تهلي
Feierabend
Feierabe
Nr. 27.
Unterhaltungsbeilage.
Bon Agnes Abel.
1933.
( Schluß.)
Gorgo ist glüdlich. Frau Zimmer- Item, wenn er ihr nach dem Dienst entgegen- Roflegen? Hanna, du?" Hanna hebt jeit einigen Tagen auch auf den läuft. Dann breitet sie die Arme aus, und den Kopf und antwortet mit ungewöhnlich Namen„ Imma" hörend, denkt immer neue es bleibt für ihn ein immer neuer Spaß, scharfer, böser Stimme:„ Du sollst sofort Spiele aus. Bettücher werden zu Ju- sich ihr mit solcher Bucht entgegenzuwerfen, zum Chef fommen!" Unter Lisas forschen dianerzelten, seitwärts gelegte Stühle ver- daß sie, absichtlich übertreibend, nach rud den Bliden wird fie rot, beugt fich langsam wandeln sich in Eisenbahnwagen, Schränke wärts taumelt. Sie hebt den Jungen hoch wieder über ihre Schreibmaschine. in Pferdeställe, Stubendesen fangen zu und sieht ihm vergnügt in die lachenden galoppieren an, Fußbänke bellen wie leib- Augen. Aus einem blaſſen Armutsgeschöpf- piere in der Hand, steht steif neben seinem haftige Bernhardiner. Sogar Spielkamera- chen ist ein gepflegtes, lebensfrohes, gejun den aus der Nachbarschaft finden sich ein, des Kind ihr Kind geworden. jeden Tag ein paar mehr, so daß es der guten Imma angst und bange wird. Aber abends ist es am schönsten. Da muß Lifa Geschichten erzählen.
Direktor Albrecht hält ein Bündel Po Schreibtisch. Fräulein Möring, ich höre, daj Sie marristisch organisiert sind. Das stimmt doch? Lisa nicht. Es ist ihr, als stünde der lleine, dicke Mann nicht einen Der März 1933 ist ins Land gezogen, Meter, sondern unendlich weit von ihr entam politischen Himmel ballen sich schwere fernt, sie hört seine Stimme von weither Lisa denkt bisweilen darüber nach, was Wolfen. Lifa fürchtet sich faſt davor, Zei durch das Brausen ihres Blutes Hingen. wohl aus Gorgo geworden wäre, wenn sie ung zu lesen. Sie läßt den Jungen jest„ Ich habe sie als tüchtige Arbeiterin ge ihn nicht aufgenommen hätte. Sein Bater oft auch am Abend in Immas“ gütiger schäßt. Tut mir eigentlich leid. Aber Margi unbekannt, feine Mutter- Kellnerin in Pflege. Es zieht sie zu den Gentoffen, fiesten- das geht nicht!' s Geschäft ist ohneeiner üblen Schenke, vollauf mit ihren zittert um den Ausgang des Kampfes. hin schlecht, da fönnen wir uns sowas nicht eigenen Sorgen beschäftigt. Ein Onkel ist Schredenstage folgen. Schreckensnächte. Sie leisten. Sie verstehen? Ich könnt Sie ein auch da, aber er trinft. Noch eine Zieh glaubt im Traum, mishandelte Menschen fach wegschiden. Aber na, hier haben Sie mutter? In dreieinhalb Jahren sieben, schreien zu hören, fährt schweißgebadet noch ein halbes Monatsgehalt. Entgegen das war ein vielversprechender Anfang. empor. Wie wird das Ende fein? Sie fommen, nicht wahr? Alles Gute sonst... Wenn es so weiter gegangen wäre- Lisa beugt sich über den schlafenden Gorgo . Plöz- Mja, tut mir also leid!" Er räuspert sich, erinnert sich schaudernd einiger Fürsorgezöglich flingelt es ist nachts um vier Uhr und Lija begreift endlich, daß sie gehen soll. linge, die sie fennt und die auf ähnliche das Telephon. Was bedentet das? Braucht Berstanden hat sie von seiner Rede nur Weise mit