Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang

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Sonnabend, den 3. Juli 1920

Nummer 259

Abend- Ausgabe

Die achtgespaltene Nonpareillegeile oder deren Raum koftet 5,- m. einschließlich Teuerungszuschlag. Kleine Anzeigen; Das fettgedruckte Wort 2,- M., jedes weitere Wort 1,50 M., einschließlich Tcuerungszuschlag. Laufende Anzeigen laut Tarife Familien- Anzeigen und Stellen- Gesuche 3,20 m. netto pro Zeile. Stellen Gefuch in Wort- Anzeigen: das fettgedruckte Wort 1,50 m., jedes weitere Wort 1, M Ferasprecher: Bentrum 2030, 2645, 4516 4603, 4635, 4649, 4921

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Berliner Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Mörderschutz durch den Reichstag

Die Besprechung der Interpellation abgelehnt

Die Besprechung der Interpellation wegen der Er­mordung der 15 Arbeiter aus Bad Thal wurde hente im Reichstag nach einer kurzen Geschäftsordnungsdebatte, an der sich Genosse Ledebour und der Reichswehrminister Gebler beteiligten, durch Sammelsprung abgelehnt. Die bürgerlichen Parteien, einschlichlich der Demokraten, stimmten geschlossen gegen die Besprechung. Von den Rechtssozialisten verließ ein Teil der Abgeordncien vor der Abstimmung den Saal und leistete damit der Sabotage der Rechtsparteien wissentliche Beihilfe.

Die Brüsseler Konferenz

Brüssel, 2. Juli. ( Havas- Reuter.) Die interalliterte Konferenz hielt heute vormittag unter dem Vorsitz des belgischen Ministerpräsidenten de la Croig ihre erste Sigung ab. Anwesend waren die Delegierten von England, Frankreich , Italien , Japan und Belgien . Marschall Foch und Die anderen militärischen Sachverständigen unterrichteten bie Konferenz von dem gegenwärtigen Stand der Entwaffnung Deutschlands . Die Heeres, Marine- und Luftfahrtsachverständi gen wurden angewiejen, ein endgültiges Verzeichnis der auf die Entwaffnung bezüglichen Artikel der Verträge aufzusehen, die noch nicht ausgeführt sind. Die Konferenz prüfte barauf eine Note des Wiedergutmachungsausschusses, betreffend die Kohlen­lieferung durch Deutschland .

Brüssel , 3. Juli.

Sollandsch Nieuwsbüro meldet: Die Konferenz hat unter ungünstigen Anzeichen begonnen. Sofort ist die Frage Der Verteilung der von Deutschland zu erhal tenden Schadensvergütung auf die Tagesordnung ges bracht worden. Eine große Schwierigkeit hat sich dadurch er­geben, daß Italien verlangte, Belgien solle einen Teil der 10 Prozent, die ihm in Boulogne versprochen worden waren, an Italien abtreten. Stalien stellt sich auf den Standpunkt, daß die Shadensvergütung nach der Höhe der Gefallenen vers teilt werden soll und wünscht jetzt, daß Belgien nicht zehn, sons dern nur 5 Prozent cehält. In einer engen Beratung, an der nur Lloyd George , de la Croig und Miller and teil­nahmen, hat Lloyd George de la Croix ersucht, der Herabjegung zuzustimmen. De la Croix hat sich aber geweigert und die Sigung verlassen. Er hatte sofort nachher eine Unterredung mit König Albert. Aus amtlichen Kreisen verlautet, daß die Besprechungen in Boulogne feinen offiziellen Charakter gehabt hätten und feineswegs einen endgültigen Beschluß herbeiführten. Daher Jei die Annahme, daß für Belgien bestimmt 10 Prozent festgefeht eien, zum mindestn verfrüht. Man ist der Meinung, daß die Richtung in der sich die Besprechungen weiter bewegten, die Furcht von de la Croig, daß Belgien vernachlässigt wurde, be­rechtigt erscheinen lasje. Wahrscheinlich wird am heutigen Sonn­abend die entscheidende Sigung stattfinden, während am Montag Die verschiedenen Delegationen nach Spa gehen, wo sie ungefähr 12 bis 5 Tage bleiben werden.

