لملل
Feieraberd
Feierabe
Nr. 20
Unterhaltungsbeilage.
Ein graugrüner stumpfer Himmel liegt über La Villette , dem Arbeiterviertel Nordosten der Stadt. Ein Stückchen Kanal durchschneidet quer die Straßen, von hier fahren die Kähne mit dem Fleiſch durch rußige Wiesen. Es ist sieben Uhr früh.
Gegenüber dem begit'erien Eingang zu den dunklen Gebäuden des Schlachthojes boden, sitzen, bummeln vor den Kaffehäusern merkwürd ge Männer und Frauen. Viele baben blutbespri pie Hosen, blutgetränkte Stiefel ein grauer Mantel bedeckt das ein wenig. Giner ist nur in Jacke und Sose, unten ist er rot, als habe er im Blut gewatet, auf dem Kopfe trägt er ine fleine, runde, rote Müge er sieht genau aus wie ein Gehilfe von Samson. Er raucht, eine Uhr schlägt.
Die Maffen strömen durch die große Pforte, hinten sieht man eine Hammelherde durch eine schattige Allee rappeln, mit raichen Schritten rücken die Mörder an. Ja mit.
Ueber den großen Vorhof, flankert von Wärter- und Bureauhäuschen, an einer Uhr säule vorbei hinein in die„ Carrés ". Das find lange Sallen, nach beiden zugigen Seiten hin offen, boch, mit Stallöchern an den Sei ten. Hier wird geschlachtet. Als ich in die erste Salle trete, ist alles schon in vollem Gange. Blut rieselt mir entgegen.
Da liegt ein riesiger Schje, gefesselt an allen Vieren, er bat eine schwarze Binde vor den Augen. Der Schlächter bolt aus und jagt ihm einen Dorn in den Kopf. Der Ochse zappelt. Der Dorn wird herausgezogen, ein nener, längerer wird eingeführt, nun beginnt das Hinterteil des Tieres wieder zu schlagen, als wehre es sich gegen diesen lezzien, entsetzlichen Schmers.
Eine Viertelminute später ist die Kehle durchschnitten, das Blut focht heraus. Man ſieht eine dunkle, rote Höhle, in den Ochsen hinein, aus dem Hohlen kommt das Blut geschossen, es follert wie ein Sprudel, der Kopf des Ochsen sieht von der Seite her zu. Dann wird er gehäutet. Der nächste.
Auf einem Bod liegen drei Sälbchen mit durchschnittenen Kehlen, noch lange zuden die Körper, werfen sich immer wieder. Rasch fließ das Blut, mit Wasser durchmischt, in den Rinnfalen ab. Dort hinten schlachten sie die Sammel.
Zu acht und zehn liegen sie auf langen Böden, auf dem Rüden liegen sie, den Kopf
Bon Kurt Tucholt.
nach unten, die Beine nach oben. Und alle diese vierzig Beine schlagen ununterbrochen in die Luft, wie eine einzige Maschine sieht das aus, als arbeiteten diese braunen und grauen Glieder geschäftig an etwas. Sie nähen an ihrem Tod. In der Ede stehen die nächsten; fie sind schon gebunden schnell nimmt der Schlächter eines nach dem andern hoch und legi es vor sich auf den Bock. Kein Schrei.
Drüben in der nächsten Salle wird ,, à la Juive" geschlachtet. Der Mann, der schächtet, ist aus dem Bilderbuch, ein Jude: ein langes, vergrämtes Gesicht mit einem Käppchen, in der Hand hat er einen riesigen Stahl, scharf wie ein Rasiermesser. Er probt die Schneide auf dem Nagel, er nimmt irgendeine religiöse Förmlichkeit mit ihr vor, seine Lippen bewegen sich. Die jüddeutschen Gaffenjungen über feßen sich dies Gebet so:" I schneid di nit, i meß di nit, i will di bloß mal schächte!"
Hier wird das Tier nicht vorher getötet und dann zum Ausbluten gebracht, sondern durch einen Schnitt getötet, so daß es sich im Todeskampf ausblutet. Ich bin auf den Schnitt gefrannt.
