Abg. Schiffer( Dem.): Wenn durch unsere Haltung die Bil­dung der Regierung verzögert worden ist, so ist das nicht unsere Schuld. Gerade wir Demokraten schlagen die Brücke zwischen den beiden Boltsteilen, die auseinander zu flattern drohen. Die Mitarbeit der Deutschnationalen haben wir nicht als im Interesse des Vaterlandes betrachten tönnen.( Lebhaftes hört, hört rechts.) Das Programm des Reichskanzlers begrüßen wir. Die große Zahl von Einzelheiten, die es enthielt, bürgt uns dafür, daß man sich über alle diese Fragen im Kabinett ge­einigt hat und daß das Kabinett daher von Dauer sein tann. Der Friedensvertrag leidet an dem inneren Widerspruch, daß er gleichzeitig uns niederwirft und aus uns Rugen ziehen will. Die dringend notwendige Revision des Friedensvertrages tönnen wir nicht erhoffen von einer sozialistischen Internatio­nale, sondern von der Internationale des wachsenden Elends der ganzen Welt. Wir werden in Spaa nicht bramabasieren und in­trigieren, sondern bis zum äußersten und letzten loyal und offen sein.( Beifall.) Wird diese Sprache nicht gehört, dann müssen wir, wie schlimm die Folgen auch sein tönnen, ein Rein sa= gen( Lebhafter Beifall), denn das Schlimmste wäre, jetzt etwas zu verfprechen, was wir nicht halten können.

Abg. Dr. Helm( Bayer. Vp.): Das erste, um einen verlod­derten Betrieb wieder in die Höhe zu bringen ist Stabilität und Ordnung. ( 3uruf der U. Soz.: Und Bayern ?) Lassen Sie uns für uns selber sorgen. Wir haben und wollen in Bayern einen Bürger und Arbeiterstaat ohne Klassengegensäge.( Leb­haftes Bravo!) Frankreich soll wissen, daß das deutsche Bolt in seiner übergroßen Mehrheit jeden Militarismus vollkommen ablehnt. Aber mit dem Verlangen, unser Heer auf 100 000 Mann zu reduzieren, zerstört Frankreich die erste Voraussetzung unferes Wiederaufbaues, die Ordnung. Die 3wangswirtschaft ift im heutigen Stadium unentbehrlich. Die wahnsinnige Preis­Steigerung auf allen Gebieten tann nicht so weitergehen. Daß der Preisabbau einsehen muß, darüber ist sich jeder flar. Jah habe nichts dagegen, wenn er bei der Landwirtschaft einsetzt. Dazu ist es aber unter allen Umständen notwendig, daß die in der Landwirtschaft notwendigen Produkte, die Düngemittel im besonderen, stabilisiert werden. Stabilisiert muß auch werden der Gewinn jeder Art.( Lebhaftes Bravo!) Ich sage hier offen, daß die Regierung jezt in das genaue Gegenteil der Kriegszeit gefallen ist und jekt zu hohe Höchstpreise festsetzt. Go haben die bayerischen Bauern erst jüngst wieder erklärt, daß ste eine Serabfegung des Weizenpreises und des Kartoffelpreises für möglich halten.( Sehr rich­tig! lints.) Auch die Steuergesetzgebung muß darauf ent­sprechend Rücksicht nehmen, so ist z. B. das steuerfreie Existenz­minimum des Einkommens heute längst nicht mehr richtig. ( Sehr richtig!)

Präsident Lo e be teilt mit, daß die Unabhängigen ein Mig­trauensvotum gegen die neue Regierung beantragen.

Das Haus vertagt sich.

Donnerstag 1 Uhr: Not- Etat, Anträge, Fortsetzung der De batte über die Regierungserklärung.

Borläufiger Reichswirtschaftsrat

1. Sigung, Mittwoch, den 30. Juni 1920 Am Regierungstische: Reichstanzler Fehrenbach und die Mi­nister Koch und Scholz, ferner Reichstagspräsident Löbe.

