Mutter lieft die Zeitung.
Mutter hat den ganzen Tag feine Zeit. Vielfältige Arbeit nimmt jede Minute in Anspruch. Nur nach dem Abendessen gönnt jich Mutter eine halbe Stunde, um die Zeitung zu lejen. Auf dieses Vergnügen verzichtet jie nur ungern. Es flingt sehr einfach: sie setzt sich an den Tisch und lieft. In Wirklichkeit spielt sich diese halbe Stunde Zeitunglejen so ab:
Mutter segt sich unter die Lampe an den Familientisch. Hat jemand die Zeitung gefehen?" fragt sie. Nach kurzem Nachdenken meint der Bater:„ Ja, ich glaube, fie liegt im Schlafzimmer." Mutter sucht. Endlich findet fie die Zeitung auf dem Küchentisch. Sie setzt fich an den Tisch und schlägt die„ Geschichte" auf. Ueberschrift, soundsovielte Fortsetzung. Habe ich die gestrige Fortsehung eigentlich schon gelesen?" denkt sie. Aber es scheint zu stimmen. Sie fängt also an zu lesen.
Da fragi der Mann, der sich bisher mit fich selbst beschäftigt hat, ganz plötzlich:„ Sag' mal, Mutter, was gibt es denn morgen zu effen?" Die Mutter blidt von der Zeitung auf: Was meinst du? Ach so, morgen, zu essen. Jaaa ich weiß noch nicht recht..." Eine Heine Debatte entſpinnt sich, bis entschieden wird, daß es Kartoffelmus mit Leber geben soll.
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Dann lieft Mutter weiter. Der Mann, der In Augenblick nichts Besseres zu tun weiß unterbricht fie nad zwei Zeilen:„ Bib mir doch auch mal ein Stüd Zeitung ab; das Politische!" Mutter faltet die Zeitung auseinander und gibt ihm den politischen Teil. Sie liest weiter. Nach drei Zeilen kommt Karl, der Zwölfjäh rige:„ Ach, Mutter, hör' mir doch mal die Volabelu ab! Ich werde morgen geprüft werden." Mutter schiebt die Zeitung zurüd, hört zehn Minuten lang Vokabeln ab, lächelt ihren Aelte ften freundlich an und lieſt die nächstent sechs Beilen.
Da kommt die siebenjährige Ilfe, die schon beim Auskleiden ift, ins Zimmer gestürzt: Mutter, meine Strümpfe find alle laputt. Welche soll ich denn morgen anziehen?" Die Mutier erwidert, daß keineswegs alle Strümpfe taputt feien, sondern, daß sich die meisten gerade In der Wäsche befinden, daß Ilfe jedoch im Schranke, links unten, noch zwei Paar gute Strümpfe habe, die sie aber ja recht schonen möge. Ilse trollt sich mit einem müden„ Gu'n
Nacht!"
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Muiter liest vier Zeilen. Da lacht der Mann auf. Sie fragt:„ Was haft du denn?" Hast du das gelesen?" fragt er.„ Da hats unser Abgeordneter den andern aber wieder mal ordentlich gegeben! Hast du das denn nicht gelesen?" Mutter schüttelt den Kopf und meint mit ftiller Fronie: Wann denn?“
Draußen schlägt es neunmal. Der Mann| nes um Begnadigung seiner über alles geliebten blickt auf und sagt zu seiner Frau:„ Nun sich' dir mal unsre Uhr an! Was ist nur mit der los? Eben schlägt es neun, und hier fehlen noch ganze elf Minuten." Mutter blidt auf sie Wanduhr, steht auf, stellt die Zeiger richtig und liest wieder weiter.
Karl sagt:„ Mutter, ich soll dich grüßen. Sch hab's gan; vergessen. Ich traf heute den alten Grumpel, der mal neben uns gewohnt hat. Er hat sich sehr nach dir erkundigt."
