Daß man die Heiratsbüros nie fassen faun, ist flar. Wendet sich ein Mensch aus jugendlicher Unerfahrenheit an eine solche Agentur, so hat er wenigstens nach dem Her einfall so viel Verstand, sich nicht auch noch durch eine Anzeige bloßzustellen. Daß alte Mädchen den Tribut schweigend zahn, ist erst recht verständlich. Sei wollen zum Schaden nicht auch noch den Spott. Die brüchigen Kavaliere, voll Schulden und geheimer Leiden, scheuen erst recht den Gerichtssaal. Und felbst wenn ein Voraussetzungsloser einmal Anzeige erstattet, fann der Dame im Schwarzfeidenen nichts passieren. Die Polizei weiß, daß sie eine gewerbsmäßige Schwindlerin ist, die ausschließlich vom Betrug lebt, aber der Nachweis aller Tatbestandsmerkmale des $ 262 St.-G.-B. ist unmöglich. Die würdige Dame tennt ihr Strafgesetzbuch und hat vorgebeugt.
Und auch den falschen Bräukn und Freiern gegenüber ist die Polizei meist machtlos. In den weitaus häufigsten Fällen erfährt
Bor drei Tagen war ich in einer Gesellfchaft, wo jemand in der Unterhaltung die Frage
aufwarf, wie es denn zurzeit in Wien ausjähe. Ein eleganter junger Mann, jener winzigen Klaffe angehörend, die sich feine Sorgen zu machen braucht, sagte:„ In Wien ist das Leben so schön wie je. Wien lacht." Keiner wunderte sich; denn alle waren überzeugt, daß dieses Sonntagskind unter den deutschen Städten trot der vorhergegangenen Schidsalsschläge nichts anderes tun fönne, als fesch und lustig zu fein und zu lachen. Mit Entrüstung wird derselbe junge Mann ein oder zwei Tage später aus der Beitung entnommen haben, daß es in Wien einige unverschämte Elemente gibt, die den anderen das Lachen zu verfalzen suchen und eine beträchtliche Störung der allgemeinen Zufriedenheit hervorgerufen haben.
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sie von dem gelungenen Schwindel nichts,| Büro einzufinden. Sie fam, war entrüstet, weil das Opfer sich schämt. Und selbst wenn leugnete, je einen Pfennig dem Sänger ge sie von sich aus einschreitet, muß fie schließ- geben zu haben, leugnete den Mann überlich stets den Gauner oder die Hochstaplerin haupt näher zu kennen und verfiel zum laufen lassen, weil die Geschädigten sie im Schluß in einen hysterischen Anfall. Es war Stich lassen. feinerlei belastende Anzeige aus ihr herausVor vielen Jahren beobachtete ich in zubringen. Dabei wußte ich durch einwand einem weltbekannten Sanatorium einen freie Feststellungen, daß der Gauner sie ebenOpernsänger", der als Heiratsschwindler so wie ihre Vorgängerinnen bereits schweres und Erpresser arbeitete. Ich sah mir, da ich Geld gekostet hatte, daß es bereits wüste Ausdie Schwierigkeit des Ergreifens fannte, die einandersehungen, Drohungen, Weinkrämpfe Sache mehrere Monate lang an. Als häufi- gegeben hatte, deren Details die Kurgäfte ger Gaft des Kaffeehauses, gegenüber dem Sa- Wort für Wort hören konnten, die die Zim natorium, hatte ich reichlich Gelegenheit da- mer neben dem Opfer bewohnten. Die zu. Bräute famen und gingen. Samen ver- Staatsanwaltschaft ließ den Opernfänger wie gnügt und stolz und zogen abgehärmt und der laufen. mit roten Augen ab. Der Opernsänger aber wurde immer fetter und wohlhabender. Schließlich griff ich zu; denn das Sanatorium gehörte zu meinem Amtsbezirk. Ich ließ den Mann verhaften und mir vorführen. Sein letztes Opfer wurde in diskretester Weise gebeten, sich zu einer Besprechung in meinem
raffenland befindet, dem zwar der leidige Krieg vieles geraubt hat, wo es aber noch immer nach der Devise des alten Couplets hergeht:„ Lustig und fesch, a bisserl resch... das ist die Stadt, wo meine Wiege stand."
Kürzlich nach vielen Jahren- be gegnete ich ihm an der Ecke des Kurfürstendamms und der Joachimsthaler Straße. Er war noch dicker geworden. An den Fingern wertvolle Ringe, die Kleider offenbar von teuersten Schneider. Auf dem Theaterzettel bin ich seinem Namen noch nie begegnet.
