Statt in? Irrenhaus zog er an der Spitze einer un- geheuren Menschenmenge von Arbeitern, Soldaten und In- tellektuellen ins Ministerpalais ein, stürzte die Äten Mächte. oen Hof, die Hofschranzen, die Bureaukratie, das ganze überfällige System, konstituierte den Rat der Arbeiter, Soldaten und Bauern, übernahm den Vorsitz und erließ in der Nacht zum 8. November den ersten programmatischen Aufruf an die Bevölkerung:„Der Bruderkrieg der Sozia- listen ist für Bayern beendet. Auf der revolutionären Grundlage, die jetzt gegeben ist, werden die Arbeitermassen zur Einheit zurückgeführt. Es lebe die bayrische Republik ! Es lebe der Frieden! Es lobe die schaffende Arbeit aller Werkr genl" So wurde Kurt EiSner der Führer der bayerischen Re- Volution, ihr Bahnbrecher in Teutschland. Großes hat er a-tan und Geschichtliches vollbracht. Was den Kleinen, die so stolz sind und so überlegen tun mit ihrer Realpolitik, ganz unmögl'ch schien, hat der unerschrockene Idealist ge- leistet-m unerschütterlichen Glauben an die Macht der Idee, im Vertrauen zu den Massen. � Ihr heißer Dank hat ihn an die Spitze der Regierung gefühlt und in allem Großen und Wichtigen hat er das Richtige getan. Er hat der Wahrheit gedient, er hat der Arb-ssterklasse die Treue gehalten, er hat die Revolution geschützt. Deshalb ist er ihr Märtyrer geworden. Aber dieser Opfertod soll nicht umsonst gewesen sein. Im Leben wie im Tode hat Kurt Eisner für den Sozialismus gewirkt, sein Leben wie sein Tod werden der Sieg des Sozialismus beschleunigen, werden den Triumpf der Arbeiterklasse heraufführen. Kurt Eisner ist tot. Aber sein brechendes Auge hat die Morgenröte der neuen Zeit gesehen und an seinem Grabe schwören wir: nicht lange und die Sonne der Freiheit soll auf diesem Grabe die roten Nelken erblühen lassen. Sur! Eisners veslallrnig. lFortsetzung von der l. Seite.) Gustav Landauer fuhr in seiner Rede fort: Er war unbarmherzig gegen den kleinen, erbärmlichen Mew> /che», weil er die Menschheit liebte. Er war Prophet, weil er die Not durchschaute und die NoUvendigkeit sie zu ende». Er war Prophet, weil er ein Erkennender war und unerschrocken auftrat gegen jede Bcrlogenhrit. Er war ein Schwärmer und zugleich ei» trockncr Forscher. Er war Prophet auch in dem Sinne, daß er die Zukunft voraussah. Kurt Eisner ist der große FührerderWeltredolu. Holt. Schon im Jahre 1S17 hat er d«e nationale Katastrophe nahen sehen. 1gt8 sah er den Augenblick zur Tat, um die Menschheit zu retten. Der Generalstreik scheiterte und brachte ihm acht Monate Gefängnis. Al» er vas Gefängnis verließ, bereitete er fokort die Revolution vor, die fein v r r- lnächtnig an die Menschheit ist, und die wir fest und human weiterzuführen haben. Er schrieb damals einen«rief, den jetzt die Welt vernehmen soll, die verhetzte Welt, die sich an Leben und-Besitz klammert. Roch einmal s»N EiSnerS Weist sprechen. Er schrieb an seine Frau am l. Januar 1918 in ganz leisen Wor. ten: Al» ich gestern nacht einsaw da.ch die Stadt wandelt«, über» sielen mich schwermütige Gedanken. Da beschloß ich, mich von ihnen zu befreien. ES bedrängen mich trübe Ahnungen, alS ob sich mein Schicksal vollenden solle. Er schrieb, daß er nur noch. frei atmen könne, wenn er jetzt das täte, was er tun müßte. Er könne der persönlichen Verantwortung nicht mehr ausweichen, Aber ich verhehl« mir n cht», schrieb