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Sonnabend, den 29. Mai 1920

Nummer 199 Abend- Ausgabe

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greibeit

Berliner Organ

:

der unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Millerand über die deutsche Kriegsentschädigung Der Terror der Borgefeßten in

Dolllommene Wiedergutmachung verlangt

Paris , 28. Mat.

verstanden sein, wenn er von 200 Milliarden Francs spreche, aber

cheur wiederholt, man könne mit Millerand über das Ziel ein­nicht wenn er von 66 ,. 70 oder 75 Milliarden Goldmark rede. Nach kurzen Bemerkungen Don Vincent Auriol ergriff Ministerpräsident Miller and erklärte ferner, die Aus Briand das Wort. Er sagte, im Jahre 1916 fet auf der wirt. sei fünfte, die man seit einem Jahr erhalten habe, gestatteten den schaftlichen Stonferens festgestellt worden, daß, da Frankreich das Betrag der franzöfifchen Wiebergutmachung Schlachtfeld für die ganze Welt fei, seine Forderungen einen be­auf 200 bis 210 milliarden zu schäsen. Nach dem sonders privelegierten Charakter haben werde. Das Unglüd fet, Stand vom 15. Mai feien bas 70 milliarden Goldmark. daß, wenn eine Regierung einer anderen folge, ihre erste Sorge Diefe Schägung beruhe nicht auf der Bahlungs- fei, beiseite zu schieben, was der Borgänger getan habe. Das all­fähigkeit Deutschlands , sie hätte einfach den Zwed ge- gemeine Interesse müsse die persönlichen Polemik.n vergessen habt, Gedanken festzuhalten, der Wert der Bauschalsiffer hänge machen. G8 fei gefagt worden, daß der Grund finanzieller Solis von vielen anderen Elementen ab. Ertens von den Binfen, darität niemals aufgestellt worden sei. Er aber ertiäre, daß er zweitens von der Priorität und drittens von der Frage, ob die doch aufgestellt wurde. Lieferungen in der Summe einbegriffen fein sollten oder nicht. Millerand erinnerte an die letten Erklärungen Bonar Laws im englischen Unterhause, aus denen hervorgehe, daß England, Frank. reich die Priorität verweigere. Das Wichtigste aber sei, daß man den allierten Ländern effektive Realisierungen in Form von Ka­pitalien und Entschädigungen in Form einer internationalen An­leihe oder etwa einer Serie von Anleihen geben wolle, woraus hervorgehe, daß die Alliierten eng verbunden sein müßten, um biefe Anleihen zu kontrollieren, so daß also feiner der iierten Holiert sei in der Berteidigung feiner Intereffen gegenüber dem Schuldner. Die andere Methode bestehe darin, lange Jahre auf bie Zahlungen au warten. Die jest angenommene Methode aber swinge nicht, mehr als zwanzig Jahre auf den Vertrag zu starren und man gebe nichts dabei auf. Die franzöfifche Regie. rung und bie alliierten Regierungen wollten nichts von ihren Pfändern aufgeben, namentlich bon den befesten deutschen Gebieten. In San Remo habe man dies nicht nur betont, sondern auch erklärt, daß, wenn Deutschland sich länger feinen Berpflichtungen entziehe, neue Gebiete befest werben tönnten.

Louis Barthou erklärte alsdann, daß er der Regierung Bertrauen fahenten werde, benn er habe die Gewißheit, baß der Ministerpräsident bei der Entschädigungssumme nicht unter die Bahl heruntergehen werde, auf die Frankreich Anspruch have. Er wolle dem Ministerpäsidenten die Freiheit der Handlung zu fichern.

der Verwaltung.

Von Hugo Kamossa.

