Groß- Berliner Organisationsfragen

Bon Richard Krille.

Die Organisationsformen und Einheiten einer revolutionären politischen Partei sind genau denselben Einwirtungen unter­worfen und ausgesezt, die dieselben zu einer Aenderung ihres inneren Aufbaues zwingen, wie die Gewerkschaften, und es trägt viel zum Gelingen bei, sind diese Notwendigteiten in bezug auf die Umstellung und zeitgemäße Modernisierung rechtzeitig bes rüdsichtigt und durchgeführt wurden. Die Gewerkschaften wer­den durch die wirtschaftlichen Kämpfe, sowie durch die gesamten innerpolitischen Verhältnisse, auch im Hinblick auf die kommen­den großen Entscheidungen zwischen Kapital und Arbeit gezwun­gen, fich über den Rahmen ihrer verhältnismäßig engen Bes rufsorganisationen hinaus zu Industrieverbänden zusammenzu­schließen, wollen sie den Anforderungen der Zukunft auch nur einigermaßen genügen. Sogenannte Traditionen" dürfen in diefem Falle teine Rolle spielen und müssen ohne Rücksicht auf liebgewordene, bewährte Einrichtungen beseitigt und durch bes fete, zeitgemäße ersetzt werden.

Die Organisation der Betriebsräte ist in dieser Hinsicht in einer ungleich günstigeren Lage. Ein Kind der Revolution, ohne jede organisatorische Ueberlieferung und Organisationsges schichte, tonnte dieselbe sofort, ohne Hindernisse der verschieden. ften Art vorzufinden, zu der Organisationsform übergehen, die nur ökonomische Gesichtspuntte als Unterlage des Aufbaues gel­ten läßt und somit im weitesten Maße allen Anforderungen ents Spricht, die in bezug auf Erfassung der zu organisierenden Schnel figkeit und Beweglichkeit im Handeln, Vereinfachung der not­wendigen Instanzen sowie 3entralisation der Verwaltung an eine Kampforganisation gestellt werden können. Dabei tritt noch der für die angeführten Notwendigkeiten günstige Fattor hinzu, daß dieselbe den Wirtschaftsbezirk als Grundlage und Einheit gelten läßt, daß der Wirkungsbereich nur in den selten­sten Fällen über den Wirtschaftsbezirk hinausgeht.

Anders unser Parteiorganismus. Noch heute dienen die Wahitreise, aufgestellt anläßlich der Wahlen zur Rationalver fammlung als organisatorische Einheiten, trotzdem diese Wahl treisgeometrie teine Rüdsicht auf wirtschaftliche Zusammenhänge nimmt, sondern nur wahlkreispolitische Gründe zum Ausdruc bringt. Auf diese Weise find in unsrer Partei Agitationsbezirte Dorhanden, die an Gegensäglichkeit und Verschiedenartigkeit in. wirtschaftlicher Beziehung taum überboten werden fönnen und demzufolge auch teine Einheitlichkeit der Agitation und Organis lation zulassen, da ja die Struktur derartiger Bezirke, von sozialen Gesichtspunkten aus betrachtet, durch diese Gegensätze start beein­flußt wird.

Solange eine politische Organisation thren Organismus in erster Linie einstellt auf Wahltämpfe und die Durchführung von Wahlen zu allen gefeßgebenden Körperschaften, tann man sich mit einem Aufbau nach vorhandenen Wahlkreisen abfinden und denselben als brauchbar bezeichnen. Sobald aber eine Bartet, wie die U. S. P. D. den Barlamentarismus und damit parla­mentarische, und Wahllämpfe nicht als Haupts oder alleiniges Rampfmittel betrachtet, sondern die Aktion, gestäßt in erster Linie auf die in den Wirtschaftszentren vorhandenen revolutio nären Arbeiter, wirft eine derartige Gruppierung hemmend, ers schwert die Aktivität und schnelles, einheitliches Handeln. Vor allem dann, wenn sich mehrere Agitationsbezirte, mit eigner Berwaltung und Leitung, in einem in sich geschlossenen und als wirtschaftliche Einheit anerkannten Gebilde, wie es zweifel­los Groß- Berlin ist, vorfinden. Wie oft mußten, um nur ein Beispiel anzuführen bei Groß- Berliner Fragen 3 Geschäfts. leitungen in Bewegung gesezt werden, 3 Körperschaf ten dazu Stellung nehmen, wo oftmals schnell gehandelt wer ben mußte.

