Feieraberd

Mr. 26

Unterhaltungsbeilage.

Feierabe

1929.

Liebe zwifchen den Anſchlüſſen.

Von Hans West.

Hände

Wenn er nach Stunden sich erhob und umständlich seinen Mantel überzog, und wenn er dann schleppenden Schrittes sich zur Tür wandte, dann blühten ihre Lippen ihm entgegen, und ihre Augen sahen ihm mit leifem Bitten nach.

Der Geschäftsreisende Efrem Jonescu ffende Efrem Jonescu wußte, daß die Bäume Wenn sie ihm den Tee bereitete, geschah passierte seit Jahrzehnten wöchentlich zwei- nicht in den Himmel wachsen dürfen. Er es mit erregten Bewegungen ihrer fleinen mal die feine Bahnstation, die für Tausen- lebte unter dem ständigen Schatten einer de allerdings nur dadurch eine besondere trostlosen Jugend. Es gibt Menschen, die Bedeutung hatte, daß sie am Kreuzungs- ibr Leben lang geschlagen und getreten punkt zweier Bahnlinien der im übrigen werden, und sich darum schon ducken, sobald nicht sehr lebhaften Gegend lag. Taufende jemand und sei es zum Streicheln fluchten, die auf dem gottverlassenen Bahn- nur zu ihnen tritt. Fürchterliches hatte er hof stundenlang auf den Anschluß warten bei den Eltern miterlebt. Die Mutter hatte mußten. Denn für das schnelle Weiter- sich in den Brunnen gestürzt, der Vater kommen der Reisenden, meist Landleute hatte sich totgesoffen. Er hatte, aus dem Un­und Händler, hatten die Herren in Bukarest   terbewußtsein seiner Kindheitseindrücke, eine schlecht gesorgt. lähmende Angst vor jedem Weibe.

Doch Mirjam gegenüber wurde er ein träumender Poet. Wenn er im Warteraum ihr gegenüber saß, flocht er leise klingende, sehnsuchtdurchzitternde Lieder um ihr Haupt. Ihren vollen, braunen Naden schmüdte seine Phantasie mit gleißendem Schmuck.

Efrem Jonescu aber tobte und wetterte nicht Zwar der Verdienst in diesen Zeiten war zu gering, als daß er sich den Luxus großer Herren leisten könnte, zu verweilen, wo es ihm pakte, doch wenn nur die ersten Lichter der Blockhäuser und Stellwerte jenes Bahnhofes auftauchten, griff er schon Einmal, im Anfang, hatte er den Jun­hastig nach seinen Gepäckstücken und stellte gen, der die Teegläser zutrug, leiſe gefragt, sich an die Tür, um keine Sekunde des koster das Mädchen ſei, und ſchnell, als wollte baren Verweilens verstreichen zu lassen. er eine Mißdeutung ersticken, dem Sungen Efrem Sonescus mehr an Mizerfolgen, ein leichtsinniges Trinkgeld zugeschoben. denn an reichen Erlebnissen reiches Kom- Das ist die Schwester des Wirts!" misdaſein kreiste eigentlich um diesen ver- hatte der Junge geflüstert. Nach ihrem laffenen Puntt. Der war ihm ein stiller, Namen zu fragen, hatte Efrem nicht gewagt­leuchtender Posten in allen feinen Ralfula­war auch ganz nebenjächlich. tionen der Heine, ärmliche Bahnhof von Wußte etwa das Mädchen etwas um ihn, Boljanowitsch... den stillen Kommis Efrem Jonescu? Und doch liebte sie ihn mit ihren Blicken! Wenn er leise, sich gleichsam entschuldigend, durch die Tür trat, dann gab sein Erscheinen ihrem Körper einen jähen Rud, und ihre Blicke hingen an seiner Gestalt, daß ihm das Blut zu Kopf schoß.

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Im Wartesaal für die Distriktsbeamten und sonstigen Honoratioren saß er dann auf einem zerschlissenen Sofa neben dem Ofen Stunde um Stunde und starrte verklärt und mit leuchtenden Augen zum Schanktisch hinüber.

Port, hinter Gläsern und Flaschen, Es war bei dem Mädchen gewiß nicht gewöhnlich über eine Handarbeit gebeugt, Absicht, so seine Aufmerksamkeit zu weden; saß die schwarze Mirjam und blickte von doch mit schweren Schritten ging er dann an Reit zu Zeit ebenso leuchtend und spre seinen Platz, und während er den Mantel zu dem stillen Reisenden hinüber, in deffen etwas zu umständlich ablegte, spürte er den blaffem Antlig eine verhaltene Sehnsucht beißen Blid ihrer immer ein wenig schwer­mütigen Augen an ihm haften.

war.

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Gruß. Und tagelang kreisten wieder seine Schüchtern wagte er dann nickend einen stürmischen Gedanken um den armseligen Bahnhof von Boljanowitsch.

Fluchend verließen wieder ein paar Bauern und Bichhändler den einfahrenden Bug und gingen mit dröhnenden Schritten zum Wartesaal hinüber. Still und beschei gezient, folgte Efrem Jonescu. Doch sein den, wie es sich für einen armen Schlucker Serz schlug stürmisch, als er den Türgriff in die Hand nahm.

Umso größer war feine Verwunderung, als Mirjam nicht auf dem gewohnten Play hinter dem Schanktisch saß.

Aber gewiß war sie durch den Bruder abgerufen worden. Sie würde schon gleich fommen. Geduld, Brüderchen, bald wird sie durch die Tür treten, dachte Efrem Jonescu und setzte sich in seiner Ofenecke zurecht.

Und lauschte auf nahende, leichte Schritte Doch er wartete vergebens. Eine viertel, eine halbe Stunde.

Dann trat der kleine Bub in den Raum. Gleichgültig und die Manieren eines Weltmannes heuchelnd, fragte er so oben­hin, den Kleinen:

,, Wo habt hr denn das Mädchen ge­laffen, die kleine, schwarze Prinzeß dort drüben?"

Der Junge jah in ein wenig miß­trauisch an und trat von einem Fuß auf den andern Doch er mochte wieder ein Trinkgeld wittern. So neigte er sich flüsternd zu dem Gast:

Ach, es war nichts zwischen dem Rei- Sie haben nie ein Wort gewechselt in senden Efrem Jonescu und der schwarzen dieſen Jahren. Doch oft sah sie zu ihm Mirjam. Wie sollte auch etwas sein! Etwa hinüber Habt ihr schon rote Frauenlipven ein Verbältnis, wie es den Kavallerieoffi- gesehen, die gan; losgelöst von aller ,, Aber nicht verraten, Herr! Das Fräu zieren und den hohen Herren vom Gouver- Schen auch entgegenleuchten? So waren lein mit den stillen Madonuenaugen ist nement nachgesagt wurde, wäre ihm absurd Mirjams Lippen in diesen Augenbliden. gestern nacht ausgerückt. Mit einem Gast, erschienen. Oder gar, wie er es in den Halb geöffnet und leise erzitternd Der sie wohl beschway: hat. Freilich, der Rabmen der Journale las... Dann übergoß es den stillen, demütigen Dottor Brussoff- Sie wissen, ein fluger Freilich, er hätte schon einmal so einen Mann wie loderndes Feuer, und seine Blide Mann sagte, sie sei vor sich selbst davon­Roman mitspielen mögen. Aber der Rei- hingen versunken an ihren Lippen... Igelaufen. Beil es hier so verrüdt eintönig

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