Der militärische Geist, der in Deutschland alles erfüll

Stückschrittler genommen worden

bom Säugling bis zum Mummelgreis, wird noch Jahr. ftebenden Heeres ist zwar eine der Hauptsäulen des Mili zehnte hindurch nadvirken. Mit der Abschaffung des stehenden Heercs ist zwar eine der Hauptsäulen des Mili tarismus niedergebrochen und uns zum Leidwesen aller aber zwei andere Säulen diefes fulturwidrigen Geistes stehen noch fest und fast un erschüttert da und werden noch lange Jahre die endgültige Aultivierung und Modernisierung unseres staatlichen Lebens verhindern: das durch und durch militärische Hochschu!. wesen und die geradezu vollendet militarisierte Ber Es wurden alsdann acht Tagesordnungen einge- waltungsbureaukratie. bracht. Die erste von den Sozialdemokraten, die die Irrtümer, Die militärisch gedrillte und erzogene Bureaukrati die im Laufe der Friedensverhandlungen begangen wurden, be- Preußen- Deutschlands hat seit jeber ihre oberste Aufgabe dauert und die finanzielle Solidarität für den Wiederaufbau und nicht in dem persönlichen Schuß der Bürger, sondern in den die Pensionen verlangt. Die anderen Tagesordnungen, die von Schutz des Kapitalismus, d. h. der auf Grund ihres persön den verschiedensten Seiten ausgehen, verwerfen teils die Bdufal- lichen Befiges Mächtigen geiehen. fumme, teils verlangen sie den vollkommenen Erfag der Schäden. Wer den Militarismus und die preußische Bureaukratie Ministerpräsident Millerand nahm eine Tagesordnung diefe unverföhnlichen Feinde aller echten Stultur, kenut, der Colrat an, die belagt, daß der Friedensvertrag von Bersailles weiß, welche Riefenaufgabe es für Männer von Deutschland vollkommene Biebergutmachung der höchster Willens- und Entschlußkraft bedeutet, diefer Burgaus Schäden an Berionen und Gütern auferlege. Die tratie allmählich Serr zu werden, fie von ihrer Tradition Rammer nimmt die Erklärung der Regierung an und hat das Bertrauen, daß sie im Einverständnis mit den Alliierten die zu befreien und ihr ein modernes demokratisches, republika nisches oder gar sozialistisches Gepräge zu geben. Niemand 3ntereffen und die Rechte Frankreichs wahren werbe. wird den Mut dazu aufbringen, der so sehr dem Kapitalis mus verschrieben ist, wie die heutigen Staats. lenter. Und doch dürfte diefe Aufgabe leichter fein, als es äußerlich den Anschein hat, wenn sie nur richtig und mit ernsthaftem willen angefaßt würde. Indessen baran fehlt es leider gänzlich. Die heutigen Regierenden fönnen und wollen diefe Aufgabe gar nicht lösen, weil fie noch viel mehr als alle früheren Regierungsmachthaber Gefangene und Beauftragte der Rapitalisten find. Es ist preußische Tradition, daß die anordnenden und ausführen den Organe der Regierung fich als Beauftragte des api. tals fühlen, unter dem Vorwand, für die Aufrechterhal tung von Zucht und Ordnung zu sorgen. So kommt es, daß auch in den bureaukratischen Verwaltungen felber fich er nehme die Tagesordnung Colrat an, weil die höheren und die sogenannten erstklassigen" mittleren titel 232 a18 ber Mittelpuntt bes Bertrages an. Beamten für die eigentlichen Träger der Staatsgewalt im gesehen werde. Er habe in Hythe erklärt, 120 Milliarden Sinne der Unternehmer halten, während die große Mart forrespondierten mit der Summe von 200 bis 210 Miliar Maffe der mittleren und der unteren Beamten fast ohne den France , die man Frankreich fchulde. Diese lettere Biffer habe Ausnahme wissen, daß fie von den Vorgesezten nicht als am 15. Mai ungefähr 70 Milliarden Goldmark betragen. Sie gleichberechtigt und gleichwertig behandelt, sondern als habe teinen anderen Wert als den, feinen Willen fundsugeben, willenloſe Objekte der Gesetzgebung und der Staatsgemalt, für Frankreich den Betrag der an Gütern und Berfenen erfitte- als roletarier in des Wortes eigenster Bedeutung nen Schäden zu erlangen. Die Tagesordnung Golrat ausgenust und mißbraucht werden. Diejenigen wurde schließlich, wie bereits berichtet, mit 535 gegen 68 m Beamtentum, die den kapitalistischen Staat schüßen und Stimmen angenommen. erhalten wollen, zetern über den angeblichen Terror der Minderheit- tatsächlich aber sind sie selbst eine gana fleine Minderheit unter den Bea- mten, die fraft ihrer Stelluna seit jeder den rücksichtslosesten Terror tegen die Sehnsucht der enterbten. aufstrebenden Massen uusüben, die endlich auch ans Licht gelangen wollen, um an den Errungenschaften der Kultur teilzunehmen. Und fie üben heute, wo sie sich ernsthaft bedroht glanben, den Terror rüditchtslofer als je.

Auch Zarbieu ergriff das Wort, um den Unterschieb awvi Er wiederhole, baß die Politik Frankreichs eine Bolitik der Union mit seinen Allierten sei, aber auch eine Politit des fchen der Tagesordnung Colrat und der von ihm und Klos und Locheur eingebrachten festzustellen. In dieser Tagesordnung wird Einverständniffes mit Deutschland . Man wünsche ber Bertrag als Grundlage für die völlige Wiedergutmachung der lebhaft, daß Deutschland begreife, daß es nur nach dieser Richtung Schäden in Anspruch genommen. Er bittet, feine Tagesordnung hin für Deutschland ein Geil gebe. Aber um diefe Politik des anzunehmen, damit der Vertrag von Bersailles als Grundlage für Einverständnisses und der Union zu realisieren, müsse man zu alle weiteren Verhandlungen dienen könne. Ministerpräsident Handlungen schreiten und offen eine Politik ber Realisierung und millerandertiärte trop der großen Unruhe, die berrfate, ber Berantwortlichkeit verfolgen.

Millerand verlangte von der Kammer das Recht, mit den Aliierten alle notwendigen Garantien ftubieren zu dürfen, um su einer zaschen Realisierung zu gelangen. Die Rammer fönne ble Lösung suchen, die ihr die beste im Jnteresse des Landes Scheine.