Aber nicht nur verwaltungstechnisch ist die jetzige Form überholt, sondern auch in agitatorischer Hinsicht ist dieselbe reformbedürftig, wenn wir unsre Agitation mehr nach Jozialen Gefichtspunkten vornehmen wollen. Vor allem ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, daß innerhalb der Bezirte eine Schematisierung der Agitation eintritt, ohne Rück­ficht auf das Vorhandensein von rein ländlichen neben ausges prochen großstädtischen Gebieten. Natürlich geschieht das auf Roften des platten Landes. Wenn schon das Flugblatt, die Bros schüre, für den ländlichen Proletarier bestimmt, von dem für die Bewohner der Industriegebiete inhaltlich abweichen muß, so gilt dasselbe auch für das gesprochene Wort. Wenn auch die Auf­faffung, die Landarbeiter und Kleinbauern verstehen nichts von Politik und den anderen, den großstädtischen Arbeiter inter­effierenden Fragen eine irrige ist, so muß doch die Aufnahme fähigkeit derselben berüdsichtigt und nicht außer Acht gelassen werden, daß die großen politischen und wirtschaftlichen Zusam menhänge für viele noch Neuland bedeuten.

Desgleichen ist ein organisatorisches Schema, einheit fich für Stadt und Land, nicht zu empfehlen, da dem ländlichen Proletarier in den meisten Fällen die organisatorische Schulung fehlt, die Zeit, vor allem in den Sommermonaten, ihm nicht so zur Verfügung steht, um sich in dieser Zeit der Organisation wid men zu fönnen und vielen die Teilnahme an Sigungen und Konferenzen etwas neuartiges ist und in der ersten 3eit oft Un­behagen auslöst und ihn zum Schweigen zwingt.

Aus all diesen Gründen ist eine baldige Umstellung unsrer Bezirksorganisationen nach wirtschaftlichen Gesichtspuntien not wendig. Für Groß- Berlin gibt die am 1. Ottober in Kraft tretende fommunale Einheitsgemeinde wertvolle Fingerzeige, wenn auch hier und da diese Grenzen durchbrochen und darüber hinaus gegangen werden tann. Jm großen und ganzen erfaßt Neu- Berlin die Gebiete, die auch wir organisatorisch in einem Einheitsbezirt Groß- Berlin mit einer Verwaltung und Leitung, zusammenfassen müssen. Dann erst sind die Grund­lagen für Einfachheit der gesamten Verwaltung, denkbar bester Attivität und Einheitlichkeit bei allen Aktionen und sonstigen Beranstaltungen gegeben.

Der Aufbau tann m E. so vorgenommen werden, daß in Ber Tin die schon vorhandenen 18 Diftritte, in den Vororten die jezi­gen fommunalen Verwaltungsbezirke als Grundlage dienen. Da Schließlich die Notwendigkeit ergeben wird, auch nicht zum fommunalen Berlin gehörende Gebiete, innerhalb des Bereichs der Vorortbahnen, dem Bezirk Berlin anzuschließen, tönnen ohne Schwierigkeiten weitere Distrikte gebildet werden. Diese Distrikte, als Grundlage der Organisation gedacht, bilden vor allem in organisatorischer Hinsicht, die Einheit und sind aus die­rem Grunde, vor allem verwaltungstechnisch, mit weitgehenden Rechten und einer nicht bureaukratisierenden, sondern weitgehen­ben Selbständigkeit zu versehen. Da alle nichtgeschäftlichen Fra gen innerhalb des Wirtschaftsbezirks nur zentral beraten, vor­bereitet und durchgeführt werden können, entsenden dieselben, je nach der Größe ihrer Mitgliederzahl Bertreter in den Aktionsrat des Bezirks. Ob sich nun in den Vorortgemeinden innerhalb der Berwaltungsbezirte die bestehenden Ortsgruppen zu einer zu sammenschließen, oder auch weiterhin selbständig zu bleiben ge­benten, find Fragen der Zweckmäßigkeit und ohne prinzipielle Bedeutung.

