Der Wind.

Der Wind zieht durch alle Lände.. Er macht alles häßlich. Er macht immer: W, w, w". Manchmal ist er böse: Da nimt er die Bäume und haut sie zusammen. Sie machen immer: Ar, tr, kr. So geht es immer von einem Baum Zum anderen. Die Bäume haben es nicht gut.

A. M.

Der alte Brunnen im Walse er zählt.

Neulich dachte ich, ich were der Brunnen. Dann sagte ich: Ich bin ganz allein. Einsamkeit betrauert mich. Biele Falten und Rize   habe ich im Gesicht. Ganz alt bin ich. Ich glaube 100 Fahre alt. Einmal kam zu mir eine fleine Schar fröhlicher Kinder. Sie schauten mich verwundert an. Sie sagten: Ach, der Brunnen ist aber schon entzwei. Er mag schon alt sei!" Ich guckte sie mit meinem einer so großen flaren Wasser­auge an und lächelte freundlich. Ein Kind hatte mich sehr lieb. Ich bildete da das liebe Stind in meinem Auge ab. Ich dachte: Dieses Kind tönnte bei mir bleiben. Es würde mit mir trauern und fröhlich sein. Oder ich möchte selber so ein Kind sein." Ein paar Jungen, die dabei waren, nahmen Steine und warsen sie in mein Auge. Da weinte ich bitterlich. Die machten es fich zum Spaß. Ich sprach: Seid ihr Jungen aber häßlich." Da gingen sie weiter. Ich war wieder einsam G. T.

Lied des Fabriksarbeiters.

Ich möchte die Erde genießen Einen seligen Sommer lang

Auf nordischen Wassern fließen,

Auf jüdlichem Meerestang

Die Südsee, die Fjorde, die Schären Gehören den Millionären.

Ich möchte sechs Wochen verjinfen.

Im Wunder der Alpenwelt,

Die Freiheit der Berge trinken Unterm ewigen Himmelszelt.

Wo die Stürme ums Gletschereis streichen, Dort sind die Bezirke der Reichen. Ich möchte auch nur vierzehn Tage Einmal an den Meeresstrand, Mich wiegen im Wellenschlage, Mich sonnen im Dünenland

Die See und die Badefreuden Gehören den Bürgersleuten. Ich werde drei Tage versäumen Bom Trubel meiner Fabrik Und werde in ihnen träumen Von Gletschern und Meeresglüd. Den Armen der Erde gehören Die Sehnsüchte und das Begehren. Hans Bauer.

Tante Lottchens Bohnengericht.

Von Siegfried von Vegesad. Tante Lottchen war anders als alle ande ren Tanten: sie fochte nicht, sie stricte nicht, sie häfelte feine Jädchen. Dafür hielt sie das Missionsblatt, Hosiannah", les die Palmblätter von Gerof, und legte jeden Abend ihre Patience.

Außerdem sammelte Tante Lottchen alle ab­gebrannten Streichhölzer, denn sie hatte gelesen, daß man für tausend Schachteln eine Negerseele retten fönnte. Und fein Tag verging, an dem nicht Tante Lottchen Stüd für Stüd, etwas von der armen Negerseele rettere.

Die Küche und den Haushalt besorgte ihre alte Wirtschafterin Karlin, die so alt war, daß fie sogar Großpapa, wenn sie von ihm erzählte, immer den Jungherrn" nannte.

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Eines Sonntags hatte sich Karlin von der Kirche verspätet: es wurde elf, es wurde zwölf fie tam nicht. Tante Lottchen, die gerade im Hosiannah von der Belehrung eines wilden Hottentotten- Häuptlings gelesen hatte, verspürte schon etwas Hunger. Sie trat in die Küche, jah auf dem Tisch einen Haufen schön zugeschnittener grüner Bohnen liegen, und beschloß, halb aus Spaß, halb aus findlicher Neugier, nun einmal selbst zu kochen.

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Sie setzte sich die Brille auf, begann das Kochbuch zu studieren, und befolgte eifrig und genau jede Vorschrift: zuerst tochte sie etwas Mehlschwitze" dazu, damit sie recht jehmig" würden, und goß heiße Butter darüber. Im Eifer hatte sie so viel Mehlschwize dazu getan, daß sie zwei große Schüsseln mit den Bohnen füllen konnte.

Grade wie Tante Lottchen fertig war und darüber nachdachte, wie sie wohl dieje Menge vertilgen fönnte, flingelte es an der Haustür. Aengstlich öffnete Tante Lottchen einen Türspalt. Ein zerlumpter Bettler streckte seine magere Hand aus.

,, Geld hab ich nicht," sagte Tante Lottchen ſtreng, aber ich kann dir etwas Gutes zu eſſen geben!" Und damit reichte sie einen bis an den Rand mit Bohnen gefüllten Suppenteller dem Bettler hinaus. Um sich an ihrem guten Werk zu ergößen, lugte jie neugierig durchs Gudloch: wie es ihm wohl schmecken würde?

Der Bettler tauchte hastig den Löffel in die Bohnen, führte ihn gierig in den Mund, ließ ihn aber im selben Augenblid entsetzt unter fürchterlichen Grimassen fallen. Dann versuchte er es noch einmal aber jest spudte er den Inhalt jogar verächtlich aus. Das war Tante Lottchen zu viel.