er, ick» bringe damit ein schwere» Opfer. Denn ich bin so freudig dem Leben verflochten gewesen. Ich hänge an Dir und den Kindern und der vielen Ar» beit, die noch nicht getan ist. Dennoch breche ich mit allen. Aber ich sehe da» L i ch t i n d e r F- i n st e r n i«, in der Fülle der Kraft, die ich noch unvollendet in mir fühle." Gustav Landauer schloß dann seine Rede mit deu Versen Ei»nrr»: Gistgeschwolle» siegen, Schuldlos unterliegen, Mord oder Oual, Da» ist egal. Er hat gewählt, er ist vollendet. Mag dir Flamme feinen Leib verzehren, sie Flamme ferne» Geiste» lebt in Ewigkeit! Kurl Eisner an! der vewer Konferenz. Wenn die gesamte Internat, onale jetzt in tiefster Ergrissen- heit die Trauer des deutschen Proletariat» um Kurt Gisner teilt, so tut sie da» nicht nur aus Sympathie für den Kämpfer und Politiker, der auf exponiertestem Posten seine revolutionär« Pflicht erfüllte, sondern auch aus Verehrung fü. den politischen Denker, der soeben noch vor dem Forum der Internationale in Bern als einer der Vertreter der Unabhängigen Sozialdemo- kratie Deutschlands , zu den Fragen der internationalen Politik und de? Sozialismus Stellung nahm. Schon in der ersten Plenarsitzung der Konferenz hielt er«ine lange aufrüttelnde Rede über die Schuld an der Entzündung des Weltlriege». Seine tiefe Ueberzeugung. daß diese Schuld auf die Zentral- mächte fällt, war für seine ganze politische Stellung im Kriege entscheidend. M,t entschlosiener Energie wendete er sich gegen alle Mißhandlungen, die von den ehemaligen Herrschern in Deutschland an Kriegsgefangenen verübt wurden, ebenso entschlossen aber trat er für die deutschen Kriegs- gefangenen ein und erzielte hier, wie wir bereits berichteten, einen großen praktischen Erfolg Ueberaus wohltuend war sein scharfer Angriff gegen d,e Presse, die ein vollgerüttelt Maß der Mitschuld an der Verhetzung d«r Völker vor dem Kriege und im Kriege trifft. Aber von größtem Interesse ist wohl heute seine Stellung zu den Problemen, die der Bolschewismus in Rußland aufgeworfen. Er war Mitglied der Kommission, die über.Diktatur und Demokratie� berichtete. Er hat derselben zwei Vorschläge zu Resolutionen vorgelegt, die von der.Wiener Arbeiterzeitung" veröffentlcht werden, da sie einen klaren Einblick in EiSner? Denkwelse ermöglichen. In der ersten Resolution stellte er sich auf den Standpunkt derjenigen, die die Frage im Interesse der Zusammen- s a s s u n g de» Proletariat» dertagt zu sehen wünschten. In»- besondere wie» er auch bei dieser Gelegenheit auf die Rot- wendigkeit der Einheit d'S Proletariats hin, an deren Herbei- führung er in Deutschland in der letzten Zeit mit größtem Eifer arbeitete. Dieser erste ResolutionSentwurf lautete: Die Konierenz vor Bein ist tiek von der Ueberzeugung durchdrungen, daß der Sozialismus als Aktion seiner Verwirk. lichung überall die beherrschende Frage der nächsten Zukunft ist. Damit sich die Entwicklung zur sozialistischen Gesellschaft ohne Hemmungen durchsetze,»nuß sich das Proletariat jedes Landes einig sein über das Wesen des Sozialismus, über die Mittel des Kampfes und die Formen der Verwirklichung. Die Konferenz fordert darum die Prrletriate aller Länder auf, sich organisatorisch und sachlich einheitlich zusammenzu- schließen. Wenn sieb vie sozialistische Beivegung nicht selbst zerstören soll, so müssen sick die sozialistischen