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genügen, aus einem lieben, idealen Jungen einen ehrbaren Bürger" zu machen.
Es war spät geworden. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne vergol den noch einmal fleine, leuchtende Wölkchen, allmählig färben sie fich rot und plöglich entzünden sie sich zu einer einzigen Flamme: der Himmel leuchtet blutrot, allen ehrbaren Spießern zum Trop.
Der Traum bei den
Naturvöltern.
Unendlich viele Bücher sind über den Traum geschrieben, jehr viele Menschen zeichnen jeden Traum, dessen sie sich beim Erwachen erinnern auf und gewinnen auf diese Weise ein eigenartiges Bild von einem seelischen Doppelleben. Nicht alle Träume find bizarr, ungereimt, unzuſammenhängend; viele haben ein ganz feſtes Gefüge und wirken sehr real. Ganz felbstverständlich ist es also, daß bei den primitiven Völkern der Traum, über dessen Wefensart man ja gar nichts wußte, einen ungeheuren Eindrud machen mußte.
Ein primitiver Mensch glaubt, daß alles, was er im Traum denkt und tut, wirklich von thm gedacht und begangen wurde; infolgedessen ist ein geträumtes Verbrechen ein wirkliches Verbrechen und der Träumende wird seinetwegen zur Rechenschaft gezogen, als hätte er es in Wirklichkeit begangen.
Für die enge Verquidung von Traum und Wirklichkeit im Leben der wilden Völkerschaften gibt es die verschiedensten Beispiele.
Ein Mann träumt von der Liebe einer bestimmten Frau. Beim Erwachen ist er überzeugt, daß sie ihn wirklich liebt. Bei manchen Stämmen Neu- Guineas muß ein Mann, der Im Traum mit der Frau eines andern zu
fammentam, diesem ein Bußgeld zahlen.
Noch weiter gehen zahlreiche andere Stämme, indem sie das Traumleben nicht nur für sich selber als Wirklichkeit ansehen, sondern auch für diejenigen, von denen sie geträumt haben. hat man also das Unglück, daß jemand irgend etwas Ungünſtiges von einem träumt, so hat man die Folgen dafür zu tragen. So wird eine Geschichte erzählt, daß ein Indianer von einem Missionär Bezahlung für drei Kürbisse verlangte, weil er im Traum gesehen hatte, daß der Missionär sie stahl. Auf Borneo tann der Mann, der von der Untreue feiner Frau träumte, ihre Bestrafung verlangen. Träumt der Wilde von Jagd oder Fisch fang, so nimmt er nach dem Erwachen diese Dinge vor. Träumt er von seinem Freunde, diefer werde ihm zu schaden suchen, so bricht er die Freundschaft ab, ja, die Indianer gehen Jogar so weit, einen Menschen zu töten, wenn fie geträumt haben, sie müßten ihn töten. Träumt einer, ihm gehöre irgend etwas, was eigentlich Eigentum eines andern ist, so gibt der andere ihm den Gegenstand ohne Widerrede, ba er sonst in Lebensgefahr zu kommen fürchtet. Bei dem Kamtschadalen wagt ein Mädchen die Werbung eines Mannes nicht zurückzuweisen, wenn sie erfährt, daß dieser von ihrem Besiz geträumt hat.
Ein Häuptling in Afrika träumte, in europäischen Ländern zu sein; beim Erwachen legte er europäische Kleidung an und ließ sich von seinen Besuchern beglückwünschen, daß er gesund und wohlbehalten von der großen Reife aurüdgefehrt sei. F. N.
Austehr.
Von Meinrad Jnglin.
Arnold fuhr ihn wütend an und schlug ihm das Blut aus der Haut, bis die Marter unerträglich an ihm riß, er peitschte ihn auf und trieb ihn über die Grenzhöhe zum Land hinaus und jenseits hinab in fremdes Gebiet.
Wir entnehmen diesen Abschnitt mit, gebeugt, die Augen rot unterlaufen, und sank, freundlicher Erlaubnis des Montana- Ver- von einem grimmigen Wind gepact, vor der lags A.-G., Horw- Luzern, dem soeben er Paßhöhe zusammen. schienenen Werk von Meinrad Inglin " Jugend eines Volkes"( geheftet Fr. 4. in Ganzleinen gebunden Fr. 5.50), das in fünf padenden Erzählungen die geschicht lichen Anfänge der Eidgenossenschaft und die großartige, von Sagen durchwobene Ein ausgehungerter Bettler, der zu den Dämmerung vor dieser Zeit darsteilt. Hier Milch- und Fleischtöpfen der gastfreundlichen wird der eidgenössische Mythos zum ersten Waldleute hinüberwanderte, blieb mit lauten mal in einer umfassenden epischen Geſtal- Rufen des Erbarmens stehen und bot dem halbtung lebendig. Die Plastik der Gestalten nackten Büßer seinen elenden Mantel an. Lanwie des ganzen Geschehens dürfte schwer- denberg wagte ihn nicht zu nehmen und wurde lich zu übertreffen sein. Inglin hat da vom Bettler selber mit dem zerschliffenen Tuche mit ein Werk geschaffen, das einen Ehren- behängt, worauf er dumpf dankend weiter. play in jedem schweizer Haus verdient. schlich. Der Vogt und Ritter von Landenberg saß mit Samt und Seide angetan in seiner Herrlichkeit vor dem Leutpriester zu Sarnen und tröstete den Geistlichen auf die Klage, daß nicht einmal mehr die heilige Weihnachtsmesse einen Bauern in die Kirche gelodt habe; das lange, glatte Geficht noch immer voll ruhiger Verachtung bäuerischen Widerstandes, wiederholte er eben, daß er dies Volk auch den Kirchgang noch lehren werde, als ein Hirt eintrat, das ritterliche Schwert wortlos vom Tische nahm und den Vogt damit zur Tür hinaustrieb.