Empört riß sie die Tür auf und donnerie den unglücklichen Mann an: Wenn dir dies Essen zu schlecht ist, dann kannst du ja gehen!"

Wortlos reichte der Bettler ihr den gefüllten Bohnenteller zurüd, verzog sein Gesicht zu einer unbeschreiblichen Fraße, und sprang mit wilden Säßen die Treppe hinunter.

Entrüstet trug Tante Lottchen den Teller in die Küche: Betteln, das können sie. Wenn man ihnen aber was Gutes zu essen gibt dann ist es ihnen nicht fein genug!"

Und Tante Lottchen legte sich nun ſelbſt einen Teller vor, setzte sich, hob den Löffel- wie herrlich schmig, sogar schaumig, war die Mehlschwize" geraten und führte ihn zum Munde. Aber mit fassungslosem Grauen ließ sie den Löffel sinken und stürzte zum Eimer...

In diesem Augenblic trai staunend die alte Karlin ein. Und nun stellte sich heraus, daß Tante Lottchen sich vergriffen hatte; statt Mehl hatte sie Seifenpulver genommen...

Tante Lottchen hat nie wieder das Kochbuch angerührt.

Auch Bohnen mag sie nicht mehr. Und der Bettler ist nicht wiedergekommen.

Zwei Männer und zwei Frauen.

Bon E. Molnar.

( Dr. Lateiner und Dr. Mittelstand sind mit ihren Frauen in einem Kaffeehaus ge­wesen. Die Frauen haben Eis gegessen. Dann folgt ein Heiner Spaziergang auf dem Korso. Die Frauen gehen voran, die Männer folgen.) Wovon die Frauen sprechen. Weist du schon, wo du heuer den Sommer verbringen wirst?" Ich habe mich noch nicht endgültig ent­schieden." Du wirst doch nicht zu Hause bleiben

wollen?"

Wo dentst du hin? Ich bin nur noch nicht im flaren, ob wir nach Neapel   oder nach Lon­ don   fahren werden. Ich glaube in Neapel   ist es ein wenig zu heiß. In London   wieder werden die Theater geschlossen sein. Und du?"

Ich habe meinem Mann schon gejagt, daß ich auf Paris   bestehe. Es war auch von der Schweiz   die Rede, aber ich verabscheue die hohen, fahlen Berge. Meine Toiletten sind bei­nabe alle fertig. Weißt du, ich habe ein Abend­fleid aus weißem Mouſſeline, was soll ich dir fagen?... ein Gedicht.. Dann ein zweites aus Crepe Georgette

Hast du sie zu Hause machen lassen?" ,, Was fällt dir ein... In einem Salon, in einem erstklassigen Salon. Du läßt zu Hause arbeiten?"

,, Na hörst du! In zwei Salons werden meine Kleider angefertigt. Das eine ist aus Crepe Marocain und das vierte aus weißem Tuch, ganz gestict."

Wenn du wüßtest, wie glüdlich ich bin, wenn ich an die Abreise denke. Zwei Monate lang sieht mich Wien   nicht."

Ich plane erst gegen Ende September nach Hause zu kommen."

,, Und dein Personal?"

Mein Personal laffe ich hier zurüd. Es fommt wohl ein bißchen teuer, wenigstens geben sie aber auf die Wohnung acht."

" Ich nehme mein Stubenmädchen mit. Die

Köchin schicke ich aufs Land, weißt, sie ist kränk­lich, und ich will, daß sie bis zum Herbst kern­gesund ist.

Mein

Ich brauche kein Stubenmädchen. Mann ist damit einverstanden, daß mich eine entfernte arme Verwandte von mir, ein hüb­sches Mädchen, begleitet. Ich werde sie gut brauchen können.

" Sag. Liebste, fommst du morgen auf den Robenst?"

Es geht nicht. Ich bitte dich, ich habe schrecklich viel zu tun. Ich werde den ganzen Tag mit der Modistin und meinem Schuh­macher verbringen müssen."

Schade, sonst hätte ich dich eingeladen, mit mir zu fahren."

Ich danke dir, Teure. Ich habe für mor­gen schon ein Auto bestellt; ich werde wegen meiner Erledigungen den ganzen Tag unter­wegs sein müssen.

Wovon zur gleichen Zeit die Männer sprechen. ,, Also, ich bitte dich, das ist einfach nicht mehr auszuhalten. Meine Frau war gestern in Enzersdorf  , und stelle dir vor, man hatte die Frechheit, für ein elendes Loch hundertfünfzig Schilling zu verlangen. Für ein Zimmer was heißt, Zimmer! ein Loch, mif Küchen­bennzung für eineinhalb Monate."

,, Nun, und was wirst du tun?" ,, Noch warten."

Ich habe einen Verwandten auf dem Lande. Ein lieber Mensch, er sieht uns ganz gerne, nur hat es den einen Haken, daß er kein Fremdenzimmer hat. Er sagte aber, man könnte die Waschküche umändern... wir mögen Betten, Kästen, Stühle, alles mitbringen und dann brauchen wir bloß für die Kost zu be zahlen."

,, Das nenne ich ein Glüd. Und deine Frau? was sagt die dazu?"

Jest beginnt sie sich schon in alles drein­zufinden. Anfangs ging es wohl schwer..."

Laufind