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tin derart am ,, Niedergang Münchens als Kunststadt" mitwirken würde, das hätte ich denn doch nicht geglaubt!
Jedenfalls nahm ich mir vor, heute wird nicht mehr gedichtet. Jedoch der Mensch denkt, der Frühling lenkt. Als ich mir meine Virginias Baufte, floß es mir unwillkürlich von den Lippen:
Der Lenz bläst in die Frühjahrstute, Ich brauch' Virginias für die Schrute. Gib mir von diesen Dingern Mit deinen Rosenfingern! Doch darauf tu ich pochen: Nicht lauter, wo zerbrochen.
Das Gedicht war noch gar nicht fertig, es Sollten noch zwanzig weitere Strophen kommen, aber die Verkäuferin, diese g'schnappige Person, zog wahrscheinlich das Kino der Dichtkunst vor, fie ließ mich nich zu Ende dichten, sondern fagte:„ An Geistesfranke wird nicht verkauf:!"
Das muß man sich als unsterblicher sagen lassen! Ist dieses Volk überhaupt wert, daß unfereins in die Leier fährt. Es gibt keine Berechtigkeit mehr! Den Dichter Frauenlob haben femerzeit die Frauen zu Grabe getragen- zu mir fagen fie höchstens, ich soll mich begraben laffen!
Keinen J- Bunft dichte ich heute mehr, und wenn das ganze Rezept verloren geht, nahm ich mir vor. Und ich stieg in die Elektrische und faate zum Schaffner:
Das Veilchen blüht, es piept der Spah. Fahr'n Sie nach dem Odeonsplay? Bald steht die Au in frischem Flor, Geb'n' gradeaus bis Siepestor! Die Enten in dem Wasser tauchen, Im Anhängewagen darf man ranchen!
Auch dieses Gedicht war noch gar nicht fertig, das war bloß die Einleitung, aber der Schaffner griff nach der Klingel. ließ den Wagen halten und sagte erläuternd zum Kontrollor: Dem Herrn is schlech: worn, ja, ja, die Grippe! Aivirin und warme Widel, nachher friagn S scho wieda an flaren Kopf! Guate Befferung!"
Und dann half er mir beim Aussteigen. Wer kommt da des Weges? Hurra, die Lem! „ Das ich guat, daß i di triff!" lacht fie. ,, I hab so an Sunger auf Weißwürscht!" Und ich ant
wortete:
Lenzeszeit, o Morgenrot! Ih lieber ein Salamibrot!
Die Leni sah nrich verbust an und erklärte entschieden:„ Red loan Schmarrn! Weißwürscht mag i, jag i!" Und ich erwiderte, angefeuert durch den Reim ,, mag i, jag i":
Schon wehen lan die Frühlingswinde, Bald blü'n die Birke und die Linde, Der Nußbaum und der Mahagoni. Kauf dir statt Weißwurscht a Leoni! ( Münchner Wurstforte.)
Seitdem bin ich mit der Leni verkracht. Ach, es ist nicht so leicht, sich als Dichter durchzusetzen! Ich hab meinem Freundeskreis mein Leid geklagt und sie haben mich liebevoll getröstet:„ Nimm dir's nicht zu Herzen, Karlchen! Auch der Mastochse wird erst nach seinem
Tode anerkannt!"
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Die Brotfrage.
Es wächst der Mensch mit seinen Zweden, Das sieht man deutlich bei den Bäden An ihrem Bauch.
Ach, wenn sich dies auf Semmeln, Weden Nur möcht erstreden Puch !
(„ Leuchtvalete")
Gieben Tote.
Von Franz Rotter.
Es war im Mai des Jahres 1918. Die Na-, wieder ihren alten Gang: den Gang der Müden, tur grünte und sproßte und die Gärten dufteten Sungrigen, Hoffmungslosen. nach Blüten und Blumen. Die Wälder, die Wiesen, die Gärten und Felder waren wieder lebendig, lebensfrisch und froh.
Die Menschen aber saben es nicht. An den Fronten tobte das gräßlichste Morden und die Frauen, Greise und Kinder im " Hinterlande" gingen von Leid, Schmerz und Hunger zermürbt einen müden Sang. Durch die Länge des Krieges und feine unjäglichen Leiden stumpf geworden. lebten fie hofinungslos dahim.
Der Streit der Wiener Munitionsarbeiter im Jänner desselben Jahres ließ wohl die Menschen allenthalben aufhorchen, aber nach feinem Busanmenbruche verfiel alles wieder in die alte Teilnahmslosigkeit und so ging an die sen Millionen von Menschen der Frühling spur
los vorüber.
Frühlingssonne lag über der nordböhmischen Landschaft.
Die Straßen von Haida waren menschengefüllt. Mittagspause!
Die Arbeiter der Schrapnellhülsenfabrik gingen müde und hungrig in ihre Wohnungen. Militär in schmußigen, zerfiidten Monturen aing zur Menage und Kinder kamen aus der Schule.
Sie alle gingen ihren alten Gang: den Gang der Müden, Hungrigen, Hoffnungslosen.