Kommerzienrat Bamberg eröffnet als Alterspräsident die Sigung pünktlich 3 Uhr; zu Schriftführern werden berufen: Sepp, Aufhäuser, Böslein und Georg Bernhard .

Reichstanzler Fehrenbach begrüßt den vorläufigen Reichs­wirtschaftsrat namens der Reichsregierung in einer längeren Ansprache, in der er den vorläufigen Reichswirtschaftsrat als ein wichtiges Glied zur Verwirklichung der Gleichberechtigung aller in der Wirtschaft tätigen Kräfte bezeichnete. Der Reichs= wirtschaftsrat müsse sich bewußt sein, daß der wirtschaftliche Fort­schritt heute weniger Sache, des einzelnen sei, und daß es not wendig sei, daß der Einzelne lerne, sich den Interessen des Gan­gen einzufügen.

Danach nimmt der Reichswirtschaftsrat den Entwurf einer Geschäftsordnung an. Es folgt die

Wahl des Präsidiums.

Die Arbeitgeber schlagen Edler von Braun , Unterstaatssekretär a. D., Borstandsmitglied des Reichsausschusses der Deutschen Landwirtschaft, vor. Die Wahl erfolgt unter Ramensaufruf durch Abgabe von Zetteln. Es wurden 296 Stimmzettel abge= geben, davon waren 63 unbeschrieben, 228 lauteten auf den Namen von Braun. Unterstaatssekretär von Braun war damit gewählt,

Der Borsigende übernahm darauf die Leitung der Versamm­Iung mit einer furzen Ansprache. Zum ersten stellvertre jenden Vorsigenben wird dann als Vertreter der Ar­beitnehmer der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Les gin mit 243 Stimmen bei 42 Enthaltungen gewählt. Durch Zu­ruf werden noch 7 weitere stellvertretende Borsigende aus den enzenen Gruppen gewählt, und zwar Otto Urban- Eich­walde, Friedrich Baltrusch - Berlin , Generaldirektor Dr. Bögler Dortmund, Direttor Salomonsohn- Berlin , Re­gie angsrat Lehmann Berlin, Geheimrat von Rieppel. Nürnberg , Oberbürgermeister miglaff- Berlin .

Ferner wurden 9 Schriftführer gewählt, und zwar Obermeister Hansen Hamburg, Generaldirettor Mussow­Berlin, Regierungsrat Dr. Meyer- Berlin , Adolf Cohen­Berlin, Georg Schmidt- Copenid, Franz Neustadt­Berlin und Professor Dr. Schmalenbach- Köln.

Es wurde dann ein

wirtschaftspolitischer Ausschuß

gebildet, bem 30 Mitglieder angehören, u. a. Dr. Röside, Sugo Stinnes, Rudolf Wiffell, Adolf Cohen, Abg. Sue, Abg. Dr. Frenzel, Abg. Keinath, August Mül­Ter, Georg Bernhard.

Weiter wurde ein sozialpolitischer Ausschuß mit 30 Mitglie­bern, ein Geschäftsordnungsausschuß mit 12 Mitgliedern und ein Wahlprüfungsausschuß mit 4 Mitgliedern eingelegt.

Darauf teilt der Vorsitzende von Braun mit, daß der wirt. schaftspolitische Ausschuß wegen der

Entsendung von Vertretern nach Spaa fich möglichst bald tonstituieren muß. Auf Vorschlag Bern­hard beschließt die Versammlung, daß sämtliche Ausschüsse gleich nach Schluß der Sigung zusammentreten.

Eingegangen ist ein Antrag Wissel, nach dem die Schlie zung von Betrieben mit polfswirtschaftlichen und sozialen Schäben so schwerwiegender Art verbunden ist, daß es unum gänglich geboten erscheint, den Ursachen dieser Erscheinung nach­zugeben; deshalb möge der wirtschaftspolitische Ausschuß in eine fofortige Prüfung der Frage eintreten und dem Reichswirtschaftsrat Borschläge zur Beschlußfassung unter­

breiten.