2oueur erflärte, wenn Milleranz eine Pauschalsumme bon 70 Milliarden Goldmark angenommen habe, dann habe er Frankreich in eine schreckliche Lege gebracht, denn diese Summe fei ungenügend. Millerand ruft dazwischen: Ich habe gesagt, daß noch keine Biffer festgehalten wurde. Lou

Das Urteil gegen die russische Liga.

Kopenhagen , 28. Mai. Nach hiesigen Biättermeldungen aus Etodholm wurde in bem großen Wordprozeß gegen die sogenannte russische Liga heute das Urteil gesprochen. Der Hauptangeklagte abjelache wurde zum Tode verurteilt, die übrige.1 fünf Angeklagten erhielten 8angsarbeit van bie 10 Jahren.

Es handelt sich um die Sühne einer großen Anzahl von tentaten ruffifcher reaktionärer Kreise gegen linfestehende Politiker und Angeftelt der Sowjetregierung, deren Be­fanntwerden vor einigen Monaten das größte Jnteresse der Ichwedischen Leffentlichkeit erregte.

wohin der Nationalitätenhaß führt. Die jetzige deutsche Politit in Oberschlesien ist die Fortsetzung der alten Safatiftenpolitit, bie den Kampf zivischen Deutschen und Polen zur Folge hatte.

Buffisch- finnische Friedensverhandlungen.

T.U. Helsingfors , 28. Mai.

Die finnische Megierung hat die estnische Regierung gebeten, die Friedensverhandlungen zwischen Rußland und Finnland aui estnischem Gebiet stattfinden zu lassen. Diefe hat sich hierzu be. reit erflärt. Die Berhandlungen follen in Dorpat

stattfinden.

Alles, was die mit aufopfernder Hilfe gerade der unteren Beamten wiederhergestellte sogenannte geſetz. mäßige Regierung gegen die Buffchiffen und ihren An­bang in den Verwaltungen angeblich unternommen hat, endet geradezu in einer Tragifomödie. Der Terror der höheren Beamten hat es zuwege gebracht, daß tatsächlich nicht die der Begünstigung oder Teilnahme Nach einem Telegramm aus Helsingfors baben die finnischen am Butsch überführten Vorgefeßten zur Ber. Operationen gegen die in Offfarelien eindringenben Bolschewijten antwortung gezogen und bestraft wurden, sondern daß Bolen eindliche Ausschreitungen in Oberschlesien. bon ber Grenge in Kajana ein. nun begonnen. Dienstag morgen trafen bie ersten Flüchtlinge auf der ganzen Linie, bei allen Verwaltungen, die Ver­Mittwoch morgen fand ein teidiger ber Republit, die unteren Beam. Am Freitag abend lam es in Beuthen vor dem Hotel Lomnig, ufam menstoß an der Grenze zwischen belschewistischen und ten, wegen Ungehorsams und Diensiverweigerung, be bem Siz der Plebisgitfomanijjion, gu polen feindlichen finnischen Truppen statt. Nach furgem Stampfe 30gen fidi aie wiesen durch Teilnahme am Generalstreit, verfolgt werden. Ans der ungebeuren Fülle des darüber vorliegenden Demonstrationen. Fast sämtliche Femierscheiben der Bolschewijten zurüd. unteren Geschosse find zertrümmert, die Türen, eingeschlagen Materials fönnen nur wenige Fälle angeführt werden. worden. Zum Schluß wurde von der Menge in ben unteren Räumen noch euerangelegt, so daß diese völlig ausbrann­ten. Der Grengzeitung", dem Organ der nationalen Polen , wurden die Fenst scheiben zertrümmert und die Maschinenräume vernichtet. Daraufhin machten die Bolen in der Nacht einen An­griff auf die Ostdeutsche Morgenpost", wobei die Geschäfts- und Maschinenräume zerstört wurden.

Die Unruhen haben 2 Tote und 12 Verwunbete efordert Der Bdden beträgt Millionen. Die Melburg zeigt,

Brollam erung des unabhängigen Staates Cetlland.

Kopenhagen , 29. Mai.

Das Lettische Breffebuueau meldet aus Riga : Am 27. Rai proflamierte die lettische Nationalversammlung einstimmig ett land als unabhängigen Staat auf demokratischer Grundlage. Für diefe feierliche Erklärung ftimmten auch sämtliche utis fen Minderheiten, deutsche Lussen und Juden.

Der preußische Justizminister hat angeordnet, baß ihm bis zum 20. April alle Fälle der Teilnahme von Beamten an der Begünstigung der Putichisten gemeldet werden. Was geschieht nun? Bei den Strafanstalten in

Iöenfee und in Tegel merden nicht etwa Ermitt lungen gegen die Direktoren angestellt, die sich ganz offen auf feiten der Kapp- Rittmit gestellt hatten, sondern gegen die Mufsichtsbeamten, die Vor. liigende der Beamtenausidüfie waren, und