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Drahtinig des Standard nicldet, LlZ 000 frische türkische Truppen seien ans Kleinasten in Thessalien angekommen und marschirten mit fünf Batterien von Pharsalos nach Domokos. Offenbar ist der Friede noch bei weitem nicht gesichert, können sich noch sehr schwere Zwischenfälle ereignen. Deutsches Reich. Wann die M i n i st e r k r i s e gelöst werden wird ye- löst, soweit überhaupt unter den gegenwärtigen Verhältnissen von Lösung gesprochen werden kann weiß niemand. Tie einen mulh - maßen im Herbst, die anderen schon Anfang Juli. Miquel ist zum Kaiser nach Kiel gereist, vielleicht kommt er schon in neuer Würde zurück. Herr v. Bulow, der Marschall-Nachfolger, soll noch nicht recht Lust zu dem neuen Amt habe»; das Zentrum sieht in Bülow's Berufung die Absicht der Regierung, eine andere, schärfere Haltung gegen diese Partei annehmen zu wollen. Bei der Reichstags-Er sah wähl in Wies- baden hat der Kandidat der freisinnige» Volkspartci Winter» meyer am Mittwoch über den Zentrumskandidaten v. Fngger gesiegt. Der erstere erhielt zirka 13 500 Stimme», v. Fngger zirka 3500 Stimmen. Im ersten Äahlgang war die Stimmenvertheilung die folgende: Freisinn 6761, Zentrum 5541, Sozialdemokrat 5207, Nationalliberale 3053. Die Belheilignng war bei der Stichwahl»ine stärkere als bei de» Hauptwahl. Die hohe Zahl ihrer Stimmen verdankt die freisinnige Partei offenbar den sozialdemokratischen Wählern. Außerdem erhielt sie die Stimme», die aus den Nationalliberalen gefallen waren; ein anderer Theil der Stimmen deS nationalliberalen Kandidaten, für den auch die konser- tive Partei eingetreten war, ging in der Stichwahl auf den Zentrumskandidaten über. Protest-Versammlnngen gegen die Ver­schlechterung de? Verein sgesetzes fanden statt in Naundorf bei Finsterwald« und Kirch Hain, wo Stndermann- Dresden referirte; in B e r d e n, wo Dr. Diedrich-Bremen sprach; Nauen , Friedrichshagen , E i s e n b e r g, Kahla in Thüringen , Reichen dach S.-A., S ch n a u d e r h a i n i ch e n bei Meuselwitz S.-A.(Referent Kappler-Altenburg ), Ost erwiek am 1>arz(Dahlen -Halberstadt ), Kiel (Frau Ihrer), ferner in der Hamburger Umgegend. In Breslau protestirte das Gewerk- chaflskartell nach einem Referat von Bruhns, desgleichen die in der Versammlung anwesenden Franen uud Mädchen in einer besonderen Resolution nach einer Rede der Gen. Geiser. Der Verein für Sozialpolitik hat beschlossen, eine Feststellung der E x i st« n z g r u n d l a g e n des Klein- b a n d« l s in de» verschiedenen Landestheilen vorzunehmen. Das Ergebniß dieser Erhebungen soll als Unterlage für positive Anträge »nd für gesetzgeberische Maßregeln dienen können. ES haben sich eine größere Anzahl von Handelskammern und kaufmännischen Ver- bänden unter der Handelskammer zu Hannover als Vorort vereinigt, eine Anleitung zu einer Enquete über die Lage des Kleinhandels ausgearbeitet»nd versenden dies« nun an Männer der Wissenschaft und Praxi» mit dem Ersuchen um Vornahm« entsprechender Unter- suchungen. Insbesondere werden auch die Professoren und Leiter von volkswirlhschastlichen, staatswissenschaftllchen und statistische» Seminaren gebeten, die Hörer ans das Unternehme» aufmerksam zu machen nnd ihnen die Mitarbeit anznempfehle». Neben Schilde- rungen bestimmter Kleinhandelszwcige sei es von Werth, eine Anzahl Monographien zu besitzen, welche je eine den