Auch in den hierdurch nicht erfaßten Gebieten der Provinz Brandenburg wird es notwendig werden, Aenderungen im Auf­bau vorzunehmen und die auch hier noch bestehenden wahlkreis­politischen Grenzen aufzuheben und Distrikte zu bilden nur nach wirtschaftlichen Gefichtspunkten. Dabei darf und kann es feine Rolle spielen, Diftritte aufzustellen, die in räumlicher Beziehung Jehr unterschiedlicher Natur sind. Die Hauptsache muß, auch hier fein, in sich abgeschlossene Wirtschaftsgebiete, mit dem industriell ftärfften Ort als Zentrale, zu schaffen und denselben wie den Groß- Berliner Distrikten, vollständige organisatorische Selbständigkeit zuzubilligen und auch ihnen durch Delegationen Die Möglichkeit geben, in dauernder, enger Fühlungnahme mit der Berliner Zentrale zu sein, um auch als Bindeglied zwischen dieser und den sogenannten Provinzdiftritten, in wechselseitiger Beziehung, gelten zu fönnen. Für einen Kenner der Berhältnisse Steht es fest, daß derartig große Bezirke, wie solche noch jetzt in Brandenburg vorhanden sind, nicht ihrer Eigenart entsprechend agitatorisch fo bearbeitet und organisatorisch so aufgebaut werden tonnen wie es notwendig und wünschenswert wäre. Haben wir

Distrikte geschaffen, denen die Möglichtett gegeben, alle Maß nahmen in geschäftlicher, organisatorischer Beziehung, ihren in neren Aufbau nach eigenen Wünschen vornehmen zu tönnen, ist. die Grundlage zum guten Gelingen aller Parteiarbeiten schon dadurch gegeben, daß auch bei unsren Genossen in der Provinz das Verantwortlichkeitsgefühl bedeutend gestärkt wird.

Alle anderen Einzelheiten hier auch nur anzudeuten, ist un­möglich. Es ist der Verbands- Generalversammlung am Sonn­tag dringend zu empfehlen, ihre grundsägliche Zustimmung vor­ausgesetzt, eine Kommission von Fachmännern zu wählen, da nur eine solche imftande ist, und nicht ein so großer Kreis von Dele gierten, noch dazu in einer so verhältnismäßig furzen Zeit, etwas brauchbares zu schaffen zur Zufriedenheit aller. Diese Ausfüh­rungen sollen nur den Anstoß geben zur Diskutierung dieser Fra­gen in der breitesten Oeffentlichkeit unsrer Partei.

Neue militaristische Schlupfwinkel Auch die Großbetriebe verschaffen sich eine Schuhgarde

Die Bildung von reaktionären Schuhgarden auf den Gütern der preußischen Zunter hat auch die Großindustriellen nicht schlafen faffen. Sie find jetzt dabei, eine Wertpolizei" zu organi fieren, die die Betriebe angeblich vor den vielen Diebstahlen Schüßen soll, in Wirklichkeit aber das städtische Gegenstück zu dem ländlichen Vorbild der Bewaffnung der Gegenrevolution ist. Wie bei den Gutsbesitzern fleine Detachements pon aufgelösten" Truppenformationen als sogenannte Landarbeiter untergebracht werden, so schaffen sich die Großindustriellen aus den aufge= löften" Freiforps eine Schutzgarde, die angeblich ein Ordnungs organ sein soll, in Wahrheit aber dem 3wed bient, im geeig­neten Augenblid gegen die Arbeiter au marschieren, zusammen mit anderen militärischen Formationen den Kapitalismus zu beschüßen und der Gegenrevolution die Wege zu bahnen

