3tr. 29,

UnterOoltnngobrilage

1932.

Die Kluft". Bm Criiag MrifteNfea.

Die Berlobungsfeier war beendet. Die letzte« Gäste hatten das Haus verlassen. Frau Storgaard legte da» Leinentischtuch zusam­men und glättete es über ihrem wohlgenähr ten Leib. Jesper rutschte auf einen kühleren Platz der Bank; dort, wo er gesessen hatte» war der Anstrich warm geworden und klebte an seiner Hose. Sein Magen knurrte. Er hatte dem Essen allzu reichlich zugesprochen. Er deutete auf da? Tischende:Da sah Anna, und neben ihr hätte der Besitzer des größten Hofes fitzen können. Und wer hat da gesessen? Ein Lehrer ein Küster!" Er rülpst« und schüttelte den Kopf.Die Soße war auch viel;u fett!" Es klunkste in seinem Magen:Aber die Verlobung wird ausgelöst! Auf der Stammtafel von Stor- gaard darf nicht stehen: Lehrer Jörgen Pedersen. Niemals in Zeit und Ewig­keit!" Er haute die Bierkann« auf den Tisch, daß der Schaum über den Raiid kroch. Vergiß nicht die Liebe, sie haben sich doch so gern," wandt« seine Frau, Mette,«in. »Dir Lieb« jaja..." Er zuckte ungläu­big die Schultern.Man braucht nicht ge­rade Küster und Lehrer zu sein, um zu sehn, daß Storgaard«in guter Hof ist; aber da- Ganze wird zu Wasser darauf kann sich der gut« Pedersen verlassen!"Es wird dir aber niemals glücken, Anna zu veranlassen, ihn aufzngeben." Jesper erhob sich:Na dann werde ich ihn schon so weit bekommen, ste laufen zu lassen. Ich habe mir alles ge­nau überlegt, während der Pastor seine Ver­lobungsrede hielt." Er taumelte ins Schlas- zimmer und schlief bald ein. Unten am Kreuzweg standen Anna und Pedersen engumschlungen und lauschten dem perlenden Gesang der Morgenlcrche. Sie drückte ihr Gesicht an seine Schulter: Glaubst du nun auch... nein..." Sie ivandte sich ab.Sag es doch, Annchen, mir kannst du alles sagen." Sie blickte ihn fest an:Glaubst du nun auch, daß ich fein ge­nug für dich bin, Jörgen? Wirst du mich nicht satt bekommen?"Wie kommst du «ur auf diese Gedanken?" Fast sah er böse auf.Und das an unserem heiligen Vcr- labungstag. Was fallt dir nur ein?" Ja. ich hört« doch, wir du dich mit den