den, jene monumentalen Wohnstätten für das Volk, verdrängen mühsam das beklemmende Gesamtbild einer Stadt, wo der Reiche in Pracht und Lurus lebt, der Arme in übermäßiger Beschränkung haust.„ Das ist mein Wien , mein gierig aus den paradifischen Gefilden des ersten der galten niemals für jenes elende, verfüm Wehe aber, wenn der Fremdling sich neu- liebes Wien ," dieses und ähnliche SchmeichellieStadtteilen, den sogenannten„ enteren Gründ", logene Jahrmarktsschild einer Gesellschaft, die Bezirks nach den äußeren, ringsherum liegenden merte Volf. Tas lachende Wien ist dies verbegibt. Hier reiht sich in trostlos öden engen auf einem Vulfan tanzt und jeden Ausbruch dieStraßen Mietsfaserne an Mietsfaserne, deren fes siedenden Kraters als eine unerlaubte Stöwohner anmerkt. Geschäfte von einer Dürftig Kriegsjahren und aus einem Geschichte verfallenen Fassaden man den Jammer ihrer Berung betrachtet, einer Gesellschaft, die aus vier feit, wie sie in feinem Berliner Vorort anzutref- nie erlebten Zusammenbruch nur das eine gejen iſt, legen Zeugnis ab von der Armut der lernt hat, daß es besser ist, sich zu amüsieren Bewohner. Kein Baum, fein Blumenschmud, als gerecht zu sein. nichts, was zur Verschönerung des Daseins bei- Während aber mit der Legende des lachen. tragen fönnte. Das ist nur für die Reichen, die den Wiens eine kleine Gesellschaftsschicht sich und in dem schmalen Gürtel um die Innenstadt oder die Welt weiter betrog, wuchs ein neues Volk an den bevorzugten Bergabhängen wohnen. In heran, das am Lachen teilhaben wollte, nicht au Favoriten, in Hernals , Ottakring , und wie jene jenem Lachen, das zur Grimasse geworden war, om werftätigen Volk bewohnten Stadtteile hei sondern an dem gefunden, fröhlichen Lachen, dem Ben, empfängt den Wanderer das Bild einer heiteren Sinn, der aus den Strömen und Ber hoffnungslosen Dede, daß er die Flucht ergreift gen der Heimat kommt. Dieses Volt ist noch und ſeiſten Traum vom lachenden Wien in der jung, aber es wächst und gedeiht, und wenn es Innenstadt weiterzuträumen sich anschidt. Jene in seiner täppischen Kraft mitunter aufbäumt großartigen Versuche, dem Bolf würdige Wohn- und auch über die Stränge schlägt, so wird der then zu bereiten, die von der sozialdemokrati| heitere Himmel ſeines Landes auch dieſe Kraft schen Gemeindeverwaltung unternommen wur- in Harmonie umgestalten
Teilnahme.
Von Lajos Nagh.
Das lachende Wien ist eins der genialsten Trugbilder, das die herrschende Klasse eines gan des errichtet hat. Der Durchschnittsfremde, der nach Wien fommt, lernt eine Stadt kennen, die an Bracht, Eleganz, Vornehmheit nichts ihres gleichen zu haben scheint. Er ahnt nicht, daß ihat eine Art Potemlinſches Dorf gezeigt wird, die sogenannte innere Stadt, der erste Bezirt, nämlich alles das, was sich um die Burg, den Kaiserjih, gruppiert hatte. Hier empfing der Monarch den reichen Adel, der in der Nähe seine Paläste hatte, hier stehen Parlament, die Hoftheater und Ministerien, hier loden aus den schönsten Auslagen die erlesensten Gegenstände zum Kauf, hier sind die Stätten des Genusses und Vergnügens. Früher, vor den Zeiten des Foxtrotts und Shimmys, da man noch nicht in Valencia oder Honolulu das gelobte Land er blidte, ertönte allabendlich aus Schenken und vom Brettl herab in mehr oder minder musikalischen Klängen das Loblied Wiens und der Wiener , so daß man glauben fonnte. in den Gefilden der Seligen zu sein.„ Es gibt nur a Kaiserstadi", Vindobona , gute Mutter, sieh dir deine Kinder an",„ Das ist mein Wien " bis zum Der Portier saß auf einem Stuhl vor dem trunkenen Jubelschrei des Urwieners: Ber For. Er sprang auf, schlug die Hafen zusammen fauft's mein Gewand, ich bin im Himmel!" So und grüßte. Der Direktor nidte wortlos mit jah Wien für den ahnungslosen Fremden aus, dem Kopf. Vor dem Tor stand das offene Auto fo lebt es in den Vorstellungen der Völker. Bad des Direktors, daneben rauchte der Chauffeur, hendel und Heuriger, die„ Grinzinger " und die zu dem Vortier gewendet, seine Zigarette, offen herzigen Wiener Madeln, der lustige Fialer und sichtlich haben sie miteinander geplandert. Sie das treuberzige Bolk, Walzer und Gstrampfter, prachen vom Direktor und haben ihn natürlich der fesche Komiker mit dem ewig vergnügten gelobt. Grinsen, das sind so die Requisiten einer Legende, wonach man sich in Wen wie im Schla
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Um acht Uhr abends arbeitete der Direktor| tat einen langen Schritt und öffnete den Wagen noch in der Bank. Er war ungefähr 40 Jahre schlag. Der Direktor blieb für einen Moment alt, aber ein noch jugendlicher, hübscher Mann, stehen, dann blidte er auf die Uhr und fagte: die Ruhe, die Kraft und die Eleganz selbst. Er ,, Wiesengasse 2." erledigte noch ein oder zwei Akten, tat sie dann aber in die Lade, läutete um seinen Sekretär, fragte ihn dieses und jenes, nahm seinen Hut, zog die Handschuhe an und ging; der Sekretär grüßte untertänig, und er erwiderte näselnd den Gruß des Sekretärs.
Schon flog aber der brennende Zigarettenstumpf in die Mitte der Straße, der Chauffeur
ziemlich weit von der Bank. Es ist wohl wahr, Die Wiesengasse ist draußen in der Vorstadt, daß das für ein Auto nichts bedeutet. Der Chauf feur aber beobachtet immer seinen Herrn, und er kennt ihn schon sehr gut: als wäre in dessen S ficht, wie er auf die Uhr blidte, ein winziger Merger aufgeflammt. Er sagte wohl nichts, aber nach dem Gefühl des Chauffeurs war es soviel, als hätte er gesprochen. Der Chauffeur schloß die Tür, sprang zum Steuer, hupte automatisch und das Auto jeste sich auch schon in Bewe gung. Sie begen auf die Ringstraße ein, dor: austen sie schon in einem rascheren Tempo dahin; von dem bewölkten Himmel fielen vereinzelte Regentropfen.
über die Straße gehen. Und wie das schon zu Der arbeitsloje Johann Ronischer wollte