im Straßengraben nicht wie ein Kind oc­weint hätte!

Herr Verteidiger, music, was Sie fönnen! Ich bin doch auch ein Mensch. Man hat mir erzählt, daß die Nacht mich den Hals fosten wird. Sind Sie auch der Meinung? Ich kann es immer noch nicht glauben. Heinrich Claus.

Sonne.

Bon Margrit Schüller. Morgens, wenn sie in schüchterner Zärt lichkeit über die Spizen unserer Berge hin­leuchtet, dann kommt sie weit her, von fremden gelben Menschen mit rätschaften Augen und fremden Gebärden, von gelben Wüstensand, der ihr ewigkeitsmide nachblidt. Noch ist sie fremb und unbegreiflich; der Schein einer fremden Welt liegt auf ihr. Mit kleinen Schritten, von cinem Etwas in wundervollem Rhythmus ge­führt, erflimmt sie golden und heiß die blauen Stufen ihres Himmels, der auch der unsere iſt. Wie eine Erdenfrau ist sie, wenn sie schräg über dem See steht und

den Wellen be­

ficht. Das Waffer zeigt ihr ein zitterndes Bild, langen. Fische steigen in dieses Ornament und amgeben von tauſend ſchwimmenden Spiege­reiben den glänzend naſſen Rücken an den be­

weglichen Goldwänden.

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Geheimnisvoll fliegt die Sonne über sie auf ihrem Weltenlauf in sich aufgesogen Meere, Länder und Menschen. Nur dem, der hat, wieder zu zeigen bereit wäre, wenn wir so viel zu ihr den Blick wendet, wie ich, dem ungeblendet in ihren strahlenden Spiegel läßt sie leise ahnen, daß sie alle Bilder, die bliden könnten.

Kautschut.

Bon Ilya   Ehrenburg.

Jiya Ehrenburg hat ein neues Buch sollendet: Das Leben der Autos". Es ist eben im Malik-   Verlag,   Berlin, er schienen. Aus dem merkwürdigen Werk, das sozusagen biographisch Werden und Bergehen eines Automobils und aller ſei­ner Bestandteile schildert, veröffentlichen wir folgendes Kapitel.

In den Wäldern   Brasiliens gibt es viele Bäume. Ihre Namen lennen nur die Botani­fer. Ein Baum zum Beispiel heißt Hebea". Es ist ein hoher, reichverzweigter Baum mit hellgrauer und flediger Rinde, ein gewöhnlicher Baum. Er hätte in   Brasilien bleiben können unter den anderen Bäumen. Leben doch in Bra­filien die Menschen wie der Wald, gemäh

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zu

hatte er ihre dunkelblonden Loden gefüßt. Jezt hat Annie sich das Haar abgeschnitten, das greise Haar. Uebrigens hat er vergessen, wie Annie aussieht. Zweimal im Jahr schreibt jic ihm einen langen Brief. Sie schreibt von den Stücken Shaws und von den Konzerten Stra­winstys. Sie schreibt von dem stürmischen Lon­  don und von ihrem unglüdlichen Leben. Sie fragt Mister Davis, ob er nicht beabsichtige, nach England zurückzukehren. Nach Empfang des Briefes pflegt Miſter Davis mit großen Schritten durch die langen Korridore des

leeren Hauses zu schreiten. Er antwortet:

eine teure Freundin! Sie würden mich nicht wiedererkennen. Ich bin heruntergekommen und verbauert. Hier gibt es keine anständige