Parteien klar sein über die Probleme der Demokratie und der Diktatur, der Nationalisation und der Sozialisation. Zu diesem Zwecke ist eS auch notwendig, daß die Persuche einer sozialen Revolution, die in Rußland unternommen wor- den sind, von Grund au» studiert werden. Darum ist e» ge» boten, daß die Konfer-.nz eine internationale Ab- ordnung nach Rußland entsendet, um eine sachliche Grundlage zu schassen für die Srünerung und Entscheidung der Probleme auf dem nächsten Internationalen Sozialistisches Kongreß. Indem die Berner Konferenz dermaßen die Fragen de» Bolschewismus auf die Tagesordnung des nächsten inter - nationalen Kongresse» gesetzt zu sehen wünscht, warnt sie die bürgerlichen Regierungen, die den Völkerbund begründen wollen, den Bolschewismus al» Schreckgespenst zu verwenden, um die Friedensverhandlungen r-aktionär-imperialiftisch zu beeinflussen und zu entscheiden. Die Welt ist auf dem Wege de? Sozialismus und es würde nur eine Zerrüttung aller Ver- hältnisse bewirken, wenn die kapitalistischen Regierungen ver- suchen würden, die notwendige unp unaufhaltsame Entwick- lung des Sozialismus konterrevolutionär zu verhindern. Nachdem EiSner sah, daß die Mehrheit der Konferenz von einer positiven Formulierung nicht abzuhalten sei, brachte er einen Entwurf ein, in dem seine Auffassung rein theoretisch zum Ausdruck kommen sollte. Dieser zweite Entwurf lautete: Die Berner Sozialistenkonferenz begrüßt in den politischen Revolutionen, die in Europr die allgemeine Demokratie her- gestellt haben, den Beginn einer neuen Z«it, in der sich die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft vollziehen wird. In diesem entscheidenden Augenblick, da daS Problxm des Sozialismus unmittelbar gestellt ist. muh sich das Proletariat einheitlich klar sein über den Weg, d«n e» zu seiner Befreiung beschreiten will. Die Eroberung der politischen Macht durch da» Proletariat ist die Voraussetzung jeder sozialistischen Politik. In dem all- gemeinen Wahlrecht, im Parlament, in den politischen Frei- Helten der R de und Schrift, ver Versammlung uich Koalition, in den BerufSorganisalionen besitzt das Proletariat die demo- kratischen Werkzeuge seine! KainpfeS. Wenn auch die Macht revolutionär durch eine Minderhett errungen werden kann, so läßt sich eine solche vorübergehende politische Diktatur des Pro- letariats nur dann behaupten, wenn hinter ihr in Wahrheit eine rasch sich sammelnde Mehrheit steht; um so gefährlicher wäre jeder Persuch einer Diktatur, die sich nur auf einen Teil de» Proletariats stützt und sich gegen große Massen derselben zu behaupten übernimmt. Dos könnte nur zur«ufreibunz de» Proletariats im Bruderkrieg und schließlich zur Diktatur der Bourgeoisie führen. Wie die Gesellschaft durch die Demokratie politisch herrscht, so kann auch die Sozialisierung der Produktion nur durch die demokratische Gesellschaft erfolgen, die in aufbauender Arbeit die UnNvandlung der Wirtschaft planvoll entwickelt, nicht aber durch die willkürliche Uebernahme einzelner Betriebe seitens der in ihnen arbeitenden Proletarier.. � Die Bcrner Konferenz hält e» für notwendig, unverzüglich «ine Untersuchungskommission nach Rußland zu entsenden, um die Wirlungen der dort angewendeten Methoden des politischen Klassenkampfes festzustellen. Eisner war, wie auch au» dieser Resolution fichtbar wird, ein überzeugter Gegner