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Die Signalpfeife schrillt, der Soldat tommt nicht mehr zum Anrauchen, er rennt zwischen den Bäumen weiter. Der Gärtner spudt hinter ihm aus, schreit: Wohin, zum Teufel? Haft feinen andern Weg...?"

Herbst.

Mit einer Leiter über der Schulter, mit einer Schere in der Hand, geht der Gärtner durch die Allee und stußt die Bäume. Er ist abgemagert, borstig, die Kleider hängen an ihm

Ich sehe ihm zu, denke mir: weder Erd­beben noch Sintffut wären imstande, diesen Mera schen in seiner Arbeit zu stören. Und wenn es sich herausstellte, daß die Posaunen der Erz­ engel , die das jüngste Gericht verkündigen, nicht ordentlich glänzten, würde der Mann sicherlich die Erzengel fachlich und streng tadeln: Die Trompeten da hättet ihr puthen sollen."

Dorfleben im brasilianischen Urwald.

Von Felix Speiser .

Wie ein blinder Dichter die Welt sieht.

wie Segel am Mast bei Windstille. Die Schere, Iten Form des Pfeiles etwas zu ändern, auf die fahle Ziveige fappend, schnappt laut, bös. Gefahr hin, mit dem neuen Pfeile ein Jagd­tier, dem er stundenlang nachgestrichen ist, nicht zu Fall zu bringen oder den Jaguar, der ge­rade zum Sprunge auf ihn anfeßt, zu verfehlen. Da ist es viel sicherer, sich an das Alte, Er­probte zu halten, an das, was gut und darunt in gewissen Sinne heilig ist. Denn eben, weil jedes Gerät in der Regel das denkbar vollkom menste seiner Art in der gegebenen Umgebung darstellt, ist es ein fostbares Vermächtnis der Ahnen, von denen es übernommen worden ist, denen es daher eigentlich gehört, und mit dem man darum nicht leichtfertig umgehen darf. Zur Wirksamkeit eines Gerätes gehört für den Naturmenschen nämlich nicht nur seine tech­Im Dorfe tragen die Indianer ihre alte, ja gerade nicht, doch hier versagt das Reinlich nische Vollkommenheit, sondern auch noch eine Tracht, die ihnen weitaus am bequemsten ist, feitsgefühl des Indianers, wie übrigens in mehr geistige Tüchtigkeit. Denn auch der nach sonst würden sie wohl wie alle anderen Natur- dieser Hinsicht heute noch bei manchem altem Herkommen hergestellte Pfeil fann seint völker der Eitelkeit unterliegen und sich in euro- Europäer. Ziel verfehlen, sicher aber wird er treffen, wenn päische Lumpen hüllen. Die Männer tragen Großen Abscheu dagegen erregen bei dem bei seiner Zurichtung alle die alten, heiligen. eine dünne Lendenschnur. Wollen sie sich Indianer die Exkremente der Hunde, und soll- Gesänge und Sprüche gemurmelt worden sind, schmücken, so wird sie ersetzt durch ein oder meh- ten sich, trotz beständiger Beobachtung der Tiere, mit denen die Alten den Pfeil kräftig gemacht rere Schnurbändel aus Baumwolle oder Affen- solche in der Nähe des Hauses befinden, so wer- haben, sie, die viel mehr wußten als die hen­haaren, die um die Hüften gelegt werden. Zur den sie sorgsam mit zwei Brettchen aus dem igen Menschen, denen der Pfeil von heiligent Lendenschnur und den Schnurbändeln kommt sandigen Boden aufgehoben und ins Dickicht ge- Dämonen und Kulturheroen gebracht worden eine T- Binde, die heute aus Kaliko besteht, frü- tragen. Der Indianer selbst ist in allen seinen ist. Hier spielt jene ganze religiöse Vorstellung her wahrscheinlich aus Rindsstoff hergestellt physiologischen Aeußerungen sehr reinlich und hinein, die dem entsprungen ist, was wir heute wurde. Diejenigen, die elegant sein wollen, tra- manierlich. Die Bedürfnisse werden immer im den Zufall nennen.( Mit besonderer Erlaubnis gen unter den Knien rotgefärbte, geflochtene Versteckten befriedigt, an für die Geschlechter des Verlages Strecker 1. Schröder, Stuttgart Binden, von denen Fransenbündel herunter getrennten Stellen, die weit vom Dorfe ent- dem Buche Im Düfter des brasilianischen v hängen, und über die Brust gekreuzt Glasperlen- fernt sind. Auch über andere Unmanierlichkeiten walds ", entnommen.) schnüre, als Ersatz für die ursprünglichen braucht man sich nicht beklagen, denn wenn Schnüre, an denen etwa frankengroße Muschel einem etwas passiert ist, so stieben die anderen scheiben befestigt waren. Diese Stücke sind heute mit allen Zeichen größter Mißbilligung ausein­Jehr selten geworden. ander und geben den unglücklichen Sünder all­Die Frauen sollen, nach den Angaben des gemeinem Spotte preis. Nur im Spucken lassen Der bekannte Prager Dichter Oskar Baum Tuschaua , früher ganz nadt gegangen sein, was sie sich nicht stören, doch findet man sich in An- ist blind; trotzdem