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solch starke Hebung des allgemeinen Ethos ein­getreten ist, wie es nur in ganz wenigen Augen­bliden der Weltgeschichte gewesen ist.

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bat sich gewandelt. Das mütterliche und schwe­iterliche Ideal der neuen Frau gibt auch ihr eine neue Prägung. Die Frau ist nicht nur Hausfrau und Mutter, auch nicht mehr Herrin, zu der der Mann betend aufschaut: sie ist Ka­meradin und wahre Lebensgefährtin. Sie ist nicht zunächst Frau, sondern Mensch.

Zum erstenmal ist für weite Volksschichten bas Grundproblem des Verhältnisses zwischen Mann und Frau gelöst worden. Es ist aus der elendigen Berquickung von Interessen und Eigen nut, aus jeder Verfälschung durch nebensäch Freilich gibt es auch heute noch die alten liche Rücksichten und Erwägungen befreit wor- Typen. Noch gibt es sie. Das Proletariat be­den. Das junge Mädchen von heute fann sich freit sich von diesen Ueberresten und strebt ganz den Lurus erlauben, einen Mann nach seiner dem Neuen zu. Wahl zum Manne zu nehmen, es braucht nicht Die Frau wird Mensch. Nicht mehr lächer­auf Mitgift zu achten; infolge seiner wirtliche äußere Formen werden über Wert und schaftlichen Stellung kann es- lieben, wen es Unwert der Frau entscheiden, nicht mehr Klei mill und braucht nicht zu heiraten, wenn es dung und Körper ausschlaggebend sein, sonderit nicht will. Die neue Stellung der Frau brachte der innere Wert wird entscheidend sein für die in unsere scheinbar so schlechten" Zeiten einen Wahl des Mannes. Aber ihr Männer nehmt Sieg des reinen Gefühls über die Stuechtung euch in acht. Paßt auf, daß ihr nicht versagt. der Interessen. Seht in euch hinein und schlackt eure Herzen aus. Alte Romantik, alte Herrschsucht und alte Rechthaberei gibt es darin noch zu viel. Be freit ihr euch nicht von diesen Ueberbleibseln ciner alten Zeit, dann wird die Frau euch mitleidig über die Schultern ansehen.

Und diese Einstellung der fraulichen Liebe ist das Entscheidende an der modernen Frau. Alles andere: der Sport, ihre Sucht nach Was fer. Licht und Sonne ist nur Begleiterscheinung, wenn auch keine unwesentliche. Auch die Ehe

Der Liebesbrief.

Jut Bücherfreis", Berlin Sw 61, erscheint in Kürze der Roman Die Rebellion des Ingenieurs a- rinit" von Dmitrij Tschetwerkkov. ( Preis 4.80 Met ., für Mitglieder Sonder preis.) Das Buch hat in der Hauptsache das Liebes und Eheleben im heutigen Rußland zum Thema. Wir veröffentlichen heute aus diesem Roman mit Genehmigung des Bücherkreises" einen interessanten Ab­schnitt.

Währenddessen gelangte Karinjtis Brick aus seiner Wohnung in die Tichanowitschs. Njuscha, die ihn hinbrachte, fäwäßte unter­wegs noch mit den Hausmeister und zanfte sich mit einem Mairosen herum, der sie auf der Straße belästigte.

Einem Gepädträger eine Schädeltrepana­tion aufzutragen oder einen Schornsteinfeger einen Stonzertflügel stimmen zu lassen, ist we­niger hirnverbrannt, als eine alte Jungfer in Liebesdingen zu Hilfe zu nehmen.

,, Was-haben Sie denn da?"

dahin, er wollte so gern wissen, was drin stand. So, da kann er ja liegen bleiben." Und er wiederholte in Gedanken, als wolle sich überreden:

er

ihn doch nicht lesen, er ist ja an Ludmilla ,, Da kann er ja liegen bleiben, ich werde adressiert." Wenn sie kommt, wird er ihn Lud­milla geben und mit einem bitteren Lächeln jagen: Bis jetzt haben wir immer gegenseitig unsre Briefe gelesen. Aber mir scheint, die Zei ten haben sich geändert. ,, Die Zeiten haben sich geändert das flingt gar nicht schlecht. Rein, man muß das boshafter sagen. Irgendwie viel boshafter."

Er hätte den Brief wahrscheinlich nicht gelesen, wenn Ludmilla Viktorowna rechtzeitig juridgekommen wäre. Aber während er so da­faß und die unmöglichsten Vermutungen und Annahmten anstellte, verfiel er schließlich in einen vollkommen unzurechnungsfähigen Zu­stand. Er geriet in Wut, seine Lippen zudien. seine Augen, waren blutunterlaufen wie bei einem gereizten Stier. Er stürzte ans Telephon Jetzt würde er sich gleich Klarheit schaffen. Wenn Karinski nicht zu Hause war, dann waren sie also zusammen fort und dann

Hallo. Jit Bavel Konstantinowitsch zu sprechen?"

Er ist fort."

rufen."

Danke sehr. Nein, ich werde ihn schon an

Edelmütigen spielen und sich zum Narren hal­

So. Vielleicht sollte er noch weiter den

ten lassen?

