Feierabend

Feierab

Nr. 53.

Unterhaltungsbeilage.

1927.

Herrn Habamucks Gilvester- Geschichte.

Herr Habanud jaß am Tage vor Sil­vester bei den Mädchen in der Spinnstube und erzählte:

Ja, morgen ist Silvesterabend, da muß ich immer an ein Jahresende denken, das ich sehr sonderbar verlebt habe. Da bin ich näm­fich eingeschneit. Ich kam von Berlin   und wollte noch zum Abend daheim sein, weil sie auf mich warteten. Aber, schon als ich in den Bug stieg, hatte es angefangen zu schneien, und als wir fuhren, flogen die Floden immer dichter und waren wie ein weißer Vorhang vor den Fenstern. daß man gar nichts drau­Ben sehen fonnte, und der Wind stieg auf und warf den Schnee auf beiden Seiten hoch vie Mautern, so hatte ich das noch nie ge­sehen. Der Zug fuhr auch immer langsamer, und endlich hielt er still auf freiem Felde, wie es schien. Das Zugpersonal ging durch die Abteile. Wir müßten still liegen, so hieß es, könnten nicht weiterfahren, und die Nacht hindurch könne das wohl so bleiben. Wir haben in der Ferne so etwas wie Lichter gesehen, und da sind wir alle aus dem Zuge hunter geklettert in den Schnee und find auf die Richter zugegangen. Es ist ein Dorf gewesen, und man hat einen einen Kirch iurm mit einer dicken Schneemühe und eine Mühle mit großen schwarzen Flügeln er fennen können. Bei der Mühle, noch vor dem Dorfe, lag ein großes Gehöft, und einige von uns haben angeflopft und man hat uns hin­ein gelassen. Die anderen sind weitergegan­gen, ein Wirtshaus zu suchen, von dem der Müller jagie, daß es nicht weit entfernt Der Kirche gegenüber läge. Dorfirishäufer liegen immer der Kirche nahe, glaube ich", jagte Herr Habamna.

Bon Henni Lehmann.  

der Sechste war ich. Der Müller jagte, er den, wie an anderen Tagen auch. Da haba wolle uns einen steifen Grog brauen, denn ich ihnen gar nichts erst von der Sache ge das sei bei ihm Silvesterbrauch, und wir, jagt. Aber als ich dann in meiner Dachlam die wir durch den Schnee geftapft feien, würmer im Bett war, und die Großen unter den etwas Heißes wohl brauchen können. Wir widersprachen nicht, und so ging er mit feiner Frau hinaus, um den Grog fertig au machen. Ordentlich einen Schuß Rum folle er hinein nehmen, rief ihm der Seemann nach.

Wir anderen aber, die hier so zujam mengewürfelt waren, saben einer den ande­ren an und wußten nicht recht, was wir reden sollten. Da hat der ganz Alte mit einem Augenzwinkern gejagt:

Ich habe einmal ein berühmtes Buch gelojen, da famen die Leute so zufällig zu faminen, wie wir, die haben einander Ge­schichten erzählt. Das könnten wir auch."

aufammen in der Stube fazen, habe ich mich wieder angezogen, habe sachte das Fenster aufgemacht und den Zweig von dem hohen Nußbaum gefaßt, der bis an das Fenster reichte. Ich bin erst hinaus auf das Dach und dann hinüber auf den Baum. Der wat ganz boll von hactgefrorenem Schnee. Ich bin an dem Baum hinuntergekletter: und habe unten acht gegeben, bis der Küfter und fein Sohn tamen. Glücklicherweise hat e nicht allzu lange gedauert, denn es war höl lisch falt. Dann sind wir hineingegangen. In der Kirche wurde Licht gemacht und der Stu er hat was auf der Orgel gespielt. Danach find wir in den Turm gegangen. Der Küfter hatte den Strick von der großen, Hans und ich den von der kleinen Glode gefaßt. Als der Küster ein Zeichen gab, haben wir ge zogen, da lang unsere Glode ganz hell und die große dunkel dagegen, und plöblich fingen von allen Seiten die Glocken an und haben Die anderen waren einverstanden, und geantwortet und das ging durch die Nacht als jest der Müller hereintam, hat er erst und mir gegenüber durchs Fenster schien der vor jeden ein volles Glas hingestellt, dane- Mond und dann fing die große Uhr an zue bent legte die Müllerin ein Stüd braunen schlagen zwölf Schläge. Es kam mir vor, als Pfefferkuchens, und als sie sich dann auch gelebt hatten, fing der Alte an:

21

Später einmal tönnen wir von dem heutigen Silvesterabend erzählen, habe ich gefagt. Da fönnen wir heute von früheren reden. Es soll einmal ein jeder erzählen, welches der schönste Silvesterabend in seinem Leben war."

Ja, ich als Aeltefter, muß wohl zuerst veden, und ich habe mir auch die Sache schon überlegt. Ihr werdet mir vielleicht nicht glauben, was mir als schönster Silvester abend im Stopfe ist. Das ist etwas, das ich heimlich getan habe, als ich noch ein Junge war. Meiner Eltern Wohnung gegenüber Wir waren unser Sechse", fuhr er fort, war die Kirche mit dem hohen Turn, und die dann bei dem Müller um den runden der Junge des Küsters, der in dem Turm Tisch saßen. Der Eine war wohl so an die die Glocken läuten mußte, war mit mir in vierzig und jah braun aus wie ein Seemann. der Klaffe in der Schule. Er erzählte mir, Tann tam ein ganz Alter, der hatte einen daß er manchmal am Strid siehe und die wirren, grauen Bart und gar lebendige fleine Glode oben läuten dürfe, und diesmal Augen und war recht groß. Ich denke mir, würde er helfen, das neue Jahr einguläuten. so muß der Prophet Jeremias ausgesehen Wenn ich wollte, tönnte ich mit in den Turm haben, von dem die Bibel erzählt. Dann kommen und mit ihm zusammen den Strick waren da noch zwei Frauen, eine junge, ziehen. Für ihn allein ginge er ohnehin lachende Blonde und eine äliere. Die hatte hiver. Bater und Mutter hätten mir das verarbeitete Hände und ein mageres, stilles nicht erlaubt, das wußte ich wohl, denn sie Geficht. Der Bette war fast noch ein Kind, waren mit dem Küster nicht gut Freund, und so elva sechzehn, fiebzehn Jahre alt. Er sah ich wußte auch, daß ste mich am Sibbefter. gang aus wie ein geprügelter fund. Undabend gerade fe früh ins Bett feden wir

hätten wir Jungen mit unserer Glode all Sies Klingen und Tönen, und das ganze, neue Jahr, das nun anfing, aufgewedt, und ich tam mir gar groß und feierlich vor. Solch ein Gefühl habe ich nie wieder gehabt, und das war eben das Schöne an diesem Abend. Jch ging wieder heim, ohne daß die Eltern etwas gemerkt haben, und ich weiß genau, daß ich in dieser und in vielen anderen Nächten noch immer von flingenden Gloden geträumt habe. Nachher hat mir oft etwas im Leben nicht gefallen, daß es so ungleich ist in der Welt, die einen es so viel besser haben als die anderen, ich habe davon gere det und geschrieben. Ich habe dann immer gemeint, ich rühre damit auch eine fleine Glode, und die großen müßten antworten und für die Menschen ein neues Jahr fom men, ein besseres und schöneres. Aber die Antwort ist meist ausgeblieben und es ist mir nicht so gut geworden wie an jenent Silvesterabend. Ja, das sind so Illufionen.

Wir hatten etwas erstaunt zugehört und der Seemann fagte: Solh lange und-