jener Methoden, die al».Bolschewismus" bezeichnet werden. Er war und blieb Demokrat, aber er hielt eine vorübergehende Diktatur,.wenn hinter ihr in Wahrheit eine rasch sich sammelnde Mehrheit steht", für möglich, wie ja sein eigene? Expcrim-nt in Bayern zeigte. Er glaubte, daß dieser Versuch glücken könne, wenn eS gelinge, die Arbeiter und Bauern auf ein gemeinsames Programm der Sozialifierung zu einigen. und sah in diesem Zusammenwirken von Arbeitern und Bauern den einzig möglichen Weg de» Siege» der Revolution in einem industriell rückständigen Lande. Sympalhieflrel? in CcMfl. A e i p z i», 25. Februar. Der hiesig« A.»«nb S.>R«t gib« felgende Entschließung bekannt: Die Bersammlung der Arbeiter. rätt, ArbeiterauSfchüsse und BetriebSvertrauen»leutt empfiehlt der gesamten Arbeiterschaft, den politischen Streik all Kampfmittel anzuwende», um die Forderungen der«e- zirkSkonfercnz in Halle in allen Punkten zu unterstützen.«>« beauftragt den Leipziger Arbeiterrat, in Gemeinschaft mit de» BrtriebSvertrauenSleuten die Streikleitung zu übernehmen und in Verbindung mit der Streikleitung in Halle zu treten. S,e er- Närt, daß die Entscheidung über den Streik der Arbeiterschaft ,n den Betrieben zusteht, spricht der Arbeiterschaft der Räterepublik Bayern ihre Sympathie au» und fordert d,e Arbeiterschaft Leipzig » und Sachsen » auf, die bayerischen Arbeiter bei ihrem Kampf gegen die Rraktia« zu unterstütze». Die Regierung gegen die �wahnwitzigen und verbrecherischen" Elemente. Di« Regierung läßt erklären: Im Braunkohlen- repie�r bei Halle wird gestreift, um den Sturz der Reich»- regierung und die Beseitigung der Nationalversammlung zu er- zielen. ES ist t i e s b e t r ü b e n d. daß ein« Anzahl irregeleiteter Leute«in wichtiges Mittel des wirtschaftlichen Kampfe» für poli- tische Verbrechen mischraucht. Der Streik im Braunkohlcnrevier wird kein anderes Ergebnis haben, als das, gerade die ärmsten BevölkerungZkreise dieser Gcgend den schwersten Folgen einer Kohlennot auszusetzen und in einigen Tagen auch der HungcrS- � not auszuliefern. Das gleich« gilt für den Streikder Eisen- � bahnarbeiter in Halle und anderen Orten, die in völliger � Verlennung der Lag: sich zu einem Sympathiestreik haben ver- führen lassen. Der Eisenbahnbetrieb bei Halle ist bereit? gestört. In unverantwortlicher Weise vergrößern dies« Streikenden die Verkehrs- und WirtschaftSnot in Deutschland . Diesem Treiben muß mit rücksichtslosester Strenge entgegen- getreten werden. 5.uch bei diesem Streik wird«ine große An- zahl Arbeiter gegen ihren Willen zur«rbeit»einstellung gezwun- gen. von der Regierung sind unverzüglich Maßregeln i» Vr Wege geleitet worden, die bezwecken, wuter alle« Umständen solchem TerroriSmu» ,« begegnen. E» wird gezeigt«erden, daß wahn. witzige»der verbrecherische Elemente nicht ungestraft da» Land zum Zusammenbruch treibea dürfen. Nie hat eine kaiserliche Regierung den Arbeitern gegenüber eine derartige Sprache zu führen ge- wagt, als diese„sozialistische" Regierung. Arbeiter, die um Anerkennung wirtschaftlicher Forderungen streiken, sind in ihren Augen„wahnwitzige und verbrecherisch« Elemente". Mit Maschinengewehren und Flammen- Werfern will deshalb die Regierung ihnen den Willen nehmen, sich gegen die kapitalistische Ausbeutung zu wehren. duftrialismus und de» Kapitalismus alle Räder und Maschine» der Welt