Der Antrag wird dem wirtschaftspoltischen Ausschuß über­wiesen. Damit ist die Tagesordnung erledigt. Nächste Sizung Donnerstag 11 Uhr: Antrag Wissell; ferner Beratung über einen Ausfuhrabgabenausschuß, der den bestehenden Aus Schuß beim Reichswirtschaftsrat ersetzen soll, und über einen Be triebsräteausschuß, der anstelle einer ähnlichen Einrichtung beim Wirtschaftsministerium treten soll.

Aus der Parteipresse

Doppelheft Nr. 23-24 der Wochenschrift Der Arbeiterrat" ist erschienen. Aus dem Inhalt: U. S. P. und Rätebewegung, von Mar Sievers; Tagung der mitteldeutschen Betriebsräte; Wirt schaftslage und Betriebsräte, von Wilhelm Koenen ; Preissteige rung Arbeitsgemeinschaft- Sozialisierung; Notizen aus dem Wirtschatfsleben, von Bruno Asch ; Der österreichische Räteton­greß, von Dr. Käthe Bid- Wien ; Die legte Streitbewegung in Frankreich ; Die neue Jrredenta; Mitteilungen und Winte für die Betriebsräte. Der Arbeiterrat" ist zu beziehen durch jedes Bostamt, durch alle Freiheit"-Speditionen, die Buchhandlung der Freiheit, Breite Str. 8-9 oder direkt vom Berlag Der Arbeiterrat", Berlin C. 25, Münzstraße 24.

Gewerkschaftliches

" Ehrliche Demokraten"

Die zünftigen Gewerkschaftler der alten Schule rühmen sich besonders ihres trenen Bekenntnisses zur Demokratie. Doch die Demokratie ist nur so lange ein gutes Ding, wie man fie von anderen erwartet. Wenn man sich selbst einem Mehrheitsbeschluß fügen soll, bann- ja, Bauer, das ist etwas anderes! Ein Beispiel. Der Verbandstag der Bauarbeiter, der dieses Jahr in Karlsruhe tagte, hat mit großer Mehrheit beschlossen, daß der Bauarbeiter­berband aus der Arbeitsgemeinschaft austreten soll. Das past einigen Anhängern der Arbeitsgemeinschaften nicht, und nun ist ihnen der Karlsruher Beschluß nur noch ein Feßen Papier .

Am Sonntag, den 20. Junt, tagte in Gelsenkirchen der Bezirks­tag für den Bezirk Dortmund . Auf demselben wurde der Beschluß gefaßt, fich nicht an den Verbandsbeschluß zu halten und für den Bezirk Dortmund in der Arbeitsgemeinschaft zu bleiben -unter ber lendenlahmen Begründung, daß, wenn der Beschluß bes Verbandstages aufrechterhalten werde, bie Bauarbeiter feine Bertreter im Steblungsverband bekommen. So wie im Bezirk Dortmund , wird man auch versuchen, in anderen Bezirken und Ver einen unter nichtigen Gründen den Beschluß des Verbandstages illusortsch zu machen.

Ach ja, die Arbeitsgemeinschaften haben so einige fleine Schön­hetten, die aussehen, als ob bie Arbeiterschaft dadurch Vorteile hätte. Röder tann man sie auch nennen, und verschiedene über­schlaue Gewerkschaftler beißen auch darauf an. Die Mitglieder haben aber erkennen gelernt, daß sie mit diesen gewerkschaftlichen Methoden nicht welt tommen und werfen fie deshalb jest fast in allen Verbanden über Bord. Wenn trotzdem von hinten herum noch versucht wird, den Willen der Mitglieder zu vergewaltigen, bann kennzeichnet das die Henchelet der Demokraten ", und es tft notwendig, daß fie faltgestellt werden.