Bei Siemens ist die Bildung der Wertpolizei" bereits in vollem Gange. Es werden dort Leute aus den Marinebrigaden Ehrhardt und Löwenfeld eingestellt. Die Truppe soll 300 Mann start werden und dem vom Kriege her bekannten Kapitän leutnant Dr. Nerger, dem Kommandant des Wolf", unter­stellt werden. Der Firma tommt es dabei auf einige Millio nen nicht an, den Arbeitern und Angestellten aber werden die Mittel zu einer halbwegs menschlichen Existenz immer wieder verweigert.

Wir warnen die Arbeiter und Angestellten rechtzeitig vor dem Plane der Unternehmer. Die Bildung von militaristischen Schutz­garden der Großindustrie muß mit allen Mitteln verhindert wer ben. Es handelt sich dabei um nichts weiter als um die Schaffung von neuen Schlupfwinteln des preußischen Militarismus. Die Werkpolizei soll zusammen mit den bewaffneten Gutsarbeitern die Kadres der Gegenrevolution bilden. Sie soll bei Streits und Lohnkämpfen die Arbeiter niederhalten und darüber hinaus im Zusammenhang mit der eigentlichen Wehrmacht die 3utunfis träume der Militärpartei erfüllen. Der preußijche Militarismus denft nicht daran, seine Machtpofitionen aufzu geben, er will sie vielmehr erweitern. Seine geheimen Pläne müssen von der Arbeiterklasse rechtzeitig durchkreuzt werden.

Kommunistische Heuchelei

Trotzdem die kommunistische Partet sich in der Frage des Bar­lamentarismus ganz dem Standpunkt der Unabhängigen So­zialdemokratie angepakt hat, fährt bie Rote Fahne" luftig fort, die U. S. P. wegen derselben Taten anzugreifen, zu denen sich ihre eigene Partei veranlaßt sieht.

In der gestrigen Nummer der Roten Fahne" findet sich fol gender lieblicher Erguß über die parlamentarische Tätigkeit der unabhängigen Reichstagsfrattion:

Der parlamentarische Seldenmut, die elfervolle Oppost tionstätigkeit der Unabhängigen, die sich in Antragen. An­fragen und Interpellationen überstürzt ist in Wirklicht- it nur die Kehrseite der politischen Unfähigkeit und 3deenlosigkeit, die sie außerhalb des Parlamentes ent­wideln. Weil sie nicht wissen, was sie dem Proletariat sagen sollen, weil sie ihm den Weg zum revolutionären Handeln nicht weisen tönnen, haben sie eine rein negative Opositions­politit in der Frage der Regierungsbildung, der Stillegung der Betriebe, der Teuerung betrieben und betreib- n sie noch. Darum muß ihre parlamentarische Tätigkeit notwendig die Form der auf den Reichstag be [ chränkten, nur im Parlament, mit allen Schi­lanen des Parlamentarismus betriebenen Politit annehmen."

Wenn dieser letzte Sag einen Sinn haben soll, so tann er nur bedeuten, daß die Kommunisten es für überaus verpönt halten, sich der Mittel im Parlament zu bedienen, durch die eine Ein­wirtung auf seine Entscheidungen erreicht werden soll. Man hätte also nach diesen Worten Grund zur Annahme, daß die Kommunisten es verschmähen werden, sich des Mittels der In­terpellationen, Anfragen, Anträge und dergl. zu bedienen. Doch ihre Taten belehren uns eines andern. Denn die beiden tommunistischen Abgeordneten haben die unab hängige Frattion um die nötigen Unterschriften zur Errei chung einer Interpellation über die Lodspitel. tätigteit ersucht, obwohl doch nach den Worten der Roten Fahne" anzunehmen ist, daß sich darin nur die Kehrseite der politischen Unfähigkeit und Ideenlosigkeit" zeigt". Oder darf dieselbe Handlung verschieden bewertet werden, je nachdem ob sie von Unabhängigen oder Kommunisten begangen wird?