speist und treibt. Er will, nachdem er früher schon seine Arbeiter an dem profitablen Unternehmen beteiligt«, sie unter Lahmlegung namentlich auch der RüstungSbetriebe nun in edlem Menschendrange als freie Siedler auf grünem Grund und Boden sehen. Aber wie vordem an der unberechenbaren Natur- kraft, so scheitert er jetzt am Widerstand der Massen, die nicht wieder.Bauern" werden wollen. Bei allem gern dämonisch stilisierenden Jdeengewebe mutet das Problem bisweilen doch nur als platte Umkehr vom groß- städtischen WerkjtättenbetrieoSfieber zur friedlich sozialen Garten- stadtbcwegung an, die die Maschine de» JnduslriaiiSmuS freilich nur umschalten, aber nicht ausschalten will. Ohne auf Wirt- s ch a f t! i ch e Entwicklungsfragen hier näher eingehen zu wollen. muß doch gesagt werden, daß die Arbeiterschaft im großen und ganzen anders sinnt und trachtet, al» et Georg Kaiser chr »svm- bolisch" andichtet. Die Sprache Kaiser » ist gesucht kurz und knapp, doch bringt namentlich der vierte Att ein Trommelfeuer von Theaterpathos Der fünfte läßt sogar richtige Maschinengewehre ausfahren. Die Bühnenbilder von Karl Jakob Hirsch verliehen der Auf- führung stärkere Reize al» ei die Darstellung von sich au» ver- mochte. Di« meisten Mitwirkenden waren unsicher im Stil und blieben ohne feste llu»prägung ihrer überindividuellen Stollen im Mittelmäßigen stecken. Nur Ernst Stahl-Nachbaur zeigte al» Milliardärssohn sich völlig durchdrungen vom Geist seiner da» ganze Stück tragenden Roll«; er vereinte dabei in echter Künstlerschaft, die noch viele» von diesem Schauspieler erhoffen läßt, die widerstreitenden Elemente von Natürlichkeit und Stil:« siertheit weit mehr at» es der Dichter vermochte, in dessen Ab» Wesenheit der Spielleiter Paul Leg band für den von Akt zu Akt sich steigernden Beifall dankte. E. L. Tnailkon, der deutsche Bildhauer mit dem französischen Namen ist g e st o r b e n. Am bekanntesten wurde er durch seine tvahrhafi schön« Statue der.Amazone" vor der Berliner Nationalgalerie. Als starker Künstler bewährte er sich schon allein dadurch, daß ei — obwohl im gleichen Aufgaben- und AuftragSkreise der Siege»- alleeleute lebend— allen Kitsch überwand und selbst in Kaiser» standbiidern(Köln . Bremen ) statt«ineS wohlfeilen ByzantiSmu» l«inc Kunst zu Ehren brachte. Eisners Todesahnungen. Kurt EiSner hat im vorigen Jahre, da» er zum größten Teil im Gefängni» zubrachte, fein« Erinnerungen gesammelt, die unter dem Titel.Vor der Revolution"(im Verlag Paul Cassirer ) erscheinen sollen. Wir sind in der Lage, schon heute das Vorwort veröffentlichen zu können, das den Toten und sein Werk noch einmal in Helles Licht rückt. EiSner, auch noch im vollsten Leben sich dem Tode nahe fühlend, wußte, wie er seinen.Urlaub vom Tode" menschlich erfüllen sollte: Er diente der Wahrheit und half bis zur letzten Stunde dre Erde reimgen für die Lebendigen von morgen. Nachdem die Kugel eine« Mör- der».den Spruch vollzog, der ihn begrub", wirken die nach- stehenden Zeilen nur um so ergreifende». Wir Toten auf Urlaub. Ein französischer Offizier hat in einem Kriegsgericht da» Wort gesprochen:.Wir sind alle heut nur Tote auf Urlaub." War t» im ersten, im zweiten Kriegsjahr? Ich weiß eS nicht; wir haben>» diesen Jahren da» Zeitgedächtnis verloren. Mich aber ließ das Wort, seitdem ich es gelesen, nicht wieder lo» und ward mir