Die Arbeitslosen auf der Straße

Die gewaltige Demonstration der Arbeitslosen, die gestern im Lustgarten statifand, war eine ernste Mahnung an die Regierung, der immer noch steigenden Not des Proletariats nicht noch weiter teilnahmslos gegenüberzustehen. Vor allem hat die Demonstration bewiesen, daß jede Aftion, zu der bie Arbeiterschaft gezwungen wird, um die Folgen der heute betriebenen Wirtschaftspolitik abzu­wehren, das ganze Broletariat einig und geschloffen findet. Hand­und Kopfarbeiter, Arbeiter und Arbeitslose aller sozialistischen Parteien haben fich zusammengefunden, um die Forderungen zu stellen, die infolge der Wirtschaftsfrije erhoben werden müssen. Die Gewertschaftsfommission, die Afa, die Betriebsrätezentralen der U. S. P. und der S. P. D., haben diese Forderungen gemeinsam mit den Arbeitslojenräten aufgestellt und die gestrige Riefenver­Jammlung hat gezeigt, daß die Arbeiterschaft geschlossen hinter die­jen Forderungen steht. Wenn wir uns auch dessen bewußt sind, daß eine wirkliche Lösung des Problems vom bürgerlichen Klassen fraat nicht gefunden werden kann, so soll doch diese Demonstration eine letzte Mahnung gewesen sein, die Auswüchse einer Wirtschafts­weise zu beseitigen, die alle Begriffe eines geordneten Lebens auf den Kopf stellt.

Di: deutsche Arbeiterschaft hat ungeheure Geduldsproben im Ertragen von Not und Kriegsleiden abgelegt. Doch allzu straff gespannt. zerbricht der Bogen. Es tann nicht ertragen werden, daß die Großbauern die Kontrollorgane der Regierung ungestraft fortjagen dürfen, während in den Städten die Menschen hungern; dak lebenswichtige Betriebe stillgelegt werden, um von der Regie rung Zuschüsse zu erpressen, während den Arbeitern, die noch Arbeit haben, die Lehngroschen weggesteuert werden. Folgende Forderungen haben die stürmische Zustimmung der vielen Tausen­den Arbeitslosen gefunden:

1. Schaffung von Arbeit durch Reich, Staat und die Kommunen unter Kontrolle der Betriebs- und Arbeitslosenräte jowie der Gewerkschaften unter Bezahlung tariflicher Löhne.

2. Wieder aufnahme geeigneter tillgelegter Be triebe, deren Erzeugnisse für die Bedarfsdedung der Bevölke rung unentbehrlich sind und Umstellung der übrigen stillgelegten Betriebe zu wirtschaftlich notwendiger Produktion eventuell mit Hilfe vom Reich, Staat und Kommunen; jedoch unter Kontrolle der Betriebs- und Arbeitslosenräte sowie der Gewerkschaften.

3. Entlassung von Arbeitern bezw. Stillegung der Betriebe darf nicht erfolgen. Läßt sich die Einschränkung der Produktion nicht vermeiden, so muß die Arbeitszeit verkürzt werden. Alle Maßnahmen, die den Produktionsprozeß beeinflussen, unterliegen der Kontrolle und dem Mitbestimmungsrecht der Betriebs- und Arbeitslosenräte sowie der Gewerffchaften.

Preußische Landesversammlung

148. Gigung vom 6. Juli 1920. 1. Lesung des Etats

Zunächst wurden Kleine Anfragen " in großer Zahl erledigt. Haushaltsrechnungen aus früheren Jahren wurden debattelos Berabschiedet. Dann sollte in die erste Lesung des Staatshaus haltplanes für 1920 eingetreten roerben. Da gab es aber erst noch ein eigenartiges Zwischenspiel. Der Demoftat( 1) Rade be antragte, unter Verzicht auf jede Aussprache, den Haushaltplan an den Hauptausschuß zu überweisen. Er motivierte dieses unge­wöhnliche Begehren mit dem Hinweis auf Spaa. Es tam dann doch zur Ausprache. Es erhielt zunächst zur Einführung des Etats Das Wort:

Finanzminister Lübemenn: Der vorliegende Etat unterscheidet fich wesentlich von den früheren. Es spiegelt sich in ihm wider, daß das preußische Staatsgebiet wesentlich verkleinert und die Bere waltung durch Webernahme wichtiger 3weige auf das Reich, erheb lig eingeschränkt worden ist. Die Berwaltung der Sienen, Boile uto Eisenbahnen ist an das Reich übergegangen. Die endgültige Veränderung tritt jedoch noch nicht voll in Erscheinung. Immerhin ist die Endziffer des Haushaltplanès von über

9 Milliarden auf 5,6 miliaeben zurüfgegangen. Der Etat balanziert zedoch nur äußerlich. Seit seiner Aufstellung haben sich die Anforderungen woefentitch gemehrt, so daß jezt schon ein Mehrbedarf von über 2 Miniarben vorhanden ist, für den eine Dedung erst geschaffen werden muß.

Die Finanzlage ist also eine durchaus wüste, auch wenn man in Betracht zieht, daß die 10,6 Milliarden fundierte und 12,6 Milliar den schwebende Schuld mit den Eisenbahnen vom Reich über nommen worden sind, denn Breußens Einnahmequellen find gleich falls aufs Reich übergegangen. Die mögliche Belastungsgrenze ist längst erreicht.

Abg. Woldt( Soz.): Die Wahlen vom 6. Juni haben feine neue Situationen geschaffen, den die angeblichen Sieger haben uns mit erhobenen Händen bitten müssen, ihnen zu helfen. Es ist also feine Verschiebung der Kraftverhältnisje eingetreten. Sie von links haben die seelisch zermürbten Boltsmassen auf die Straßen zu fenfen versucht. Diese Bolitit ist auf die Dauer nicht durchzu­führen.

Abg. Riehl- Fulda( 3tr.) verliert sich ganz in finanztechnischen Einzelheiten.

Abg. Dominifus( Dem.): Wir greifen in den Streit der Parteien nicht ein. Wichtig scheint uns eine pflegliche Behandlung der bes Tegien Provinzent. Die Fürsorge für die Beamten darf nicht nachlassen. Dagegen müssen wie die Erwerbslosenfürsorge einschränten. Dort wo die Wahlen ergeben haben daß die bise herigen Koalitionsparteien nicht mehr die Mehrheit haben, muß bei Besetzung der Verwaltungsposten darauf Rücksicht genommen werden. Wir wünschen so schleunig wie möglich Neuwahlen, sobald die dringendsten gesetzgeberischen Arbeiten erledigt sind.

Abg. v. d. Often( Dinat.): Wir menden uns mit aller Schärfe gegen die Mißachtung der demokratischen Grundfäße( Gelächter), wie sie bei der Besetzung der Verwaltungsposten in Erscheinung getreten ist. Da herricht eine geradezu napoleonische Willtür. ( 3wischenrufe.) Unsere alten preußischen Landräte haben por­züglich gearbeitet.( arm Seiterfeit.) Wir verlangen schleunigste Ausschreibung der Wahlen. Das Wahlgesetz, muß uns während der Sommervertagung zugehen, damit wir im Spätherbst Neu­wahlen haben.

Genoffe Leid:

