Aus einem der Kästen, gegen die Mitte des Raumes zu, erflang plötzlich ein starker menschlicher Ton von solcher Verworfenheit, daß unser Herr Pastor einen Moment wie erstarrt in seiner Rede stockte und die Auf­feber rechts und links von ihm wie auf Rom­mando mit den Köpfen her'imfuhren. Durch alle Rästen um mich her ging gleichzeitig ein stilles Rumoren wie von unterdrücktem Lachen.

Wahre Weihnacht.

Von J. B. Clément( 1837-1903). Aus dem Französischen von Walter Mehring . So gottergeben

Der Arme hofft zweitausend Jahr, Und bleibt doch alles wie es war: Das Leben

Kann Qual nur geben; Und zeigt Ihr die Zähne nicht, fürwahr! So hofft Ihr noch einma zweitausend Jahr! Uns ist gesagt in allen Mären Von Mohren und von Weisen, die Von tausend Jahren sprechen wie Als wenn es nur Sefunden wären, Tas Christkind sei auf Erden hier Erschienen mit der Winterwende In einer Nacht am Jahresende Und arm und nackt wie ich und Ihr. Gebettet wars in einem Stalle Dicht unter eines Eseis Huf, Ohn goldne Windel, ohne Ruf, Ganz wie auch sonst die Aermiten alle." Auch war es schön und war es Klug, Und schien das Beste vorzudeuten Weil es mit andern armen Leuten Die gleiche Laft und Bürde trug. Es kommt in großen Worten künden Den kommenden Weltuntergang, Macht jedem, der da geisteskrant, Der taub und blind, die Krankheit schwinden. Warum es heut uns wohl vergift? Wie sehr von Nöten när sein Wunder: Gibts nicht auch jetzt noch Menschenplunder, Der tau und bind und blöde ist! Auch Wein aus Wasser fam geflossen, Das wirkt ein Wort aus seinem Mund, Auch daß es Brot erschaffen funnt, Und daß sich alte Wunden schlossen Mir scheint, es fände manche Qual, Würd' es zu uns heut wiederkehren, Wie wenig bleibt uns zu verzehren! Wie viele sterben im Spital! So sollt es sein: an uns gefettet Kraft jenem ewigen Geschick, Dürft in den Himmel nicht zurüd, Als bis es diese Welt gerettet. U.d wer sich an die Botschaft hält, Die in der Weihnacht uns gesendet, Dem fag ich: sie bieb unvollendet, Und uneriöst blieb diese Welt. Doch wollt Ihr wirklich einen hören, Der sich in Armut ausgekannt, So sag ich Euch, daß Widerstand Mehr taugt als Eure alten Mären. Wir leben nicht, daß wir in Leid Und Fasten unsern Tag verbringen, Wir müssen die Erlösung zwingen!- Das ist die wahre Weihnachtszeit! So gottergeben

Der Arme hofft zweitausend Jahr, Und bleibt doch alles wie es war: Das Leben

Kann Qual nur geben; Und zeigt Ihr die Zähne nicht, fürwahr! So hofft Ihr noch einmal zweitausend Jahr! ( Aus den Französ . Revolutionslie'ser der Malik Bücherei. Das Original ist gerade fünfzig Jahre alt.)

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Unser Herr Pastor brachte seine Rede kommnis aqein in Nummer 26 war und als schnell zum Abschluß. Eine starke Bewegung es obendrein feststand, daß es weder Rind entstand. Aufseher eilten hin und her. Befehle| fleisch noch Klöße noch sonst etwas zum Feste wurden gegeben, und dann mußten wir uns geben würde, da empfand ich doch ein Gefühl alle aufstellen. Eine große Untersuchung der Freude, wie ich es lange nicht gekannt wurde eingeleitet; es gab Aufregungen über hatte. Aufregungen aber der Nebeltäter konnte nicht ermittelt werden.

Es war eine Schmach daß so etwas passieren konnte. Aber als ich nach dem Vor­

Denn wenn es auch am Ende nicht ge= rade das Wunderbare mar wunderbar war es doch, daß unsereiner auch einmal etwas erleben durfte.

3wei verflogene Böglein. fagte scheltend der herankommende Händer, dem

Von Henni Lehmann .

Da standen sie an der Ecke des breiten Plates, an dem die Schienen der elektrischen Bahn sich kreuzen, die großen Hotels liegen, in benen allabendlich die Lichterreihen blinken, dem Platze, an dem der Verkehr sich staut, den die Fußgänger hastig und ängstlich überqueren, wenn die Hupensignale der Autos tönen. Ja, da standen sie, die ersten Weihnachtsbäume, die man aus dem Waldesdunkel hierher gebracht hatte, und wenn Tannenbäume überhaupt denken fönn ten, so hätten sie wohl gedacht: Hier fieht es recht anders aus as bei uns daheim im Walde, nicht so schön und friedlich und sie hätten Heimweh gespürt. Aber es ist gut, daß Tannenbäume nicht denken können.