Gattin blieben vergeblich: die Stra.e wurde an dem blühenden jungen Weibe vollzogen. Am gleichen Tage jedoch verübte der Magaradschah, wie der Bolksmund erzählt, Selbstmord. Nach seinem letzten Willen wurde sein gejamies Bermögen dazu verwendet, feiner Lieblingsfrau.in Grabmal zu sehen, das alle Zeiten überdanern sollte. Noch heute steht das herrliche Grimal der Nadira Begum unversehrt an der Stelle, an der es der Maharadschah von Jahnazir vor mehr als 300 Jahren errichten ließ, und fündet der Nachwelt in lebendiger Sprache von der unendlichen Zuneigung eines indischen Liebespaares.
„ Ach, der Herr Grumpel ! Wie geht es ihm, wie sicht er denn aus?" fragt die Mutter aufmerksam. Karl berichtet. Dann wendet sich Mutter wieder ihrer Zeitung zu. Gleich darauf unterbricht der Vater sie: Uebrigens, Mutter, da fällt mir eben ein: Meiers haben uns doa) zum Sonntag eingeladen. Ich glaube, der Theodor hat Geburtstag, und das soll wohl gefeiert werden. Wir müssen dem Jungen doch was mitbringen. Was meinst du denn?" Die Mutter blidt auf:„ Ja, ja, natürlich. Der Theo- es dor? Ja, ich weiß nicht recht, was man dem Jungen mitbringen soll. Frag' doch Karl
Jungens wissen das immer am besten." Sie lieſt weiter. Der Mann lieſt auch, aber nicht ſehr aufmerkſam, denn er hat das Wichtigste ichon in der Straßenbahn gelesen.
Fünf Minuten für die
Gefundheit.
Bon Dr. Annemarie Durand- Weper. sich. Bedächtig prüft es die Elastizität seiner Wenn das Tier aufwacht, redt und stredt
Glieder, die Stärke seiner Muskeln. Auch das Kleinkind turnt" erst einmal in seinem Bettchen, bevor es seine Stimme erhebt, um die
Aufmerksamkeit seiner Umgebung auf sich zu lenken. Die Schule zwingt zum frühen Aufstehen, rasch werden die Kleider übergeworfen, niest heftig. Die Frau schricht auf:„ Was sagteft geht verloren, und mit ihr ein wichtiges gefund Es ist ganz still im Zimmer. Der Mann die Behaglichkeit des morgendlichen Dehnens du eben?" Der Mann sieht sie verblüfft an.heitliches Moment. Zum Glüd gibt es in der Beide wissen nicht, was hier Spaß, was Schule noch eine regelmäßige Turnstunde und Ernst ist. der jugendliche Körper findet darin ein Gegenmit den Erwachsenen? Ich habe keine Seit gewicht gegen die Sitschäden. Wie aber steht es Frage schon oft geantwortet worden. zum Turnen," ist mir auf meine diesbezügliche mein Lieber, Sie haben Zeit dazu, denn ich will Do Ihnen fagen, wie Sie es machen können, ohne opfern! Das tägliche Redken und Strecken, vermehr als fünf Minuten am Tage dafür zu bunden mit dem dadurch erzwungenen TiefGesundheit, für unsere Arbeits- und Leiſtungsatmen ist von unendlichem Wert für unſere fähigkeit, für die Haltung, die wir den Anfor derungen des Tages entgegenbringen.
lesen. Aber sie hat keine Ruhe mehr. Obendrein Der Mann gähnt. Mutter will noch weiterfängt der Mann an, ihr etwas von Stresemann zu erzählen. Sie faltet refigniert die Zeitung zusammen und sagt:„ Ich werde im Bette weiterlesen." Der Vater ſchüttelt den Kopf:„ Du kann jetzt doch nicht lesen," wendet sie ein.„ Es wirst dir nur die Augen verderben."„ Ich stört dich doch niemand," meint er. Mutter Bater gähnt wieder.„ Ja, wenn du willst. Aber lächelt müde.„ Gehen wir bald zu Bett?" Der im Bette noch lefen? Mutter, ich finde, dazu hättest du doch eigentlich am Tage genug Zeit!"
Frank Smetana.
Nadira Begum.