Durch Eintritt in die Etatsberatung befunden Sie, daß Sie dem Parlament eine Lebensdauer geben wollen, die fachlich in keiner Weise gerechtfertigt ist. Dagegen erheben wir mit aller Ents faiedenheit Einspruch. Die Landesversammlung hat feine Da feinsberechtigung mehr.( Sehr richtig bei den Unabh.) Sie ist nicht das wirkliche Spiegelbild der Boltsmeinung. Deshalb vers langen wir schleunigste Neuwahlen. Wir wissen allerdings, wie sehr auch heute noch die Voltsstimmung durch die kapitalistisch perseuchte Presse gefälscht with, aber wir wollen im Wahlkampf immer erneut den Klassencharakter des Staates aufzeigen, wollen Auftlärung in die Massen tragen und die Köpfe revolutionieren. Deshalb tönnen wir in ben Worten des Herrn Woldt, wir suchten die Maffen auf die Straße zu bringen. gar feinen Borwurf, denn die sozialistische Bewegung ist eine Maffenbewegung und wird fich durchsetzen, bis ihr Wille in Deutsch­ land höchstes Gesetz ist.( Sehr gut! bei den Unabh.) Diese Ber Jammlung hatte die Aufgabe, die Bezfassung zu schaffen. Wenn diese Aufgabe bis heute nicht gelöst worden ist, so sind wir nicht daran schuld. Wir weisen ferner darauf hin, daß in der Berwaltungsreform jo gut wie nichts geschehen ist. Was würde schließlich die schönste Beamtenorganisation nügen, wenn der Geist derselben ein so vorsintflutlicher ist, wie es in Preußen der Fall ist. Ich mache es der Regierung zum Vorwurf, bah fie im Hinblick auf die reaktionären Beamten viel zu wenig durchgegriffen hat. Wir erheben

allerschärften Einspruch gegen bie Berufung Nostes zum Oberpräsidenten von Hannover.( Lebh. Zustimmung b. b. Unabh. Unruhe.) Das ist eine Provokation der Arbeiterschaft. ( Erneute stürmische Zustimmung.)

Auch auf dem Gebiete des Schulwesens ist alles beim alten

4. Maßnahmen zur Beseitigung von doppelfer Berdienstmöglichkeit, die der Kontrolle der Betriebsräte fowie der Gewerkschaften unterliegen müssen.

5. Aufhebung der Verordnung über Erwerbslosenfüt= forge, wonach über die Dauer von 26 Wochen feine Unterstübung oder nur in besonderen Ausnahmefällen gezahlt werden darf. Be­feitigung der Härten in den Bestimmungen für Rentenempfänger. 6. Sofortige Erhöhung der Erwerbslpsenunter­stigung bis zu einer Höhe, die der gegenwärtigen Teuerung entspricht. Die Erwerbslofenunterstügung der Gewerkschaften barf nicht eingerechnet werden. Dem Erwerbslosen ist der Differenz bettag , der sich aus der seither bezogenen und der sofort festzu­fegenden höheren Unterstügung ergibt, entsprechend der Dauer feiner bisherigen Erwerbslosigkeit tüdwirkend bis 1. März 1920 nachzuzahlen. Gleichstellung der Unterstützungssäge für die weiblichen und männlichen Erwerbslosen .

7. Kurzarbeitern ist eine ihrem Verdienstentgang entsprechende Unterstügung aus der Erwerbslosenfürsorge zu zahlen.

8. Um das deutsche Wirtschaftsleben wieder aufzurichten, sind so­fort die wirtschaftlichen Beziehungen mit allen Ländern, insbesondere auch mit Sowjetzußland, aufzunehmen.

Die am 6. Juli im Lustgarten Berjammelten beauftragen bie Kommission, die diese Forderungen ausgearbeitet hat, den zustän­digen Stellen dieselben zu unterbreiten und über den Gang der Verhandlungen die Deffentlichkeit zu unterrichten.

Gemäß der Aufforderung aller Rednet sich nicht zu unsinnigen Sandlungen verleiten zu lassen, ging die Demonstration ruhig und würbig auseinander. Es sprachen: Bon der Betriebsrätezentrale U.S.B. Neumann und Wegmann, von der Gewerkschaftskommiffion Sabath und Bollmershaus, von der Afa Nörpel und Mager, von der S. B. D. Reintnecht und den den Arbeits­lofensäten Schmidt.

Rote Fahnen und Tafeln mit Aufschriften belebten das wir fungsvolle Bild.

