Feierabend
Feierabe
r. 36
Unterhaltungsbeilage.
Der Brandſtifter.
Novelle von 3 aola Zeglio. Ist stehe vor dem Nichts... Die hun-[ einige hundert Schritte vor mir liegt im dert oder hundertzwanzig Lire in meiner Brieftasche sind mein Lebtes... Aber ich habe eine Frau und zwei tinder. Diese drei Menschen sind mir das Teuerste auf Erden und sie leiden zu sehen, übersteigt meine Sträfte. Stönnte ich ihnen nicht dieses bißchen Wohlstand bieten, mit dem ich sie bis heute unter namenlosen Opfern umgeben habe, würde mir das entsetzliche Qualen bereiten. Und doch bin ich daran, sie dem Hunger ausgeliefert zu sehen. Arbeit! Niemand will mir eine geben. Verwandte oder Freunde, bei denen ich Hilfe suchen könnte, besize ich nicht. Meine Einnahmsquellen sind versiegt. Soll ich stehlen? Nein, in meinem Alter stiehlt man nicht.
Ich bewohne ein Häuschen, das ich nicht verkaufen kann und nicht verkaufen darf, denn unter dieser Bedingung habe ichs von meinem Vater geerbt. Heut' nacht hat sich ein böser Gedanke in mein Hirn eingeschlichen... Es ist der Plan zu einem Verbrechen. Zumindestens die Gerichte bezeichnen es so, denn wer dabei ertappt wird, fann einer harten Strafe gewärtig sein. Für mich aber gibt es feinen anderen Ausweg. Urteilt man menschlich, so wird mich niemand verdammen. Dieses Haus gehört mir. Wer kann mir verbieten, es zu zerstören? Wem füge ich damit einen Schaden zu? Die Gesellschaft, bei der das Haus versichert ist, hat Geld genug, um mich auszuzahlen. Was meine Vorfahren für diese Versicherung schon erlegt haben, übersteigt wohl die Höhe des Betrages, den man mir geben wird. Auch ist es nicht zu befürchten, daß sich das Fener ausbreite, denn das Haus steht vollkommen isoliert. Uebrigens, warum juche ich nach einer Rechtfertigung? Mein Entschluß ist unverrüdbar. Ich bin heute mittags unter dem Vorwande, in dringender Angelegenheit nach Rom zu fahren, von zu Hause fortgegangen und habe meiner Frau den Auftrag gegeben, mit den Kindern abends nachzukommen. Wenn die Nacht hereinbricht, werde ich das Feuer legen und meine Eristenz wird wieder hergestellt sein. Ich werde, genau betrachtet, absolut niemanden geschädigt haben. Es gilt also nichts zu säumen; für mich ist das eine heilige Pflicht. Seit einigen Stunden schon size ich hier im Gebüsch, wo mich niemand bemerken kann. Durch die Zweige sehe ich die Straße und
1929.
ruft den Hund wieder zu sich und wendet Sonnenglanze mein Häuschen, mein geliebtes die Gefahr von mir ab. Die furchtbare Häuschen, das in wenigen Stunden ein rau- Angst weicht jetzt von meiner Brust und chender Trümmerhaufen sein wird. Es ist eine unsagbare Erleichterung tritt an ihre halb 7 Uhr vorüber, die Sonne beginnt sich Stelle. Kraftlos falle ich auf das schon allmählich zu neigen. Da kommt eben meine feuchte Gras. Der Pfiff einer Lokomotive Frau mit den Kindern... Sie begeben sich läßt mich erzittern. Es ist ohne Zweifel der zum Bahnhof von Ceprano, der gut drei Zug, mit dem meine Lieben nach Rom Stilometer von hier entfernt ist... Ludwig, fahren. Jetzt fühle ich mich ruhiger. Ich mein jüngerer Bub, springt schon vor Freude, bin müde, es befällt mich ein bleiernes Gedaß er in die Stadt mitfahren darf, Peter, fühl der Starre. der ältere, wirft noch einen liebevollen Blick auf das Häuschen. Wenn sie wüßten, wie nahe ich ihnen bin!... Ihr Jauchzen dringt bis zu mir, der Förster, ein guter Bekannter von uns, fommt daher und begleitet sie ein Stückchen. Ohne Zweifel sprechen sie von mir und konstruieren mir auf diese Weise ganz unbewußt ein Alibi. Nun höre ich nichts mehr, sehe sie nicht, sie sind mir entschwunden. Um 7 Uhr 20 Minuten werden sie von Ceprano wegfahren und um 9 Uhr in Rom sein; dann begeben sie sich in das Hotel„ Zu den drei Streuzen", wohin ich sie bestellt habe und werden dort staunend erfahren, daß ich noch nicht da sei. Ich aber werde erst um 11 Uhr ankommen, wobei ich voraussichtlich den Zug nicht in Ceprano, sondern in Frosinone besteigen will. Ich habe alles genauestens überlegt und handle vollfommen planmäßig. Meiner Sache bin ich so unbedingt sicher, daß ich in einer lichten Vision sogar das neue Haus erblicke, das ich mir später einmal anderswo bauen werde. Dann wollen wir glücklich sein! O, so glüdlich sein!
