May

Feierabend

Feierabe

Jr. 52.

interhaltungsbeilage.

1930.

,, Mein Heim ist meine Welt!"

Galire von Kurt Münzer  .

Niemand hätte es für möglich gehalten, wie sein Besitz eingereiht und geschichtet sigjährig, unschuldig. Außerdem achtzigtant­Meta Meier, diese Stillste der Stillen! war. Er öffnete Kleider- und Wäscheschränke, send Mitgift. War sie nicht die unscheinbarste lautloseste Büfett, Kredenz: alles war tadellos geord- Am anderen Morgen, obschon sie noch Frau gewesen? Und nun ging sie ab, ge- net, blizte, schimmerte; kein Stäubchen, tein nicht weiterreisten, jah May, wie Meta die­radezu im Eklat! Sonntag Mittag. Sechs Federchen. Seine Augen wurden naß. Sie ses föstliche Brautnachthemd zusammen­Gäste. Die erste junge Gaus, ein herrliches waren zweiunddreißig Jahre verheiratet ge- faltete. Es war wie unberührt, kaum zer­Stück, direkt aus Hamburg  . Die Gänse wesen. Kein Kind. Ihr Haus war immer fnittert. Sie hatte regungslos geschlafen... fleinsuppe nicht einmal zu der war es des Friedens voll gewesen. Manchmal ein oder gewacht?... Sie legte es zusammen, gekommen. böses Wort von ihm, er war ungeduldig, mit leichtbebenden Händen, mit seltsamem cigensinnig. Ach, Meta, verzeih mir... Gesicht. Als begrübe sie etwas, als schlösse Er schluchzte jest laut, es tat sehr gut, sie einen Traum, eine süße Torheit ab. dies da. Er hatte sich bis jetzt alt und Sie glättete es sanft und legte es auf den schwer gefühlt, mit seinen etwas über sechzig. Grund des Koffers... Aber die Tränen erleichterten ihn, verjüng ten ihn geradezu.

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Da stand Frau Meier und teilte aus. Rechtsanwalt Brucks waren da, Neffe Emil mit Frau, Tante Tinchen mit den Töchtern. Plöglich, beim ersten Teller, läßt Meda den Schövflöffel fallen, daß es spritzt. Herr Meier ruft: ,, Na, Meta, was ist los?" und wischt schon an den Ripsaufschlägen seines Gehrocks.

Doch Meta starrt ins Leere, lächelt blöd, murmelte: Mir ist ja ganz komisch was ist bloß?

Meta, trenes, selbstloses Geschöpf! Schön war sie nie gewesen, nein. Aber sanft, still, treu und nachsichtig. Und in den ersten Jahren der Ehe so viel allein, als er noch reiste. Für die Firma, die ihm jetzt das Und schlug schon hin, erst langsam in schöne Jahresgehalt zahlte, nachdem er sie sich zusammenfinkend, dann schnell. hart verkauft. Meta hatte sich nie etwas versagen neben ihren Stuhl, den Rechtsanwalt strei müssen, auch nicht in den schlimmen Jah­fend, Tante Tinchen freischte los, ihre Toch- ren der Inflation und später. Aber hatte ter Elli hielt sich die Augen zu. Die Rechts- sie je Ansprüche gestellt? Ihr Heim war anwältin allein fniete neben der Gestürzten. ihre Welt. Und Herr Meier blickte auf, Und als Herr Meier, nachdem er wütend: wo ein Brett mit Brandmalerei, aus Metas ,, Meta, bist du verrückt?" gerufen hatte, sich funftfertiger Jugendzeit, diesen Spruch für aufrappelte, hatte Meta schon ausgeröchelt, alle Zeit festhielt. lag regungslos, stumm da. Sie war tot.

