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Laden. Pausbädig und blank lag ein feister Apfel ganz oben und höhnte mich. Grinste aufreizend durch seine saftige Haut. Da fühlte ich plöblich in meiner Manteltasche ein kleines freisrundes Loch. Es zuckte durch mein Gehirn: hier waren die zehn Centimes verschwunden. Und meine Finger zupften an der Oeffnung in der Tasche, probierend, ob da ein Geldstück durchschlüpfen fonnte. Ohne Zweifel. Da wühlte meine Hand in der Tasche aus nervösem Zeitvertreib. Und mit einem Male fommt sie ganz durch die Seffnung durch. Die Faust liegt frei unter dem Rod. Das Loch in der Tasche ist so groß geworden, daß daß der unverschämte Apfel da vor mir von meiner Hand, unsichtbar vor fehenden Augen, ergriffen werden könnte.
Ich schlenderte durch die Straßen, ziellos, planlos. Der Kopf brannte, die Beine machten nur noch mechanisch schwere Geh bewegungen. Eiskalt waren die die Füße. Krampfhaft hielt die Hand den letzten Sou umschlossen. War es Dienstag oder Donnerstag? Oder Montag oder Sonnabend? War ein Tag vergangen? Eine Woche? Ich weiß es nicht. Ich hatte nicht einmal mehr ein Hungergefühl, denn der Magen war vollfommen ausgeschaltet. Nur eine zentnerschwere Müdigkeit lastete in mir. Die machte das Gehirn stumpf und so gleichgültig. Ueber die Straßen schleppte ich mich. Saufende Autos famen mir entgegen, direkt auf mich zu. Die Hupen brüllten Warnungen. Ich beachtete sie nicht. Ging gerade auf die anfahrenden Wagen zu. Unendlich apathisch. Vielleicht aber auch in der stummen Hoffnung, daß mich die Ich- stahl- den- Apfel. Fühlte ihn Ich- stahl- den- Apfel. Räder ergriffen. Na, wenn schon. Aber man plötzlich in meiner Hand kalt und rund und tat mir nicht den Gefallen. Vierradbremsen glatt. Ganz langsam ging ich von dem Laden nirschten wenige Schritte vor mir die Wagen fort. Aber ich hatte das Gefühl, als verfolgen auf salt. Oder in spielender Wendigkeit suh- mich der Verkäufer und eine ganze Reihe ren die Autos um mich herum. Die Chauffeure Menschen. Ich fing an zu laufen. Straßen fluchten. Polizisten drohten. Was ging das kreuz und quer. Rannte mit feuchender Brust. mich an? Somnambul kreuzte ich die Gefah- und die Kälte des Apfels in meiner Hand ren der Pariser Straßen. brannte wie glühende Kohle. Endlich wagle ich es, mich umzuschauen. Kein Mensch lief mir nach. Keiner zeigte mit Fingern auf mich. Niemand schrie:„ Dieb!"
Mit einem Male stehe ich vor einem Fruchtgeschäft. Rote Aepfel lachten mich an. Drei große Körbe voll. Die standen vor dem
Die beiden Raben.
Bon Alexander Puschkin ( gest. 10. Feber 1837).
Durch die Luft ein Rabe frächzt, Hungermüd nach Labung lechzt; Fragt er einen andern Raben: Werden wir heut' Speise haben?"
Und der andre Rabe spricht: ,, Heut an Speise fehlt es nicht: Tot im Feld am Waldessaume Liegt ein Ritter unterm Baume.
Wer, warum man ihn erschlug? Weiß der Falt nur, den er trug, Weiß des Ritters schwarzes Roß Und sein junges Weib im Schloß.
Flog der Falk zum Walde fern, Blieb das Roß dem Feind des Herrn, Und die Frau- harrt ihres Lieben, Aber des nicht, der geblieben."
Die drei Töpfe.
Aus den Spinnstubengeschichten des Herrn
Habamud.
Die Geschichte von den drei Töpfen. Drei Töpfe find es gewesen, tie nebeneinander auf dem Wandbrett in der Küche standen. Der eine hatte in seinem Leben viel heißen Tee in sich geschluckt und das vom allerbesten. Daher mußte es fommen, daß er solch dicken und ausgewölbten Bauch hatte. Außerdem trug er am oberen Rand einen breiten Goldstreif und jein Deckel hatte einen goldenen Knopf. Der Topf war eigentlich noch ziemlich neu, dennoch ging durch seinen Boden, mit dem er auf dem Küchenschrank stand, ein langer Riß. Der zweite Topf dagegen war hoch und dünn. Dünn war auch das altertümliche Porzellan, aus dem er gefertigt war. Es trug ein besonderes Zeichen, das beinahe wie ein Wappen aussah. Er hatte einen ganz großen Anegußschnabel, doch dicht neben diesem war ein großes Stück des dünnen Porzellans herausgebrochen. Der dritte war nur ein simpler, brauner, irdener Topf, es war nichts besonderes an ihm zu sehen. Er war wie alle die vielen Töpfe, die man in der Küche so im täglichen Gebrauch hat. Einmal begann der dicke Teetopf ein Gespräch.
Erschöpft setzte ich mich auf eine Bank. Wartete, bis mein Atem ruhiger geworden war, und holte dann den Apfel hervor. Mit wollüftigem Heißhunger biß ich hinein. Zermahlte mit gierigen Zähnen Stückchen um Stückchen...