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lich, weise und stumpf. Im Norden aber, in Geſellſchaft. Ich habe ſogar aufgehört, Zeitun ben eilig. Sie haben wahrscheinlich Angst, 3 des Kautschuls zu unterrichten, und werfe sie New   York, haben es die Menschen mit dem Le- gen zu lesen. Die Times" nehme ich nur in die Hand, um mich über die Preisbewegung spät zu sterben. In   Paris, in   London, in Berdes Kautschuks zu unterrichten, und werfe sic lin,- überall haben es die Menschen eilig. gleich wieder weg. Was sollen mir jetzt Theater Anders scheint sie auf die geſunden, derben Dort gibt es feine reichverzweigten Bäume. oder Konzerte? Ich bin ein Tier, ähnlich Bauernwiesen, mit den einfachen, stillen Gra Dafür gibt es dort viele Automobile. Es iver­wie meine Kulis. Manchmal versammeln wir fern, an denen Käfer auf- und abkrabbeln. Sie den ihrer von Tag zu Tag mehr. uns, einige Plantagenbesizer, aber es kommt pinnt ein großes, wärmendes Nez um alles. Auf Java und Ceylon, auf dem Malaischen pliziert. Jameson zeigt von neuem seine Kunſt­nicht einmal ein Pokerspiel zustande: zu kom­Dann öffnen sich erregt die Blumenblätter. Archipel und in   Indochina rauschen an stillen Behutsam und ſcheu ift die Sonne im Abenden inmitten von Fieber und Leid, inmit- ſtücke, Richard wiederholt alte, zum Ueberdruß Walde. Tort, im großen, stillen Schlafgemachten von Cents und Piastern, inmitten gelber gewordene Wise, und ich ſtelle, um mich wenig­ber Natur, wo sich selbst der laute Tag erschöpft Tränen und gelber Dollars leise die schön ge­stens etwas zu zerstreuen, Coctails her. Dann Liebe berührt sie mit rosigen Fingerspitzen den deutsam wie die Aktien der Rubber- Associa- felbe Thema über: verbirgt, dort ist auch sie still: In ihrer All- wachsenen Saine. Sie rauschen zärtlich und be- geht das Gespräch unfehlbar auf ein und das­

dämmrigen Waldesboden. Ihre lichten Strah­len flechten goldene Bänder in Kiefer und Tann, und auf winzigen Sonnensträßchen marschieren schwerbeladene Ameisen dahin.

Im Winter gleitet die Sonne, einen gol denen Rade vergleichbar, über die verschneiten Fluren und zeichnet glisernde Furchen in das Weiß der Erde. Dann liegen hinter Ge­mäuer und Zaun lange, schieferblaue Schat­ten. Dann strahlt die Sonne ein mildes Licht berhaitener Freude.

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,, Wie schneiden Sie die Rinde an? Ich spiralenförmig und jeden zweiten Tag."

,, Nun, das ist nicht richtig! Ich- winkel­förmig mit der Spitze nach unten und täglich." ,, Wir wollen sehen, wie lange sie es aus­halten werden, Ihre Bäume!

Sie als Einheimischer haben im sechsten Sahr begonnen!...."

Und so weiter. Folglich Versöhnung.