ist es ihm gelungen, in sei­wohl möglich ist, da diese Sitte bei nicht weni- erkennung ihrer übrigen Sauberkeit bald dar nen Dichtungen ein Weltbild zu schaffen, dent gen Stämmen Südamerikas bestanden hat, doch ein. Bei dem nicht unbedeutenden Wasser- man es nicht anmerkt, daß es ohne Hilfe der bleibe dahingestellt, wie weit dieser Mitteilung bedürfnis des Indianers mag es in Erstaunen Augen aufgenommen ist. Wie er zu dieser Er­des Tuschaua Glauben zu schenken ist. Heute setzen, daß die Dörfer alle so weit weg vom fenntnis und Gestaltung der Umwelt fam, ex­tragen die Frauen Kalikoschürzchen, die nur die Flusse angelegt sind. Heute ist in der Tat auch zählt er in der Wochenzeitung Die Literarische Vorderseite der Lendengegend bedecken, wohl gar nicht mehr einzusehen, warum sie nicht un- Welt", indent er hervorhebt, daß das Ohr der habendere eine viereckige Schürze, die in hüb mittelbar am Ufer liegen, denn die kleineren ewig offene Weg in der Stille des Innern ist". schem Muster mit hell- und dunkelblauen und Nebenflüsse des Paru treten anscheinend nie Freilich, als er im 12. Jahre erblindete, da war weißen Glasperlen benäht ist. Daneben tragen über ihre hohen Ulfer, auch gibt es am Umara- er der Verzweiflung nahe, aber allmählich hauptsächlich die Frauen die Perlenschnüre über tia nur ganz bestimmte Stellen, an denen bei wußte er sich in dem ewigen Dunkel erstaunlich der Brust und Kniebinden, die denen der Män Hochwasser Teile der Uferbank unterspült und zurechtzufinden. Welche ungeheuere Anstren ner gleichen. weggewaschen werden. Man könnte daran den- gung zu Anfang, nur durch das Ohr zu denken! Männer wie Frauen rupfen sich die Augen ken, daß die Indianer ihre Dörfer abseits in Welcher Kampf der Geisteskräfte allein, dent brauen aus und beschneiden sich die Augenwim Walde vor feindlichen Augen verstecken wollen. Sina eines vorgelesenen Buches zu folgen oder pern. Die Männer entfernen auch noch die Allein einem Feinde würden die Boote am die Zeichen auf dem ungleich längeren und lang Barthaare sowie die anderen Körperhaare, aus- Hafen und der Weg durch den Wald sicherlich sameren Weg durch die Fingerspitzen ins Hirn genommen die Achsel- und Schamhaare Der nicht entgehen, die. Lage bietet also gar feinen zu leiten. Wenn ich in ein Getöse wirrer Ge­Indianer hat von Natur aus sehr geringen Schutz. räusche gerate, in den Rummel eines Bahn­Haarwuchs am Körper und muß darum ein Wenn man die Indianer fragt, welche hofs, in das Maschinengeratter eines Fabriks zelne Haare als durchaus unschön empfinden, Gründe für die Wahl des Dorfplates maß- saales, ist es, wie wenn einen Sehenden in weshalb er sie ausrupft. Dazu kommt, daß er gebend sind, so erhält man feine befriedigende fremder Gegend plöblich nachttiefe Dunkelheit wegen der vielen Parasiten der Pflege seiner Antwort. Es ist so Sitte, sagen sie, eine überfällt. Es ist aber, als ob nicht nur meint Haut viel Zeit schenken muß, sich also gerne Antwort, die man leider auf fast alle Fragen Ohr hörte. Der Raumsinn ist eine Art Gehör mit ihr beschäftigt, wobei diesem halben Spiel- erhält, die sich auf ihre Kultur beziehen. Der des Körpers, dem sich die Nähe jedes größeren trieb auch die Haare zum Opfer fallen. Indianer ist eben wie jeder Naturmensch und stummen Gegenstandes( nicht nur massiger Häu Beim Baden werden zugleich auch die wie viele Kulturmenschen, ein Sklave des Her- ser), jedes Baumes, reglos dastehender Men­Wassergefäße gefüllt: Flaschenkürbisse, die das kommens, der Sitte, über deren Bedeutung er fchen oder Tiere gleichsam mit einem Schatten­Trinkwasser fürs Dorf enthalten. Ob man die sich weiter feine Gedanken macht: es ist einmal gefühl mitteilt. Betrete ich ein Zimmer, in dent Flasche oberhalb oder unterhalb eines Baden- so Sitte. leblose Dinge, Möbel gehäuft sind, fühle ich mich bedrückt. Lebendiges dagegen, zu viele Men­schen oder Tiere in dem gleichen Raum, be­drücken nicht. Wenn jemand im Gespräch mit mir seinen Begleiter ansieht, weil er doch eben irgendwo die Wirkung seiner Worte beobachten will, stört mich das, als ob auch der Schall nicht an mich gerichtet wäre, sowie ich andererseits auch stumm auf mir ruhende oder nach mir gewendete Blicke deutlich merke Ich kann heute nicht sagen, daß ich einen unvollständigen Ein druck von der Erforschung der Menschen habe Auch nach flüchtiger Bekanntschaft scheint mir die persönliche Eigenart in den mir zugänglichen

