Nr. 258

Der Mordprozeß Blau

Siebenter Verhandlungstag.

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Zu Beginn der gestrigen Verhandlung wird die Vernehmung des Lodspiels Toifl fortgesetzt. Die Verteidigung richtet viele Fragen an diesen Zeugen. R.-A. Weinberg: Der Beuge Toifl hat uns gestern eine große Geschichte erzählt von tommunistischen Bereidigungen, denen er beigewohnt hat. Ich möchte den Zeugen fragen, ob er selbst die Formeln zu diesen Eidesleistungen mit der Schreibmaschine geschrieben und 15 bis 20 Exemplare an Kommunisten verteilt hat. 3euge: Nein. Wenn ich etwas dazu getan habe, dann habe ich es nur auf Be= fehl von Jaschet getan. R.-A. Weinberg: Haben Sie nicht selbst auf solche Eidesformeln schwören laffen? 3euge: Nein. Bors: Diese Frage hat doch mit der Ermordung des Blau so gut wie nichts zu tun. R.-A. Weinberg: Ich stelle diese Frage, um zu beweisen, daß die angebliche tommunistische Mörderzentrale weiter nichts ist als eine Ausgeburt der Spigelphantasie des Toifl. Der Zeuge gibt darauf­hin die Möglichkeit zu, daß er gelegentlich die Ableistung eines derartigen Eides gefordert hat. R.-A. Weinberg: Hat der Zeuge versucht, den Roten Soldatenbund wieder neu zu grün­den, nachdem diefer aufgelöst war? 3euge: Nein. R.-A. Weinberg: Aber vielleicht haben Sie dabei mitgewirkt? 3euge: Das ist möglich. R.-A. Weinberg: Haben Sie je­mals zu terroristischen Gewaltatten, Mordtaten, Plünderungen usw. aufgefordert? 3euge: Nein. R.-A. Weinberg: Haben Sie dazu aufgefordert, die Polizeiagentin Schröder= Mahnte zu ermorden? Staatsanw.: Jah bitte, Sarauf auf­merksam zu machen, daß der Zeuge über derartige Fragen die Aussage verweigern fann. R.-A. Liebknecht: Statt daß der Herr Staatsanwalt als berufener Hüter der Ordnung zu­frieden ist, wenn an Gerichtsstelle derartige Kapitalverbrechen aufgedeckt werden, versucht er, die Beantwortung dahingehender Fragen zu verhindern. Der Vorsitzende rügt diese Ausfüh­rung. Staatsanwalt: Es ist meine Pflicht, den Zeugen in Schutz zu nehmen, wenner von der Verteidigung ter rorisiert wird. Auf den lebhaften Proteft der Verteidiger sucht der Vorsitzende die Prozeßführung ihm allein zu überlassen, er werde die Zeugen schon zu schüßen wissen. Er habe allerdings noch nicht bemerkt, daß die Verteidigung den Zeugen Toifl ter­rorisiert hätte.

Toifl verweigert die Aussage.