Kleinhandel bedrohende, schädigend« oder belästigende Erscheinung des wirlhschaftlichen Lebens in objektiver und ebenfalls möglichst aus Thatsachen sich stützender Weise bespreche», wie jj. B. Konsumvereine, die verschiedene» Formen des Wandergewerbes, Versandthäuser und Waarenmagazine, Waaren- und Wanderauktiouen jc., so daß also die Gesammtheit der Arbeiten in ihrem ersten Theil die Anatomie des Klein- und Zwischenhandels, in ihrem zweiten Theil die Pathologie der thatsächlichen oder an- genommenen krankhaften Erscheinungen desselben bilden wird. Urber die Bäckereiverordnung sprechen sich jetzt die Berichte der Fabrikinspektoren aus. Aus allen ihren Mit- theilungen geht so viel hervor, daß von großen wirthschaftlichen Schädigungen der Bäckermeister nichts bemerkt worden ist. Im übrige» können die Zünftler mit den Geiverbe-Aussichtsbeamten sehr zufrieden sein. Wir werden hierauf»och näher zurückkommen. Behandlung der Pole». Die polnischeGazeta TorunSka" klagt ihren Lesern, die Preßprozesse seien bei ihr das all- tägliche Brot geivordcn, sie seien so zahlreich, daß man sie erst gar nicht erwähne, aber damit die Leser einen Begriff davon bekäme», welche Ausdehnung die Sache angenommen habe, wolle daS Blatt feststellen, daß es i» den letzte» 15 Monaten gegen 2000 M. Strafe und Kosten Hab« zahlen müssen. Di« Gerichtsvollzieher seien bei den Redakteuren keine seltenen Gäste mehr. Der württembergisch« Landtag ist in derBe- rathnng des Einkommensteuergesetzes bereits weit vor- geschritten. Man hofft, sie in der nächsten Woche beendigen zu können. Dann wird jedenfalls erst«ine Vertagung eintreten und die Berathung des neu eingebrachten RegierungsentwurfS betr. die periodische Wahl der OrtSvorsteher für später vorbehalten bleiben. Hamburg , 24. Juni. (Eig. Ber.) Die Hamburger Bürgerschaft nahm gestern Abend einen Antrag des SenatS an, wonach der Ham- burger Hafen um ein ganz beträchtliches vergrößert werden soll. Es soll außer einem inländischen Schutenhafen ein neuer Seeschiff-Hafen und ein nener Flußschiff-Hafen mit den gehörigen Nebenanlagen auf der Elbinsel Kuhwärder, also etwas elbabwärts von den bis- herigen Hafenanlagen erbaut werden. Die Einfahrt in die neuen Hafenanlagen soll durch gewaltige Schleusen von 13 Metern Breite und 120 Metern Länge bewerkstelligt werden. Der Bau der neuen Anlagen, für welchen inSgesammt 11603 000 M. be- willigt wurden, wird zirka 5 Jahre in Anspruch nehmen. In den Motiven zur Senatsvorlage heißt eS, daß der steigende Verkehr im Hamburger Hafen die neuen Aulatzen dringend erheischt; allein in diesem Jahre seien schon 300 Schiff« mehr im Hamburger Hafen eingelaufen, als in dem gleichen Zeitraum deS Voriahres. Die Burtzer- schaft nahm, wie gesagt, die Vorlage gleich in erster Lesung definitiv an, so daß sofort mit dem Bau begonnen wird. Koloniales. Die Meldung vom Tode des Hottentotten- kapitäns Hendrik Witboi hat sich nicht bestätigt. In Wal- fischbai war allerdings von englischen Händler», die auS dem Innern zur Küste zurückkehrten, die Nachricht eingebracht worden, daß Witboi bei Gibeou von zivet Hereros aus dem Hinterhalt erschossen worden sei. Diese englische Meldung ist nun dahin zu ergänzen, daß allerdings ein Witboi von HereroS ermordet wurde, aber nicht der alle Hendrik oder einer seiner Verwandten, sondern nur einer feiner Unlerthane». Bekanntlich nennt man dort häufig die Leute gaiizer Stämme nach