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den roten Rachen des Molochs, dieses uner­fättlichen, großbäuchigen Ungeheuers. Nun lagen die Kohlen bereits weit zurück im Be­hälter. Mat schaufelte vorsichtig, ängstlich. " Vorsicht mit dem verdammten Haufen da!" brüllte der Schwede. Vorsicht, wenn das Schiff schlingert!" Mat belud den Schub­farren, machte sich auf den Weg. Das Schiff rollte, der Kohlenhaufen bewegte sich. Mat ließ den Schubkarren los. Die ungeheuere Kohlenmasse brach krachend zusammen, Koh­lenstüde fielen auf Mat nieder. Jesus !" fchrie der Schwede auf. Die Männer eilten Mat zu Hilfe. 3ogen ihm den Kittel hoch, fahen Wunden und Beulen. Der Schwede tastete Mat die Knochen ab., Gott sei Danf, nichts Arges. Ein Viertel Schnaps nach dem Landen wird alles heilen."

Mats Nerven gaben nach. Sein ganzer Beib war ein Schmerz. Der Schwede schleppte ihn unter den Ventilator. Ruhe, Yankee, Ruhe, mein Junge..."

Der dritte Ingenieur jah teilnahmsvoll auf Mat, nickte den Schweden zu. Führte dann Mat aus dem Heizraum in seine Ka­bine. Dort gab er ihm ein großes Glas Whisky. Mat tranf, ohne zu wissen, was er tat, Die brennende Flüssigkeit rann durch sei­nen wunden Körper. Im nächsten Augen­blic war alle Müdigkeit verschwunden. " Geht's besser?" Mat nidte.

Er fehrte in den Heizraum zurüd. Zwei Heizer waren erfranfi. Mat erbot sich, zu­fammen mit den anderen ihre Stelle einzu­nehmen. Der Londoner drückte ihm die Hand: Du bist der erste verdammte Angestellte, ben ich fenne und der Schneid hat." Der Schwede grinste wohlwollend.

Drei alfoholgetränkte Tage im Hafen, drei Tage, an denen man vergessen konnte. Drei Tage Raft für die schmerzenden Mus­feln. Die weiche Luft der Südsee war wie eine Liebfosung. Das Schiff fuhr über das glatte Waffer. Der Himmel war ausgesternt. Der Schwede wies auf das Kreuz des Südens. Sie saßen allein auf dem Verdeck, genoffen eine Zigarette, bis es an der Zeit war, von neuem auf vier Stunden in die Hölle zu steigen. Ein einfamer Matrofe hielt Wache. ,, Elf Uhr, alles gut!" jang er in die Nacht hinaus.

Von unten rief gutmütig nedend ein Heizer: Matrosen gehören in die Höllen­glut."

"

Der Schwede lächelte. Sichst du, Yan­

Lee, es iſt gar nicht ſo arg, auf dem Meer feinen Lebensunterhalt zu verdienen."

Mat schwieg einen Augenblick, meinte bann: Mag sein. Aber ich würde mir doch lieber meine Beschäftigung selbst wählen."

Der Schwede lächelte im Dunkeln. ,, Yankee, ich lebe nun schon fünfzehn Jahre auf dem Meer. Zuerst arbeitete ich in Schive­den auf einem Bauernhof. Lief dann fort, arbeitete in den Vereinigten Staaten in Be trieben. Ich habe mein Lebtag gearbeitet; es ist immer dasselbe: Schwißen, arbeiten, essen, Schlafen."

,, Und dann frepieren", sagte Mat. Der Schwede warf seine Zigarette über die Reling. Sie leuchtete noch einen Augen­blic, erlosch dann. So!"

Das Schiff rollte leise.

,, Wird es nie anders sein, Schwede?"

Der Schwede erhob sich. Entschlossenheit flang aus feiner Stimme. Es gibt Men­fchen, die behaupten, es wird anders werden für den Arbeiter und ich", er betonte jedes Wort, ich gehöre zu ihnen!"

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Soppla, wir leben!"

Eine Szene aus dem neuen Drama von Ernst Toller .

Fri: Darf man mal reinkommen? Grete: Wir möchten Sie nämlich sehen. Karl Thomas: Ja, fommt nur. Friß und Grete herein, beide betrachten Karl.) Frizz: Wir müssen nämlich bald gehen. Grete: Wir haben Karten fürs Kino. Friz: Und heute abend gehen wir zum Borkampf. Wollen wir mal boren? Karl Thomas: Nein, ich kann nicht boxen.

Friz: Ach so.

Grete: Aber tanzen fönnen Sie, nicht? Verstehen Sie Charleston oder Black Bottom? Karl Thomas: Nein, auch nicht. Grete: Schade... Sie waren wirklich acht Jahre im Irrenhaus?

Friz: Sie will's nicht glauben. Karl Thomas: Doch. Ja. Grete: Und vorher waren Sie zum Tode berurteilt?

es

Friz: Munter hat's uns erzählt. Sie las in der Zeitung.

Karl Thomas: Eure Mutter vermietet Bimmer?

Grete: Freilich:

Karl Thomas: Eure Mutter ist arm? Friz: Reich wären heute nur die Schie­ber, jagt Mutter immer.

ich zum Tode verurteilt wurde? Karl Thomas: Wißt Ihr auch, warum Grete: Weil Sie im Krieg mit dabei waren.

Friz: Gans! Weil er in der Revolution mit dabei war.