geradezu raffinierter Stetigkeit jemand ihre Hilfe? Sie hebt den Hörer ab, wenig. Alles ist so fremd mit einemmale. verdorben wurden. Daß Corgo, als er zu da brüllt es the gurgeind entgegen: Du Der Raum, das große Fenster, das auf den ihr lam, nicht längst verstodt und verschüch Wearristensau! Dich schlagen wir tot, du Marktplatz zeigt, das Geficht des Mannes tert war, zeugt für seine Anlagen, gewiß Schwein! Du Tlebst nicht mehr lange..." am Schreibtisch. Hier hat sie zehn Jahre nicht für seine fieben Erzieherinnen. Wenn Ein Druck auf die Gabel bringt den Apparat lang gearbeitet? Seltjames Leben! Wie Lisa sich nachts darüber wieder einmal klar zum Schweigen, aber ihr ist's, als höre sie eine Spinnwebe zerreißt das plötzlich alles, und war doch so mühsamt geflochten. geworden ist, hebt sie den Jungen am Mor- die rohe, drohende Stimme noch immer. gen mit doppelter Zärtlichkeit aus den Kisfen und prüft nachdenklich den Ausdruck fei nes Kindergesichts.
Sie merkt taum, wie die Monate verfliegen. Sie tann den kleinen Burschen längst nicht mehr aus ihrem Leben wegden ten. Seine Wangen haben sich gerundet, feine Muskeln haben sich gestrafft, mit strammen Beinchen steht er im neuen Dafein, seine ehedem struppigen Saare tellen fich weich über der flaren Stirn, und die Augen sehen so neugierig blank in die Welt, daß die ganze Nachbarschaft ihm Freund ist. Oft schenkt ihm der Bäcker eine Brezel, der Buchbinder ein Bild, der Kaufmann eine Zuderstange, sogar Fremde bleiben lächelnd stehen, indes er sie von unten her liftig fragend angudt. Lisa sieht ihn schon von wei
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Bis zum Morgen fist fie, in Decken ge Wie Lisa auf die Straße gekommen ist, hüllt, an Gorgos Bettchen, hört feine tiefen weiß fie nicht. Scharf bupt ein Auto neben Atemzüge, fann nur das eine denken: Die ihr, fie springt zurück und entgeht um Genoffen werden gedemütigt, gefoltert, ie, Soaresbreite den Raderu eines Streifendie fich jahrelang fo tapfer schlugen, unire wagens, aus dem fiebzehn-, achtzehnjährige Bewegung iſt zerstört, die Freiheit zertreten SA- Burschen ihr irgendeine Unflätigkeit zuwerde ich wenigstens den Jungen behal- brüllen.„ Gorgo, Gorgo !" diesen einen Namen flüstert fie immerzu fiunlos vor sich ten fönnen?" hin,„ armer Gorgo!“
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Am Morgen, als sie ins Büro tommi, schlägt ihr eifige Geringschäßung entgegen, faum erwidern die Arbeitsgefahrten ihren Gruß. Sind manche dabei, die ihr den Vosten neiden, das weiß sie. Aber sie weiß auch, daß sie diesen Posten aus eigner Straft, in zäher Arbeit errungen hat. Das gibt ihr den selbstbewußten Mut zu der Frage: Was ist los mit euch? Wollt ihr mich auf solche Art kleinkriegen? Schämt ihr euch nicht,
Daheim öffnet sie die Tür zum Wohn zimmer. Da fliegt ihr der Junge jubeind entgegen. Sie hebt ihn empor, sieht ihn ratlos an. Frau Zimmermann ist arm wie ich", denkt sie, müffen wir dich fortschicken, Gorgo ? Fort? Und wohin?" Leis streicht sie ihm übers Haar.
Dann wendet sie sich ab, er soll nicht sehen, daß sie weint.
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