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ist gesperrt! Das eiserne Tor der Fox- Milch­company ist versperrt, der König hat das Schloß einschnappen lassen und nun warten feine Arbeiter davor, was er ihnen wohl zu fagen hat. Denn der Milchkönig hat seinen Ar­beitern ohne Zweifel etwas zu sagen, weshalb hielte er sie sonst hier auf?

Lärm. Stimmengewirr. Was will der Milchkönig? Hat Philadelphia zu wenig Milch bekommen?

He, holla- Leute!"

Hallo, hier Fox- Milchcompany. Fox selbst. Wie stehen die Preise?" Klingelingling... Sallo!"

Mister|

Hallo, hier New York ! Sechsundzwanzig

Cents!"

Vor der Tür wartet die hungrige Men­schenschlange wie jeden Tag.

' n Cent. Nur' n Cent, Fräulein. Mich hungert."

Achtzehn Cents geben heute erst ein halbes Liter Milch für den knurrenden Magen. Geben Klingeling... bis zur Jause ein halbes Liter Milch für den Hallo! Dort Mister For? Letzte Notie- nurrenden Magen. Ost- Philadelphia hat noch rung: achtundzwanzig." weniger Cents zu verschenken.

Um Mitternacht stehen die Milchpreise auf dreißig. Der König lächelt. Der König ist zu­

Sälse, die sich reden. Augen, die suchen. frieden. Ruft da nicht einer?

Leute, hiergeblieben! Fahrt gleich zum Hallo, Mister For? Hallo..." Bahnhof, Milch fassen!"

Tom jezt seine Kappe zurecht. Was plant der König? Frag nicht! Zum Bahnhof! Gib Gal! Der König plant, was er plant. Fahr los Philadelphia staunt. Philadelphia hat fo etwas noch nie gesehen.

Biertelstundenlang blockiert die Armee des Milchkönigs die Straße, die zum Bahnhof führt. Dicht hintereinander fahren die Wagen, so, wie sonst um bier Uhr früh.

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Rotes Licht stop! Die Armee hält. Grünes Licht freie Fahrt! Vorwärts! Zum Bahnhof.

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Trinkt mehr Milch

Milch gibt Kraft. Trinkt mehr Milch Milch gibt Kraft!

Die Milchchauffeure schleppen die Kannen von den Waggons zu den Autos. Es sind heute mehr Kannen als jemals. Biel Milch geben die Kühe.

Eilt euch!

Ter Milchkönig hat Pläne. Ho- rud! Ho- rud! Die Waggons wer den leer, die Autos füllen sich.

Tann setzt sich die Armee des Königs wie­der in Bewegung. Aber nicht zurüd nach Phi­ladelphia geht es, sondern fort von der Stadt, in die Ebene. Wagen hinter Wagen beladen.

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hoch­

Wohin? Frag nicht! Gib Gas! Der König weiß, was er will.

In der Ebene fließt der Delawarestrom. Er fließt dahin, breit und langsam, fließt da. hin wie ein Meer, man sieht das jenseitige User nicht, so weit ist es. Von der Ferne schon hört man ihn rauschen, den Strom.

Ganz nahe an das Ufer fährt die Armee des Milchkönigs heran, endlich halten die Wagen. Die Milchcheuffeure springen heraus, fiehen herum, die Hände in den Hosentaschen.

Also hat Philadelphia doch zu wenig Milch bekommen! Und der Milchfönig plant, Wasser in die Kannen zu gießen, damit es mehr wird. Den Rühen ein wenig nachzuhelfen, scheinbar. Sabaha!

Se, Leute, schüttet die Milch in den

Strom!"

Was? ,, Leute, hört ihr nicht? Die Milch in den Strom, vorwärts, schnell!"

Trinkt mehr Milch- Milch gibt Kraft. Trrrinkt meechr Miiilch Milch giiibt Rrrraft.

Hier New York ! Dreiunddreißigeinhalb. Halt! Hast du achtzehn Cents? Nein, Herr, hab' fein Geld, Herr. Bin ohne Arbeit, Herr! Dann kannst du keine Milch trinken. Dann mußt du ohne Kraft bleiben. Die Kühe geben zu wenig Milch. Verstehst du?

Keine Antwort. Der König im Glaspalast ist eingeschlafen. Kühe trampeln vorüber. Per­len fallen vom Himmel. Ein Meer trocknet aus. Gewonnen. Gewonnen!

Der König träumt. Vier Uhr früh. Phi­ladelphia erwacht. Die siebzehn Könige der Stadt im Westen träumen allerdings noch. Das Philadelphia der Arbeit im Osten aber erhebt sich. Ueber den nassen Asphalt schlüpfen die erften Einfäufer. Ost- Philadelphia muß zur Arbeit gehen und hat Hunger. Sperrt auf, Eßgeschäfte.

Tag! Gebäd wie gewöhnlich. Und zwei Liter Milch!"

Oh, tann Ihnen leider nur einen Liter geben, damit die anderen auch etwas be­kommen!"

,, Was jagen Sie?"

Heute ist wenig Milch gekommen. Breise haben auch über Nacht angezogen. Liter ist sechsunddreißig Cents." Sechs- und- dreißig!" Ja, Fräulein!" ,, Geben Sie also nur

Gebäd."

Ja, Fräulein."