1928.
ser an: es wird komprimierte Buft einge pumpt. Das geschieht, wird gesagt, um die Haut leichter zu lösen. Es hat aber den Nachteil, daß diese Luft nicht rein ist, und das Fleiſch ſcheint so schneller dem Verderben ausgesetzt zu sein. Und es hat den Vorteil, daß sich die Ware, da die Luft nicht so schnell entweicht, im Schaufenster besser präsentiert.
Karrees und wieder Karrees- der Auftrieb auf dem benachbarten Viehmarkt. der weimal wöchentlich stattfindet, ist stark genug: gestern waren es 13.000 Tiere. Paris ist eine große Stadt, und es gibt nur noch fleine Abattoirs, wie das an der Porte Vaugirard, und eines nur für Pferde in Aubervilliers . Jetzt ist das Vferdefleisch annähernd so teuer wie das reguläre der Verbrauch hat wohl etwas nachgelassen. La Villette hat das größte Abattoir feineswegs das modernste mit dem in Nancy und den großen Musterschlachthöfen in Amerika und in Deutschland nicht zu vergleichen.
Stallungen und Stallungen. Viele Tiere find unruhig, viele gleichgültig. An einer Stalltüre ist ein Kalb angebunden, das be Der Ochse ist an den Vorderbeinen gefeß- wegt unablässig die Nüftern, etwas gefällt ihm felt, durch den Raum laufen über Rollen die hier nicht. Zehn Uhr zwanzig, da ist nich's zu ride und zwei Kerls ziehen langsam an. machen. Ein Ochse will nicht, er wird furcht Der Ochse strauchelt, schlägt mit den Beinen bar auf die Beine geschlagen. Sonst geht alles um sich, legt sich. Der Stopf hängt jetzt nach glatt und sauber und fachlich vor sich. An unten. Die Gurgel strammt sich nach oben... einer Türe stehen zwanzig fur; abgeschnittene Der Jude ist langfam näher gekommen, den Rinderfüße, Pars pro toto", eine Stahl in der Hand. Aber wann hat er den Herde. Hier liegt ein Schafbod und kau: zu Schnitt ge an? Er ist schon wieder zwei Me- frieden Seu. Es ist ein gewerkschaftlicher ter fort, und dem Ochsen hängt der Kopf Gelber , nur noch an einem fingerbreiten Streifen, Der wird an die Spitze der kleinen Ham das Blut brodelt heraus wie aus einer Was melberden gesetzt, die da einpaſſieren, er führt ferleitung. Das Tier bleibt so länger am Le- sie in den Tod; fur; vorher verfrümelt er sich ben, unter der Rüdenmuskulatur arbeitet es und weiß von nichts mehr. der Anreizer. Er noch lange, fast zwei und eine halbe Minute. ist ganz sahm und kommi immer wieder zu Ob es bei diesem System, wie behauptet wird, einem gutterplatz zurück. Dafür ſchenkt man länger leidet, fann ich nicht beurteilen. Das ihm das Leben. Das soll in den letzten Jahren Blut strömt. Erst dunkelrotes, später scharfchon mal vorgekommen fein. lachrotes, ein schreiendes Rot bildet seine Seen auf dem glitschigen Boden. Nun ist das Tier still der Augenausdruck hat sich faum verän dert. Neben ihm hat sich jetzt ein Mann auf den Boden gekniet, der das Fell mit einer Maschine ablöst. Sauber trennt der Apparat die Haut vom Fleisch, die Maschine schreit, es hört sich an, wie wenn Metall gesägt wird, es freischt. Dann wird dem riesigen Leib ein Schlauch ins Fleisch gestoßen, langsam schwillt
Hier im großen Stall ist ein Pferch ganz voll von Schafen. Sie werden wohl gleich abs gehol, sie stehen so eng aufeinander, daß sie sich überhaupt nicht bewegen können, und fie teben ganz still. Sie stehen stumm auf, ten saut, hund zwanzig feuchte Augen sehen dich an. Sie warten.
Durch Stallstraßen, an Eisfabriken und Konservenfabriken vorüber, zu den Schweinen Gine idyllische Hölle, eine höllische Idylle.