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Nach Wiederholung der Frage erklärt Toifl, daß er nicht dazu aufgefordert habe, die Schröder- Mahnke zu ermorden. R.-A. Weinberg: Sat der Zeuge innerhalb der kommunistischen Partei versucht, eine sogenannte militärpolizeiliche Abteilung zu gründen? Der Zeuge bestreitet das, gibt das aber nach einigen Vorhaltungen zu. R.-A. Weinberg: Saben Sie dazu aufgefordert, Drudereien zu überfallen und dann das Personal unter Vorhalten von Waffen dazu zu zwingen, für die kommunistische Partei Flugblätter zu drucken, deren Tert Sie lieferten? 3euge: Ich habe einen solchen Befehl nicht erteilt. Bert.: Aber vielleicht weitergegeben? 3euge: Das ist möglich. R.-A. Weinberg: Hat der Zeuge derartige Auf­träge von seinem Vorgesetzten, vielleicht dem Oberleutnant Graf Westarp , oder dem Hauptmann von Ledebur, erhalten? 3euge: Darüber verweigere ich die Aussage. R.-A. Weinberg: Haben Sie eine Liste aufgestellt, mit Namen von Spizeln, die ers mordet werden sollten? 3euge: Nein. R.-A. Weinberg: Haben Sie in Gemeinschaft mit anderen Raubzüge unternommen und dazu Uniformen der Reichswehr, Stahlhelme und Waffen geliefert? 3euge: Darüber verweigere ich die Aussage.- Bors: Wenn sich diese Frage auf den Fall Orlowski bezieht, so lasse ich diese nicht zu, da dieses Verfahren ja mit der Ver­urteilung von Fichtmann erledigt ist. R.-A. Liebknecht: Ja. Fichtmann ist verurteilt, aber dieser Herr Toift, der An­führer der Gruppe, ist noch nicht verurteilt. Vorf.: 3euge, be­antworten Sie also die Frage. Sie haben ein Recht der Ver­weigerung der Aussage nur, wenn Sie sich damit einer strafbaren Handlung bezichtigen. 3euge: Ich verweigere über diese Frage, sowie über alle Fragen, die sich auf den Fall Orlowski be ziehen, die Ausjage.- R.-A. Weinberg: Haben Sie für die Aufträge, die Sie von Ledebur oder Graf Westarp erhalten ha­ben, Geld bekommen? Staatsanw.: Der Zeuge tann auch darüber die Aussage verweigern. Der Zeuge verweigert auch darüber die Aussage, ob es ihm seine vorgesetzte Behörde ges stattet hat, das geraubte Geld zu behalten. Auf die Frage, ob er von einem Kaufmann Grabant und durch dessen Vermittlung von Graf Westarp Aufträge oder Anregungen erhalten hat, ver­weigert er wiederum die Aussage. Bor: Meinen Sie, daß Sie sich durch die Beantwortung einer strafbaren Handlung be zichtigen. 3euge Toifl: Das glaube ich. R.-A. Wein­berg: Das genügt mir.

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Was das Wohl des Staates erfordert.

Der Kriminalfommissar Maslat gab sodann be fannt, daß seine vorgesetzte Behörde es ihm nicht gestattet habe, die Frage der Verteidigung, ob bei der Polizei die Agenten und Spigel nicht mit Namen, sondern nur mit der Nummer bekannt find, zu beantworten. Begründend wird gesagt, daß es dem

3]

Die

ein

wütend

Die schwere Stunde

Roman

Don

Victor Panin

Im Kabinett, wohin ich lautlos, wie ein Dieb geschlichen bin, öffne ich hastig das Fenster und atme gierig frische Luft der Herbstnacht ein. Es bläst starfer Nordwind, der Don Zeit zu Zeit den nicht befestigten Fensterladen zu= schlägt. Draußen herrscht eine undurchdringliche Finster­nis, ich fann nichts unterscheiden, es brennen kaum ein paar Laternen auf der Straße. Die wunderlichen Silhouetten ber in Dunkel gehüllten Häuser erscheinen geheimnisvoll und nächtlich rätselhaft. Und der Himmel über ihnen, das Dunkel der Erde widerspiegelnd, bedeckt sich mit dichten, schwarzen Wolken, und die beiden mächtigen Dunkelheiten verwischen sich vereinigend die Grenze zwischen Himmel und

Erde.

Wie ist dies alles doch unerfreulich! Ich fühle sogar ins der Natur ringsum eine besondere Feindseligkeit dem Men­schen gegenüber... oder ist es meine eigene Erfindung? Sollte es bloß die Schöpfung meiner erregten Phantasie sein? Ich weiß es nicht.

Nachdem ich das Fenster geschlossen, setze ich mich an den Schreibtisch. Rechts steht eine Etagere, die nur mit meinen eigenen Werfen gefüllt ist.. ihrer sind gerade zwölf. Jedes Mal, wenn ich das erste Exemplar vom Verleger erhielt, ließ ich dasselbe in einen Prachteinband binden; das war das Geschent, das ich mir selber machte. Immer blidte ich mit Stolz auf diese Reihe von Büchern, wobei ich nur mir selbst diese Schwäche eingestand. Aber jetzt machen sie mir feine besondere Freude, und wie fomisch es auch scheinen mag, dünkt es mich, als hätten auch diese Bücher. sich verän­dert, als blickten sie mich mürrisch, ja feindselig an.

Ich strecke meine Hand aus, greife ohne hinzusehen, aufs Geratewohl nach einem Buch und öffne es ebenso blind­lings.