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Nein, Herr. Ich verstehe das nicht, Herr. Nein, Herr. Ich hab' Hunger. Huuunger. Uh- u- 1...

Philadelphia ist eine große Stadt. Vicle Leute wohnen in Philadelphia. Im Westen die Satten und im Osten die Hungrigen. Es muß doch einen Unterschied geben. Philadelphia ist eine schnelle Stadt.

Wenn die Preise in zehn Tagen um neun Cents fallen, so muß man doch am elften etwas dagegen unternehmen. Denn sonst ver­dient man ja nichts. Wer länger als fünf Tage hungert, fommt um.. Denn von nichts kann der Mensch nicht leben.

Philadelphia ist eine reiche Stadt. Sieb­Die zehn Könige wohnen in Philadelphia. Im Ein Westen. Siebzehntausend Obdachlose verhun­gern in Philadelphia. Im Osten. Im Nor­den. Im Süden von Philadelphia rauscht der Delawarestrom durch die Ebene.

nur das halbe

Die Kühe geben weniger Milch. Verstehst du das? Nein! Neieiein!

Rinaldo Rinaldini.

Der Räuberhauptmann Angelo Duca .

Unter den Räuberhauptleuten, deren Taten| Magno, im Innern der Provinz Salerno , be die Phantasie seit jeher so anregen, ist der richtet, daß am 1. April 1734 Angelus Jose fagenhafte Rinaldo Rinaldini der berühmteste. phus, der Sohn von Petrus und der Viktoria Von Rinaldo Rinaldini oder eigentlich von dem Duca, dort getauft wurde. Die Familie Duca Mann, der das Vorbild für diese sagenhafte waren angesehene und wohlhabende Banern Gestalt gebildet. hat, wollen wir heute erzählen. und Angelo trat als Besitzer eines selbständi­Die Romanfigur und der Name des Näu- gen Hofes und einer größeren Herde in Bezie berhauptmannes wurden von dem nachmaligen hungen zu dem Fürsten Caracciolo- Torella, dem Weimarer Bibliothekar Christian August Vul- Better seines Nachbarn, des Herzogs Caracciolo­pius erfunden, dem Bruder der anmutigen Martina; vielleicht als dieser in jener Ge­Christiane, die Goethe im Jahre 1806 heiratete, birgsgegend jagte, vielleicht auch, weil er ihn um seinen Sohn August zu legitimieren, und auf seinen Jagden begleitete. sein Roman, der den edlen und galanten Räu­ber populär machte, hat sich länger erhalten als wissen wir nicht viel mehr, als daß er sich in Von den ersten Jahrzehnten seines Lebens die Räuberromane, die von dem bekannten der Gegend großer Beliebtheit erfreute, daß er Schweizer Novellisten Heinrich Zschokke verfaßt unverheiratet blieb und daß er das Leben eines wurden. Aber der Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini, dessen Geschichte Bulpius angeblid) riet er in einen fleinen, scheinbar unbedeuten­begüterten Bauern führte. Im Jahre 1776 ge­Laut und grimmig rauscht der Telaware. nie gelebt; sein Name ist frei erfunden. Wohl von Martina. Ducas Schafe waren von wahrheitsgemäß schildert, hat in Wirklichkeit den Zwist mit seinem Nachbarn, dem Herzog Am Ufer stehen die Kannen. Langsam greifen aber hat die Hände zu. Kanne um Kanne fließt in den Elwenspoet in seinem Buch Rinaldo Rinal­- und das wird wohl von Kurt ihrem Hirten, einem Verwandten Ducas, auf Strom. Ein weißer Bach fließt in den Strom. dini" schlüssig bewiesen Vulpius das Schid herzogliche Flurschütze prügelte den kleinen das herzogliche Gras gelassen worden. Der Aber der Strom schluckt den weißen Bach schnell, fal des neapolitanischen Räuberhauptmannes Sirten und nahm ihm die Jade weg. Am man sieht bald nichts mehr von ihm, als einen Angelo Duca matten Streifen auf dem breiten, breiten Angiolillo" genannt gefannt und die sein tel zur Rede; es fommt zum Streit und zu von der Bevölkerung kosend nächsten Morgen stellte Duca den groben Büt Wasserspiegel. Leben schildernden Werke auch besessen, so daß einem Kugelwechsel; dabei erschießt Angels das Ho- ruck! Ho- rud! Eilt euch, Leute." fein Zweifel ist, daß sein Rinaldo Rinaldini Pferd des Feldhüters. Ein Streit, wie er wohl Die letzte Kanne. Zurück nach Philadel­phia. Die Stadt weiß noch nichts. Gott ver­alltäglich vorkam. Aber der Herzog schwur damm mich. Heute fährt der Milchkönig nicht dem widersetzlichen Bauern Rache und als sich bummeln. Aber der Milchkönig geht auch nicht Duca an seinen Gönner, den Fürsten Torella, Der Streit mit dem Flurhüter. Schlafen. Der Mitchkönig hängt am Telephon. um Vermittlung wendete, erhielt dieser die Wer war nun dieser Räuber Duca Rinal- Antwort, Martina werde sich nicht eher zufrie Hallo, New York !" dini? Das Kirchenbuch von San Gregorio dengeben, als bis er den Kopf dieses Salun­

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wie es in dem Bänkellied hieß, der Räuber allerfühnster" sein Urbild in dem italieni­schen Räuberhauptmann Angelo Duca findet.