den füllt, ist anscheinend nicht von Bedeutung. Die ganze stoffliche, Kultur eines Volkes ist Die große Entfernung des Dorfes vom Flusse ja das Ergebnis uralter Erfahrungen, unend ist der Grund, warum man im Dorfe mit dem lich vieler Versuche, und auch das unscheinbarste Wasser ziemlich sparsam umgeht. Waschen Gerät, die unbedeutendste Sitte stellen unter kann man sich dort nicht, und wenn man nachts den gegebenen Verhältnissen das denkbar Beste durstig aufwacht, so sind die Kalebassen schon dar, sind also unter diesen Umständen als voll leer getrunken, und man muß durften, will kommen zu bezeichnen.

man nicht in der Dunkelheit zum Flusse Man muß eben bedenken, daß der Natur­wandern. Die Hunde sind meistens zu faul, mensch seine Geräte und feine Hilfsmittel um am Flusse ihren Durst zu stillen: sie saufen wirklich braucht, daß sie für ihn nicht einfach deshalb aus den Gefäßen der Menschen, lappen Museumstücke sind, daß sein Leben von ihrer Tee, Suppe, Brühe und frisches Wasser, was wirksamkeit abhängen kann. Daher wird er es sie gerade erreichen können. Appetitlich ist dies nicht wagen, zunt Beispiel an der althergebrach