Plöglich dringt ein merkwürdiges Geräusch an mein Ohr. Ein Schauer der Angit durchrieselt meinen Körper. Was soll ich sagen, wenn man mich entdect? Wie toll ich meine Anwesenheit in dem Gebüsch begreif lich machen? Das Geräusch kommt inner näher. Meine Augen suchen durch die Zweige die Straße ab, und ich erblicke den Sund des Forstwächters. Wenn er mich cuffpürt... wenn er bellt und so die Aufmeeffamfent fei nes Herrn, der mit dem Gewehr über dem Rüden ganz langsam einhergeht, auf mich lenkt, bin ich verloren! Schon überfommi mich der tolle Gedanke, mich zu erschienen Jch berühre den Hahn meines Revolvers und bin entschlossen, allem ein Ende zu sezen...
,, Toto! Toto!" Die Stimme des Herrn
Wie lange bin ich da gelegen? Ich ziehe meine Ühr aus der Tasche, kann aber unmöglich die Stunde entziffern. Es ist stodfinster, ganz, wie ich es gewünscht habe. Jezt ist also der Augenblid gekommen, wo ich mein Verbre... Aber was sage ich da? Was für ein dummes Wort commt über meine Lippen? Ist das die Stimme meiner Keue? Tor, der ich bin! Jetzt, wo schon alles bereit ist... wo mir die Umstände so günstig sind... jetzt will ich zögern? Ehrlichkeit? Gewissen? Das sind Worte, an die ein Mann in meiner Lage nicht denken darf. Vorwärts also, und aus Werk! Ich will nech einmal horchen, ob sich nicht etwas rührt. Nichts. Die Stille ist so iief, daß ich selbst das tlemiste Geräusch vernehmen fönnte. Also Mut! Vorwärts!
Jetzt bin ich beim Gartentor Ich werde es nicht öffnen. Das Knarren des Schlüſſels könnte mich verraten, wenn jemand zufällig vorbeiginge. Es ist besser, ich überflettere Die Mauer. So, jetzt bin ich schon drüben. während ich auf der Mauer war, schien es mir, als hätte ich ein Licht hinter den Fensterläden gelehen. Aber das kann doch nur eine Halluzination gewesen sein. Ich ziche es jedenfalls vor, das Haus nicht zu betreten. Der Henschober, der' napp an der Sinterfront steht, ist für meine 3wede wie geschaffen. Ich zünde ein Streichholz an... nähere mich dem Hen... mietite Hand zittert... Das Streichholz fällt zu Boden... Inſtinktmäßig verlösche ichs mit dem Fuß. Nein, ich fann nicht! Ich bin ein ehrlicher Mensch! Ich will kein Brandstifter sein! Wer zwingt mich denn zu dieser Missetat? Wer will aus mir einen Sträfling machen? Die Liebe... Die Treue... Ja, es gibt Tugenden, die unter Umständen zum Verbrechen führen können. Wenn ich meine Familie nicht so liebte, wenn mein Herz ihren Leiden gegenüber falt bliebe, wär'