Plöglich begann ein Raunen. Flüstern und Fragen. Einzelne Gruppen blieben stehen. Soldaten hielten die anmarschierenden Kameraden auf, machten ihnen Mitteilung, gingen weiter, erzählten es Zivilleuten und durch die ganze Stadt verbreitete es sich wie ein Lauffeuer: Menierei, Revolution!
Männer diskutierten, Fluchten, schimpften, Frauen weinten. Mütter fagten ihren Kindern, jetzt wird der Vater wiederkommen, es wird Frieden!
Air Spätnachmittage dieses Tages boten die Straßen der Stadt ein wüftes Kriegsbild. Das in Rumburg stationierte Militär war durch Frontdienst, Krankheit, Hunger und jadi stische Brutalität ihrer Offiziere zur Verzweif Tung getrieben und menterte.
Frieden, Frieden wollen wir," verkündeten sie.„ Nach Prag und dort machen wir Frieden!" war ihre Losung.
Ein langer, zerrissener Zug müder, kranker, halb verhungerier Soldaten schlich die stausige Straße entlang.
Frauen brachten ihnen Wasser und Brot und fragen: werdet ihr wirklich Frieden bringen?
Da frach: an der Spize des Zuges eine
Salve.
Frauen und Kinder schreien auf, flüchten in die Häuser.
Rattern von Maschinengewehren. zweite Salve und eine dritte.
Eine
Die staatstreuen Truppen sind Herr der Lage, die Meuterer gefangen und entwaffnet. Wer fliehen konnte, floh in die Häuser und Wälder.
Die Nacht brach herein. In tiefer Ruhe lag die Stadt. Sie und da huschte aus einer Haustür, einem Garten ein Soldat und schlich in den nahen Wald
Der Mond leuchtete in den Kasernenhof und beschien die fahlen Gesichter einiger hundert gefangener Meuterer, welche am Pflaster lagen und schließen.
Und am anderen Tage gingen die Menschen
Einige Wochen später. Es ist am Vor abend des Fronleichnamfestes. An den Eden der Straßen und des Marktplates sind Altare aufgebaut und morgen werden weißgetleidete Mädchen Blumea auf die Straßen streuen. Die gläubigen Christen werden fingend und betenb wohl damit vor den heiligen Bildern fnien: Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden!"
Das letzte Kruzifix wird aufgestellt, da öffnet sich das Gefängnistor und sieben Menschen im Soldatenkleid reten ihren leßten Gang an: Den Gang zum Tode.
Kruzifigen und Heiligenbildern führt man die Vorbei an den goitgeweihten Stätten, den verurteilten Meuterer.
Die Sonne versinkt und schaurig starren bie Altare in die Nacht.
Draußen im Walde liegen sieben Tote. Am anderen Morgen läuten die Kirchengloden zum Fronleichnamsfest und weißgefleibete Mädchen streuen Blumen auf die Straßen.
Die Priester beten:„ Dein Wille geschehe" und leise nurmelt der Chor der Gläubigen: wie im Himmel also auch auf Erden!"
Im Walde weinen sieben junge mit Blut geschändete Bäumchen dide, harzige Tränen.
Das Wunder.
Ich stieg als sehr junge Studentin mi: mei ner ersten Liebe, einem ebenso jungen Studenten, nachts in den Vorortezug, der uns von einem Berliner Konzert nach Hause fuhr. Jeden in seinem Vorort. Draußen regnete es in Strömen.
Beim Einsteigen rutschte mein letzter Grofchen, den ich für die Elektrische in Steglit referviert hatte, aus dem Portemonnaie und bleibt auf dem Fußboden liegen
Ich bemerke es, vergesse aber. benommen von Liebe und Erregung, ihn aufzuheben.
Plöglich ruft mein Freund entzüdt:„ Ein Wunder! Ja bejize leinen Pfennig mehr und hätte bei dem Hundewetter von der Station nach Hause laufen müssen. Jetzt liegt da ein Gro ichen gerade zu meinen Füßen...“
Und hebt ihn auf und birgt ihn andachtsvoll in seiner Tasche. Ein Wunder! Ein Liebeswunder!! Ein Wundergroschen!!
Ich fonnte vor Machen und Erschreden fein Wort sagen und bin nachts all- n durch den Dred nach Hause getrotter... Während mein Freund traumverteren bis zur nächsten Station fuhr und wundergläubig mit menem. Groschen m die Elektrische stieg.
Helene Buchtenkirch.
( Aus Hans Reimanns„ Stache'ſchwein“.)
Persische Weisheit.
Der Weise und fein Kleid.
f
Ein Weiser kam nach einer Stadt und er fuhr, daß dort ein sehr freigebiger Mann wohne, der Reisende aufs beste zu bewirten pflege. Der We'ie, der in alten Kleidern stedte, begab sich also zu jenes Mannes Haus. Doch erzeigte ihm der Reiche nicht die geringste Freundlichkeit, ja er hieß ihn nicht einmal n'coerieven Da faßte Scham den Weisen, und er gang eines Weges. Am nächsten Tage verschaffte er sich eine prächtige Ausstattung an Kleidern,' chmückte ich da mit und begab sich aufs neue zu dem Reichen.
.r begrüß ihn diesmal mit.iefer Verneigung, lud ihn ein, an seiner Seite Play zu nehmen