Bezaubert vom vollen Junimond liegt die Erde in Wonne getaucht, gleichsam von einem betäubenden Zauber

Beilage zur Freiheit"

Wohle des Staates widersprechen würde, wenn die Einrichtun­gen der Polizeiorgane öffentlich bekanntgegeben würden. Das Gericht beschließt hierauf die Ablehnung dieser Frage.

Es wird hierauf die Zeugin Frau Simanowski darüber vernommen, ob der Lockspizzel Toijl sie aufgefordert hat, die Schröder- Mahnte zu ermorden? Die 3eugin erzählt, daß Toifl in ihrem Bezirk Bezirksleiter der K. P. D. gewesen set. Erst habe sie ihn für einen großen Jdealisten gehalten. Nach­her habe sie aber feststellen müssen, daß er den Namen Teufel ver­dient. Er hat sich fortgesezt an die jungen Leute herangemacht, um sie in der Maste eines Genossen zu terroristischen Gewalt­alten zu verleiten. U. a. hätte sie gehört, daß er zu einigen jun­gen Leuten gesagt hätte, das Aas, die Schröder- Mahnte, sei Spizelin und müsse umgebracht werden. Bei einer anderen Ge­legenheit hat er auch zu einigen Genossen geäußert, Meyer und Faust müssen beseitigt werden. Bors.: Haben Sie gehört, daß Toift jemand aufgefordert hat, irgend jemand zu ermorden? 3eugin: Jawohl, es ist, wie ich es gesagt habe.

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Der Vorsitzende stellt hierauf den Lockspizzel Toifl dieser Zeugin und dem Zeugen Meyer gegenüber. Der Lodspigel Toifl be­hauptet, daß die Aussagen der Zeugen alles Lügen seien.

Die nächste Zeugin Frau Meyer befundet, daß Toifl ihr in Gegenwart ihres Mannes Ende Juli oder Anfang August vo­rigen Jahres erzählt habe, daß er mit noch einigen anderen am Moltenmarkt einen Mann festgenommen habe, auf Grund eines Nosteausweises. Er hätte zu diesem Zweckt sich und seine Komplicen mit Uniformen, Stahlhelmen der Reichswehr und Waffen ausgerüstet. Mit dem Opfer wären sie nach Friedrichshagen gefahren, dort hätten sie ihn ausgeraubt. Bei der Gelegenheit hat Toift auch geäußert, er hätte noch eine große Sache vor. Wenn das glücke, wäre ein großer Spitzel erledigt.

Toifl behauptet auch gegenüber dieser Zeugin, daß alles Lüge sei.

Die nächste Zeugin, die Frau des Toifl, gibt an, daß Frau Fichtmann nach der Berhaftung ihres Sohnes zu ihr geäußert hätte, daß sie sich aufhängen würde, wenn die Verhaftung wegen des Mordes Blau erfolgt wäre. Durch das Hinzukommen der Frau Simanowski hätte sie aber nichts mehr erfahren tönnen. R.-A. Weinberg: Was weiß die Zeugin vom Fall Orlowsti? Haben Sie vielleicht von Ihrem Manne Mitteilungen darüber erhalten. 3eugin: Darüber verweigere ich die Aussage.- R.-A. Weinberg: War Jhr Mann bei der antibolschemisti­schen Liga beschäftigt. 3eugin: Ich habe mich nicht um die Beschäftigung meines Mannes gefümmert. R.-A. Wein= berg: Bekommen Sie öfter den Besuch von einem Kaufmann Grabant? 3eugin: Darüber verweigere ich die Aussage.

Der nächste Zeuge, Kriminalkommissar Dr. Rie­mann macht noch einige Bekundungen über die Vernehmung des Zeugen Toifl. Bors.: Toifl, warum haben Sie denn bei Ihrer ersten Bernehmung Herrn Dr. Riemann nicht alle Einzelheiten, die Sie uns jest geschildert haben, mitgeteilt? Toifl: Ich hatte von meiner vorgesetzten Behörde nicht den Auftrag, Einzel­heiten über die Mordiat der Polizei mitzuteilen. Ich habe des­halb nur Hinweise gegeben. Bors.: Hatten Sie weiter gar teine Veranlassung? 3euge: Ja ,, ich befürchtete auch, wenn ich mehr aussage, daß dann mein Leben gefährdet sei. Zeuge Dr. Riemann: Ich glaube auch, daß Toifl aus Aengstlichkeit nähere Angaben unterlassen hat. R.-A. Liebknecht: Diese Begründung ist doch hinfällig, wenn man bedenkt, daß Toifl seine Mitteilungen anonym gemacht hat.