zum führenden Schicksal. Der Tod hat uns alle nur beurlaubt. Wir Schatten sind auf eine Weile in da» Reich de» Bewußtsein» zurückgekehrt, da» man einst Leben nannte und das heute bloß ein mit den Prothesen de» Tode » sich schwerfällig grotesk bewegender Automat ist. Wir harren unserer Wicdcreinberufung. Ein Granatsplitter setzt un- serem Urlaub da» Ziel, die Geschoßnaht eine» Maschinengewehrs, «ine Giftgaswelle, die Explosion einer Munitionsfabrik,«ine Bahnentglessung, Hunger. Erschöpfung,«in Raubmord, der An- fall eine» Wahnsinnigen, der von der Front kam, oder auch das Urteil von Richtern, die uns da» Almosen de» Urlaub» aberken- neu, weil sie selbst vergessen haben, daß auch sie nur T o t« a u f Urlaub sind. Viele suchen durch gefälschte Scheine und Pässe die Frist sich zu verlängern, rasen in grinsenden Tobsüchten, balgen sich geil und gierig mit den Verwesungen der Welt und fürchten sich-vor dem Tod, obwohl gerade sie längst zwiefach Tote find, trie nur Zuckungen der letzten Todesqual Leben wähnen. Manche aber wissen, wie sie de» Urlaub menschlich erfüllen sollen: daß sie ihre Seele retten und den Tod nicht fürchten, von dem sie kommen; daß sie der W a h r h e i t d i« n e n und bi» zur letzten Stunde die Erde reinigen helfen für die Leben- digen von morgen, die befreit die Kraft haben werden, den Tod au» dem Leben zu bannen. Ihnen wird noch einmal Arbeit im Menschheitsdienst zu der Seligkeit eine» vorgeführten Lebens, da» ihrem Geschlecht zu erringen und zu genießen versagt war. Ein Toter— de» Spruche» harrend, der ihn begräbt— sammelt in letzten Stunden Bruchstücke seine» Wollen? und Denken», Kämpfen» und Träumen»... U r- laubSerinnerungenl München , Untersuchungsgefängnis, 10. September 1918. In der Sonnenaufgangsfwnde. Kurt St»u«r. Volksbühne. „Gas" von Georg Kaiser . Einer der fruchtbarsten und an modernen Bühnen viel- gespielten neueren Autoren ist Georg Kaiser . Er ringt nach künst- lerischer Gestaltung seiner Ideen, wobei ihm Fleisch und Blut de» vielgestaltigen Leben» verloren gehen. Die K u n st hat dabei keinen Gewinn. Such wenn er in heftig hingeschmetterten Wor- ten sich sehr ekstasifch geberdet, fehlt diesem Dichter die war- mende Flamme, die Kraft der Schauung und d.« für die Bühne unerläßliche sinnfällige Darstellung de» Gewollten. Georg Kaiser kann fast allzuviel, und in seinem sünfaktigen Schauspiel.Gas" reckt er sich über Björnson« allegorienhafte Dramalogie bi» in die Regionen von Slrindberg».Traumspiel", freilich ohne diese» Vorbild an poetisch visionärer Kraft zu er- reichen. Auch in der Art de» griechischen Chor» läßt Kaiser den einzelnen die Schmerzen und Sehnsüchte seiner Zeit und seiner Klasse sagen. Die Worte und Szenen find immer scharf um- rissen, für lyrische Gefühlsäußerungen ist nur selten Raum, da» scheinbar Objektive muß das Subjektive ersetzen.»Vergeistigte»" Theater mit kalter Leidenschaft im Rampenlicht. In dem gestern zum erstenmal für Berlin von der Volks- bllhne aufgeführten Schauspiel, da» eine Fortsetzung de» Milliardärstückes.Die Koralle" ist, wendet sich der Milliardärs- söhn nach einer furchtbaren Explosionskatastrophe, die zahllose Opfer forderte, von der Fabrikation eines.Gaset" ab. da» ge- wissermaßen al» Inbegriff der höchitaesteiaerten Technik, de» 2to»
Ausgabe
2 (26.2.1919) 103
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