Feiera
Feierabe
tr. 38.
Enterhaltungsbeilage.
Es war. der letzte Abend vor meiner endgültigen Abreise von Brasilien . Men Schiff, ein deutscher Frachtdampfer, auf dem ich einziger Bassagier, hatte für drei Tage in Bahia , der typisch brasilianischen Stadt, zehn Breitegrade des Aequators gelegen, Aufent halt genommen, um Häute und Rohtabat zu laden. Ich benutzte die Gelegenheit, zumal ich den Hasengeräuschen und gerüchen gerne entfloh, die Stadt von Grund auf kennenzu fernen und so zum letzten Male brasiliani sches Leben und Treiben in mich aufzuneh
men.
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Von Ernst Handschuch.
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denn ich wollte gleich meine Koje aufsuchen, da das Schiff in der Frühe des Morgens auslief. Schmeichelnd baten die Stint men, rief es in süßen Lockungen, doch ich achtete ihrer nicht. Plötzlich schlug es in reinem Deutsch an mein Ohr. Klagend, flebend, eine tiefe Altstimme: Landsmann ... Blonder, Blonder was alles in der Stimme mitklang: Schmerz, Sehnsucht, Heimweh? Ich blieb stehen sollte ich mich in meiner Abschiedsstimmung täuschen? Ja oder Nein? Da klang es nochmals an Der Tages war im Dezem mein Ohr:„ Bitte, bitte." und dieses ber der Tropen- war drückend heiß geschlichte deutsche Wort in dieser fremden wesen, ich hatte mich in der Negervorstadt Rio Vermelho umhergetrieben und fehrte nun in dem rasch hereingebrochenen Abend zurück. Den herrlichen Ausblick von der Oberstadt, die sich wohl gute zweihundert Meter über den Hafen und der Unterstadt erhebt, doppelt genießend, ging ich zu Fuß. Schließlich am Aufzug angekommen, der beide Stadtteile rasch verbindet, entschloß ich mich für den abschüssigen Serpentinenweg, der in langen Windungen zur Unterstadt führt. Hier ist das Freudenviertel Bahias, hohe, düstere, halbzerfallene Häuser bilden schmutzige Gassen, halbgeschlossene Fensterläden und rotes Ampellicht hie und da läßt sich ein Grammophon freischend hören überall leichtverhüllte Gestalten, Frauen aller Rassen, die die flüchtige, fäuf liche Liebe in lockenden Rufen verheißen. Venca, bonito, venca...", so flingt es dem Fremden, dem Matrosen betörend in das Ohr.
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Ich schritt jetzt durch diese engen Gassen, wo in den Häuserlücken die schwarze Fläche der Allerheiligenbai unter tausend Lichtern glänzte; der dunkle breite Strich dort hinten ist Itaparica , die liebreiche Insel, weit drauBen aber jener mächtige, zuckende Feuerschein: Der Leuchtturm von Cap San Antonio. Tief unten im Lichtkreis der Bogenlampen die Schiffe, emlig aus den Leichtern Ladung fresfend. Maultiere, Reiter und Lasten Tragende begegneten mir, wohlig flangen ihre Glöckchen in die Dunkelheit. Das Straßenvflaster gab dampfend die aufgesogene Wärme in die nächtliche Luft. Ich hatte Kragen und Send gelöst und die Müße in der Hand schritt ich zu, um mein Schiff zu erreichen;
Stadt überwältigte mich. Ich wandte mich um und trat durch die zweiflügelige Tür, schlug den Vorhang zurück, der nach der Landessitte dort angebracht ist und befand mich in einem hohen, weißgetünchten Zimmer, erschreckend leer. Ein Bett, von einem Mosfitonetz überspannt, ein eisernes Waschgestell, ein Rohrsessel, eine alte Kommode, ein wackeliger Schrank bildeten die ganze Einrichtung. Die Wände waren fahl, bis auf die, an der das Bett stand. Dort hing eine größere Photographie, zwei Mädchen im zarten Kindesalter darstellend, Oleander umwunden. Im Rohrsessel saß eine große, träftige Frau mit aufgelösten, blonden Haaren, im weißen, losen Gewande, die nackten Beine übereinandergeschlagen, saß sie, mir das über schattete Gesicht im Profil zeigend und blickte auf die Bettdecke, mit der ihre Hände spiel ten. Sie schien meinen Eintritt nicht zu beach ten. Ich blieb betroffen stehen und stand so eine kleine Zeit. in der nichts geschah. Was will diese Frau?" dachte ich. Sie war hübsch, ihre Züge trugen nicht die Spuren ihres scheinbaren Berufes, obwohl sie in ihrer Härte die dreißiger Jahre nicht verbargen. Ihr Blick, müde und abgeschlof sen, ruhte verhalten auf ihren Händen, er sprach wie von einer Buße, die still und ergeben ertragen wird Endlich sprach sie, wobei sie mir voll ins Gesicht sah und mit der Hand eine einladende Bewegung zum Bette hin tat. Du bist Matrose, Blonder?