dem Namen ihrer Oberen; so war es auch hier. Vchtveiz. Zürich , 21. Juni. (Eig. Ber.) Eine offenbar von den foli- darischen Bordellitbhabeni des KantonS Zürich in 30 000 Exemplaren »»entgeltlich vertheilte Broschüre feiert in hehren Worten die wahre Sittlichkeit, verdammt aufs schärfste die Sitllichkeitsbeuchelei und fordert das Volk zur Verwerfung der SittlichkeitS- Initiative, über die am nächsten Sonntag die Volksabstimmung stattstndet, aus. Wie immer solche Machwerke, so wird auch dies« Broschüre der Händler mit Menschenfleisch die gegentheilitze Wirkung haben und erst recht zur Annahn,« der Initiative oder des gleichbedeutenden behördlichen Gegenvorschlages führen. Die Sozialdemokraten werden ebenfalls dafür stimmen. Di« Züricher Arbeiter- Union hat Zustimmung zum Gegenvorschlag beschlossen und zwar durch Annahm« folgender Resolution:Die Prostitution ist die faule Frucht einer schlechten Gesellschaftsordnung. Sie kann nicht durch Strafgesetze und Polizei- maßregeln, sonder» nur durch gründliche soziale Reformen im Sinne der Sozialdemokratie beseitigt werden. Es wird Prostitution geben: I. so lange alS dt« faktische Möglichkeit der Eheschließung durch die sozialen Zustände und Gegensätze ungemein erschwert ist; S. so kange es viel« arm« Frauen und verhältntßmäßig wenig reiche Männer aiebt; 3. so lange der größte Fleiß einer Arbeiterin nicht hinreicht, sie vor Hunger zu schützen und so lange Löhne von 1 Fr. und noch weniger im Tag bezahlt werden; 4. so lange die Frau nicht völlig frei und sozialpolitisch gleichberechtigt mit dem Mann ist; 5. so lange die Bildung und Erziehung des Volkes und besonders die der Mädchen so vernachlässigt wird. Ob- gleich das Gesetz betreffend Abänderung des Strafgesetzbuches über die Verbreche» gegen die Sittlichkeit Bedenken erregt, so erklären wir uns doch für dasselbe, weil eS ein Vorrecht der reichen Ver- brecher, die Nothzucht und Schändung begehen, abschafft und weil es ein Versuch ist, die Prostitution einzudämmen und die geschlechtliche Sittlichkeit zu Heden." Ein interessanter Beitrag zum Kampf für Sittlichkeit dürfte folgendes sein: Vor einigen Monaten erregte es im In- und Auslande einiges Aufsehen, daß der Züricher Kantons- rath den seit Milte der siebziger Jahre wegen Mord im Zuchlhause gesessenen zu lebenslänglicher Strafe verurtheilten Hauser von Tuttlingen (Württemberg ) begnadigte und in seine Heimathsgemeinde abschob, welch letzteres die Regierung allerdings nicht wollte, sondern die Stellung unter Polizeiaufsicht. Dieser Hauser war nun der uneheliche Sohn eines Dienstmädchens auS Tuttlingen und eine? Züricher Bourgeois, der offenbar Mutter und Sohn vernachlässigte, so daß dieser ohne Erziehung aufwuchs und zum Raubmörder wurde. An diesen Verhältnissen ändern nun die vorliegenden Sittlichkeits-Vor- schlüge garnichlS. Die Verführung von armen Mädchen durch reich« Wüstlinge wird auch in Zukunft stattfinden und deren Opfer werden als ihr Schicksal Roth, schlechte Erziehung und ZuchlhauS erleben. Die Siltlichkeits-Vorschläge hätten auch die Pflichten solcher Verführer gegenüber den unglücklichen Mädchen und ihren unglücklichen un- ehelichen Kindern regeln solle». Bern, 24. Juni. Unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Bundesversammlung ermächtigte der Bnndesrath den schweizeri- scheu Gesandten in Paris , mit de» Vertretern der anderen der lateinischen Münzunion angehörenden