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Nun standen sie also da nein, eigentlich standen sie nicht. Sie lehnten, zu dreien und

vieren mit Strohjeilen an verschiedenen Stellen zufammengebunden, gegen die gelbe Mauer des Museums, das auf der einen Seite den Pab begrenzt. So konnten sie die Zweige nicht aus strecken. Sie waren nicht nur in der Fremde, fie paren auch in der Gefangenschaft, gefesselt. Dech sie bekamen Besuch von daheim. Ein f'einer, scheuer Waldvogel mit rotem Federbrüstchen hüpfte ängstlich auf zierlichen Füßen über die Steine des Pflasters, pidte ntit dem Schnabel, wo er glaubte ein Futterförnchen zu finden, und flatterte ab und an erschreckt hoch, wenn ein Auto vorüberrasselte. Da jah der Voge: die Tannen­bäume, die entwurzelten, gefesselten Tannen bäume. Allein er erkannte sie dennoch wieder. Rasch und frech flog er auf und setzte sich auf eine turze Zweigspike, die sich von dem Strohseil freigemacht hatte. Es war, als ob die Nadeln d's Baumes ein feines en stern zum Gruß hören ließen.

die Bäume getörten.

Das Kind ließ erschreckt die Hand los, hing den Kopf und ging weiter.

Auch der Vogel mußte erschrocken sein. Er flatterte auf und ließ sich neben dem Knaben nieder auf den harten, spißen, ungaftlichen Stei­nen des Pflasters- ja, zwei verflogene Vögel waren sie beide!

Der Schnee begann zu fallen, zuerst lang­sam, dann immer dichter. Er legte sich auf die Tannenzweige. Er wirbelte im Wind und hüllte die Gestalt des Knaben und den hüpfenden Vogel ein, so daß ich sie nicht mehr erkennen tonn.e. Das mag aber auch daran gelegen haben, daß eine Feuchtigkeit, die nicht Schnee war, mir die Augen tribote.

So habe ich in diesem Jahre die ersten Weih­nachtsbäume gesehen. Baffende Weihnachtsgeschenke. Von Hermynia zur Mühlen . Jin Schaufenster eines großen Modewarens gefchäfies hängt ein prächtiger Beizmantel, we ch mollig, es wird einem ordentlich warm, wenn man ihn nur ansieht. Ein großer Zettel ist daran befestigt, verkündet: Passendes Weihnachtsge­schent!"

A

Der Zettel lügt nicht. Farwahr, der Be z n mantel wäre ein prächtiges Weihnachtsgeschenk für die Proletarierin, die frühmorgens, wenn die Kälte noch am bösesten kneift und beißt, den weiten Weg in die Fabrik zurücklegen muß, dann würde es sie weit weniger stören, wenn der Wind auf ihren untevernährten Körper niederpeitscht - oder auch für die alte Frau, die, b.augefroren, in einen zerrissenen Schal gehüllt, an der Stras benede steht und Zeitungen verkauft. Aber wer wird dieses passende Weihnachtsgeschenk" bekom­Ein feiner Knabe fam die Straße entlang, men? Die Frau, in deren Schrank ein halbes ein magerer, blaßgesichtiger, feiner Knabe mit Duhend warmer Mänte. hängt, die Fraut, die bei großen, ängstlichen Augen. Das dünne Körper- schlechtem Weiter überhaupt nicht ausgeht chen steckte in einem dünnen, ganz dünnen Röd - höchstens im geschlossenen Auto oder eigenent chen, durch das der Winterwind fuhr. Das Kind Wager fährt, die Frau, die nie im Leben etr ging so unsicher und schen daher, als fet es auchliche Arbeit geleistet hat. Auf ihrem Weihnach: ein fleiner, verflogener Vogel. tisch wird unter Schmuckgegenständen und Luxus waten der Belzmantel liegen, der vielleicht in die richtigen Hände gelangt- eine Bro etarierin vor Krankheit, ja sogar vor dem Tod bewahrt

Deine Mutter sollte dir auch was Warmes anziehen bei der Kälte," sagte eine behäbige Frau mit gutmütigem Geficht zu dem Kinde.

Ich habe keine Mutter", sagte es leise. Armer Kerl!" Sie strich ihm mit der Hand übers Haar und ging weiter.

hätte.

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Bajsende Weihnachtsgeschenke.."- die ganze Stadt ist ihrer voll und man weiß so gut, wohin sie wirklich passen" würden. Der bänder geschmückte Korb mit der Gans und den Würsten, der Schokolade und den Keks müßte in die kable Stube der Arbeiterfamilie kommen, wo die Kin= der alltäglich mit hungrigem Magen vom Essen aufsteten, Kinder, die in ihrem ganzen armen leinen Leben nie etwas Gutes" genascht haben. Aber er wird auf dem Tisch des überfressenen Bourgeois stehen, in dessen vollem rüipsenden Magen gar fein Play mehr ist und der sich fünft ich den Appetit anregen muß.

Der Kleine blieb bei den Tannenbäumen stehen. Ein se tjam sehnsüchtiges Licht fam in jeine Augen, als er die Bäume anblickte, die ersten Weihnachtsbäume des Jabres. Vielleicht dachte er daran, wie schön sie aussehen würden, wenn goldene Lichter in warmen Zimmer daran aufglühen würden. Vielleicht dachte er auch an einen Weihnachtsabend, an dem ihm einst Mut­terhände den Weihnachtsbaum angezündet hatten, und daran, daß ihm in diesem Jahr niemand den Baum anzünden würde. Sachte und liebkosend glitt Und die herr ichen Spielzeuge, die in den er mit den dünnen Fingern über die grünen Schaufenstern die Kinderaugen anlocken; fie Zweige. müßten in die traurigen Stuben des Elends ge= Nich de Bäume Infassen! Willite woll!", langen, damit wenigstens einmal für die Kinder