Karl Thomas: Was wißt Ihr denn vom Krieg? Hat Mutter Euch von ihm erzählt? Grete: Nein, Mutter nicht. Fri: In der Schule müssen wir doch die Schlachten lernen.

Grete: An welchem Tag sie waren. Friz: Blödsinnig, daß der Weltkrieg kom men mußte. Als ob wir nicht schon genug zu lernen hätten in der Geschichtsstunde. Von 1618 bis 1648 dauerte der Dreißigjährige Krieg. Grete: Dreißig Jahre.

Fritz: Von dem müssen wir halb so viel Schlachten lernen wie vom Weltkrieg.

Grete: Und dabei hat der nur vier Jahre gedauert.

an der Marne , die Schlacht bei Verdun , die Friz: Die Schlacht bei Lüttich , die Schlacht

Schlacht bei Tannenberg...

Grete: Und die Schlacht bei Ypern .

Friz: Es genügt uns. Gretend wie! Das letztemal habe ich mangelhaft" bekommen, weil ich 1916 mit 1917 verwechselte.

Sarl Thomas: Und was wißt Ihr von der Revolution?

Fritz: Von der brauchen wir nicht so viel Bahlen zu lernen, die ist einfacher.

Karl Thomas: Was bedeuten Leid und Erkenntnis von Millionen, wenn schon die nächste Generation dafür taub ist? Alle Erfah rung rinnt ins Bodenlose.

Friz: Was jagen Sic?

Karl Thomas: Wie alt seid Ihr? Grete: Dreizehn. Fri: Fünfzehn.

Karl Thomas: Und Ihr heißt? Friz, Grete: Fritz, Grete. Karl Thomas: Was Ihr vom Striege lerntet, ist sinnlos. Nichts wißt 3hr vom Krieg. Friß: Oho!

Karl Thomas: Wie ihn Euch schildern?

Müttern wurden... nein. Am Ende der Straße. was steht da?

Fri: Eine große Fabrik.

Karl Thomas: Was wird darin ge­

macht?

gas?

Friz, Grete: Säuren, Gas. Karl Thomas: Was für Gas? Grete: Weiß ich nicht.

Frit: Aber ich. Giftgas.

Karl Thomas: Wozu dient das Gift­

Friz: Wenn die Feinde uns überfallen. Grete: Ja, gegen die Feinde, wenn sie unser Land verwüsten wollen.

Kar! Thomas: Wer sind denn Eure Feinde?

Friz, Grete: Schweigen.

Karl Thomas: Gib mal Deine Hand, Friz... Was wird mit dieser Hand, wenn eine Kugel sie durchlöchert?

Frizz: Danke schön. Futsch.

Karl Thomas: Was wird mit Deinem Gesicht, wenn es ein Quentchen Giftgas um­nebelt? Hast Du es in der Schule gelernt?

Friz: Und ob! Zerfressen wirds. Raze­fahl. Und dann ſtirbt man.

nicht.

Karl Thomas: Möchtest Du sterben? Grete: Sie fragen fomisch. Natürlich

Karl Thomas: Und nun will ich Euch eine Geschichte erzählen. Stein Märchen. Eine Geschichte, die passiert ist, bei der ich dabei war. Während des Krieges lag ich irgendwo in Frankreich im Schüßengraben. Plötzlich, nachts, hörten wir Schreie, so, als wenn ein Mensch furchtbare Schmerzen leidet. Dann wars still. Wird wohl einer zu Tode getroffen sein, dachten wir. Nach einer Stunde vernahmen wir wieder Schreie, und nun hörte es nicht mehr auf. Die ganze Nacht schrie ein Mensch. Den ganzen Tag schrie ein Mensch. Immer flagender, immer hilfloser. Als es dunkel wurde, stiegen zwei Sol­

daten aus dem Graben und wollten den Men­

schen, der verwundet zwischen den Gräbern lag, herein holen. Kugeln knallten und beide Soldaten wurden erschossen. Nochmal versuchtens zwei. Sie dürfe keiner mehr aus dem Graben. Wir muß tehrten nicht wieder. Da kam der Befehl, es ten gehorchen. Aber der Mensch schrie weiter. Wir wußten nicht, war er Franzose, war er ein Deutscher, war er Engländer. Er schrie, wie Tage und Nächte ſchrie er. Für uns waren es ein Säugling schreit, nadt, ohne Worte. Vier vier Jahre. Wir stopften uns Papier in die Ohren. Es half nichts. Dann wurde es still. Ach, Kinder, vermöchte ich Phantasie in Ener Herz zu pflanzen wie Korn in durchpflügte Erde. Könnt Ihr Euch vorstellen, was da geschah? Friz: Doch.

Grete: Der arme Mensch.

Karl Thomas: Ja, Mädchen, der arme Mensch! Nicht der Feind. Der Mensch. Der Mensch schrie. In Frankreich und in Deutsch­ land und in Rußland und in Amerika und in England. In solchen Stunden, in denen man, wie soll ichs jagen, hinabsteigt bis zum Grund­waffer, fragt man sich: Warum das alles? Wo­für das alles? Würdet Ihr auch so fragen? Friy, Grete: Ja.

Karl Thomas: In allen Ländern grü­belten die Menschen über die gleiche Frage In allen Ländern gaben sich Menschen die gleiche Antwort. Für Gold und für Land und für Sohlen, für lanter tote Dinge, sterben, hungern, verzweifeln die Menschen, hieß die Antwort. Und dort und dort standen die Mutigsten des Volkes auf, riefen den Blinden zu ihr hartes Nein,