Freund, in jenen Tagen habe ich die Menschen hassen gelernt, die in Reichtum und Lurus schwelgen. Ich schrieb an Millionäre, die ein Vermögen gegeben hatten, um die Rosette der Ehrenlegion zu bekommen. Die Briefe waren ein einziger Aufschrei. Ich erniedrigte mich vor dem Reichtum und warf mich nieflehend zu seinen Füßen. Alle Qualen eines Verzweifelten rangen um Menschlichkeit. Ich brachte meine Briefe selbst in die Paläste und gab jie beim Concierge ab. Sein
Mensch hat geantwortet. Nicht die Rothschilds, nicht Grammont, nicht Durand, Keiner.... Zehn Tage später erhielt mein Werk ,, La Marseillaise " den ersten Preis der BouleStiftung. Zwanzigtausend Frank. Die Aftic Edmond Face war mit einem Schlage ein beliebtes Börsenpapier geworden. Aber ich spude auf das Leben und die Menschheit...
Edmond schwieg. Ich stand von meinem Lager auf. Zog die schweren Vorhänge zurück und öffnete das Fenster. Ein vorwißiger jun ger Sonnenstrahl stahl sich ins Zimmer und füßte den kleinen Goldrahmen auf dem Kamin.
Ja, did genug bist du," sagte sie zu dem Teetopf, aber du hast einen großen Sprung und dein großer Schnabel nüßt mir auch nichts," fuhr sie zu dem langen, hohen Topfe gewender fort, dir fehlt ein zu großes Stüd, als daß du noch brauchbar wäreſt. Nein, du bist der einzige, der noch zu was nüße ist," sprach sie zut dem kleinen, braunen Topfe, und sie nahm ihn, um darin Milch zu holen.„ Euch aber werfe ich morgen auf den Schutthaufen," sagte sie zu den beiden andern.
Sie ging, ohne die beiden Töpfe noch einmal anzubliden.
Die große graue Kaye war in die Küche ge= fommen, und sie miaute. Es klang beinahe, als ob sie sagte:„ Wann ist morgen?" Doch niemand verstand sie.
Ja, das ist eine Geschichte, bei der man sich etwas denken kann," sagte der alte Hans Habamud, und dann begannen die Rädchen wieder zu schnurren, die Füße zu treten und die Finger die Fäden aus dem Flachsbündel zu ziehen.
Ich bedeute doch am meisten von euch," Der Arbeiter und der reiche hat er gesagt, denn ich habe einen dicken Bauch und bin im Besitz von Gold, und darauf haupt jächlich kommt es an."
Die Mädchen des einsamen Thüringer Berg- lich der Lange, Dünne. Du bist nur so ein ,, Darauf kommt es nicht an," sagte ärgerdorfes kommen nach alter Sitte zur Winterzeit neuer, ich aber bin von alter Herkunft. Ich habe abendlich in der Spinnstube zuſammen. Manch eine Üeberlieferung. Vor mir hat es schon viele mal fingen sie miteinander. Oft auch erzählen sie meiner Art gegeben, und ich habe einen großen Geschichten. An einzelnen Abenden fommt auch Schnabel." der alte Habamud in die Spinnstube. Der gilt als ein Schalt. Er setzt sich neben die Mädchen
und sieht zu, wie die Füße das Brett treten, die Räder schnurren und die Finger die Fäden aus dem Flachsbündel ziehen. Dann sagte er wohl:
"
,, Den hast du freilich," sagte bescheiden der
kleine, braune Topf. Da wurden die beiden an
dern zornig.
„ Schweig still, Prolet," schrien sie, und sie Nun will ich etwas erzählen." Da hören standen beinahe noch proziger da als zuvor, der die Räder auf zu schnurren, Füße und Hände Teetopf dehnte seinen dicken Bauch, der Dünne ruhen, und die Mädchen horchen auf, denn die redte seinen großen Schnabel. Sie nahmen dem Geschichten des Herrn Habamud sind meist spas- leinen Topf alle Sonne, die auf das Wandbrett sig und lustig, und manchmal fann man allerlei denken dabei. Am ersten Abend dieses Winters hat der Habamud die Geschichte erzählt, die nun folgen soll:
fiel.
In diesem Augenblid kam die Frau, der die Töpfe gehörten, in die Küche. Sie bejah prüfend
die drei.
Müßiggänger.
Fliegendes Blatt aus dem Revolutionsjahr 1848.
1. Du sollst arbeiten, denn wer nicht arbei
tet, soll auch nicht effent. So iſt es geſchrieben. Laßt die vielen, die eſſen, ohne zu arbeiten, es hören und gehorchen.- 2. Du ſollſt keine Mü
Biggänger dulden. Wenn du einen Müßiggänger siehst, mußt du ihm sagen:„ Bruder, wenn du müßig bist, muß ich deinen Teil an Arbeit leis sten, und das ist nicht gerecht."- 3. Du sollſt
teine Stlavenarbeit dulden. Alle Menschen sind frei und gleich geboren.- 4. Du sollst für deine Arbeit einen angemessenen Lohn erhalten. Und wenn dir die Menschen sagen, daß es harte Zeiten sind und der Lohn heruntergesetzt werden muß, dann sollst du ihnen sagen, daß jene, die Arbeit schaffen, und nicht jene, die sie verkaufen, den Preis zu bestimmen haben. 5. Du sollſt nicht Hunger leiden. Es fällt kein Sperling aus Hunger vom Dache. Nur ein Narr wird für
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