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- Streit. Dann

tion". Den Weißen bringen sie Dividenden, den Gelben Tod. Sie rauschen, weil unter ihnen Geldgier und Armut sind: fie rauschen abends, weil jeden Morgen nackte Kulis mit frummen Messern die zartgraue Rinde rizen und alte Wunden aufreißen. Die Kulis und die Bäume verstehen einander: sie verbluten in gleicher Weise. Aber das Blut der Kulis kostet nichts, und niemand spricht von ihm; das milchweiße Blut des reichverzweigten Baumes indes ist wahrhaft kostbar. Es wird an allen Börsen Liebe, gute Annic, ob Sie wohl in dem Am Abend verschwindet die Sonne in notiert. Es bringt die Menschen um den Ver- tollpatschigen Pflanzer Ihren Peter wiederer­plötzlichem Erschreden hinter erbleichenden stand. Seinetwegen sind sie bereit, sofort Ton- kennen würden? Nein, Ehrenwort, nein! Die Wolfen und verträumt und nachdenklich steigt| nen von Menschenblut zu vergießen. Die Jahre aber vergehen... Vierzehn Jahre. der Mond ins Firmament: Der silberne Bäume wissen das, und sie rauschen mitleid3 schredlich, daran zu denken. Ich sollte wen g- Schatten ihrer goldenen Tagfeele. voll. Die Wunden an ihrer Rinde verheilen nie. stens für ein Jahr nach England fahren. Aber Seltsam und eigenwillig ist sie in Liebe Mister Davis besitzt tausend Hektar Pflan- was wird aus den Pflanzungen werden? Alle und Abneigung. Ich kenne Stuben und- zungen. Mister Davis bejigt 350.000 Bäume. meine Gehilfen sind Maulaffen und Dumm­chenwinkel brave, arme Menschen hausen Mister Davis hat tausend Kulis. Je einen   Kuli töpfe. Die Bäume sind eine delikate Angele bort, scheuhe Blumen wachsen im Hoflicht auf dreihundertfünfzig Bäume. Der milchige genheit. Sie müssen schonend behandelt weren. doch sie, die Große, Leuchtende, ist zu stol; um Saft fließt in Näpfe ab. Jeder Baum liefert im Einmal, als ich zwei Wochen mit dieser dar­dorthin zu wärmen. Jahr zwei Kilo. Mister Davis erntet im Jahr niederlag, haben sie mir einen ganzen Heftar 700.000 Stilo Kautschuk. Er hat ein herrliches zu Grunde gerichtet. Mich für länger zu ent Landhaus. Er hat drei Limousinen. Er hat fernen, daran wage ich gar nicht zu denken. einen Tennisplatz. Er hat einen zahmen By- Vor kurzem erst habe ich 300 Hektar neu ange thon und ein dides Handbuch über das Mixen pflanzt. Das Roden und Pflügen, das war von Cocktails. Der Python fängt Ratten wie schwer! Ungefähr fünfzig Menschen gingen da die gewöhnliche Katze, indes Mister Davis in bei zugrunde. Jezt muß ich beide Augen offen seinen Freiſtunden neue geheimnisvolle Cod- halten. In sieben bis acht Jahren werden tails mirt:   Südpol oder Königin Alexan meine Kindlein heranwachsen. Also werde ich dra". Mister Davis langweilt sich. Er hat das im Jahre 1933 ganz verdummen: 10.000 nene Sie liebt die blanken Dächer Kleiner Dör- Tropenfieber. Er hat keinen Partner zum Ten Bäume! Nein, Annie, offenbar wird man mich fer und Kirchen, liebt die wetterbraunen Dach- nisspiel. firfte mit den Tauben, die dort sonnenhungrig hier begraben! Die Freunde werden eins trin­Nun sind es schon vierzehn Jahre, daß er ten, und sich zu streiten beginnen, ob ich die ihre Flügel spreizen. Sie liebt die großen   in Penang ist. Als er   aus London fortfuhr, Rinde gut angeschnitten habe. Nur Sie werden Paläste und Städte der Ebene. Ihre Seele trant dort noch niemand Coctails. Er war seufzen..." feiert leuchtende Feste auf marmornen Säulen mals jung und träumerisch gewesen. Er hatte und Treppen. Ihr warmer Atem erhebt in das Meer betrachtet, und es war ihm, als hät jauchzender Freudigkeit, wenn sich in gligern- ten Annies Augen eine erstaunliche Aehnlich ben Glasfestern ihr Schein bricht und wider feit mit dem Wasser des Indischen Ozeans. * piegelt. Auch Annie war damals jung. Eines Tages

Auch in die Schluchten des Hochgebirges, wo Wind und Froſt ihre rauben Walzer tan­zen und der Schnce Jahre um Jahre in ver­schwiegener Schnsucht nach ihr stumm da­liegt und auf ihren ersten Blid harrt, auch dorthin reicht ihre Gunst nicht. Aus Furcht vor dem Dunkeln? Oder ist es ihr Schidsel, fich Ewigkeitskräfte zu sammeln, indem sie das Helle und Strahlende bestrahlt?

Nach Beendung des Briefes mirt Mister Davis feine neuen Cocktails mehr. Er stürzt ein großes Glas Whisky hinunter und schreit, heiser vor Trübsinn, der dunkelhäutigen, wie das Laub der Hevea schredhaften zwölffährigen