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Zugeständnisse an die Straßenbahner

Der Aufsichtsrat der Großen Berliner Straßenbahn trat gestern abend zu einer außerordentlichen Sigung zusammen, um zu den Forderungen der Straßenbahner Stellung zu nehmen. Nach eingehender Besprechung über die Lage des Unternehmens erhielten die Vertreter der Arbeiter Gelegenheit, die Forderun gen vor dem Aufsichtsrat darzulegen. Sie taten in das sach­licher, aber entschiedener Weise und wiesen auf den Ernst der Lage hin, wenn Ablehnung erfolge. Der Aufsichtsrat prüfte die Sachlage nach allen Richtungen und machte schließlich die fol­genden Zugeständnisse:

Die bisherigen Lohnsäge bleiben bestehen. Dazu wird die Familienzulage der Stadt Berlin hinzugewährt.

Diese beträgt für Jugendliche unter 18 Jahre 65 M., für Ledige über 18 Jahre 100 M., für Verheiratete 150 M. und für jedes zu ernährende Kind unter 16 Jahre 40 M.( Für Klei­bung wird ein monatlicher Abzug von 25 M. gemacht.

Sollten bei der Stadt Berlin niedrigere Säße festgelegt werden, so wird der Zuviel erfolgte Abzug zurüfgezahlt..

Die Urlaubsfrage wird dahin geregelt, daß die Hälfte des bei der Stadt Berlin gewährten Mehrurlaubes zugestanden wird."

Diese Zugeständnisse bleiben hinter den Wünschen nach ver­schiedenen Richtungen zurück, bedeuten aber immerhin nicht un­hebliches Entgegentommen. Der Aufsichtsrat glaubte nicht wei­ter gehen zu können. Insbesondere tönne er nicht Verpflichtun­gen für die Zukunft eingehen, deren Wirkungen er nicht vor­aussehen tönne. Die Straßenbahner werden heute nachmittag ihre endgültige Entschließung fassen.

Die Lohnbewegungen im Tiefbaugewerbe

Eine Versammlung der im Tiefbaugewerbe beschäftigten 3immerer und Bauarbeiter nahm am Sonntag Stellung zu den Berhandlungen im Tiefbaugewerbe. Tornow vom Bau­arbeiterverband und Benada vom Zimmererverband schilder­ten die Situation. Nachdem durch Schiedsspruch vom 4. d. Mts. den Zimmerern und den Bauarbeitern im Hochbaugewerbe ein neuer Stundenlohn, rüdwirkend vom 29. Mai, zu zahlen, verein­bart ist, weigern sich die Unternehmer, diese neue Erhöhung des Stundenlohnes anzuerkennen. Die Verhandlungen mit den Ar­beitgebern des Tiefbaugewerbes am 19. Juni verliefen ergeb nislos. Die zweite freie Berhandlung im Reichsarbeitsministe­rium scheiterte gleichfalls. Es wurden nun aus beiden Bar­teien heraus ein unparteiisches Schiedsgericht zusammengesett unter einem unparteiischen Borstzenden, Herrn Geheimen Regies rungsrat Wulf. Herr Wulf schlug einen Lohnzuschlag von 50 Pfennig pro Stunde vor. Die unparteiischen Beisiger von Unter­nehmerseite wollten jedoch die 40 Pfennig der zentralen Verein. barung hierbei mit eingerechnet haben, was aber von den Ar beitgeberbeisigern abgelehnt werden mußte. So tam tein Schiedsspruch zustande.

Da nun tein Verhandlungsweg mehr offen steht, werden die Zimmerer und Tiefbauarbeiter durch das Berhalten der Unter­nehmer zum Kampf gezwungen und alle Verantwortung ruht somit auf den Unternehmern. Es wurde von der Versammlung beschlossen, am Montag, den 29. Juni, überall da, wo sich die Un­ternehmer durch nochmaliges Verhandeln auf der Baustelle dazu nicht bereit erklären, auch im Tiefbaugewerbe den Lohn des Hochbaugewerbes zu zahlen, die Arbeit einzustellen set. Deutscher Bauarbeiterverband.

