Wege und Ziele der Regierung
Die Debatte über die Regierungsbildung und die von bem neuen Kabinett zu befolgende Poluit dauert im Reichstag an. Die Redner der bürgerlichen Parteien, bie am Mittwoch zu Worte tamen, ergingen sich zunächst in Betrachtungen über die Gründe, die dazu geführt haben, daß gerade dieses Kabinett und kein anderes zuStande fommen fonnte. Trimborn, Stresemann und Schiffer sprachen noch einmal ihr Bedauern über das Fernbleiben der Rechtssozialisten aus und Herr Stresemann hielt sich für verpflichtet, gewisse Aeußerungen, die im Wahlkampf in volfsparteilichen Artikeln und Reden gegen die Sozialdemokratie gefallen sind, ausdrücklich im Namen seiner Fraktion zu mißbilligen. Man muß eben den Rechtssozialisten etwas um den Bart gehen, nachdem sie sich entschlossen haben, einer Tagesordnung zuzustimmen, die der Regierung zwar nicht mit klaren Worten das Vertrauen ausspricht, aber doch ihrem Programm zustimmt. Der Antrag der Unabhängigen, dem Kabinett Fehrenbach bas Mißtrauen des Reichstages zu befunden, macht durch diese Politik des Verschleierns und Vertuschens freilich einen Strich. Er schafft eine flare Situation.
Vielerlei Wünsche brachten die Redner für die zu= tünftige innere und auswärtige Politit vor. Aber so verschiedenartig sie waren, sie hielten sich doch auf der gemeinsamen Linie des kapitalistischen Wiederaufbaus. Der Friedensvertrag soll nach Möglichkeit erfüllt werden, doch durch alle Ausführungen Bog sich wie ein roter Faden der Gedanke, daß die HerabSegung der Kopfstärke der Reichswehr zu den tatfächlichen Unmöglichkeiten gehöre, und besonders der heimliche König von Bayern , Herr Dr. Heim, vertrat mit Nachdrud die in seiner reaktionären Heimat herrschende Meinung, daß man mit 100 000 Mann Truppen und ohne Einwohnerwehr der Störer der Ruhe und Ordnung nicht Herr werden fönne.
Sozialismus und Sozialisierung spielten natürlich eine sehr geringe Rolle, und wo diese Probleme berührt wurden, geschah es nur unter gegnerischen Gesichtspuntten. Am interessantesten waren in dieser Beziehung die Darlegungen des Führers der Deutschen Volkspartei , ber an die Spize aller Erwägungen immer die Frage ge=" stellt sehen will, wie die Produktion gehoben werden kann und ber sich bereit erklärt, dem Sozialismus Zugeständnisse zu machen, wenn er diesem Hauptzwecke diene. Was er freilich unter Sozialismus versteht, das ergab sich aus Jeinem Loblieb auf das vorrevolutionäre Deutschland und auf das junkerliche Preußen, die mit ihrem sozialistischen Willen und ihren sozialistischen Taten allen anderen Ländern ein Beispiel gegeben hätten. Er berief sich auf ein Buch des Professors Spengler, der auf den Spuren Schmollers wandelnd, den König der langen Kerls, triedrich Wilhelm 1 . von Preußen, als den Vater des praktischen Gozialismus feiert. Den Volksparteilern ist der Unterschied zwischen Staatsbetrieb und Sozialismus noch nicht aufgegangen, oder vielmehr sie wollen ign nicht erkennen, um sich den Anschein zu geben, als seien auch sie von den Ideen, die die Welt umfassen, erfüllt.
Herr Stresemann begeisterte sich ja auch für den Wieberaufbau der Wirtschaft auf internationaler Basis und sprach fast wie ein Pazifist von der Notwendigkeit der Annäherung der Nationen zur wirtschaftlichen Wieder Herstellung der Welt. Für einen Mann, der zu den wilbesten Kriegspatrioten gehörte und mit Entrustung und Berachtung alle zwischenstaatliche Organisation ablehnte, ein immerhin bemerkenswertes Bekenntnis. Aber auch hier muß man seinen Absichten auf den Grund gehen. Der Internationalismus, den er meint, ist nichts anderes als bie internationale Berbrüderung des Großkapitals und der internationale Trust der Banken und der Industrie. Die Völker und insbesondere die Proletarier tommen in seinem Programm nicht in Betracht.
Die Debatte wird am Donnerstag fortgesetzt, aber eigentlich hätte man je bereits beenden können, denn wir wissen, welchen Weg die neue Regierung gehen will und welche Ziele ihr die Parteien, auf die sie sich stützt, setzen. Wir wissen, daß in der nächsten Zeit bürgerime Politit unter wohlwollender Duldung der Rechtssozialisten be trieben wird.