Eine Aengstlichkeit des Toifl.

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Die nächste Zeugin, die Mutter des Angeklagten Fichtmann, gibt an, daß ihr Sohn niemals nachts ausgeblie= ben sei; sie wisse deshalb auch genau, daß ihr Sohn in der frag­lichen Nacht zu Hause war. Der Vater des Fichtmann gibt nähere Einzelheiten über sein Verhältnis zu Toifl an. Loift hat fortgesetzt versucht, in seinem Betanntenkreise die jun­gen Leute zu terroristischen Gewaltakten aufzureizen.

Der Zeuge Lazarettdirettor Richter ist Leiter des Lazaretts, in dem Hoppe mehrere Monate untergebracht war. Er hebt hervor, daß er den Grundsägen der kommunistischen Partei nicht huldige. Da er in seinem Lazarett auf Ordnung gesehen habe, habe er sich sofort mit Hoppe persönlich in Verbindung ge= setzt, weil er hörte, daß er Kommunist sei. Er konnte damals so­fort feststellen, daß Hoppe ein guter, weicherziger Mens sei, der sehr schnell das Bertrauen seiner Kameraden gewann. Auch das Pflegepersonal wäre von Hoppe begeistert gewesen. Hoppe habe auf seine Kameraden einen günstigen Einfluß ausgeübt, er traue Hoppe nicht zu, daß er sich an einer Gewalttat beteiligt hat.

Zeuge Bischof war Vormund des Zeugen Toift und be­fundet, daß Toifi ihn niemals angelogen habe.

Nach der Mittagspause befundet der Zeuge Erwin Thun, daß Toifl in seiner Wohnung die militärpolizeiliche Abteilung gegründet habe. Bi dieser Gelegenheit habe er auch die Bereidigung der schwarzen Schar" vorgenommen. Toist hätte ihn auch aufgefordert, den Faust zu ermorden.

Der Zeuge Schmidt bekundet, daß er von Toist aufgefordert worden sei, Diebstähle auszuführen. Toift hat in einer

befangen. In der Ferne leuchtet das kleine Lichtlein des Nachtwächters und es scheint, als sei ein Stern vom Him­mel herabgeflogen und strahle dort, den Menschen den Weg erleuchtend. Nächtliche Stille herrscht ringsum, die wach­same Seele fühlt aber, daß diese Stille von Lauten er­füllt ist, von einem eigentümlich brodelnden Leben, voll Stimmen, Bewegungen, und es dünkt einem, als drehe sich alles dies in einer unfaßlichen, unermeßlichen Harmonie, als bewege es sich, als strebe es, und suche sehnlichst nach etwas.

Am Ufer des schlummernden, breiten Flusses erheben sich die dunklen Silhouetten der Bäume und Sträucher; von Zeit zu Zeit dringt ein leises Lüftchen durch das Laub und die Zweige, diesen einen leisen Seufzer oder ein Flüftern. entlockend. Dann stehen sie wieder regungslos in rätselhafte Mondscheinbeleuchtung gehüllt.

Dem Jüngling ist es schwül zumute, von dem Ueber­maß der ihn bestürmenden Gefühle; mit seiner ganzen Seele mit seinem ganzen Wesen ist er mit dieser Natur ver­schmolzen, er fühlt jeden kleinsten Pulsschlag derselben und es scheint ihm, als sei das Leben so vielseitig und grenzen­los, daß es über die menschliche Kraft gehe, es zu um­fassen. Er erhebt sich von der Bant, auf der er gesessen, und atmet mit geöffnetem Mund die frische Nachtluft ein und ist bereit, mit weit ausgebreiteten Armen die ganze Welt zu umfassen.