3weigverein Berlin , Sektion für das Tiefbaugewerbe. Zentralverband der Zimmerer Deutschlands . Zahlstelle Berlin und Umgegend. Verband der Heizer und Maschinisten.

Achtung, Zimmerer!

Wir ersuchen hiermit alle Kameraden, an der heute Abend 5 Uhr im Zirtus Busch und der Parallelversammlung im Luft garten stattfindenden Demonstrationsversammlung teilzunehmen. Diese Versammlung ist von allen Organisationen des Baugewer bes einberufen, deshalb darf auch hierbei kein Zimmerer fehlen. Zentralverband der Zimmerer Deutschlands , Zahlstelle Berlin und Umgegend.

Der Greit im Kraftwerk Golpa. Der Streit im Kraftwerk Golpa bei Bitterfeld dauert fort, da die gestern nachmittag zwischen der Direktion und den Arbeitern geführten Verhand­lungen zu feinem Resultat geführt haben. Die Lage ist ernst, da auf der einen Seite die Berliner Elektrizitätswerte auf die Dauer den Strombedarf Groß- Berlins nicht zu beden vermögen und die Arbeiter der Berliner Werte sich dem Streit der Bitter­ felder Arbeiter anschließen wollen. In der letzten Nacht find Bersammlungen abgehalten worden, in denen man zu dem Ent­schluß tam, der Direktion ein befristetes Ultimatum zu stellen. Falls die Verhandlungen in Bitterfeld nicht bis zum Donners tag erledigt sind, soll der Streit in Berlin beginnen. Die Di­reftion der Berliner Elektrizitätswerte und der Magistrat haben infolgedessen das Arbeitsministerium ersucht, einzugreifen, um schwere, wirtschaftliche Schäden, welche eine Stromunterbrechung bem gesamten Verkehr und der Industrie bringen würde, zu verhüten. Das Arbeitsministerium hat deshalb zu gestern mittag eine Sigung anberaumi, an welcher die Direktoren der Bitterfelder Werte, die heute morgen hier eingetroffen sind, so­wie die Vertreter der Bitterfelder Arbeiter teilnehmen. Die Berliner Elektrizitätsarbeiter hatten im Laufe des Tages eine Besprechung mit Vertretern der Stadt.

Beamtenkundgebung für einheitliche Besoldung in Berlin . Am Dienstag abend fand in den Sophien- Sälen eine vom Orts­fartell Berlin des Deutschen Beamtenbundes einberufene öffent­liche Beamtenversammlung statt. Ueber bie neue Stadtgemeinde Berlin referierte Stadtsekretär Hanumann, der den Aufbau bes durch Gefeh neugeschaffenen Einheitsberlin schilderte. Für die Rommunalbeamten liege alles ziemlich llar, da der Schwerpunkt der Berwaltung zweifellos beim Magistrat und beim Stadtparlament sein werde, während 20 Beşirtsämter mit ihren Bezirksver­fammlungen nur untergeordnete Faktoren darstellen. Der Umbau ber Verwaltung, der durch die Zusammenfassung von 8 Städten,

59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken auf einem Areal von 877 Quadratkilometern, werde sich schwierig und langwierig ges stalten. Von den Staatsbehörden werde vorher lediglich die Bolizei zentral und einheitlich organisiert. Der Gesetzgeber, in diesem Falle die Landesversammlung, fet sich darüber klar ges wesen, daß nur Einheitlichkeit des Verwaltungsapparates auch eine Einheitlichkeit der Beamtenftellung zur Folge haben müsse. Lehrer Tsch entscher- Schöneberg referierte über die unters schiedliche Ortstlaffeneinteilung der Beamten. Während in den größeren Städten die Reichs- und Staatsbeamten und die Lehrer in die Ortsklasse A befoldet werden, seien die Beamten in den fleineren Gemeinden in die Klassen B, C und sogar D eingereiht. Es sei eine Selbstverständlichkeit, daß alle Beamten und Lehrer im neuen Berlin einheitlich in der Ortstlaffe A zu besolden sind. Sie leben in einem einheitlichen Wirtschafts- und Leuerungsbezirke und haben daher Anspruch auf einheitliche Besoldung. Für die Kommunalbeamten set dte Einheitlichkeit geschaffen, fie müsse auch für die Lehrer, Reichs- und Staatsbeamten durchgeführt werden. Nach einer furzen Aussprache wurde folgende Entschließung an genommen: Die am 29. Juni in den Sophien- Sälen tagende Bersammlung des Kartells Groß- Berlins des Deutschen Beamten bundes ist der unerschütterlichen Ansicht, daß alle Reichs- und Staatsbeamten, deren Dienststellen sich in der neugeschaffenen. Einheitsgemeinde Berlins befinden, Anspruch auf die Ortszulage A ihres Dienstgrades haben. Sie erwartet von den Regierungen, daß sie das Diensteinkommen der Beamten dementsprechend durcha fetzen."