Das demokratische Prinzip" in

der Steuergesetzgebung

Uns wird geschrieben:

Zu Ihrem Artikel ,, Rettung durch den Hunger"( Nt. 249) muß noch folgende Ergänzung gemacht werden. Nach§ 15 des Ein­tommensteuergesetzes hat jeder Unternehmer bei der L- huzahlung 10 Prozent des Arbeitslohns einzubehalten und dafür Steuers marten zu kleben. Dieser Steuerabzug, der sich, wie der Ver­fasser des Artikels richtig sagt, wirtschaftlich als Vorschußzahlung an das Reich darstellt, bildet zugleich die untrüglichste Unter­lage für die Steuerveranlagung derjenigen Personen, die nur Einkommen aus der Steuerquelle Arbeit" au persteuern haben, mit anderen Worten: man fann dem Lohnempfänger auf Heller und Pfennig seiner steuerbaren Einfünfte nachweisen und der Steuerpflichtige tann bei seiner Steuererklärung gar nicht anders, als der Wahrheit und Steuermoral entsprechend, richtig deklarieren.

Wie sieht es aber mit der Steuermoral derjenigen Personen, die steuerbare Einfünfte aus anderen Steuerouellen ( Grundbesiz, Gewerbebetrieb, Kapital- und sonstigen Einnahmen) haben, aus? Run, diese Steuerpflichtigen besigen trotz aller die Steuermoral fördernden Vorfrchiften der Reichsabgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes heute noch das Privileg ihre Einkünfte so zu beziffern, wie sie es für ihren Geldbeutel richtig befinden. So tommt beispielsweise für die Steuerpflichtigen aus dem Betriebe eines Handelsgewerbes oder des Bergbaues ( turz aller Kaufleute und Kapitalisten) der Geschäftsgewinn" in Anjag. Dieser Geschäftsgewinn ergibt sich durch einen Ver gleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben, mit anderen Worten, die Bilanz bildet die Grundlage der Steuer­deklaration. Nun tönnen aber nur Laien glauben, daß die faufmännische Bilanz den tatsächlich erzielten Gewinn richtig widergibt. In eingeweihten Kreisen war es bisher offenes Geheimnis, daß eine große Zahl von Kaufleuten zwei Bi­Ianzen aufmachten, eine offizielle Steuer- Bilanz" und eine Geheim- Bilanz". Die Steuerbilang weist natürlich durch Ver­

schweigung oder Unterbewertung der vorhandenen Bestände einen erheblich niedrigeren Gewinn aus als die Geheimbilanz, in der die Vorschriften über die Bilanzbewertung im allgemeinen richtig befolgt zu werden pflegen. An dieser Praxis werden auch die neuen Borschriften der Reichsabgabenordnung und die Sonstigen in den Steuergesetzen sich findenden Vorschriften nichts ändern. So vorteilhaft vom wirtschaftlichen Standpunkte im tapitalistischen Wirtschaftssystem aus betrachtet, die Schaffung stiller Reserven" sein mag, so verwerflich ist sie, wenn sie nur barauf abzielt, sich vor Steuern zu drücken.