Gott , warum sendest du so selten dem Menschen Glück?" flüstert er. Weshalb fann er nicht ewig in dieser Ekstase leben, in diesem seligen Zustand der Begeisterung? Dann würde vielleicht die ganze Welt von Engeln bewohnt sein." Und in der Ferne vernimmt er neue Laute, so leise und doch gleichzeitig so flingende

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Jetzt lese ich dieses und lächle ironisch dabei; wozu habe ich auch allen diesen weitschweifigen, idiotischen Unsinn zu­sammengeschrieben? Jch zude die Achsel wie ein Mensch, der selbst nicht begreift, was er getan hat. Und doch ist es wahr, daß ich dies vor fünfzehn Jahren geschrieben und mich dabei an meinem eigenen Leben begeisterte, wie an meinen eigenen Handlungen.

Als ich die Elitase des Jünglings nach seinem ersten Kuß beschrieb, meinte ich mich selber damit und damals füßte ich

Sonnabend, 3. Juli 1920

Versammlung gesagt, daß Eigentum Diebstahl sei, die Genossen sollten sich deshalb teine moralischen Bedenken machen, sondern immer nehmen, was zu nehmen sei. Der Zeuge er­zählt dann weiter, daß Toist eines Tages mit einer Liste tam, auf der 20 Spigel verzeichnet waren, Toifl verlangte, daß diese alle nach und nach um die Ecke gebracht werden.

Der Zeuge Worms soll nach Angaben des Toift der bewußte " Franz" sein. Er wird nochmals vorgeführt und Toifl gegen übergestellt.

Der Angeklagte Soppe bestätigt, daß das nicht der Franz" sei, den er kennen gelernt habe.

R.-A. Weinberg stellt an Toif! die Frage, ob er im August v. J. in der Badstraße 4000 Mart beschlagnahmt und dafür eine Quittung ausgestellt habe. 3euge: Nein. R.-A. Weinberg: Sie können das auch unter Ihrem Eid aussagen. 3 enge: Wenn ich das getan hätte, dann hätte ich meine vorgesezte Behörde da= von in Kenntnis gesetzt. R.-A. Weinberg: Ich könnte den Beweis dafür antreten, würde mich aber, um den Prozeß nicht in die Länge zu ziehen, damit begnügen, wenn der Zeuge erklärt, er verweigere die Aussage, weil er befürchtet, sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht zu haben. 3euge Toift: Dann verweigere ich darüber die Aussage. R.-A. Weinberg: Das genügt uns. R.-A. Liebknecht: In welchem Bureau ist der Beuge Toifl gegenwärtig tätig? Zeuge verweigert die Aussage. R.-A. Liebknecht: Haben Sie für irgend eine Stelle oder Person eine provokatorische Tätigkeit innerhalb der K. B. D. aus­geübt? Toifl: Muß ich diese Frage beantworten? Nach Bes lehrung durch den Staatsanwalt verweigert er darüber die Auss jage. R.-A. Liebknecht verlangt Gerichtsbeschluß darüber, und gibt zur Begründung an, daß die Gefahr bestehe, daß diese Stelle, von der Toift die Aufträge zu all seinen Schändlichkeiten bekommen hat, auch den Auftrag zur Ermordung Blaus gegeben habe. Nach längerer Beratung verkündet der Vorsitzende, daß die Frage nicht zugelassen wird, da sie nicht zur Sache gehöre. ToifI wird hierauf vereidigt. Damit ist die Zeugenvernehmung vorläufig abgeschlossen.

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Die Sachverständigen- Gutachten.

Als erster Sachverständiger gibt Herr Dr. Kronfeld sein Gutachten ab. Dr. Kronfeld hat sich als Psychiater eingehend mit hypnotischen Fragen beschäftigt. Er macht weitgehende Aus­führungen über die Beobachtungen, die er bei mehrfachen Unter­suchungen bei dem Angeklagten Hoppe festgestellt hat. Er hätte eine zur Verblödung neigende Geistestrantheit nicht feststellen fönnen, so daß§ 51 des Str.-G.-B. nicht herangezogen werden fann, der völlige Unzurechnungsfähigkeit verlangt. Dagegen sei feststehend, daß die Veranlagung Hoppes die Vermutung zulasse, daß bei gesteigerter Suggestivität die Tätigkeit zur Ueberlegung ausgeschaltet wird. Man müsse mithin verminderte 3u= rechnungsfähigteit anerkennen, besonders wenn man be= dente, daß Hoppe unter dem Einfluß fremder Einwirkungen auf seine Handlungen teine feste Bestimmung darüber gehabt habe.

