überzogen ist wie die Zarengemächer inv werden mußte, wurden da eingelagert. Die Moskauer Kreml, während die Wände unterdeutsche Kaufmannschaft saß also recht im Her halb der Ahnenbilder aus böhmischen Halbedel zen von Prag , und nicht weit davon befand sich steinen bestehen. der älteste Getto in dem Bezirt, der später die Josefsstadt" getauft worden ist. Die Altneuschule" neben dem zierlichen Rathaus aus josefinischer Zeit, aus den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts, soll in ihren unteren Teilen schon im 5. Jahrhundert bestanden haben, also lange, ehe es ein christliches Gotteshaus gab. Dann wölbten sie die besten Architekten jener Zeit, Meister Matthias von Arras und Peter Parler von Schwäbisch- Gmünd , und zogen, um das Kreuzbild am Gewölbe zu vermeiden, in jede Kappe noch eine fünfte Rippe ein.
Eben diese Meister waren vor Kart IV. beauftragt worden, den Veitsdom auf der Königsburg droben, im Hofe des Hradschin, zu erbauen, und sie haben einen Chor und seitlich am Querschiff einen Glockenturm aufgerichtet, den Torso einer gotischen Kathedrale, der alle Ausbauversuche des 19. Jahrhunderts, die noch heute fortgesetzt werden, verhöhnt. Den Getto aufmachen konnte damals fein König, auch der mächtigste nicht, wollte er es nicht mit der Kirche verderben. Die schauerliche Enge des Gettos erkennt man an dem Judenfriedhof, der eher wie ein Trümmerplatz aussieht mit seinen durcheinander- und übereinanderliegenden, verwitterten und zerbrochenen Grabsteinen. In drei Schichten übereinander mußten im Laufe der Jahrhunderte die Prager Juden ihre Verstorbenen beerdigen, sonst war kein Play. Im Tode noch wurden sie gedrängt und zusammengequetscht. Und doch genoß diese Judengemeinde größeres Ansehen als irgendwo sonst, denn der König überließ ihr seine Baumeister zum Neubau ihrer Schule. Später, im 16. Jahrhundert, zog Kaiser Rudolf II. ihren weisen Rabbi Löb zit astrologischen Beobachtungen mit seinem eigenen Hofastrologen Tycho de Braher an seinen Hof, und abermals hundert Jahre später wurde der Judenschaft für ihre hervorragende Tapferkeit bei der Verteidigung Prags gegen die Schweden von Kaiser Ferdinand III. eine Fahne verliehen, die noch heute die Synagoge ziert.
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Der Monarch aber, der die Juden schützte, war auch sonst ein aufgeklärter und weitblik fender Mann. Er hat nach dem Muster der
Doch nicht allein die fast asiatische Prach dieser Kapelle macht ihren Ruhm aus, sondern ihr tunstgeschichtlicher Wert, der in den Wandmalereien beruht. Karl IV. hat nichts Gerin geres vollbracht als die Begründung einer Malerschule, die das Werk des größten Jtalie ners, des Giotto, nach Mitteleuropa verpflanzte Ein Meister aus Oberitalien , Thomas von Modena, war das Haupt der Prager Schule und Nikolaus Wurmser von Straßburg und Theodorich von Prag waren seine Schüler und Fortseter. Die primitiven Werke von Köln und Westfalen , die uns aus dem späten Jahrhun dert geblieben sind, müssen irgendwie mit der Prager Schule zusammenhängen, denn nur über diese Brücke ist die Tafelmalerei aus denu Süden zu uns gelangt.
So sehen wir, aus welchen Quellen die spätgotische, böhmische Kultur gespeist war: aus französischen, füddeutschen und italienischen. Karl IV. , den sein Volt verehrt hat wie die Araber den Harun al Raschid hat er nicht Notstandsarbeit" in einem Hungerjahr als oberhalb von Prag durch Arbeitslose die„ Hun germauer" aufführen lassen? fannte die italienische Kultur der Vorrenaissance ebenfalls bon mehrfachen Italienreisen und war ein pers sönlicher Freund und Gönner des Boccaccio; dein Petrarca ließ er nach Brag berufen an seine Hochschule wie den Meister Angelo di Firenze der ihm den ersten botanischen Garten nördlich der Alpen anlegen mußte. Die Huffitenstürme haben dann im 15. Jahrhundert furchtbar auf geräumt unter Karls Kunstschöpfung. Aber noch die Refte, zu denen die Kleine eherne Reiterstatue eines heiligen Georg im Hofe des Grabschin gehört, find imposant und zeugen für die Größe einer Epoche, die stark genug war, die Elemente dreier Kulturen zu einer neuen Harmonie zusammenzuschweißen.
Hermann Hieber.