Nie mehr hatte sie es seitdem getragen. Jetzt, mit Tränen nahm der Witwer es hoch. Und da löste es sich, ging auf, ent­faltete sich, es raschelte etwas, eine trockene Rose fiel hinab, die in seinen Falten ver­borgen war. Und in ein und demselben Augenblic spürte May Maiglöckchenduft aus dem Hemd steigen und sah er, es war oft gewaschen, die rosa Bändchen waren fort, es waren blauseidene Bändchen und Schlei­fen, die Spize war zerrissen oben über der Brust..

Und immer noch im selben fürchter lichen Augenblick sah der Witwer weiter. in der Schublade das weißseidene Brautkor sett, das mit seinem Wissen Meta nie mehr getragen hatte, und auch dieses Korsett ivar fleckig und schmubig, er jah ein paar Spitzenhöschen, von vieler Wäsche zermürbt, ihm unbekannt. er sah und roch ein leeres Fläschchen Maiglödchenparfüm. Aber für ihn hatte Meta nie geduftet! Für ihn hatte Meta diese Dinge nie mehr gefragen. Nud die trockene Rose!.. Er dachte nach. Nein. weiß Gott  , nie hatte er in diesen weinnd­dreißig Jahren feiner Frau eine Rose ges schenkt! Und sie hatte sie im Nachthemd ver­wahrt! Wie eine selige Erinnerung. An wen?... Und wann und für wen hatte

Da war ihre Kommode. Herr Meier Tinchens Zweite heulte: Ich kann fein setzte sich davor und zog die Schubladen Blut sehen!" und war schon zur Tür raus. auf. Das Photographicalbum aus rotem Meta hatte sich am Anthrazitofen nur ein Plüsch lag darin. Ja, ja, Gent  ' versteckt wenig den Hinterkopf angeschlagen, es gab man das; als sie heirateten, paradierte es einen dunklen Fleck auf dem Teppich. Alle auf dem achteckigen Salontisch. Federn, also batten Hunger, aber es ging doch nicht an Hutformen, Handarbeiten, alles war adrett mein Gott, Anstand muß gewahrt wer- geordnet. Die Tränen rannen dem Witwver. den über die Bedürfnisse des Tages hinaus. Und er stöhnte tief auf, als er im zweiten Zehn Minuten später war Meier allein, Schubfach das Nachthenid sah- das Nacht während die andern drüben im Pschorr sich heind. Er erkannte es auf den ersten Blick. erholten und sättigten. Er dachte jogar Es war das Brautnachthemd. Oh, daran, und er streifte Meta, die schon auf er seufzte schwer. Vor zweiunddreißig Jah­dem Bett lag- Tinchen hatte ihr sofort ren die Hochzeitsreise. Die erste Nacht sie diese Dessous angezogen. die After vom Spiegeltisch in die Hände ge­legt mit einem vorwurfsvollen Blid. Und wenn er auch abends von der falten Gans az, den wahren Genuß hatte er nicht mehr. Einzige Genugtuung, daß die Brust ungeteilt ihm zufiel.

Schon am selben Abend machte Herr Meier sich daran, nach dem Rechten zu sehen, in Schränken und Schubladen. Alles hatte Meta besorgt, er hatte keine Ahnung,

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im Zuge nach München  . Wie zart er doch Er stützte sich schwer auf die Schublade. gcivesen war! Die zweite auf dem Wege er starrie in ihre geringe Tiefe wie in einen nach Venedig  , in Bozen  . Und da, als er Abgrund voll Gewärmt und Gestank. Diese vom Bier unten in der Gaststube herauf Brautwäsche, für ihn getragen, war abge­gekommen war, hatte sie schon im Bett nußt, war parfümiert. Da, eine Unter­gelegen, in diesent Brautnachthemd, überall taile, ganz Spike und Seide, ee hielt sie rosaseidene Bändchen und Schleifen. Wer mit steifen Fingern hoch. Sie war das wußte damals was von Pyjama! Reusch leibhaftige Laster, sie war das Grinsen der und züchtig lag sie da, keine Schönheit, nein, Sünde. Nie, nie, vor dreißig Jahren, nie weiß der Himmel, aber doch zweiundzwanzog eine Frau solches für den Hausgebrauch