Staaten einen Zusatzvertrag znm Zweck der Erhöhung des Kontingents von Silberscheidemünzen zu unterzeichnen. Bern , 24. Juni. Der Ständerath hat nach langer Berathung die Artikel 2, 3 und 4 der Eisenbahn rückkaufs-Vorlage in der Kommissionsfassung mit unwesentlichen Abänderungen an- genommen. Es waren zahlreiche Abändcrungsanträge gestellt, die meisten derselben wurden jedoch abgelehnt. Die folgende Be- stimmung gelangte zur Annahme: Der Bund ist befugt, den Be- trieb von Nebenbahnen zu übernehmen uud in Belriebsverträge, welche zwischen Haupt- und Nebenbahnen abgeschlossen sind, einzu- treten. «elgieu. Brüssel, 24. Juni. Der unabhängige Kongostaat stellt in aller Form die von derRöforme' verbreiteten Nachrichte» in Abrede, wonach die Expedition DhaniS gänzlich niedergemetzelt worden fein sollte. Der Kongostaat hat vielmehr im Widerspruch zu der Meldung der.Rösorme" keine Nachricht über diese An- gclegenheit erhalten. Spanien . Anarchisten und Tortur. Der spanische Publizist Tarrida del Marmel, welcher sich abwechselnd in England »nd Frankreich aushält und gegen daS Kriegsgericht von Montjuich Stimmung gemacht hat, fordert in derRevue blanche" Canovas in die Schranke», den er den Henker Unschuldiger nennt. Er will beweisen, daß der wahre Urheber des Dynamitattentats von Barcelona , ein Anarchist, welcher die Gefolterten von 1333 und die Hingerichtelen von 1894 rächen wollte, sich niemals in den Hände» der Justiz befunden hat, daß die Bomben, deren Ursprung der Untersuchungsrichter Marzo nicht zu erklären vermochte, von einem gewissen Momo verfertigt und zu 11,50 Franks das Stück verkauft worden sind, daß endlich die Aus« sagen, die dem ungeheuerlichen Prozesse von Montjuich zur Grundlage gedient haben, falsch waren und den Zeugen durch Folterqualen oder Drohungen entrissen worden sind. Es sollen zu diesem Behufe drei Ehrengerichte eingesetzt werden, eines in London , mit dessen Bildung der Leiter desDaily Chronicle", Massingham, sich bereits einverstanden hat, eins in Paris , als dessen Mitglieder Tarrida del Marmel die bekannten Preßleiter Rochefort, Eassagnac, Drumont, Clemencean und den Gründer derRevue blanche". A. Natanfon, vorschlägt, und endlich das dritte in Madrid . Tarrida würde sich verpflichten, falls er die Beweise für seine Behauptungen nicht zu erbringen im stände wäre und seine Anschuldigungen gegen Canovas del Castillo, die Richter und Gendarmen von Montjuich sich als unbegründet herausstellten, sich de» spanischen Gerichte» auszuliefern und die Straf« über sich ergehen lassen, die das Gesetz den Verleumdern androht. Asien . AuS Indien kommen bedenkliche Nachrichten. Mährend zwei englisch - indische Truppenbrigaden nach der afghanischen Grenze marschiren, um die Gebirgsstämme, die eine englische Truppen- abtheilung aufgerieben haben, zu..bestrafen", wird aus Bombay, also aus altenalischem Gebiet, gemeldet, daß ein englischer Offizier meuchlings getödlet, aus einen höheren englische » Beamten ein Mord- versuch gemacht worden ist. Das sind Symptome, die umso ernster sind, als der indische Nalionalcharakter außergewöhnlich sanft ist, sodaß gewaltsame Ausbrüche ohne außergewöhnliche Aufregung nicht zu erklären sind. Aus Bombay wird hierzu noch gemeldet: Die Ueberfälle haben große Erregung hervorgerufen. Es ist eine Belohnung von 10 000 Rupien auf die Entdeckung der Thäler ausgesetzt. Die An- griffe werden in- Verbindung