In diesem Rechtszustande offenbart sich so richtig das demo­tratische Prinzip". Bei der arbeitenden Bevölkerung Nachweis des Einkommens auf Heller und Pfennig, bei der kapitalistischen Selbstermittelung des Gewinnes. Ich bin mir zwar bewußt, daß der von mir gegeißelte Rechtszustand im Zeitalter der Pro­fitwirtschaft niemals in einer idealen Weise vervollkommnet werden kann, das heißt, daß man den Steuerpflichtigen aus der Steuerquelle Sandel und Gewerbe" trog aller auf eine Se bung der Steuermoral hinzielenden Kontrolle und Strafvor schriften niemals erfassen wird, aber das sollte Grund genug sein, gegen die Steuerpflichtigen aus der Steuerquelle Arbeit teine Ausnahmegejeze zu schaffen. Es bewahrheitet sich somit wieder einmal der alte Sag, daß die Gesezgebung eines jeglichen Landes immer nur das Spiegelbild der im Staate herrschenden Gesellschaftsklassen ist.

Unruhe in Darmstadt

W. T. B. meldet ans Darmstadt : Kommuniken, denen fich zahlreiche andere Elemente angeschlossen batten, mach­ten gestern den Versuch, mehrere fommunistische Führer zu befreien, die im Polizeigebäude interniert waren. Die Bolizeimannschaften und die Sicherheitswehr mußten von der Waffe Gebrauch machen, wobei mehrere Personen getroffen wurden. Auch ein Schuhmann wurde verwundet.

Die Regierung gab einen Erlaß heraus, in dem sie die Be Dölterung ermahnt, fich nicht den Unruheftiftern anzuschließen und jede Straßenansammlung zu vermeiden. Der demokratische Staat lehne die Herrschaft der Straße ab; die Regierung fet darauf bedacht, daß die für eine Herabsetzung der Le bensmittel nötigen Schritte baldigst unternommen wärben.

Die Verhaftung des Reichskommiffars für das Flüchts lingswesen. Zu der Aufsehen erregenden Berhaftung des angeb lichen Hauptmann von Mudra" wird uns von unterrichteter Seite geschrieben: Der Berhaftete ist weder Reichstommiffar noch haben ihm sämtliche Flüchtlingslager im Reich unterstanden, sondern er war lediglich Leiter des Effener Flüchtlingslagers. Außerdem ist er nicht Hauptmann und heißt nicht von Mudra , sondern Mudra. Das Untersuchungsverfahren schwebt noch. Er gebuiffe trgend welcher Art liegen bis jest nicht vor.

Belgische Wahlreform. Die Kammer hat einstimmig einen An trag angenommen, wonach die Abgeordneten zur Kammer in dis refier Wahl durch diejenigen Bürger gewählt werden, die das 21. Lebensjahr zurückgelegt haben und mindestens sechs Monate in der Gemeinde wohnen.

4. Bundes- Generalversammlung des Deutschen Arbeiter- Sängerbundes.

Der Deutsche Arbeiter Sängerbund" hielt vom 20. bis 22. Juni im Gewertschaftshause in Ca[ fel feine 4. Ge neralversammlung ab. Zum erstenmal fett 1914 find die Arbeiter fänger aus allen Gauen des Deutschen Reiches wieder zusammen­getreten, um über die Zukunft ihrer Organisationen zu beraten. In mehr als 2400 Städten und Dörfern hat der Bund jetzt Vers eine. 27 Gauverbände hatten 55 Delegierte zur Casseler Tagung entjandt.

Geschäfts- und Kassenberichte des Zentralvorstan des sowie der Kontroll- und Liederprüfungs- Kommission gaben ein Bild von der Bedeutung des Deutschen Arbeiter- Sänger­bundes als Kulturträger und Wirtschaftstörper.

Ein Konzert zu Ehren der Delegierten in der Stadthalle war eine mächtige Rundgebung der Arbeiterfängerbewegung. Sie gab Caffel eine eindringliche Borstellung von der Tiefe des musi talischen Interesses in der Arbeiterschaft. Es ist bedauerlich, daß die gesetzgebenden Körperschaften auf die Gemeinnügigkeit der Bewegung in mancher Hinsicht zu wenig Rücksicht nehmen. Die Tagung hat dies in einer einstimmig angenommenen Resolution zum Ausdrud gebracht, in der gefordert wird die Freiste I- Tung der Veranstaltungen von Arbeitergesang­Dereinen von der Lustbarteitssteuer. Die von den Gemeinden bei den Konzerten der Arbeitergesangvereine er hobene Steuer Schädigt die volksbildnerischen Bestrebungen der Arbeitersänger.