,, Nicht! Nicht!" freischte sie, und froh, die Sprache wiedergefunden zu haben, legte sie los, das ihr Tagebuch wäre, nein, im Gegenteil, daß das ihr persönliches Geheimnis wäre, daß nichts von Bedeutung, nur der Wäschezette! ach, nein, gar nicht der Wäschezettel, sondern einfach ein Stück reines Papier, das sie sich gecidor weinte Tante Polja. Rebenan wurde auf Er zerriß den Umschlag. Draußen im Kor­holt hätte, um einen Brief zu schreiben einer Mandoline geklimpert. da hat sie einen Schrecken gekriegt wovor hat sie einen Schrecken gekriegt? Sie hat einen Sayred gekriegt, weil das faubere Papier her untergefallen war und schmutzig werden fonnte

und

Der wütende Stier hatte den Kopf ge­fenft. Gleich wird er den Feind auf die Hörner plegen.

,, Lieber Ljud, ich muß heute im Klub spre­chen, ich fonnte unmöglich nein sagen. In­Tichanowitsch hatte inzwischen die Anzwischen ist die Saat deiner Küsse vom Frost schrift gelesen.

der Trennung vernichtet worden und ich möchte dir doch so gerne wieder helfen, dein Kleid zu­saknöpfen, du würdest sehen, daß ich jetzt nach beiner Strafpredigt das Gelernte tabellos fann

Ein netter Wäschezettel. Ist Ludmilla Biftorowna ihrer Meinung nach vielleicht ein Lafen oder ein Kissenbezug? Geben Sie mal her. Und bibbern Sie nicht wie eine Kaze im Schnee. Wenn es für Ludmilla ist, dann werde Wenn Karinsti einem betrogenen Gatten Karinstis Brief wurde von Tante Bolja ich es schon nicht lesen, seien Sie unbesorgt. eine Denunziation oder einen anonymen Brief in Empfang genommen. Ludmilla Viktorowna aber seit wann sind Sie denn zum Briefträger hätte schreiben wollen, so hätte er die Untreue war unglüdlicherweise nicht zu Hause, Tichano geworden, Polina Sergejewna?" der Frau gar nicht besser darstellen und den witsch dagegen fam sehr früh zurück. Er tat Er legte den Brief auf den Tisch und Adressaten nicht mehr in Raserei versetzen kön das mit Absicht hin und wieder zum Scha- chaute weg, denn es zog thn unwiderstehlich nen, als durch einen solchen Brief. den seiner Arbeit, um seine Frau fontrol sogo000000000000000000000000000000000000308+ 03000308a lieven zu fönnen und sie in ständiger Angst vor jeiner unerwarteten Rückkehr zu halten.

Seit dem Augenblick, wo er zurück war, verlor Tante Polja fast den Verstand. Sie wurde rot und blaß, gab verkehrte Antworten und benahm sich ungefähr so wie eine Gattin, die ihren Liebhaber unter dem Bett versteckt hat und der es plöglich einfiel, daß die Van toffet ihres Mannes, die er sicher brauchen würde, unter dem Bett standen.

Tropfen im Meere.

Von Gerdland.

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Es war alles so gekommen, wie es kommen Wie hatte er es gejagt? Liebes, Seleines", mußte: der Tango, die kleinen, bunten Liköre, so war es, Liebes, Kleines, du weißt doch, seine Zärtlichkeit, die Mitleid hieß, die Tränen, was wir mal vereinbart haben? Kannst du der flüchtige Kuß, der Händedruck, es war alles dich besinnen, daß wir vereinbart haben, daß so gekommen, wie es fommen mußte Und da nicht weinen wirst, wenn Dies das, was da kommen mußte, das Unerbittliche, Wenn" war immer das gleiche, und diese Tichanowitsch schaute verwundert auf das hieß: Abschied. Das war der Sonntagabend. Tränen, waren sie nicht auch immer die glei jeltsame Gebaren der aufgeregten alten Jung Es war ein Sonntagabend wie alle anderen chen, die sie weinte, wenn der jeweilige Er" fer. Sie lief jeden Augenblick ans Fenster und Sonntagabende. Ein Abend mit einer kleinen Abschied von ihr nahm? bekundete offensichtlich große Unruhe. Sie be- Beklemmung vor dem nächsten Morgen, da man tastete den Brief, den sie in ihrer Jacke ver- hinter dem Ladentisch stehen würde, ein Abend stedt hatte, verbarg ihn dann wieder unter ein mit der kaum mehr bewußten Angst, die da Stiffen, in ihre Manteltasche, in den Einhol- hieß: Werde ich morgen mit veriveinien Augen forb. Das arme Wurnt hatte zunt erstenmal in aufstehen?" Ja, dessen wurde sie sich jetzt be­jeinem Leben einen Liebesbrief in der Hand.wußt, jetzt, in der falten, möblierten Stube vor Schließlich ließ sie ihn mitten in Zimmer an der sichtbarsten Stelle fallen und verlor vor Schred Denk und Sprachvermögen. Sie er­starrte und blidte mit verzerrtent Gesicht auf dent Brief, als sei es der glimmende Zünder einer Bombe.

Jetzt saß sie in dieser Stube, die sie mor­gens verließ und abends betrat, sie saß auf dent Bett und weinte die obligaten Tränen. Es mag eigenartig flingen, aber es muß doch gesagt werden: es waren gewissermaßen Pflichttränen, die jie glaubte, dem schuldig zu sein, den sie mit ihrer seltsam stummen, hingebenden Liebe be­dacht hatte. Satte!

einigen belegten Broten sigend, vor einer Tajje falten Tees, angesichts der sinnbetrübenden Tapete, deffen wurde sie sich jetzt bewußt, daß Man mußte fich trösten. Man durfte sich diese Augst Gewohnheit war, Gewohnheit und vor einent Manne nicht vergeben. Abgestumpftheit. Und bei diesem Scdanker Einmal aber das war schon lange her: erschraf sie heftig. Ewigkeiten batte sie einem Manne geschrie­

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