gebracht mit in Poona und Bombay verbreiteten, mit der UnlerschrislDreihundert Millionen menschliche Wesen" versehenen Flugblättern, in welchen unter Hinweis auf daS Jubiläum der Kömgin Bictoria dies« beschimpft und die Hilf« der livilisirten Völker für dt« in der Sklaverei lebenden Zndier angerufen wird. Amerika. Di« Spannung zwischen den Bereinigten Staat«nundJapan wegen der Hawai -Annexion scheint schärfer zu werden. Aus Washington wwd telegraphirt: Der Vertrag mit Hawai ist an einen Unterausschuß verwiesen worden, welcher über vielleicht anS dem Vertrage entstehende Ver- Wickelungen berathen soll. Wie es jetzt heißt, hatte der Einspruch Japans gegen die Einverleibung von Hawai fast den Charakter eines Ultimatums; die Einverleibung wird in dem Einsprüche als geeignet bezeichnet, den Handel im nördlichen Stillen Ocean zu stören und Vertragsrechte aufzuheben. Die Antwort der amerikanischen Regierung läuft auf eine nach- drückliche, gesetzliche Vertheidigung der Stellung der vereinigten Staaten hinaus und führt zur Unterstützung der Ansprüche der Bereinigten Staaten viele Beispiele auS dem internationalen Recht« an. In der kubanischen Frage scheint sich eine«nt- scheidende Wendung vorzubereiten. Die Reformkomödie, welche die spanische Regierung in Szene setzte, hat bei den zunächst Belheiligten nur einen Lachersolg gehabt. Die Verhandlungen mit den Aus- ländischen dauerten n»r ganz kurze Zeit, da die Unannehmbarkert ofort in die Augen sprang. Die Feindseligkeiten, nur auf etwa acht Tage unterbrochen, wurden allgemein wieder aufgenommen, und von den Spaniern wird seitdem der Krieg in Ermangelung taktischer Erfolge, mit verdoppelter Grausamkeit geführt. Dies hat die Aufregung in den Vereinigten Staaten wesentlich lesteigert um so mehr, als auch viele amerikanische Bürger die Opfer fpanilcher Grausamkeit geworden sind. Der neue Präsident, Mac Kinley, war schon von vornherein der Loslösung Kuba '? von Spanien geneigt; diese Neigung hat in den letzten Wochen sich seh» verstärkt, und wenn es auch wohl nicht wahr ist, daß der neue amerikanische Gesandte in Madrid , General Woodford, wie der Londoner Daily Chronic!« meldet, die Weisung erhalten habe, der spanischen Regierung zu erklären, wenn Kuba nicht volle Autonomie gewährt werd«, müsse die Regierung von Washington «inschreiten, so haben die Dinge doch jedenfalls sich so zugespitzt, daß die Einmischung der veretnigteu Staaten in nächste ltäh« gerückt ist.--- Die sozialistische Arbeiterpartei Brasiliens wird, wie unser Hallesches Partei-Organ mitzutheilen weiß, für die nächsten Wahlen eigene Kandidaten ausstellen. Sie fühlt sich be- reits stark genug, selbständig in den politische» Kamps einzutreten. Die deutschen und sonstigen fremdsprachlichen Sozialisten in Brasilien werden durch die Parteileitung ansgefordert, sich den Wählertitel zu besorgen d. h. sich naturalisire» zu lassen.-- HevvensMus� 23. Sitzung vom 24. I U n i 1397. 