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ich da je auf den Gedanken gekommen, die­ses Haus zu zerstören? Mer was Hilst daS Grübeln.-Ich muß! Ich muß! Ein zweites Zündholz leuchtet im Dun­keln auf und bald darauf schießt mir ein heicher Geruch in die Kehle. Die Finsternis ist so dicht, daß ich gar nichts unterscheiden «nn. Wahrend ich zurückeile, drehe ich mich um. Noch habe ich den Feuerschein nicht wahrgenommcn, von dem meine ganze Zu- kunft abhängt. Hände hoch! Was machen Sie da? Was treiben Sie sich bei Nacht im Felde herum?" Ein Schauer läßt mich erstarren. Die Füße tragen mich nicht mehr. Mit über­menschlicher Kraft richte ich mich auf und antworte dem alten Förster, der das Ge­wehr bereits ergriffen hat. Aber Gevatter Landrino..." Ach, Sie find es, Herr Guerini? Ent­schuldigen Sie, aber ich vermutete nicht, Sie zu dieser Stunde hier zu treffen. Ich dachte, Sie wären in Rom  . Ihre Frau und die Kinder hätten ja nachfahren sollen...* So, das wußten Sie?" Gewiß, ich habe ja Ihre Familie ein Stückchen begleitet, sowohl beim Hingehen zur Bahn, wie auf dem Rückweg." Auf dem Rückweg?... Ja, sie find zum Zug um ein paar Minuten zu spät gekommen. Und da Ihre Frau wegen der Kinde: keinen spä­teren Zug benützen wollte, verschob fie die Reise auf morgen früh." Uno alle find... nach Hause zurück­gegangen?" Natürlich! Wohin denn sonst? Mer was ist das dort unten? Um Gottes Willen, Herr Guerini! In Ihrem Hause ist ja Feuer ausgebrochen:" Ich gebe keine Antwort mehr, sondern laufe wie wahnfinnig in die Dunkelheit, dem Feuerschein entgegen. Mein ganzer Körper ist nichts als ein einziger schmerz, eine einzige Angst! Ich muß... Ich muß recht­zeilig b nkommcn. Schon bin»L vor dem geschlossenen Gartcntor, schon öffne ich's mit fiebrigen Händen. Das ganze Hans ist eine Riesenslamme. Funken stieben zum nacht­schwarzen Himmel. Plötzlich erblicke.ch in einem Fenster meine Kinder, gespenstig be­leuchtet von den höllischen Flammengarbcn. Durch das Aschen und Prasseln des Bran­des höre ich chr Schreien. Ich eile die Treppe hinauf, die schon zu krachen beginnt. Tas Feuer greift gierig nach dem hölzernen Ge­länder, hüllt es in Lohe, oervandelt es in eine glühende, knisternde Schlange. Die Rauchschwaden blenden mich, aber ich packe noch mit letzter Kraft meine Kinder und stürze ins Freie. Gerettet! Ihr seid gerettet!" rufe ich Ludwig zu, der mich entsetzten Auges an­blickt.Wo ist die Mutter?" Er zeigt auf ein Zimmer... aus un­ser Schlafzimmer. Ich versuche, mich wieder zu nolicni, aber schon stürzt das Dach mit furchtbarem- Getöse zusammen. Verwundet falle ich zu Boden und verfluche meine Ohn­macht, brülle meine Gewissensbisse und meine Schuld in die flammcnerhellte Fin­sternis der Nacht.
Der Antrag. Bon Anton Tschechow  . Lalentin Petrowiksch Peredcrkin, ein jun­ger Mann von angenehmem Aeuhrrrn, zog den Frack und die modernen Lackschuhe an, bemäch ­
tigte sich seines funkelnagelneuen ZvlinderhuteS und ftchr pochenden Hebens zur Fürstin Brra ZapiSkina.(Schade, daß Sie die Fürstin Bera nicht kennen! Sie ist ein reizendes, entzückendes Geschöpf mit milden, azurblauen Angen und mit seidenen, welligen Locken.) Perederkin wurde in Audienz empfangen. Er nahm neben der Fürstin Platz und, vor Auf­regung erschöpft, begann er:Fürstin, würden Sie mich anhören?" Oh, ja!" Fürstin, verzeihen Sie, ich weiß nicht, womit ich beginnen soll.... das ist für Sie doch so unerwartet... Sie werden noch böse..." Während er sein Taschentuch herauszog und sich den Schweiß wegwischte, betrachtete ihn die Fürstin ftagend mit einem reizenden Lächeln. Fürstin!" fuhr er sort,als ich Sie er­blickte, übermannte mich ein unwiderstehliches Berlangcn... Dieser Wunsch läßt mir Tag und Rächt keine Ruhe und wenn er nicht seine Erfüllung fände, so würde ich... der unglück­lichste Mann sein..." Die Fürstin schlug nachdenklich die Augen nieder. Perederkin schwieg eine- Welle...