Wie immer bei solchen Gelegenheiten, fanden sich auch bei dieser Demonstration Personen ein, die durch ihre Reden die Massen zu Unbesonnenheiten aufzureizen suchten. Es ist z. B. ein Mann beobachtet worden, der seit dreiviertel Jahr arbeitsios ist, seinem ganzen Auftreten nach aber von irgendeiner Stelle Geldmittel erhalten muß. Er steht in dem Berdacht, einer der auch im Blau­prozeß genannten Spizelorganisation anzugehören. Es muß des­halb immer wieder zur Borjicht gegenüber diesem Gesindel geraten

werden.

geblieben. Herr Sänisch sollte sich das Vorgehen des Finanz­ministers gegen reaktionäre Beamte zum Muster nehmen und die muffigen Stuben seiner verknöcherten Geheimräte etwas durch lüften. Der Minister für Bolts wohlfahrt hat sich mit er­freulicher Entschlossenheit für den Schutz der Mieter eingelegt. Aber dieser Schuß muß noch ausgedehnt werden. Das Wohnungss elend is grenzenlos. Das beuten die Hausbefizer in ber frupel losesten Weise aus. Und diese gemeingefährliche Treiben wird von dem durch und durch reaktionären Wohnungsverband Großberlin noch insofern unterstützt, daß diefer die Höchstmieten von 20 auf 30 Prozent gesteigert hat.( Lebhafte Entrüstung links.) Mit dem Infrafttreten Großberlins müßte ihm testlos das Lebenslicht aus geblasen werden.( Bustimmung lints.) Meine Partei hat immer bie Forderung aufgestellt,

bie Polizei den Gemeinden zu übertragen. Anstatt dieser alten Forderung nun endlich nachzukommen, ist man jetzt drauf und bran, neben der staatlichen auch eine Reichspolizei zu schaffen. Sie wissen, daß die Unwandlung der Sicherheitspolizet einen wesentlichen Verhandlungsgegenstand in Spaa bilben wird. haben.( Sehr wohl! b. b. Unabh.) Allerdings wurden wir bann Wir haben stets gefordert, fie folle teine militärischen Aufgaben immer als Landesverräter hingestellt, die die Regierung bei der Entente denunzieren wollten.( Sehr wahr! b. d. Unabh.) Jh erinnere nur an die Berhandlungen vom 18. Juli v. J. Ais wir unter schärfstem Protest datiegten. daß die Regierung fein Recht habe, ohne Genehmigung des Narlaments die Sicherheits­wehr einzurichten, da wurden wiz in der flegelhaftesten Weise hier im Hause angepöbelt.( Sehr richtig! b. b. Unabh.) Damals erhob sich der gegangene Minister Seine, um mich als einen freiwilli gen Agenten der Feinde Deutschlands zu bezeichnen, als einen Spigel und Denunzianten. ( Sört, hört!) Aus dem Etat ersehen wit, daß nur für die Sicherheitswehr 371 Millionen hinausgewor fen werden sollen. Und der Finanzminister hat in Aussicht gestellt, daß die Summe wahrscheinlich um hundert und mehr Millionen überschritten werden dürfte. Ob diese Position wird bestehen bleie ben, erscheint nach dem Verhalten der Entente mehr als zweifel­haft. Es ist aber überaus bezeichnend, daß die Eniente überhaupt hat dagegen Einpruch erheben müssen. Wäre unsere vorjährige Mahnung gehört worden, bann wären die Schwierigkeiten mit ber Entente sehr viel fleiner gewesen.( Sehr richtig! bei ben Unabh.) Wir haben im Etat auch noch Sen berühmten Fonds Dont 300 000 20. zur Bekämpfung des Verbrechertums, ber besser ein Fonds zur Züchtung des Verbrechertums genannt würde.( Stürmische Zustimmung b. d. Unabh.) Das geht aus dem Mordprozeß Blau hervor. Durch die Rodspizzel werden Verbrechen inszeniert und Berbrechez gezichtet und dann tritt Seine auf, um diese Spigelarbeit gegen politisch unbequeme Gegner auszuschlachten. Wir haben aus dem Brozeß auch er­fahren, daß der Staatsanwaltschaft gleichfalls Geheimfonds zur Verfügung stehen. Ueber den Ursprung dieser Gelder vers langen wir von der Regierung offiziel Auskunft. Die weitaus interessanteste Enthüllung hat jedoch die Vernehmung des Lod Spigels Toif! gebracht. Wir haben jetzt die positiven Beweise in der Hand, daß Toift aus dem Korruptionsfonds dafür bezahlt worden ist, gefälschte Flugblätter herzustellen und den Ramen des Roten Soldatenbundes" zu mißbrauchen. In dasselbe Kapitel gehört auch das berühmte

