Wah

Feierabend

Feierabe

tr. 37.

Enterhaltungsbeilage.

Im verbotenen Nepal .

I.

Es ist fürwahr eine schöne Bescherung, auf einem indischen Bahnhof, wie dieser in Segauli, vierzehn Stunden liegen bleiben zu müssen. Gegen Abend schickt mir der Bahnvorsteher auf einem breiten Bananenblatt herrlich munden des Gemüse. Da ich kein Brahmane bin, darf er mich, um feine Sünde zu begehen, nicht zu Tische laden. Erst früh um fünf Uhr geht es wieder weiter nach Ragaul. Die Bandschaft ändert sich, denn nun liegt das heiße, ver­brannte Indien mit seinen Palmen hinter mir.

II.

Mein Weg führt durch das englische Terai, ein Sumpfland, smaragdgrün, mit Seen und Silberbächen. Sonst ist die Gegend gesund und cholerafrei. In einem Tal arbeiten Elefanten. In Raxaul erwarten mich schmude Gurkha offiziere . Sie wollen mich in einer Sänfte und meine Begleiter auf Elefanten zum Maharad­scha bringen. Behend flettert mein dunkelhän tiger Boy auf seinen kleinen Elefanten und mein Lehrer der indischen Dialette besteigt ein anderes Tier. Ich selbst nehme in einer gol­denen Sänfte Play, in der ich mit dem Glanze eines abendländischen Königs durch das Land getragen werde. Aber so geht es! Indische

Bon Dr. Max R. Funke.

unter militärischem Schuh nach Nepal weiter­geschickt worden, denn nach indischen Begriffen darf ein abendländischer Schriftsteller nicht mit Gepäck reisen. Der stärkste Elefant, der mir zu Ehren auf feiner Stirn ein schwarzes Fürsten zeichen( Schwarz ist die Farbe der Freude) trägt, ist für Unsere Soheit beſtimmt.

1933,

Der Morgennebel verdeckt die höchsten Berge der Welt. Die Landstraße wird bald be­lebt. Aber die Menschen tragen hier nicht mehr das indische Gesicht, sondern das Antlig von Zentralajien leuchtet mir entgegen. Fast alle Menschen, die wir treffen, kommen von Chassa oder wandern dorthin. Unter ihnen ist man­Es ist nicht so leicht, auf den hohen Rücken cher ein Weiser. Auf dem Rücken tragen sie meines Elefanten zu kommen, denn auf der ihre Siebensachen: einen Kupfertopf, Gebets­glatten Haut rutscht man leicht ab. Endlich teppich aus Pantherhaut und einen Regen­mittels einer Leiter gelingt es mir oben, zwischirm. in einen güldenen fchen Himmel und Erde Thron zu friechen, eine Art Büchse ohne Deckel, wo man sich wohlfühlen kann, wenn man nach muselmanischer Art zu sitzen versteht, also mit gefrenzten Beinen.

Von meinem hohen Standpunkte aus ver­mag ich nun die Köpfe meiner indischen Armee zu zählen: 44 Kulis. Vorn an der Spitze reitet ein Gurkhaoffizier. Es ist noch Nacht.

Orion hat sich gerade schlafen gelegt und im Dabegrün des Morgenhimmels schaukelt der Halbmond wie ein silbernes Schifflein, belächelt von großen Bären.

Bei Nacht und Nebel überschreiten wir einen Kanal. Das ist die Grenze, die Indien von Nepal scheidet.

IV.