Pastorentöchtern so gebildet unterhieltest da konnte ich wirklich nicht mitrrden." Das kannst du ja lernen, Annchen. Ich iverde dir abends laut vorlesen, und wir iverden uns dann darüber unterhalten. Etwas Bildung gehört schon dazu, um in meinen Kreisen zu verkehren. Deshalb wär« es vielleicht ganz praktisch, wenn wir mit dem Bildungsunterricht schon bald anfangen würden."Ich weih nicht, wie ich's sagen soll, aber ein armes Mädchen hat stet» den Vorteil, daß cs um seiner selbst wil­len geheiratet wird." Er sah in die Lust. Daran glaube ich nicht, daß sich jemand des Geldes wegen verheiratet ich glaube es ganz bestimmt nicht. Es ist jedenfalls mei­nem Charakter so zuwider, daß ich nicht dar­an glaube." Als Jesper Slorgaard erwachte, befahl er seiner ssrau, ihm den Sountagsanzug zu geben.Wohin willst du, Jesper?"^Jhr braucht mit dem Mittagessen nicht auf mich zu warten," grunzte«r und ging, ohne sich zu verabschieden. Es war ein warmer Tag und er schritt fürbah. Sein Freund Niels Westergaard stand vor seinem Haus und hatt« die Hande in die Taschen vergraben, als er Jesper erblickte. Guten Morgen!" Jespers Stimm« klang sehr deprimiert. Er räusperte sich. Niels tat desgleichen. Beide betrachteten sie«in Kalb , das groß« Grasbündel an sich riß: fast schien cs. als wollten die beiden Männer auspro- bicrcn, tver am längsten schweigen könne. Endlich siigie Jesper:Niels, kannst du mir Helsen ?" Sein Mund stand offen. Tie Unterlippe hing melancholisch herab.Brauchst du Geld?" Niels produzierte«ine enorme Menge Speichel er schluckte und schluckte. Ja mir scbli Geld. Mein Schwager drüben auf Seeland, für den ich gebürgt habe, ist ausgerifsen." Jespers Unterlippe zitterte wie die cines abgebetzten Hundes. Und ich gehe mit kaputt. Kannst du mir Geld leihen? Aus alter Freundschaft. Kannst du?" Ricls batte die Hände in die Taschen gebohrt, während ihm Kälteschauer über den Rücken rieselten. Mit den Armen«lachte er Bewegungen, als hätte er Flöhe im Aermel. Wie gern ich auch möchte ich kann nicht."

Jesper reichte ihm die Hand. ,Lch kenn- deinen guten Willen, aber ich muh weiter«! Slorgaard, meine GeburtSstätte, soll nichtz^ ohne Schwertschlag fallen." Er schmunzelte vor sich hin und schritt tüchtig aus; denn«v muhte sich beeilen, um die gan^ Runde zu absolvieren. Jesper saß am Tischende und hatt« di« Ellenbogen auf die Platte gestützt, wädrend er groß« Mengen Tabaksrauch ausblies. I« seinen Augen glimmte es lauernd und ver­dächtig.Vier!" brummt-«r,nun woll'u wir mal sehn." Da tauchte jemand auf der Landstraße auf. Jörgen. Anna lies ihm entgegen, daß die Röck« nur so flogen.Anna!" Er be­freite sich aus ihren Armen.Die be­nimmst du dich denn nur? DaS kann mau doch nicht!" Sie blickte scheu auf den Weg und hatte ein Gefühl, als wenn ihr die Klei­der herabgeglitten und sie nackt und frierend seinen kritischen Blicken ausgesetzt wäre.Es ist sehr bedauerlich außerordentlich be­dauerlich" Sie hörte seine Worte wie aus weiter Ferne.Wir Menschen sind schwache Wesen. Wir können uns irren. Wir haben uns geirrt, Anna. In unserer Ver­liebtheit haben wir nicht die Kluft gesehen, die uns trennt," seine Stimme nahm Pathos an,ich bin ein examinierter Mann und du ja ich brauche wohl kein Wort mehr ;u verlieren. Die Kluft die Kluft, Anna, bedenke die Kluft! Du erblicktest sie bereits, als ich noch mit Blindheit geschlagen war, aber jetzt bin ich sehend geworden!" Er hob die Arme hoch über den Kopf und blickte auf ihren Schatten, der sich scharf im weißen Staub abzeichnete.Dort oben wo die Stürme des Geistes toben, wirst du wie ein« Blume des stillen Tales verwelken, die man auf den hohe» Felsen verpflanzt« und da­darf nicht geschehen, Anna, nein«s darf nicht sein." Seine Stimm« wurde weich und tief, als wenn er die Psalmen in der Kirche spräche.Und wen» ich heule dir und deinen Eltern erkläre, daß ich mich ge­irrt habe, so sind es dir edelsten Quellen in mir, welche sprudeln. Komm'." Er ging auf den Hof zu. Anna schlich hinterdrein. Willkommen! Pedersen!" Pedersen pflanzte sich am andern Ende des Tische- auf und legte di« Hände auf die Platte, al-