Staatsfommissariat für Ordnung und Sicherheit. Es wäre interessant, einmal festzustellen, welche Stellung der Staatskommissar innerhalb der staatlichen Organisation einnimmt, Es sieht so aus, als ob es sich um eine antibelschewinche Nebens regierung in Berlin handele. Auch der Staatstommissar hat überall seine Spigel, die, um seine Existenzberechtigung darzutun, allerhand Echauergeschichten erfinden müssen. Wie bie politische Polizei, muß auch das Staatskommissariat verjajwinden. ganze Spigelunwejen ist ein efles Geschwür, das mit glühenden Eisen ausgebrannt werden müßte.

Das

Die Regierung, wenn sie an die Arbeit geht, die Sicherheits­mehr aufzulösen, wird dabei allerdings auf den Widerstand des Pommesschen Landbundes stoßen. Es find das dieselben Leute, die die um bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen fämpfen­den Landarbeiter als Bolshewisten und Spartatisten verschreien.

In der neuen preußischen Republik werden Tausende von Prole tatler wegen ihrer politischen Ueberzeugung verfolgt und hinter Kettermauern geftedt.( Sört, hört unb fui b, b. Unabh.) Laut und deutlich fordern wir aber: Gebt unsere Gefangenen heraus! ( Stürmische Zustimmung b. b. Unabh.) Erst heute wieder lesen wir in den Zeitungen, daß

28 Personen zu 132 Jahren Freiheitsstrafe, darunter 79 Jahren Zuchthans verurteilt worden find.( Stürmisches Bfui b. d. Unaby.) Im Ruhrgebiet wurden innerhalb ganz futzer Zeit von nur 5 Kriegs­gerichten 906 Jahre Gefängnis and 167 Jahre Zuchthaus verhängt. ( Erneute stürmische Pfuirufe und Zwischenrufe: Wo ist der Kappist, der verurteilt worden ist?) Ein Schrei der Empörung wird durch die Arbeiterschaft gehen, wenn sie das erfährt.( Sehr wahr! b. b. Unabh.)

Zwischen den Klaffen gibt es teine Versöhnu sondern nur fchatisten Klassentampf, bis das Proletariat den Sieg errungen hat und der Sozialismus verwirklicht worden ist.( Stürmer Beifall b. b. Unabh.)

Hier wurde die Verhandlung abgebrochen und-* bebatteloser Erledigung einiger Vorlagen auf heute mittag 12 Uhr vertagt.

Deutscher Reichstag

9. Sigung, Dienstag, den 6. Juli.

Auf Anfrage des Abg. Hoch( Soz.), ob der Regierung die im Vorwärts" vom 6. März mitgeteilten Tatsachen über enorme Hebezpreise der großen Eisen- und Stahlindu­triellen während des Krieges befannt seien, erwidert der Regierungsvertreter, daß eine Kommission im Oktober 1919 die Angelegenheit dem parlamentarischen Untersuchungs­ausschuß vorgelegt hat.

Präsident Löbe macht hierauf Mitteilung von einem Tele­gramm des Reichsfanalets, bas bie Minister Heinze und Gehler xach Spea beruft. Der Aeltestenausschuß hat daraufhin be schlossen, die Beratungen des Reihstages zu unterbrechen und sie erst nach Abschluß der Verhandlungen in Spaa wieder aufzu­nehmen.