Schriftsteller und Dichter, die in Indien von Die Grenzposten scheinen zu schlafen, oder Heuschrecken und wildem Honig leben müſſen, find sie vielleicht vom Maharadscha beſtochen werden, wenn sie zu den Abendländern kommen, worden? Denn England untersagt allen Frem­von Königen, Präsidenten und Bapst empfanden den Eintritt in Nepal ... gen, bewirtet und beschenkt. Aber eine solche Nur langjam fommt meine Karamane vor Ehre darf ein abendländischer Schriftsteller in wärts, obgleich die Straßen gut sind und über ſeinem eigenen Vaterland nicht genießen. Wer die zahlreichen Gebirgsbäche breite Bogenbrüf­diese Freude einmal durchkosten will, sollte fich fen führen. Aber meine Elefanten lieben einige gute Empfehlungsbriefe an verschiedene Brüden durchaus nicht. Argwöhnisch umgehen Maharadschas und genügend Reisegeld in feine jie diese und plätschern munter durch das fühle Tasche stecken, dann kann man in Indien , das Wasser, wobei sie das edle Naß trinken und sich zweimal so groß ist wie Europa , überall fürst nach Herzensluit besprißen. In dieſem feinen lich empfangen werden. Sprühregen ergözt sich regenbogenfarbig die Sonne.

Vier derbe Gurkhas tragen mich. Vier Wächter gehen zur rechten, vier andere zur fin­fen Seite, die das gaffende Volf wegpeitschen, weil ein abendländischer Doktor sich herabläßt, Indien zu besuchen...

III.

Die Straße zieht sich durch einen Ort, der aus Balästen zu bestehen scheint, wieder hinaus in die Landschaft, durch Sümpfe, Reisfelder, wo Wasserochien stehen und uns angrinsen. Am Bege liegt eine verendete Kuh. Um ihr Augen hüpfen Krähen, in der Bauchhöhle haben Geier ihre blutigen Hälse und an der Keule schmaust spißbäbisch ein Schakal. Ja, nun sind wir im Dorado des edlen Raubwildes: Tiger, Leopar­

Morgens um fünf geht es weiter. Schon seit vier Uhr ist meine Kuliarmee und meine Elefantentruppe marschbereit. Gestern ist auf hohen Befehl Seiner Majestät des Maharad­schas mein Gepäd mit einer Elefantenfarawane den, Banther und Hyänen.

V.

... Der rote Staub der indischen Straßen macht Steinen und Felsen Play. Zweifelsohne werden bald die Vorberge des Himalaya er­scheinen, und tatsächlich gewahre ich bald die steilen Schatten der ersten Berge. Im nächsten Dorf machen wir die erste Rast, Wir nehmen unser Frühstück ein. Niedliche, aber schmutzige Kinder bestaunen uns. Sie tragen hübsche Kleidung: weite, an den Knöcheln zugebundene Hosen und eine Tunika, die an den Seiten mit Schnüren zusammengehalten ist. Das Frauen­fleid ist eine kurze Jade mit einer Art Rod. Die Haare liegen in Zöpfen auf dem Scheitel. Um den Hals freisen in endloser Zahl Ketten in allen Farben Als Ohrgehänge tragen sie vergoldete Nägel oder einen großen Lotos aus Metall. Wohl sieht es ziemlich häßlich aus, aber es fleidet dieſe Völker doch und verleiht ihnen eine gewisse Freude und Lebensfreiheit.

Hier sind die Menschen anders. Auch sind die vielen indischen Bettler verschwunden mit ihrem Gejammer, ihren ausgestreďten Händen und ihrer Unterwürfigkeit.

wird zusehends schöner. Nicht der wundervolle Der Wald, der erst mit Unterholz begann, Wuchs der Bäume zieht mich an, sondern das prachtvolle Gehänge ewiggrüner Lianen, die fich von Baum zu Baum winden. In dieser under­aleichlich schönen Vegetation schreien gonze Ban­den von Affen wild. Sie verfolgen mich, gaf, fen mich an und bewerfen mich mit Früchten.

VI.

Noch vor Einbruch der Nacht erreichen wir Tschuria, und am nächsten Morgen gegen fünf Uhr geht unsere Reise bergaufwärts. In Bhimpedi verlassen wir unsere Elefanten und besteigen die Tragstühle, die uns der Maharad­fcha von Nepal entgegensendete. Dieser Trag­stuhl ist eine Art Schlitten, der von zehn Men­