Das Geheimnis der Spitzelpresse
Die reattionäre Presse hat bekanntlich vor kurzem einen Uebersichtsplan veröffentlicht, der ins einzelne gehende Angaben über Größe, Verteilung und Bewaffnung der roten Armee enthielt. Das Dokument sollte einem Kurier dieser Armee abgenommen Jein.
Wir, und nicht wir allein, sondern auch die Kommunisten und Rechtssozialisten, haben diese Zusammenstellung als ein erbärmliches und lächerliches Spigelmachwerk bezeichnet, worauf jetzt der Berliner LotalAnzeiger" mit der Bemerkung antwortet, daß seine Informationen aus Schriftstücken stammten, die einen Namen trügen, der bis weit in die Reihen der Linten hinein ungeschmälertes Ansehen genießt". Für ihre Richtigkeit bürge das Urteil eines Mannes, der alles andere eher, nur feiner reaktionären Gesinnung verbächtig sei, und diese Persönlichkeit erhebe selbst bestimmte Forderungen zur Abwehr der Gefahr:
Er verlangt die beschleunigte unschädlich. machung der raditalen& ührer, die Beseitigung aller ungefegmäßigen Körperschaften, die Auf Lösung aller politischen Ortswehren und Ersag durch eine starte, unpolitische Polizei; er verlangt ferner scharfes ge fegliches Verbot unrechtmäßigen Waffenbefizes und planmäßige Waffeneinziehung, und er verlangt endlich Unterbindung der öffentlichen tommunistischen Propaganda. Das alles neben der unbedingt erforderlichen internationalen Bekämpfung der Organisation des Bolschewismus, die ja bereits allenthalben hinreichende Proben ihrer Leistungsfähigkeit gegeben hat.
Es ist nicht ganz klar erkennbar, ob der„ Lokal- Anzeiger" hier von einem oder gar von zwei Kronzeugen für bie Richtigkeit seiner Behauptungen spricht. Auf jeden Fall aber verlangen wir mit allem Nachdrud die Bekanntgabe bes Namens jener angeblich bis weit in die Reihen der Linten angesehenen Persönlichkeit, dem das Scharfmachers organ feine Wissenschaft verdankt. Sollte er sich nicht entIchließen, den Schleier zu lüften, so bleibt der Vorwurf gemeiner und feiger Berleumdung an ihm baften.
Die Bergarbeiter gegen Ueberschichten. Ende dieser Woche Jollen auf Verlangen der Bergarbeiterverbände neue Verhandlungen über das Ueberschichtenabtommen stattfinden. Die Bergarbeiter sind bei der jebigen- 2 e bensmittelversorgung
nicht mehr imstande, Ueberschichten wie bisher zu verfahren. Im Effener Bezirt sprachen sich eine Reihe von Belegschaftsversammlungen sehr scharf gegen das weitere Verfahren von Ueberschichten aus,
Die Herren und ihr Knecht
Der Putkamer der Ebertinischen Republik, Herr Wolf gang Heine , veröffentlicht im„ Berliner Tageblatt" einen Artikel über die Sicherheitswehr. Er ist empört darüber, daß diese Truppe von der Entente als militärische Organisation angesehen wird und deshalb der Auflösung verfallen soll. Herr Heine, allzeit ein grimmer Sasser des wirklichen Sozialismus und ein inniger Verehrer des altpreußischen Militarismus und des Polizeigeistes, behauptet, die Unabhängigen hätten schon vor einem Jahre durch ihre Beziehungen zu den fremden Gewalthabern die Sprengmine gegen die Sicherheitspolizei gelegt". Dabei bezieht er sich auf die Zuträgereien einiger seiner beliebtesten Spigel, die ihm ja schon für seine Barlamentsreden die Unterlagen für Behauptungen liefern mußten, die er dann, beim Worte gepact, nicht beweisen fonnte. Der Artikel ist für unmündige Kinder bestimmt. Jeder Saz ist das Gegenteil der Wahrheit. Weil es Herrn Heine nicht möglich ist, dieser die Ehre zu geben, wollen wir wenigstens die gröbsten unwahrheiten richtig stellen und darauf hinweisen, daß die Sicherheitswehr als streng militärische Organisation von einem General stäbler, dem Hauptmann Pabst, ins Leben gerufen wurde. Kasernierung, Ausbildung und Bewaffnung geschehen nach streng militärischem Muster. Die Truppe war als Ergänzung der Reichswehr gedacht, beim Kapp= Putsch erwies fie sich als monarchistischer Stoßtrupp. Wenn Herr Seine jetzt behauptet, daß am 13. März„ der Spaziergang nach Berlin unterblieben" wäre, wenn man ihn rechtzeitig von den Drohungen des Generals Lütt wig unterrichtet hätte, dann ist das nichts weiter als eine Großspurigkeit, die immer dort zu finden ist, wo Mut und sachliches Können fehlt. Tatsächlich hat sich ja die Sicherheitspolizei den Kappisten sofort zur Verfügung gestellt.