Achtung, Aw.- Süd- Spandau , Gewert Lu. 1. und 2. Sonns tag, 4. Juli, vorm. 10 Uhr, Versammlung bei Medlenburg, Ra veneestraße 6. Erscheinen ist unbedingt erforderlich.

Die Delegierten der Liste 10 im Zentralverband der Anges stellten treffen sich am Sonntag, den 4. Juli, vormittags pünktlich 9.30 Uhr in den Sophien- Sälen, Berlin , Sophiens straße 17-18, zu einer Besprechung.

Groß- Berlin

Vom Schiffbauerdamm nach der Breite Straße Gestern nachmittag haben wir Abschied genommen vom Schiffbauerdamm, der Geburtsstätte der Freiheit".

Als hier am 13. November die erste Nummer der " Freiheit" erschien, atmeten unsere Genossen erleichtert auf. Seitdem im November 1916 ihnen der Borwärts", ihr Blatt, für das sie Opfer über Opfer gebracht hatten, ges raubt war, waren sie ohne Blatt. Unser wöchentlich nur einmal erscheinendes Mitteilungsblatt" fonnte einem Großstadtarbeiter nur einen dürftigen Ersatz bieten. Das Oberkommando in den Marken als allmächtige Behörde arbeitete mit dem Parteivorstand der Rechtssozialisten Hand in Hand, entriß unseren Genossen nicht nur ihr Blatt und ihr Eigentum, sondern verhinderte auch das Erscheinen eines eigenen Blattes. Erst die Novemberrevolution fegte die alten Mächte hinweg. Die Bahn war frei. Ohne Vers zug gingen wir an die Gründung unseres Blattes, Freis heit war sein Name. Am Schiffbauerdamm 19 fanden wir eine Druckerei und Redaktion und Geschäftsleitung ein Unterkommen. Mit kleinen Mitteln, fast ohne Geld, aber mit desto mehr Mut und Entschlossenheit, gingen wir ans Wert. Die ersten Wochen mußte die Redaktion eng on einandergepfercht die Gastfreundschaft der Geschäftsleitung der Lindenbruderei in Anspruch nehmen. Die größten Schwierigkeiten bereitete die Organisation des Speditionss wesens. Aber mit Hilfe unserer Parteigenossen wurden die Schwierigkeiten gelöst und mit ihrer Rücksichtnahme und Geduld. In nie geahnter Weise entwidelte sich unser Blatt, wie es in der Zeitungswelt wohl einzig dastehen dürfte. Die Auflage stieg von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, so daß die Geschäftsleitung zeitweise die Annahme neuer Abonnements ablehnen mußte. Dem Aufstieg folgte auch ein Abstieg, wie er in allen Zeitungen in die Ers scheinung trat. Immer aber litten wir unter der Papiers not. Sie war chronisch und ließ viele Wünsche, die wir und unsere Leser auf weitere Ausgestaltung hatten, un erfüllt. Trotz aller Schwierigkeiten haben wir uns am Schifbauerdamm beholfen, so gut die Verhältnisse uns das gestatteten. Verbote, Rostebesuche, zeitweilige Schließung ber Redaktion bildeten eine kleine Abwechslung in der hastigen Zeitungsarbeit.