Rein italienisch- belgischer Zwischenfall Brüssel , 2. Juli. Savas- Reuter ist von italienischer Seite ermächtigt, in der bc­stimmtesten Weise zu erklären, daß die Nachrichten über einen italienisch- belgischen 3wischenfall auf der Konfe­renz vollkommen falsch seien. Die italienische Delegation habe niemals irgend etwas unternommen, was selbst in indiret­ter Weise als gegen die Interessen Belgiens gerichtet angesehen werden könnte. Es sei niemals die Rede davon gewesen, die bel­gische Entschädigung zugunsten Italiens zu mindern. Zusammenkunft der militärischen Sachverständigen

Brüssel , 2. Juli.

Am Nachmittag fand unter Fochs Vorsitz eine Zusammenkunft der militärischen Sachverständigen für die der Konferenz zur Ent­scheidung vorzulegenden militärischen Fragen statt. Havas be­richtet dazu: Infolge der Umstände, unter denen Deuijuland die militärischen Klausein des Versailler Friedensvertrages ausge führt hat, war die Konferenz der Ansicht, daß Deutschland um jeden Preis entwaffnet werden müsse. Die Marschälle sind beauftragt worden, die Mittel und Wege zu suchen, um Deutschland zur Ausführung des Vertrages zu zwingen.

Die Entente- Delegationen

Als hervorragendfte Teilnehmer an der Konferenz in Spa sind bisher bekannt: Für Belgien 15 Delegierte. Darunter Mi­nisterpräsident und gleichzeitig Finanzminister de la Croix, Minister des Auswärtigen Hymans, Minister des Innern Jaspar, belgischer Kommissar in Koblenz Roli Jac guemyns, belgischer Delegierter bei der Wiedergutmachungs­fommission Theunis, Chef des belgischen Generalstabes Ge­neral Magling.

Für England: Lloyd George , Lord Curzon . Sir John Bradbury von der Wiedergutmachungstommission, der Chef des englischen Generalstabes General Wilson , General Sadville West von der interalliierten Kommission in Pa= ris, der Admiral Beatty, Mr. Wise von der interalliierten

Lebensmittelfommission, der Oberkommissar der Alliierten für Danzig Tower und der Chef der britischen Militärmission in Berlin General Malcolm.

Für Frankreich : Ministerpräsident Millerand ; vom Außenministerium Direktor der politischen Abteilung Berthe­Iot, Subdirektor der Abteilung Europa Laroche, Ministerial­direktor Seydoux, der Botschaftsrat in London Fleuriot; vom Finanzministerium: Minister Marsal, Direttor Cellier und der Finanzsachverständige der franzö schen Bot­schaft in London Avenol; Marschall Foch, Genera! Mey= gand, Admiral Levasseur. Minister Le Trocquer; vom Ministerium der öfefntlichen Arbeiten: der Präsident der Wie­bergutmachungskommission Louis Dubois , der Justiziar des Auswärtigen Amtes From a geot.

Für Italien : Graf Sforza, Commendatore Pagiano von der Banca di Sconto, der Pariser Vertreter bei der Wieder­gutmachungskommission Bertolini.

Für Polen : Der frühere Außenminister Patet. General Rozwadowski und der Ministerialdirektor Olszowski vom Auswärtigen Amt .

Generalstreik als Antwort auf die Mißhandlung eines tschechischen Genossen

Aus Prag wird uns geschrieben: Am Sonnabend, den 29. Juni, drangen in dem mährischen Olmü reaktionäre tschechische Legionäre in eine geschlossene sozial­demokratische Versammlung ein und mißhandelten dort unter Todesdrohungen den Referenten Muna, den kürzlich amnestierten Führer der( kommunistischen ) Bergarbeiter von Kladno bei Prag . Muna wurde nur durch das energische Ein­greifen der rasch verständigten Olmüzer und Brünner sozial-, demokratischen Parteifunktionäre gerettet. Der Grund des Ueberfalles liegt zweifellos in den schweren Differenzen zwischen der Koltschatischen" Führung der jetzt heimgekehrten tschechoslowakischen sibiri= schen Legionen und der Mehrzahl der Mannschaften, die nun immer offener und entschiedener die antibolschewisti= schen Machinationen aufbeden, zu denen die Tschechen im Vorjahre in Sibirien mißbraucht wurden. Genosse Muna war seit 1917 in Rußland der eifrigste tschechische Par­teigänger en ins, während das jetzt zurückgekehrte Olmüzer Regiment noch zu der kleinen fest in der Hand der Führer" be­findlichen Minorität der Legionäre gehört.