Herr Heine war am 13. März ebenso hilflos und verlassen wie Roste. Wenn er trotzdem heute noch über jene Elemente seine schüßenden Hände hält, so eben nur aus dem alten Verhältnis heraus: der Knecht muß dem Herrn dienen, und für Heine ist dieses Dienen sogar noch ein inneres Bedürfnis, weil die Herren eingefleischte Reaktionäre find.
Die Brüsseler Finanz- Konferenz
Es wurde beschlossen, daß bie französischen, italie. nischen, japanischen und anderen Vertreter zur Brüsseler Konferenz am Sonnabend durch einen Sonderzug nach Brüssel gebracht werden sollen, damit sie bestimmt am 1. Juli abends bort sind. Die britische Abordnung wird mit einem Sonder dampfer in Oftende eintreffen.
Die Konferenz wird am 2. Jult morgens beginnen und wird im Marmorsaal des Atademiepalastes tagen. Sie wird nur bie grundsägliche Frage behandeln, nach welchem Maßstabe die von Deutschland zu zahlende Entschädi gung unter die Alliierten verteilt werden soll. Die Finanzsachverständigen sind mit ihrem Bericht fertig. Nach der Aussprache der Konferenz über diesen Bericht, wird die Ents scheidung getroffen werden.
Bis jetzt haben 16 Staaten, und zwar Chile , Argen tinien , Belgien , Brasilien , Kanada , Dänemart, England, Griechenland , Guatemala , Britisch . Indien , Japan , Polen , Portugal , Rumänien und Serbien , Spanien und Schweden , den Völterbundrat mitgeteilt, daß sie an der Finanzkonferenz in Brüssel am 23. Juli teilnehmen werden. Der Völkerbundrat ist der Ansicht, baß erst die Ergebnisse der Konferenz in Spaa abgewartet und dem Völkerbundrate mitgeteilt werden müssen, damit die Brüss feler Konferenz mit gutem Erfolg über die verschiedenen Fragen, wie die Ausgabe einer internationalen Anleihe, der Reorgani sation des Papiergeldumlaufes, und über die Lösung der Frage bes Wechselturses beraten könne.
Drohender Streik der englischen Berglente
Laut Daily Mail" beschloß der leitende Ausschuß der Bergleute einen Ausst anb zu empfehlen, um die Ers höhung der Preise für Auslandskohle um 14 Schilling 2 Pence rid gängig zu machen.
Die italienischen Unruhen
SN. Rom, den 30. Juni. Das Aktionsbureau hat ben allgemeinen Streit proflamiert. In den verschiebenen Bezirken fanDen anarchistische Unruhen statt. Die Wachen in den Pulverfabriken sind von den Anarchisten entwaffnet worden. Alle Vers juche der Anarchisten, sich in den Besitz der Artilleriedepots zu jegen, fonnten jedoch von den Karabinieri verhindert werden. Zwei der Angreifer sind verwundet, einer getötet worden.
In der Provinz Macerata wurde der Generalstreit proklamiert. Bei einem Zusammenstoß zwischen Karabinieri und Anarchisten in Terni sind zahlreiche Personen verwundet worden.
Aus Mailand wird gemeldet, daß die Gewertscaf. ten sich weigern, den Beschluß des Aktionsbureaus bezüg lich des Generalstreits nachzukommen.
Polizeitruppen
Aus Ancona wird gemeldet: durchziehen das Gebiet von Ancona und Falconara, wobet zahlreiche Verhaftungen vorgenommen werden. Die Stadt tehrt zu normalen Zuständen zurüd. In Jesi haben Verstärfungen aus Ancona die Verbindungen wiederhergestellt. In Chiaravalle und Senigallia find Truppen eingetroffen, ohne auf irgend einen Widerstand zu stoßen.
In Beantwortung einer Interpellation betonte ber Kriegsminister im Senat, daß die in Ancona meuternden Bersalgiert zum öffentugen Ordnungsdienst gehören.