Eine zweite Resolution fordert eine Ermäßigung der Fahrpreise auf der Reichseisenbahn für die not­wendigen Reisen der Delegierten des Arbeiterfängerbundes zu ihren Tagungen. Es wird darauf hingewiesen, daß gleiche Ver­günstigungen ja auch den Sportvereinen gewährt werden.

Von weittragender innerer Bedeutung für den Bund sind die Beschlüsse der Tagung, den Bundesbeitrag auf 1.50. festzulegen und die Arbeiter- Sänger- Beitung, das Bundesorgan, das bisher jedem Mitgliede umsonst geliefert wurde, fortab nur gegen einen Abonnementspreis zuzustellen. Der Bund war zu diesen Maßnahmen gezwungen, um unter der obwaltenden Teue­rung allen Anforderungen auch fünftighin gerecht werden zu fönnen. Seine Leistungen gegenüber den Mitgliedern werden insbesondere durch eine umfangreiche Belieferung der Vereine mit Chorliteratur erhöht.

Die Generalversammlung beschloß ferner folgende Resolution:

Die 4. Generalversammlung des Deutschen Arbeiterfänger­bundes mit der Tagung in Cassel Juni 1920 legt das Be­tenntnis ab, mit der gesamten arbeitenden Klasse( Hand- und Kopfarbeiter) in ihrem Befreiungstampfe zu fühlen und zu denten Der Arbeiter- Sängerbund fühlt sich eins mit dem Proletariat um die Erringung der politischen Macht und will durch feine Tätigkeit neben den hohen fünstlerischen Idealen dieses Ziel erreichen Hierzu ist aber notwendig, alle Tanges­tundigen Arbeiter und Angestellten in seinen Reihen zu ver­einigen Nicht soll der Bund für eine Barteirichtung das Ziel sein, sondern alle Sozialisten sind uns herzlich willkommen und sollen dieselben mit dazu beitragen, baldigst eine Einigung und Erstartung des Proletariats herbeizuführen, weil eine solche im Interesse des Proletariats selbst von nöten ist. Der Deutsche Arbeiter- Sängerbund ist eine Organisation zur Weckung und Verbreitung fünstlerischer Kultur in der Arbeiterschaft und weist alle Zersplitterungsversuche mit Entschiedenheit zurüd. Die Geschichte der Parteibewegung ist auch die des Arbeiter. gesanges."

Aus der Parteipresse

Die neue Nummer der Freien Welt" bringt zwet packende wirkungsvolle Bilder auf den Mord der 15 Arbeiter durch die Marburger Studenten und ihren Freispruch. Der Bilders tell der Nummer zeigt das Elend des Proletariats in einem Bremer Bilde, die englische Arbeiterkommission, die in Sowjet- Rußland war, Karikaturen auf die deutsche Rapitalistenrepublit, Hausfrauenbilder, ame ritanische Buppenindustrie und eine scharfe Raritatur gegen die bürgerliche und rechtssozialistische Preffe. Der Textteil der Nummer enthält eine Rede Lenins über das Rätesystem, eine Erzählung Der Mann mit den müden Augen" von Hugo Wrail, Winke für die Hausfrau, den Roman, das Notizbuch und die humoristische Rubrit Spaß muß setn". Neu hinzugekommen Arbeiter Büchertisch". Die dort erscheinenden Buchbesprechungen und der literarische Ratgeber werden dem sich bildenden Proletariat wertvolle Dienste leisten.- Preis des Heftes 60 Pfennig.