1 U h r. Am Ministertifche: v. d. Recke , Schönstedt . Auf der Tagesordnung steht die Berathung und Beschlußfassnng über die geschästliche Behandlung des GesetzcutwurfeS zur Er- gänzung uud Abänderung von Bestimmuugeu über Bersamm» luugeu und Vereine...... Staatsminister a. D. v. Pnttkamer: Di« Vorlag« ist die ivichtigste von alle», mit denen das Haus in den letzten Jahren beschäftigt gewesen ist. Wenn ich meine Meinung darüber aus- spreche, weiß ich allerdings nicht, ob ich der Regierung damit einen Dienst erweise, denn bei der ungemeinen Unvol k s- lhümlichkett meines NamenS ist alles, was ich sage, in weiten Kreisen deS Volke? von vorn- herein verurtheilt. Da ich aber zehn Jahre lang in der vordersten Reihe derer gestanden habe, welche den Umsturz be- kämpften, so. bin ich gewissermaßen berussmäßig in der Lage, auch zu dieser Vorlage Stellung zu nehmen. Vonveg möchte ich auch die Behauptung zurückweisen, alS ob die�Oeichsregierung ihre dem Reichstage in dieser Beziehung gegebene Zusage nicht loyal erfüllt habe. Daß eine einfache Aufhebung deS Koalilionßverbols dem preußischen Landlage nicht annehmbar zu machen sein würde, konnte die Regierung sich ohne weiteres sagen; kaum im Ab- geordnetenhause war das zu erwarte». Auflösung des Abgeordneten- Hauses, liberaler Pairsschub im Herrenhanse, solche Gewalt- mittel konnten nur vom Standpunkt eines Theil«? des Reichetages für die preußische Regierung in betracht kommen. Es war also vollständig in der Ordnung, wenn die Regierung sich entschloß, das Vereins« und Versammlungsrecht im ganze» zu revidiren. Diese Revidirung nimmt den Fade» wieder ans, wo er nach dem Erlöschen des Sozialisten- und nach dem Scheitern des Umsturzgesctzes fallen gelassen worden ist. Die Viegierung verdient dafür unsere größte Anerkennung(Lebhaftes Bravo!), denn wenn eine solche Frage einmal angeschnilten ist, kommt sie nicht wieder zur Ruhe, als biS sie gelöst ist, und wenn daS auch diesmal vielleicht nicht gelingt, so wird sie. sei eS aus der Initiativ e der Regier u na. oder auS unserer gelöst werden.(Wiederholter Beifall.) Der Entwurf ist in sehr verstümmelter Form zu unS gekommen. Im Lande sehen tausende königSlreuer loyaler Männer der Ausdehnung der sozialistischen Gefahr mit Bekümmerniß zu und er- warten dringend, daß der Regirung die Energit wieder- kehre, welche die Zurückdrängung dieser Gefahr erfordert. Die Opposition gegen die Vorlage hat das ganze Rüstzeug der Argumente wieder mobil gemacht, welche seinerzeit gegen daS Sozialistengesetz und die Umsturzvorlage gellend gemacht wurden. Hätte auch nur eines dieser Argumente annähernd den ihm beigemessenen Werth, so würde ich der Regierung rathen, noch heute den Entwurf zurück- zuziehen, aber so liegt die Sache nicht. Entweder wir erwehren uns der sozialdemokratischen Gefahr, oder sie vernichtet uns, sagte bei der Berathung deS Sozialistengesetzes Herr Bamberger. Jeiies Gesetz ist drakonisch, aber loyal ausgeführt worden, keine andere Partei hat darunler zu leide» gehabt. Wenn eS nun heißt, man werde mit solchen Mitteln die Umsturzparlei stärken, so ist dem gegenüberznsteNe». daß n a ch d e m Erlaß deS Gesetzes dt « sozialdemokratischen Wahlstimmen fast ganz ver« schwanden, b i S man 1887 anfing, die Zügel fallen zulasse n unddiegahl sich wieder hob. Erst nach dem Erlöschen de? Gesetzes hat die Sozial- demokratie lawinenartig zugenomm»».