Er hob hervor, daß die Regierung einen Kommissar nach Albanien senden werde, der ausdrücklich erklären soll, daß Italien die Unabhängigkeit Albaniens anertenne. Der Minister betonte, daß in allen Städten Italiens sich Freiwillige für Albanien gemeldet hätten,
Die polnische Schreckensherrschaft
Bor 14 Tagen brachten wir die Meldung, daß in Thorn 17 Genossen der U. S. P. D. aus Graudenz standrechtlich erschossen worden sind. Sie sollten sich des Landesverrats schuldig gemacht haben, weil sie durch Platatanschlag gegen das Ber
bleiben der polnischen Truppen in Graubenz, die sich schweres Ausschreitungen schuldig gemacht hatten, protestiert hatten, Unsere Nachricht wird jezt durch die B. P. N. bestätigt. Die polnische Regierung hat sich zu der scheußlichen Tat noch nicht geäußert, fie scheint also die Blutarbeit, die sie in den„ erlösten Gebieten" verrichtet, zur Förderung der polnischen Kultur durchaus für notwendig zu erachten. Sie wird sich aber durch die Schredensarbeit taum die Sympathien der Bevölkerung er werben. Wenn der polnische Staat seine Daseinsberechtigung er weisen will, dann muß er sich vorerst einmal von den scheußlich Sten Methoden des Mittelalters frei machen.
Ungarn führt die Brügelstrafe wieder ein
Wie das Neue Bester Journal" meldet, hat der Justiza minister Julius Fernandy der Nationalversammlung den Gesezentwurf über den wirksameren Schutz des Vermögens, der Moral und der Person unterbreitet. Er ermächtigt das Gericht, bei Straffällen des Diebstahls, der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und bei aus maßloser Gewinnsucht entstehenden oder die allgemeinen Interessen sonst schwer berührenden Strashandlungen schwererer Natur ausnahmsweise an Stelle oder neben der Freiheitsstrafe den Verurteilten zur Prügelstrafe zu vers urteilen, mit Berücksichtigung der Individualis tät, der Lebensverhältnisse und sonstigen Verhältnisse des Verurteilten, besonders mit Rücksicht auf dessen Verstocktheit bei Begehen der Handlung, der rohen Gewalttätigkeit, der maßlosen Gewinnsucht oder der gewissenlosen Unempfindlichkeit den Interessen anderer gegenüber. Die Strafe tann nur an Männern vollzogen werden. Das Maximalmaß darf 25 Siebe. nicht überschreiten. Ihr kleinstes Maß ist bei Erwachsenen mit 10, bei Minderjährigen mit 5 Sieben festgesetzt. Der Gesezentwurf erstreckt die Prügelstrafe auch auf die der Militärgerichtsbarkeit unterstehenden Individuen und erlaubt, daß diefe Strafe auch im Laufe der Durchführung der Freiheitsstrafe als Disziplinarstrafe angewendet werde.
-
Die ungarischen Machthaber haben sich offenbar so an ge wiffe Freiheiten", die ihnen der Weiße Terror ließ, gewöhnt, daß sie diese nur ungern missen möchten. Jeht, wo sie durch die Solidaritätsattion der internationalen Arbeiterschaft doch langsam daran denten müssen, den Terror abzubauen, suchen sie wenigstens noch möglichst große Teile von ihm zu legalisieren und in Gefeßform überzuführen. Gegen wen richtet sich dieser Gesezentwurf im besondern? Er sieht die Prügelstrafe vor zum wirksamen Schutz der bestehenden Staatsordnung, zum Schutz bes privaten Eigentums und was seine Anwendung in der Militärgerichtsbarkeit betrifft zur Ertötung des Persönlich teitsgefühls im Soldaten, um eine Truppe von stumpfem Kas davergehorsam zu erhalten. Der Bassus über die maßlose Ge winnsucht richtet sich ganz offenbar gegen die Juden, deren Mehrzahl Handel treibt und bei denen Richter mit gutem Willen jederzeit die Tatbestände des Wuchers feststellen werden. Die tatsächlichen Wucherer aber werden frei ausgehen, denn man wird bei ihnen die Individualität, ihre Lebens- und sonstigen Verhältnisse" berücksichtigen und von der Strafe Abstand nehmen Ein famoses Gesetzchen wird das werden!
-
Kapitalistische Sabotage.
Bahlreiche Fabriken der Textil- und Lederwarenfabrikas tion, sowie der Schuhindustrie Thüringens nehmen Be triebseinstellungen in größerem Umfange vor, da infolge der Zurückhaltung der Käufer Aufträge fehlen.