In kaum einem Lande der Erde spielen die triebhaften Kräfte im Menſcher eine so aus fchlaggebende Rolle wie in Indien . Es gibt dort feinen Balaft, feinen Tempel, fein Grabmal, mit dem nicht irgendeine dramatische Liebesgeschichte verbunden wäre. Besonders die Gräber wiffen eine reiche Sprache vom Sefühlsleben des Inders zu reden
Wenn Sie des morgens aufwachen, noch bevor das Fensier, das während der Nacht innner offen stehen sollte, geschlossen ist, die und besonders gründlich ausatmen, damit die Dede zurüdslagen und ein paarmal tief einLunge von den Schlacken der Nacht gereinigt wird und den Organen, insbesondere dem Her zen, wieder frischen Sauerstoff zuführen kann, und das kreisende Blut erneuert wird. Dann werden bei liegendem Oberkörper die Beine senkrecht in die Luft gestreckt und langsam wieder gefenlt. Jest mit anliegenden Armen den In Lahore steht das berühmte Grabmal Oberkörper langsam aufrichten, während die der Nadira Begum, einfimals der Lieblings- Beine fest auf den Betten liegen. Jetzt noch Der Mann liest weiter. Auch Mutter Hest frau des Maharadjchas von Jahnagir. Das zwei bis drei tiefe Atemzüge, ein paar Senicben ein paar Beilen. Da wird sie von Otto, dem Grabmal besteht aus reinstem hneeweißen gungen, immer begleitet von Tieſatmen, und Neunjährigen, unterbrochen: Mutter, bitte, Marmor und redt seine Kuppeln inmitten nie- hr Körper, gut durchblutet und erfrischt, ge gud bir mal meine Rechenausgaben an, ob die mals verblühender Rosen gen Himmel. Die nießt die morgendliche Gangwaschung. Diese richtig find!" Freundlich und hilfsbereit rechnet Geschichte der Nadira Begum ist heute noch in fann je nach Geschmad lalt, warm oder heiß Mutter schnell die leichten Exempel durch. Otto ganz Indien bekannt. Wie bei uns die Mär- sein, darf aber nie als unangenehm empfun hat zwei Fehler gemacht und wird daruber aufen, so ging diese Geschichte in Indien von den werden; sie hat den Zweck, alle Ermüdungsgeflärt. Dann schiebt der Junge mit seinem Generation zu Generation bis auf das Gestoffe aus der Saut zu entfernen, und so den Hefte wieder davon. schlecht von heute. Ein fürzlich ans Jadien Rörper zu entgiften. Nach einigen Zeilen fragt der Mann:„ Saft zurüdgelebrier Reisender gibt uns den nachfoidu das Gas schon abgedreht?"„ Sa!" ant- genden Bericht von der Tragödie dieser Lieb wortet sie beim Lesen. Da tommt Karl wieder. An seiner Mäge ist der Schirm Ioder geworden. Er ist sehr unglücklich darüber, aber er soll boch nicht fahlampig aussehen, fagt die Mutter immer. Mutter fieht sich die Müge an, legt fle auf den Tisch und verspricht, den Schaden noch vor dem Schlafengehen in Ordnung zu bringen. Dann kommt Otto noch einmal, zeigt feine verbesserten Rochenaufgaben xud jagt Cute Nacht". Mutter lieft..
lingsfrau:
Radira Begum, die schönste Frau ihrer Beit, ftarb im Jahre 1615, von der despoischen Grausamkeit ihres Schwiegervaters zu Tode gequäit. Weil sie während einer religiösen Feier, bei der alles in strengstem Ernst verharren mußte, ihrem Gatten, dem Maharadschah ven Jahnagir, zugelächelt hatte, wurde sie von dem brutalen Schwiegervater zum Tobe auf dem Shelterhouten vuurtelt. Ane Bitte des boy
Auch unier Tags, insbesondere bei sienden Berufen, tun ein paar tiefe Atemzüge, immer gefolgt von tiefem Ansatmen, Wunder in bezug auf Erneuerung der geistigen SpannKraft und förperlichen Frische.
Wie des morgens, so ist es auch abends vor dem Schlafengehen wichtig, feinem Röv per noch einmal die Wohltat der frischen Luft von innen und außen angedeihen zu lassen. Wer des abends noch einmal geturnt hat, sdyläft in der Nacht tief und ruhig und wird nicht durch in ber mat tief und Taleh verhindert.