Betreffs des Angeklagten Fichtmann tommt der Sachverstän dige zu dem Schluß, daß diejer infolge erblicher Belastung in psychischer und physischer Beziehung, wenn auch nicht unzurech nungsfähig, so doch immerhin ein degenerierter Mensch sei.

Der nächste Sachverständige Dr. Lehnsen befundet, daß bei Fichtmann§ 51 nicht herangezogen werden könne, obwohl er dem Fichtmann eine gewisse Minderwertigkeit nicht abstreite. Bei dem Angeklagten Hoppe hält es der Sachverständige für angebracht, einen von Hoppe selbstgeschriebenen Lebenslauf zu verlesen. Da dieser stilistisch und fachlich sehr gut aufgebaut ist, zieht der Sach­verständige daraus den Schluß, daß Soppe ein sehr energischer Mann sei. Als alter Gefängnisarzt tönne er sich dem Gutachten Dr. Kronfelds nicht anschließen, daß ein hypnotisch leicht zu be einflussender Mensch auch sonst leicht zu beeinflussen sei. Er gebe zu, daß er in der modernen Literatur über hypnotische Fragen nicht bewandert sei, aber aus seiner Praxis wisse er, daß die Annahmen des Herrn Borgutachters nicht zutreffend seien. Er fönne nicht zugeben, daß im Fall Hoppe eine Willensbeschrän­fung vorliegen tann.

Die Verhandlung wird hierauf auf Sonnabend vor­mittags 9% Uhr vertag t.

Freie Welt

Neues Heft

Der Marburger Studentenmord Lenin über das Rätesystem Arbeiter- Büchertisch- Winke für die Hausfrau Heft 60 Pfennig

meine jezige Frau. Ha- ha- ha! Was für eine sinnlose Jronie des Schicksals! Was hat diese mit jener gemein­sam? Oder war es bloß eine Erfindung, ein Traum, eine freie Schöpfung der dichterischen Phantasie? Ganz mecha­nisch blättere ich einige Seiten weiter um und lese ebenso mechanisch:

,, Sie ist schlank gebaut; wenn sie geht, so muß ich jedes­mal an den Gang einer Gazelle denken. Der Ausdruck ihrer hellblauen Augen haftet oft zärtlich auf einem Men­schen, daß man unwillkürlich vor Freude lachen möchte"

Jch wende mich um und blicke auf das über meinem Schreibtisch hängende Porträt meiner Frau als junges Mädchen. Ja, es stimmt, dort schaut mich ein stolzes, selbstbewußtes junges Mädchen an; sie ist, was man so gewöhnlich ein hübsches Mädchen zu nennen pflegt. Ihre vollen Wangen und Lippen sind leicht geschwellt, als halte sie kaum das Lachen zurüd, als sei sie bereit, sofort aus­zuplagen und schallend loszulachen, ihr hübsches Köpfchen auf dem schlanken Halse ein wenig zurückbeugend.

,, Aber, wo ist sie hin?" frage ich mich selbst, der ganzen Sinnlosigkeit meiner Frage vollkommen bewußt. Sollte wirklich diese dice, in Fett schwimmende Frau, mit den vollen herabhängenden Brüsten, die sich mir heute mit einem so unverhüllten Zynismus hinzugeben bereit war, dasselbe junge Mädchen sein?"

Verwundert schüttle ich den Kopf, wie ein Mensch, der zum ersten Male eine einfache Wahrheit erkennt, mit der er schon jahrelang, jahrzehntelang gelebt hatte.

Und jetzt mundere ich mich noch über eines: wie, habe ich früher diese Umwandlung nicht bemerkt? Oder habe ich fie gemerkt, ohne ihr jedoch Aufmerksamkeit zu schenken? Weshalb steht denn dann erst jetzt, nach dem fünfjährigen Kriege, alles dies in seiner ganzen unverhüllten, abstoßen­den Radtheit vor mir?

Mit beiden Händen befühle ich meinen Kopf, meine Schläfen, meine Stirn und denke:

Man sagt, daß die Menschen vor dem Wahnsinn hell seherisch werden. Vielleicht....

( Fortsetzung folgt.)