Die Aktion der Leder- und Textilmagnaten fommt nicht von ungefähr; sie ist in der gesamten augenblicklichen Wirt schaftslage begründet. Die Valuta ist gestiegen, die Auss fuhr stodt, bie zu Spekulationszweden aufgestapelten Warem fammeln sich an. Das verarmte, deutsche Bolt ist im Kaufen zurückhaltend", den Unternehmern wird bange um ihren Profit. Die aufgehäuften Waren billig zu verkaufen, daran benkt niemand. Die Arbeiter werden aus den Betrieben auf die Straße geworfen. Die Vermehrung der Waren bestände des Landes führt in Deutschland nicht zur Linde rung der Rot der Boltsmassen, sondern zur Steigerung der Not, zur Verschärfung der ökonomischen Krise.
Mehr als je wird heute bringende Notwendigkeit, daß bie Arbeiter den Kampf um die Kontrolle der Produktion durch die Betriebsräte aufnehmen, daß die Arbeiter die Fortführung der Betriebe erzwingen.
Eine neue Internationale der
christlichen Gewerkschaften
Wie die sozialistische und freigewerkschaftliche, so ist auch die Internationale der christlichen Gewertschaften im Kriege zu grunde gegangen. Bezeichnenderweise ist ihre Wiedererrichtung nach dem Kriege auf größere Schwierigkeiten gestoßen, als die Neubildung ber freigewertschaftlichen Internationale. Noch im März 1919 tagten die Organisationen einiger neutraler Länder mit denen der Mittelmächte in Luzern , während die Romanen in Paris zusammenkamen. Erst jetzt ist es gelungen, die feind lichen Brüder zu einem gemeinsamen Kongreß zu vereinigen, der nun vom 16. bis 19. Juni im Haag( Holland ) tagte. Auch hier spielten Kriegspolitik und Kriegsfünden noch eine große Rolle, und mehr als einmal standen sich die Delegierten fauchend in nationaler Erregung gegenüber.
Der Referent über den Stand der christlichen Gei wertschaften in den verschiedenen Ländern bol ein Zahlenmaterial, das angeblich burchweg zu niedrige An gaben enthielt. Im folgenden find seinen Zahlen die angeblich richtigen angefügt. Die christlichen Gewerkschaften haben Mit glieder: in Belgien 85 940( 150 000), in Deutschland 1063 395( 1 250 000), in Frankreich 140 000, in Italien 1 000 000 ( 1 250 000), in Luxemburg 5500, in Holland 154 131 fatholische und 73 407 protestantische, in Desterreich 44 976( 59 000), in Spa nien 10 000( 60 000), in Böhmen 7500, in der Schweiz 15 997 ( 17 000), in Ungarn 190 000. Die Busammenzählung der Höchst zahlen ergibt 3 356 538 Mitglieder. Man hofft, die freien Ge wertschaften bald" zu erreichen(!!).
Eine alle Kongreß- Teilnehmer, befriedigende Form für ble neue Internationale wurde noch nicht gefunden. Man begnügte fich mit der Einsegung einer internationalen Kommission, der für Deutschland Th. Brauer( Köln ) angehört, und die einen ersten Welt- Kongreß der christlichen Arbeiter vorbereiten und einberufen soll. Bis dahin bleibt die Organi sationsfrage in der Schwebe. Als fünftiger Präsident der christ lichen Internationale wird jetzt schon der Schweizer Scherres bezeichnet.
Ein besonderes Gepräge gab dem Saager Kongreß das Auftreten des als Vertreter der christlichen Gewerkschaften Ungarns erschienenen ehemaligen ungarischen Mi nisterpräsidenten Suizar, der unter dem Beifall des Kongresses versuchte, das vergossene Arbeiterblut von der un garischen Mörderregierung ab- und seine eigenen Sände rein zuwaschen. Es gelang ihm, wie die„ Germania " jagt, die Dele gierten davon zu überzeugen, wie grundlos die Verdächtigung eines weißen Schredens ist, und wie unberechtigt, gewalttätig und boshaft die Inszenierung des Bontotts gegen Ungarn ge schehen ist." Die Solidarität der christlichen In ternationale mit bem Schredensregiment fle. ritaler und sonstiger Verbrecher im weißen" Ungarn tam in einer Brotesttundgebung gegen den Boykott Ungarns durch die sozialistische Arbeiterschaft zum Ausdruck, Der Aufruf Huizars zur Bereinigung aller christlichen Arbeiter gegen den Bolschewismus" trug in solcher Weise seine ersten Früchte