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Nun ist unsere Zeit in der alten Heimstätte abgelaufen. Manche Erinnerungen lassen wir hinter uns. Die Zeit ers fordert, daß wir vorangegehen. In der Breite Straße, wohin die Redaktionsräume mit dem gestrigen Tag verlegt find, erwartet uns neue Arbeit. Die großen sozialen und politischen Kämpfe bedürfen der verschiedensten Mittel, Unser Blatt ist ein solches. Es soll auch in der Breite Straße Scharf und wuchtig sein. Mit Hilfe unserer Genossen werden wir auch hier nach Kräften helfen, unsere Waffe als Ins strument des Klassenkampfes schneidig zu gebrauchen.

Schuhwucher

Als die Leberprelse ständig anftiegen, wurden auch die Preise für Schuhreparaturen fortgesezt in die Höhe geschraubt. Das Publikum nahm Stellung gegen die Schuhmachermeister und beschuldigte sie des Wuchers. Daraufhin erschienen in der Oeffentlichkeit Rechts fertigungsversuche ber Schuhmachermeister, in denen fie fich gegen bie Anschuldigungen verwahrten und rechnerisch nachwiesen, daß sie unter Berücksichtigung der Materialpreise und der gestiegenren Arbeits löhne unter Hinzurechnung eines ihnen behördlich zugestandenen Buschlags von 38, Prozent als Geschäftsuntosten und außerdem noch 10 bis 15 Prozent Geschäftsgewinn dte bemängelten Preise zu nehmen berechtigt seien. Trobem uns ein Unkostenzuschlag von 881, Prozent, der infolge der hohen Lederpreise ein ungewöhnlich hoher werden mußte, nicht gerechtfertigt erschien, schenkten wir damals ben Versicherungen der Schuhmachermeister Glauben.

Jetzt ist aber das Leber bedeutend im Preise heruntergegangen, aber bte Schuhreparaturen find bet vtelen Schuhmachern noch nicht viel billiger geworden. Ein Beispiel, wie wenig geneigt die Ges schäftsleute sind, der Preissenkung ebenso schnell zu folgen wie einer Preissteigerung, zeigt uns nachstehende an uns gerichtete Buschrift: Kürzlich ließ ich bet dem Schuhmachermeister Otto Scheffler, Bromberger Straße 5, ein Paar Schuhe besohlen( nageln). Da ich den mir genannten summarischen Preis im Berhältnis zu den ge funtenen Bederpreisen sehr hoch fand, stellte mir Sch. folgende Rechnung aus:

220 Gramm Leder für Sohlen und Absätze 37,00 M. 81, Stb. Arbeitslohn à 6,00 m. Nägel

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21,00 M. 1,50 M. Ca. 59,50 M.

Wie mir auf meine Anfrage in zwet hiesigen Beberhandlungen mit­geteilt wurde, foftet bestes Sohlenleber 8. 8t. 90 Mart per Silogramm also bie 220 Gramm würden nicht 37,00 M., fondern 19,80 Mart foften, außerdem wurde mir bon Fachleuten erflärt, daß ein Baar Sohlen und Abfäge aufnageln höchstens 2 Stb. banert; ob für 1,50 M. Nägel bafür verbraucht wurden, lasse ich ebenfalls dahin gestellt. Ich habe mich noch am selben Tage in bret anderen Werk ftätten erkundigt; hier wurde mir der Preis für Herrensohlen mit Abfäßen, genagelt, mit 82,00 bis 34,00 M. angegeben.

Woher Herr Sch. ba bte Berechtigung nimmt, mir faft das Dop pelte abzuberlangen, tft mir nicht flar. Beim Steigen der Lebers preise hat sich bte Schuhmacher- Junung stets beeilt, zeitgemäße Richt pretfe festzusehen; settbem die Lederpreise ebenso rapid fallen, hat