Das Haus erklärt sich damit einverstanden. Die Besprechung Der Zuterpellation wird abgelegt; es tommt zunächst ein schleuniger Antrag aller Parteien, mit Ausnahme der Un­abhängigen, zur Verhandlung, der eine Ergänzung zum Steuers abzug vom Arbeitslohn bringt. Danach hat bei ständig beschäftig­ten Arbeitnehmern der Steuerabzug im Falle der täglichen Be­rechnung des Arbeitslohnes der Abzug für 5 Mr., im Falle wöchentlicher Berechnung für 30 M., und im Falle monatlicher Berechnung für 125 M. zu unterbleiben. Außerdem erhöht sich der abzugsfreie Betrag für jede zur Haushaltung des Arbeitneh­mers zählende Person im ersten Fall um 1,50 E., im zweiten um 10 Mt. und im dritten Fall um 40 E. Ferner wird bestimmt, daß eine starte Staffelung für den Abzug Play greift, die bis 30 000 ML. gleich 15 Prozent und so weiter bis bei einer Million 55 Prozent beträgt.

Abg. Eichhorn( U. Soz.): Der Regierung ist bekannt, daß wegen des Steuerabzuges schon Streits ausgebrochen sind und weitere bevorstehen; für all dies trägt die Regierung hie Verantwortung, die dieses Musnahmepeieh gegen die Arbeiter erlassen hat.( Sehr richtig b. d. 1. Soz.) Der vorliegende Antrag bedeutet nicht eine Reform, er ist nichts anderes als der Versuch einer Verschleppung und deshalb lehnen wir ihn ab. Wir ver­langen afhebung ber gefanten Bestimmungen über den Steuer­abzug.( Beifall b. d. u. Goz.)

Abg. Braun- Franten( Soz.): Aus den Ausführungen des Herrn Borrebners ergibt sich, daß in der unabhängigen Bartei zwei Rich­tungen sind, eine, die den heutigen Entwurf ablehnt, und die andere, die ihn im Ausschuk angenommen hat.( Sört, hört.)

Die Abgg. Düwell und Ziegler( U. Soz.) bestreiten als Aus­schußmitglieder für den Gesezentwurf eingetreten zu sein.

In der Abstimmung wird die Borlage in allen drei Lesungen angenommen gegen die Stimmen ber Unabhängigen.

Es folgt die Diätenverlage für die Mitglieder des Reichstags. Sie sollen eine monatliche Entschädigung von 1500 9. erhalten; für jeden Tag, an dem ein Mitglied der Sigung ferngeblieben ist, werben 50 Mt. davon abgezogen.

Abg. Ledebour ( U. Soz.): Wir sind gegen den Abzug, da dies eine Strafbestimmung für die Volksvertreter wäre. Wir werden deshalb gegen das Gesez stimmen.

In der Gesamtabstimmung wird das Gesez gegen die Stimmen der Unabhängigen angenommen.

Es folgt der Entwurf eines Geleges über die vereinfachte Form Der Gesetzgebung für die 3wete der Ueberganaswirtschaft. Da­nach wird die Regierung ermächtigt, einen Ausschuß von 24 Mit­gliedern einzusetzen, der in Abwesenheit des Reichstages die not­wendigen Geseze verabschiedet.

Abg. Frau Zieh( U. Soz.): Wie sind dagegen, daß einer Kom­mission so weitgehende Vollmachten eingeräumt werden. Wir Derlangen, daß alle wichtigen Entwürfe dem Plenum vorgelegt

werden.

Die Abgg. Ledebour und. Dr. Rojenfeld( U. Sos.) erheben Ein­spruch gegen die Vornahme der sofortigen britten Beratung. Der Bräsident bittet um die Ermächtigung, die nächste Sigung und deren Tagesordnung selbst zu bestimmen. Schluß 4 Uhr.

Generalversammlung der Betriebsräte

In den Andreasfestfälen irat am Montag abend die General versamlung der Berliner Betriebsräte zusammen, um zu der Frage Stellun gzu nehmen, ob eine selbständige Organisation der Betriebsräte ins Leben gerufen werden soll, oder ob der vom Gemertschaftsbund verlangten Einfügung der Betriebstäte in den Rahmen ber Gewerkschaften zugestimmt werden soll.