(Sehr richtig!) Die letzten Wahlen haben die ungeheure Zahl von 1700 000 Stimmen ergeben; wo soll denn oaS enden? Wer hätte vor 10 Jahren daran gedacht, daß die ungeheuren Arbeits- einstellungen stattfinden würden, wie sie jetzt in Schwung ge- kommen sind? 1835 genügt« ein einfacher Ministerial- erlaß, sie z» verhindern. Wo waren damals die gewaltsamen Versuche der Streikenden, die Arbeitskollegen von der Arbeit abzu- halten? Also ist daS Ausnahmegesetz zwar nicht im stände gewesen, die Sozialdemokratie«inzu- dämmen, aber es hat die verhältntßmäßig ruhigen tu stände bei unS aufrecht»u erhalten vermocht. ie Bewegung soll an Tiefe verloren, an Breite gewonnen haben; die Sozialdemokraten seien eine radikal« Arbeiter- Partei geworden. Das ist ein verhängnißvoller Jrrthum. Die Sozialdemokratie giebt daS vor allen Dingen selbst nicht zu; sie bleibt die internationale, revolutionäre Sozialdemokratie, die sie war, sie hat keines ihrer Ziele aufgegeben. Solches be- Haupte» zu wollen, schlägt den Thatsachen ,»S Gesicht. Sie ist allerdings vorsichtiger in der Taktik geworden, sie will ab« Vernichtung der bestehenden Gesellschaftsordnung, sei et aus diesem, sei es aus jenem Wege. Geistig« Bewegungen sollen nur mit geistige» Mitteln bekämpft werden. Auf diese Weisheit brauchen ihre«ertreter nicht sehr stolz zu sein; sie ist ga», unbrauchbar in Beziehung aus die Sozial- demokratie. Sie hat ja noch heute ihre pseudo- wissenschaftlichen Vertreter, aber als politisch« Partei ist st« keineswegs harmlos oder keusch. WaS ist nu» dagegen zu lhun? Die Großindustrie der großen Städte ist die Nährmutter dieser Partei: da» platte Land ist im ganzen bisher Gott sei Dank davon verschont geblieben.«S gilt jetzt, den Riegel vorzuschieben. SS ist eine unglaubliche Thorheit der sozialdemokratischen Partei, daß sie glaubt, die ländlichen Wähler durch die Redensarten ihrer Wähler auf ihr, Seite zu bringen. Aber gelingt es ihr, dies« auf ihr« Seite zu bringen, dann ist der Anfang vom Ende da, und die Verantwortung dafür zu über- nehmen wäre ein ungeheures Wagniß, was ich auch den Herren im anderen Hause zu bedenken gebe. Da reicht denn die Vorlage, wie wir sie bekommen haben, nicht entfernt anS. Heben wir das Verbot de» JnverbindnngtretenS der Vereine auf. so kommt daS vor allem den Sozialdemokraten zu gute. Wir würden also lediglich«inen weiteren Riegel fortschieben, und der Ausschluß der Minderjähigen ist nicht im geringsten eine aus- reichende Kompensation dafür. Der Standpunkt, daß die Theil- ahme an Vereine»»nd Bersammlunge» zur Erziehung unserer Jugend beitrage, ist geradezu haarsträubend. Die gebildete Jugend gehört in die Studirstub« und in die BildungSanstalten, die Arbeiter gehören in die Werlstatt und in die Fabrik. DerFeind ist die Sozialdemokratie, die muß vor allem bekämpft werden, und«S ge­nügt ein Gesetz, welches dies« ausschließlich bekämpft. Darum sollten wir das Gesetz zuspitzen auf die wirklichen Umsturzparteien- Eistens haben wir dafür die überwältigende Mehrheil in diesem Hause, im anderen Hause würde» wir uns von den Freikonservativen nicht zu trennen brauchen und mindestens eine an die Mehrheit grenzende Minorität erhalten. Ein solches Gesetz würde der heutigen Lage Rechnung tragen und nützlich wirken. Ich weiß, daß dieseS hohe SauS schon mehr alS einmal sich als die unerschütterliche tütze der Staatsordnung geltend gemacht hat, eS wird sich auch diesmal nicht von dem richtigen Wege abbringen lassen. (Beifall.) Oberbürgermeister Gicse- Altona: Der Ausschluß ber Minder- jährigen aus den Versammlungen erscheint einem großen Thal meiner politischen Freunde als ein sehr wirksames und nützliches Mittel zur Verbesserung der bestehenden Zustände aus diesem Gebiete. Gegen die Auswüchse d er Sozialdemokratie müssen aber noch besonder« Vorkehrungen getroffen «erden, denn«S muß da» Rech t«g, fühl«schüttern, wenn offen