Arnold folgte der Jammergestalt nicht mehr, doch blidte er ihr nach und schwang läpfend die Geißel über dem Kopf, so oft fie anhielt; als er sie aus den Augen verlor, wandte er sein Roß und ritt heimzu.
Von weitem schon sah er hinter dem gefronenen Sarnersee im weißen Wintertag die brennende Burg.
Zur selben Stunde trugen Boten der drei Länder die Siegeskunde von Ort zu Ort, überall riefen die Leute sich an, der Jubel schwoll über alle Zungen, unbändiges Jauchzen dröhnte Landenberg wich, schwizzend vor Wut und durch die Täler, das ganze Volk schrie vor Abscheu, unter die Haustür und wollte seinen Freude. Die einsichtigen Alten und Ammänner Roßknecht rufen, da sah er sein Roß vor sich aber riefen zur Tagung auf nach Brunnen, um und daneben den Knecht gebunden am Boden. für alle irdische Dauer zu schmieden, was flüchAuf dem Rosse saß ein bewaffneter junger tig glühte. Dem Rufe folgten mit den BevollBauer, Arnold von Melchtal saß darauf, mächtigten unbotmäßig Hunderte aus allen regungslos, mit braunrot sprühendem Gesicht, Tälern, fie fuhren, liefen, ritten noch heiß vom entblößten Zähnen und gierig zupadenden Bliden, eine Geißel in der Faust.
hirt schüpfte ihn wieder vor den Welchtaler
Der bestürzte Ritter wich zurüd, aber der
hin. Arnold peitschte ihm mit aller Kraft den Strang quer über das Gesicht und trieb ihn schweigend vor sich her zum Dorf hinaus.
Der entsegte Vogt wandelte, den Tod erwartend, in seiner festlichen Tracht barhaupt und waffenlos durch den Schnee, doch der junge Bauer ritt mit der Geißel hinter ihm her und gab ihm die Ehre des Todes nicht; er hatte zu leidenschaftlich auf ihn gewartet, um ihn so rasch zu entlassen, er wollte ihm alles antun, was der Hochmütige andern angetan, Erniedri gung und Körperpein, und trieb ihn so mit wütender Lust zum Land hinaus. Er trieb ihn dem Sarnersee entlang talauf, dem Brünig zu, und schlug ihm oft den Strang in den Naden.
Ein Kinderhirt fam aus dem Klein- Melchtal heraus und blieb verwundert stehen. Arnold rief ihn beim Namen und gebot dem Vogt:„ Zieh ab, was du anhast, und gib es dem!"
Landenberg zog sein Gewand bis auf die Hosen aus und gab es mit abgewandtem Gesichte Stüd um Stüd dem Rinderhirten.
Aufstand und grundlos bewaffnet zur Ländermitte ans obere Seeknie, bildeten unter einem blauen Himmel im tiefen Schnee einen stürmisch
bewegten Ring und riefen zu neuen Taten, ch noch ein Ammann den Mund geöffnet. Eine Kraft war in ihnen befreit, die bedrängte sie an Leib und Seele. Um ein Bachwehr zu brechen, hatten sie einen Strom versammelt und es nicht gewußt, den Kerker der Fremdherrschaft hatten sie bemessen wie Kinder ein Turmgemäuer. Nun standen sie nach dem ersten Rud und Sprung schon frei auf den geborstenen Trümmern, halb verwundert, mit dem Drang zu Sprung und Schlag noch in allen Gliedern, den gierigen Blick schon auf der Suche nach neuen Feinden.
daß
Ihre Führer aber hielten sie fest im Griff und lenkten das überwallende Blut in die beherrschte Bahn zurüd. Der Herr von Attinghusen trat in die Mitte, mit langsamen großen Schritten, die Hände auf dem Rücken, straffe Gesicht wohlwollend gemildert, als träte er unter rauflustige Knaben. Sticht uns der Hafer?" rief er lachend.„ Schauen wir uns um, bevor wir ausschlagen! Wir sind nicht das einzige Volk auf Erden, wir sind ein Volk unter Völkern, wie jeder von uns ein Mensch unter Menschen ist. Redliche Verwalter wollen wir dulden, und wenn uns ein geeintes Reich einen würdigen Schirmer stellt... wohlan! Wir haben die fremden Zügel nicht zerrissen, um durchzubrennen, sondern um freien Grund und Boden, eigenes Recht und eigene Ordnung zu haben. Wehr wir uns, doch nicht nur mit den Waffen!"
Der Erniedrigte warf einen legten flehenden Blick in die vertrauten Augen des Tieres, das die Schmach nicht fühlen wollte und dem Sporn des Bauern gehorchte wie chmals dem des Ritters, dann feuchte er, vom Geißelstrang über die Augen getroffen, zwischen Wald und Gefels bergauf. Verzweifelnd watete er durch die verschneite Einöde, den Bauern auf dem dampfenden Roß immer dicht hinter sich, und Nach ihm sprachen die Ammänner Fügislo, wenn er vor Erschöpfung anhielt, fuhr ihm er- Schüpfer, ab Jberg und Stauffacher zur wilbarmungslos heßend die Geißel ins Genid. ligen Runde, mit der untrüglichen Einsicht in Er watete mit den nadten Füßen durch immer das Notwendige und mit dem graden, nüchtertieferen Schnee, den blau gestriemten Rüden nen Sinn, der gegen fein stärker Lodkendes ein