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Ich setzte mich auf das Bett. ,, Nein ich war hierzulande, drunten in Parana , bin fieberkrank und leide auch an diesem Lande--so fahre ich denn zurück in die Heimat, um mich von alledem, was
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1926.
mich hier betroffen, zu befreien. Uebrigens entschuldige meinen Anzug, aber.. ich band mir rasch den Kragen um. Also ent schuldige... Wir schwiegen von neuem. Sie lächelte ein wenig. Du bist nicht wie die anderen, Blonder, oder was ist mit dir?? Ja", sagte ich, mag sein, aber du deutsche Frau, deine Stimme, deine Stimme ich habe zwei Jahre unter Brasilianern gelebt- diese fremde, heiße Stadt Frau, du bist mir ein Stück heintalliche, mütterliche Erde." und ich nahm ihre Hände. Sie blickt mich an, ihre Augen wurden feucht, doch sie weinte nicht. Du darfst heimkehren," sagte sie auf einmal,„ du Glückicher... ja, du wirst mich nicht gebrauchen.. du wirst mir so das Geldstück geben, nich verachten, da ich Deutsche . Könntest du meine Geschichte hören?" Ich nickte und nach einer Weile begann sie..
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Ich bin in Mecklenburg geboren. Lernte vor nunmehr neun Jahren einundzwanzig Jahre alt bei einer Hambur ger Tante die Schwester meiner Muttereinen Holländer kennen, der im Bahianer Hinterlande, dem Reconcavo, große Lände reien besitzt und damals zur Erholung in Deutschland weilte. Vir verliebten uns bald und so sehr, daß wir furz entschlossen heirate ten. Wenige Wochen nachher schifften wir uns nach Bahia ein. Unsere Ehe war zut Beginn sehr glücklich, mir gefiel die neue Heimat, zumal ich unumschränkte Herrscherin auf der Hacienda und mir alles ergeben und untertan war. Jm 2. Jahre wurde ich guter Hoffnung, fam mit einem Mädchen nieder und unser Glück gipfelte. Einige Monate später fuhr ich dann zurück gen meines Mannes hin, um mich in der Seimat zu erholen. Mein Unglück begann. Wie in die Arme einer guten Mutter zurückgefehrt empfand ich die Heimat, genoß die wiedergewonnene Landschaft, die seelenhaften Menschen, vergaß mit meinem Kindchen den Gatten und blieb so lange über die ansgemachte Zeit. Erst energische Telegramme meines Mannes fonnten mich zum zweiten Abschied zwingen. Krank bestieg ich das Schiff, frank kam ich hier an, frank an diesem Laude voller Sehnsucht nach daheim. Was half mir aller Reichtum, die Ueppigkeit, das sorgenfreie, bequeme Leben
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auf das Drän