Es ist erstaunlich, wieviel volkstümlicher und charakteristischer Humor mit den traurig» ten menschlichen Erlebnissen, dem Sterben und dem Tod, verbunden ist. Dabei hat dieser lako­nische Witz durchaus nichts mit Unfrömmigkeit, Sichlustigmachen oder Zynismus oder auch mit Todesverachtung zu tun. Gerade in den Ge­genden, deren Bewohner als besonders gläubig und fromm bekannt sind, finden wir ost die Lustigsten" Marterln. Im Tiroler Stubaital lehr auf einem Felsen ein Kreuz mit einer kleinen Tafel, auf der zu lesen ist: Ter Weg in die Ewigkeit Ist doch gar nicht weit Um 7 Uhr fuhr er fort. Um 8 Uhr Ivar er dort. Kürzer kann man den tödlichen Unfall eines Fuhrmannes wohl nicht gut beschreiben. Bildhafter, spaffiger, boshafter sind einig,: Mar­terln, die man in einer Gegend Sloweniens  nahe beieinander findet: Die keusche Jungfrau Kunigunde Ward hier gebißen von'nem Hunde. Da floß ihr junges Blut jo rot' Run ist die Arme mausetot. Eine andere Grabinschrift lautet: An diesem Baum, beim Kirschenpflücken, Tat einst der Tod ein Weibsbild knicken. Sie fiel von der Leiter Ta kunnt' sie nicht mehr weiter. Wieder ein anderes Marterl lautet: Ein Mädchen, jung von achtzehn Jahren, Tat einst zum Markte Käse fahren. Sir fiel in eines Mörders Hand, Der schlug den Kram aus Rand und Band. Richt weniger traurig in seinem Anlaß, aber lustiger in der poetischen Verklärung, ist die Jnfchrst auf einem Kreuz im Böhmer­ wald  , nahe bei Lusen, die uns erzählt: Durch eines Ochsen Stoß Kam ich in des Himmels Schoß. Mußte ich auch gleich erblaffen Und Weib und Krnd verlaßen. Kam ich doch zur ewigen Ruh' Durch dich, du Rindvieh, du! Eine gewiße Aehnlichkeit im Wortlaut, wenn auch eine« ganz anderen Sinn, hat eine
Es wird Sie natürlich wundernehmen..- Sie sind über alles Irdische erhaben, aber... für mich sind Sie die passendste..." Abermals folgte ein Schweigen.. Um so mehr," seufzte Perederkin,als unsere Gutshöse benachbart sind... ich bin sehr reich... Aber... was wollen Sie denn eigent­lich?" stagte die Fürstin leise. Was ich will? Fürstin!" sagte Perederkin aufgeregt, indem er sich erhob.Ich flehe Sie an, lehnen Sie es nicht ab... Zertrümmern Sie nicht mit IhremRein" meine Pläne. Jnnigst Geliebte, gestatten Sie mir. Ihnen einen Antrag zu machen!..." Valentin Petrowitsch setzte sich rasch nie­der, beugte sich zur Fürstin hinüber und flü­sterte:Mein Antrag ist von höchstem Vorteil! Wir werden binnen einem Jahre 15 Millionen Kilo Schmalz absetzen! Laßen Sie uns doch, Fürstin, auf unfern Gütern eine gemeinschaft­liche Echmalzfabrik errichten!" Die Fürstin dachte einen Augenblich noch und sagte dann:Mit Vergnügen." Und die Leserin, die einen melodramatischen Schluß erwartete, kann sich also beruhigen.
Vom mißglückten Kirschenpflücken weiß auch noch eine Grabinschrift in Röhren in Böh­ men   mit treffender und sachlicher Kürze zu berichten: Aufi gstiegcn, Kirschen brockt. Abi gfallen. Hingewest. Höchst sinnreich ist eine Grabinschrift in Tannhausen  , die auf diese nicht alltägliche Weise um den Segen für einen alten Mann bittet: Sanft ruht der Greis von 80 Jahr, Ter sechsmal hier verehelicht war. Belohne, seine Batersorgrn, O Herr, am Auserstehungsmorgen! Endlich mag hier noch eine bei aller ihrer Kürze erschöpfendeBiographie" genannt wer­den» die sich auf einer verwitterten, zerbröckeln­den Grabsteinplatte eines Prager   FriedhostS findet: Hier ruht Thomas Mejt. Im Leben ist er gewest Schneider aus Prag  , Hat gearbeitet Nacht und Tag. Wer war schuld an seinem Tod? Unausgebackcnes Laib! Brot.
Äch hade meine Lasche liegen lassen. Jeder von uns hat irgend io ein ver­schwiegenes Winkelchen, irgend eine Kram­schublade, in die Unbefugten Einblick streng­stens verboten ist... rin wundervolles, schau­derhaftes Durcheinander wohlvertrauter Dinge, deren rein ideeller Wert nur für uns allein Bedeutung hat. Zerbrochene Erinnerungen, Reiseandenken, Tagebücher und Poesiealben mit dem unvermeidlichen Frenndinnenvers auf der letzten Seite:Wer dich lieber hat als ich, der schreibe sich noch hinter mich!" Eine bnnte Murmel, an der wir einst abgöttisch hingen, ein DutzendKunstkarten": Schattenriße pikanter Tänzerinnen mit farbig betonten Strumpf-
Marterl«- und GravtnMrtfte«. Don«er«*. Grabinschrift im Niederdeutschen, auf der es heißt: Hier ruht das kleine Oechselrin, Des großen Ochsen Söhnelein. Der liebe Gott hat nicht gewollt, Daß es ein- Ochse werden sollt'.