Als Antwort auf die( übrigens in Tschechien noch nicht vor­gekommene) Mißhandlung eines Genossen sind die Arbeiter des mährischen Industriebezirts und des großen Kohlenbezirts Kladno in den Generalstreit ein­getreten; der sozialdemokratische Parteivorstand in Brag hat einen scharfen Protest erlassen, und die sozialdemokra­tische Presse verlangt außer der selbstverständlichen Genugtuung im Fall Muna noch die amtliche allgemeine Untersuchung aller Borgänge in Sibirien , die den Mißbrauch der Wehrkraft und das Blut des tschechischen Voltes für fremde reationäre 3wede verschuldet haben.

Zusammenbruch der polnischen Front

London , 3. Juli.

Nach dem poluischen Heeresbericht befinden sich die Polen südlich des Pripjetfluffes auf bretter Front im Rückzuge. Die Lage der polnischen Armee wird als äußerst ernst bezeichnet, was auch daraus hervorgeht, daß die polnische Regierung bes schlossen hat, die Bildung eines Nates der nationalen Verteidigung vorzunehmen. Der polnische Reichstag wird entlassen. Die An­ordnungen des Rates der nationalen Berteidigung erhalten sofort Gesetzestraft.

5. N. Paris , 3. Juli.

Die Pariser Ausgabe der Chicago Tribune" berichtet von einer Unterredung zwischen Foch und dem britischen Feld­marschall Henri Wilson. Beranlaßt wurde diese Unter­redung durch einen dringenden Hilferuf Pisudstis an Marshall Foch. Die Besprechung dauerte über eine Stunde und beschäftigte sich in der Hauptsache mit den Mitteln, durch die das boliche= wistische Vordringen eingedämmt werden könne. Man glaubt, daß es den Bolschewisten gelingen werde, Warschau zu erreichen, wenn sie nicht auf politischem Wege gezwungen werden tönnten, den Vormarsch einzustellen. Das polnische Heer sei nach sechsjährigem Kampfe erschöpft und tomme als wirksame Streit­macht nicht mehr in Betracht. Außerdem herriche bei den Polen großer Mangel an Vorräten und die Verwirrung in Kreisen des polnischen Generalstabes sei groß.

Bombenattentat in Philippopel

Wien , 3. Juli

Die Neue Freie Presse" meldet aus Sofia : Während eines Bortrages zugunsten der Opfer des bolschewistischen Terrors im Odeontheater in Philippopel explodierten mehrere Bomben, wodurch das Theater teilweise zerstört wurde. Unter den Trüm­mern blieben etwa 150 Leichen. Auf den Straßen tam es zu Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Man vermutet, daß ein Attentat gegen den Ministerpräsidenten Stambulisti beabsichtigt war, dessen Besuch im Odeontheater er­wartet wurde.

Die Großbank

B. A. Die Konzentration innerhalb des wirtschaftlichen Lebens der modernen Gesellschaft findet einen besonders starken Ausdrud in den Riesengebilden der Großbanten, deren Machtposition eine ständige Erweiterung findet. Mit der Notwendigkeit, für die Zwecke der Betriebsführung Kredite in Anspruch zu nehmen, gerät eine wachsende Zahl fleiner, mittlerer und großer Unternehmen unter den Ein. fluß der Banken. Während vor dem Kriege Warenkredite eines Kaufmannes an den anderen üblich waren, die oft sehr lange Zahlungsfristen vorsahen, ist seither eine schnelle Bezahlung eingeführt, in verschiedenen Industrien sogar in den letzten Monaten Vorausbezahlung oder Zahlung bei Auftragserteilung verlangt und bewilligt worden. Bei der Erhöhung der Unkosten und aller Warenpreise, die in verschiedenen Artikeln bereits 50 bis 80fachen Friedenss preis erreicht haben, wird überall ein viel größeres Kapital als vor dem Kriege gebraucht und der eigene Besitz ist zu­meist trog der bedeutenden Kriegs- und Revolutionss gewinne nicht ausreichend, um diesen Anforderungen zu genügen. Besonders in einer Zeit frisenhafter Ers schütterungen, in denen der Rückfluß der Gelder, die Zirs fulation der Waren sich verlangsamt hat, wird die Hilfe der Banten auch von fapitalfräftigen Unternehmen in Anspruch genommen, während die schwächeren Betriebe bes dingungslos dem Urteil der kreditgebenden Bank ausges liefert zu sein pflegen. Auch in den Erhöhungen des Attientapitals der meisten deutschen Gesellschaften seit An­fang 1920, die allerdings sehr oft mit dem Zwecke der Bers wässerung und der Zuweisung besonderer Bergütungen an die Altionäre vorgenommen worden sind, in den zahlreichen Obligationsausgaben des Jahres 1919 und der mehr oder minder großen Jnanspruchnahme offener und gebedier Banffredite, zeigt sich die Notwendigkeit der Verstärkung der Geldbasis sehr deutlich. Es ist selbstverständlich, daß Der Einfluß der einzelnen Banfgruppen auf die kredit suchenden Unternehmen verhältnismäßig bedeutend ist und daß diese dadurch zu immer wichtigeren Machtfaktoren innerhalb unserer Wirtschaft werden müssen. Sobald die Verschärfung der Kapitaltnappheit, die durch die Ein­ziehung der Steuern und die voraussichtliche Steigerung der Produktion eintreten muß, größeren Umfang anges nommen haben wird, die Flüssigkeit des Geldmarktes, die durch die Notenpresse noch vorgetäuscht wird, nicht mehr besteht, wird eine weitere Stärkung der wirtschaftlichen Bedeutung der großen Bankinstitute erfolgen.