Genosse Richard Müller erstattete einleitend den Bericht über die Verhandlungen der Rätezentrale mif der Gewertschaftstommission. Er mies darauf hin, daß zu den Feinden des Rätegebantens aus ben Kreisen der Bürgerlichen und Mehrheitssozialisten jetzt auch deutsche Gewerk schaftsführer getreten feien, bie bisher vorgegeben hätten, auf dem, Boden der Räteorganisation zu stehen. Die Gemerschaftsbureau­fratie, Legien und Genossen, wolle jekt den Rätegebanken dazu benutzen, um die Betriebsräte anderen Zweden dienstbar zu machen. Um zu diesem Ziele au gelangen, beabsichtige der Ges werkschaftsbund gegen alle die vorzugehen, die sich feinen An ordnungen nicht fügen wollen, indem er erfläten lasse, daß sich biese Oponenten damit außerhalb der Gewerkschaften stellen. Die Rätezentrale habe alles versucht, um eine erstandi gung mit der Gewerkschaftstommiffion auftande zu bringen. Trotz aller Bemühungen habe die Gewerkschaftskommis fion eine Resolution mit 78 gegen 51 Stimmen angenommen, in der erklärt wird, daß eine selbständige Betriebsräte­organisation von den Gewerkschaften nicht als berechtigt angesehen werden kann. Trotz aller Be reitwilligkeit zu Berhandlungen müsse man sich icht darüber flar werden, daß mit allem Verhandeln tein Stüd weiter zum Ziele zu gelangen sei. Die Rätezentrale tönne es nicht verantworten, bie Dinge weiter tateníos laufen zu lassen. Die selbständige Räieorganisation misie jest unbedingt aufgebaut werden. Andererseits dürfe aber das Ziel dieses Rampfes nicht Schwächung oder 3erschlagung der Gewerkschaften sein. Wenn die Arbeiterschaft diesen Kampf einmütig aufnehme, dann müsse er auch mit ihrem Siege enden.( Lebh. Beifall.) In der anschließenden Discussion, tamen die Bertreter ber einzelnen Gruppen zu Worte, die sich fast ausnahmslos ar bie sofortige Konstituierung der selbständigen Räteorganisation aus Sprachen. Nur der Vertreter der Metallarbeiter riet zur Vorsicht und schlug vor, die Abstimmung über diese wichtige Frage noch zu vertagen und zu versuchen, auf anderen Wegen zu einer Ver­ständigung mit der Gewerkschaftskommission zu gelangen.

Nach Ablegung des Kassenberichtes, wobei alle ausgeftreuten Verdächtigungen fich als haltlos erwiesen, wies Genosse Däumig bie Delegierten auf die Verantwortung hin, bie fie bei der Ab Stimmung auf sich nähmen. Berlin muß lorgen, daß eine selbständige Das Abstimmungsergebnis wurde mit Beifall aufgenommen. Räteorganisation im ganzen Deutschen Reich geschaffen werde. Er geißelte weiter die Schaffung des Reichswirtschaftsrates, es feien lebiglich Worttonzeffionent gemacht worden.

Folgende Resolution gelangte dann einstimmig zur Annahme: Die Generalversammlung der Betriebsräte hält an einer Selbständigen Räteorganisation fest und beauftragt die 3entrale fofort den Aufbau berselben zu vollenden. Dieser Antrag schließt weitere Berhandlungen mit der Gewerkschaftstommillion nicht aus. Die Generalversammlung hält die Einberufung der Hauptversammlung für dringend geboten und beauftragt die Zentrale, dies sofort au tun.

Das Abstimmungsergebnis wurde mit Tebhaftem Beifall auf­

genommen.

Anschließend erfolgte dann die Neuwahl der Zentrale. Trog des Vorschlages des Genossen Wegmann, die Wahlen geheim vor. zunehmen und sich nicht von perönlichen Rüdichten leiten zu laffen, wurden per Attiamation folgende Genossen wiedergewählt: Edett, Müller, Reumann, Stolt und Wegmann.