Durch den Besitz von Attienmajoritäten der verschiedenen Gesellschaften, in deren Aufsichtsräten fast überall eine Bantgruppe direkt oder indirekt vertreten ist, leiten die Großbanken bereits einen wesentlichen Teil der wichtigsten Industriezweige. Durch die Vertretungsbefugnis, die ihnen viele ihrer aktienbesitzenden Kunden einräumen, sind sie auch oft genug dort die tatsächlichen Inhaber der Macht, wo ihnen fein eigenes Attienmaterial in ausreichendem Umfange zur Verfügung steht.

Das eigene Kapital, und die offenen Reserven der Aftien banken sind im allgemeinen sehr niedrig, wenn man ihre Summen mit der Höhe der abgewickelten Geschäfte, der ihnen anvertrauten Gelder und ihren zahllosen Beteili gungen vergleicht. Die ausschlaggebende Rolle, die diese Finanzinstitute innerhalb der Voltswirtschaft spielen, wird in bedeutendem Ausmaß erst durch ihre Funktion als Sammelbecken der kleinen und großen flüssigen Vermögen des ganzen Volfes ermöglicht. In den Depositenbanken, deren moderne Formen sich in den letzten Jahrzehnten ents wickelt haben und die das ganze Land mit einem dichten Netz von Filialen und Agenturen überziehen, sind Organis sationen geschaffen worden, die in wachsendem Maße das gesamte Vermögen der Bevölkerung zu erfassen und in ihre Kanäle zu leiten suchen, um mit Hilfe diefer großen Bes träge den Kreditbedürfnissen von Handel und Industrie, Kommunen und Staaten zu genügen, die Gründung neuer und die Ausgestaltung bestehender Unternehmen anzuregen oder zu fördern. Durch die Uebernahme von staatlichen und kommunalen Anleihen, Gewährung kurzfristiger Dar­lehen, Bermittlung ausländischer Kredite erobern sie sic eine wachsende Macht gegenüber den Verwaltungsorganen.

Durch die konzentrierte Gewalt innerhalb aller Zweige des wirtschaftlichen Lebens gewinnen sie einen faum hoch genug zu veranschlagenden Einfluß auf die politischen Fat­toren aller Länder, ganz abgesehen von der direkten Un­terstützung ihnen genehmer Parteien, der Einwirkung auf Die öffentliche Meinung und vielem anderen mehr.

Der vor einigen Wochen veröffentlichte Jahresbericht der Deutschen Bant", des größten Finanzionzerns in Deutsch­ land , gibt ein sehr deutliches Bild dieser Machtentwidlung, und wir wollen ihn deshalb zur Grundlage einer etwas eingehenderen Betrachtung nehmen. Bei einem Aftien­kapital von 275 Mill. Mark und deflarierten Reserven von 235 Mill. Mark ist der Umsatz der Deutschen Bank auf die phantastische Ziffer von über 428 Milliarden Mark gegens über 242 im Jahre 1919 und 129 im Jahre 1918 ge stiegen. Bei dieser Ziffer muß man natürlich die Vere