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Freitag, den 9. Juli 1920

Nummer 268

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Morgen- Ausgabe

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Freiheit

Berliner   Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Sechs Monate Frist

Die Forderungen der Entente

Spaa, 8. Juli.

Die heutige Sigung der Konferenz wurde um 4 Uhr im Schloß de la Freineuse eröffnet.

Lloyd George   teilte sofort im Namen der Alliierten mit, daß, sofern Deutschland   sofort zur Entwaffnung der Einwohnerwehr und der Sicherheitspolizei schreite, ihm für die Herabsehung der Heeresstärte auf 100 000 Mann eine Frist von sechs Monaten zugebil ligt sei. Die Herabsehung des Heeres habe in zwei Raten bis zum 1. Oktober 1920 auf 150 000, bis 1. Januar 1921 auf 100 000 stattzufinden.

Minister Dr. Simons betonte, daß eine so bedingte Frist verlängerung eine einseitige Auflage der Entente darstellen würde, nicht ein Abkommen unter den verhandeln­den Parteien.

Lloyd George   entgegnete, daß die Alliierten darauf beständen, daß Deutschland   das Programm mit diesen Ab: machungen annehme.

Demgegenüber erklärte Minister Dr. Simons, daß Deutschland   das nicht tun tönnte, ohne vorher eingehend über die Angelegenheit beraten zu haben.

Die Konferenz wurde darauf um 5 Uhr auf Freitag vor mittag 11 Uhr vertagt.

Die wutglieder der deutschen   Delegation find sofort nach Rüdtehr von der Konferenz zu einer Besprechung zusammen­getreten.

Der Wortlaut der Note

Spaa, 8. Juli.

Die in der heutigen Sigung als Ergebnis der Be­ratung der Alliierten übergebene Erklärung hat folgenden Wortlaut:

Unter der Bedingung, daß Deutschland  

a) sofort zur Entwaffnung der Einwohnerwehren und der Sicherheitspolizei schreitet;

b) eine Bekanntmachung veröffentlicht, in der die sofortige Auslieferung aller Waffen gefordert wird, die in Den Händen der 3ivilbevölkerung sind, und welche im Falle der Zuwiderhandlung wirksame Strafen vorsicht. Im alle, daß die Befugnisse, die die Regierunt fraft Gejches hat, nach dieser Richtung hin ungenügend sein sollten, müssen un verzüglich gefehgeberische Maßnahmen geschaffen werden, die Befugnisse der vollziehenden Gewalt auf diesem Gebiet verstärken;

c) sofort alle die Maßnahmen in Angriff nimmt und ergreift, die notwendig sind, um die allgemeine Wehrpflicht ab= zuschaffen und um das Heer auf der Grundlage der lang­fristigen Dienstzeit aufzubauen, so wie es im Friedensvertrag vorgesehen ist; d) den Alliierten alle in ihrem Besitz befindlichen Waffen und alles Kriegsgerät, das über die im Vertrage zu elassene Mengen hinausgeht, zum Zwecke der Zerstörung ausliefert, und den Alliierten bei der Zerstörung behilflich ist. e) Die Anwendung derjenigen Bestimmungen des Friedensver: trages über die Seemacht wie über die Luftfahrt sicherstellt, die noch keine Ausführung gefunden haben, erklären sich die Alliierten damit einverstanden:

1. die Frist, die für die Verminderung der Streitkräfte der Reichswehr vorgesehen ist, bis zum 1. Ottober zu ver längern. Zu diesem Zeitpunkt muß das Heer auf 150 000 Mann beschränkt sein und höchstens zehn Reichswehr­brigaden umfassen. Die Alliierten erilären sich weiter mit einer zweiten, am 1. Januar 1921 ablaufenden Frist einverstanden. Zu diesem Zeitpunkt muß die Ermäßi gung der Streitfäfte auf 100 000 Mann genau in der Zu­jammensetzung und der Organisation wie im Friedensvertrag vorgesehen, vollendet sein,

Der ungarische Kommunistenprozeß

Budapest  , 7. Juli( Ungarisches Telegr. Korr.- Büro.).

Vor dem Budapester Strafgerichtshof begann die Verhandlung

2. die deutsche Regierung zu ermächtigen, in der neutralen 3one bis zum 1. Oktober diejenigen Streitkräfte zu unter­halten, deren Zahl der interalliierte militärische Ueber­wachungsausschuß ihr bekanntgeben wird, um an der Sammlung der Waffen teilzunehmen,

3. alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Waffen schmuggel aus dem besetzten Gebiet nach andern Teilen Deutschlands   zu verhindern.

Wenn zu irgend einem Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1921 die Alliierten Ueberwachungsausschüsse in Deutschland   fest= stellen, daß die Bedingungen der gegenwärtigen Verein­barung nicht loyal ausgeführt werden, z. B., wenn am 1. September die vorgesehenen Verwaltungs- und gesetzgeberischen Maßnahmen nicht ergriffen worden sind, nicht in weitgehendstem Maße veröffentlicht worden sind, wenn die Zerstörung und die Auslieferung des Kriegsgeräts nicht normal ihren Fortgang nehmen, wenn am 1. Oktober dasd eutsche Heer nicht auf eine Ziffer von 150 000 Mann beschränkt ist und höchstens zehn Reichswehrbrigaden um= faßt, werden die Alliierten zur Besehung eines neuen Teils des deutschen   Gebiets schreiten, sei es des Ruhrgebiets, sei es jeden andern Gebiets und werden dieses Gebiet erst an dem Tage räumen, wo alle Bedingungen der gegenwärtigen Vereinbarung rest los erfüllt sein werden.

Eine englische Stimme

Der bedeutende englische   Journalist und Schriftsteller Gar: diner, der sich vor siniger Jeit in Deutschland   auspielt und nun seine Eindrücke veröffentlicht, die von einer durchaus verständigen und nüchternen Auffassung getragen sind, äußert sich über den Charakter der Konferenz von Spaa u. a.:

Aber Spaa, ist nur der Anfang. Viel wichtigere Dinge müssen erreicht werden. Der Oberste Rat hat schon zu lange gelebt. Diese Gruppe unverantwortlicher Männer, die Europa  bauernd in Flammen hält, ist keine Vertretung der euopäischen Demokratie. Der Oberste Rat ist nichts weiter mehr als ein Organ, das die Detrete des Marschalls Foch ausführt, wobei Churchill   die Kanonen, Lloyd George   den fünft­lichen Nebel und Bonar Law   die Dementis liefert. Er ist eine Beleidigung für England und eine Gefahr für die Welt. An seine Stelle muß ein Rat Europas   treten, ein Rat, in dem Gleichberechtigte für die gemeinsame Rettung arbeiten. Die Tätig­teit dieses Rates muß mit der des Völkerbundes verschmolzen werden.

Wenn die französische   Politik aufgegeben wird, dann wird der Völkerbund   automatisch auf den Plan treten, und nur durch den Völkerbund kann der Friede gesichert werden. Wenn das erreicht wird, dann wird das Scheitern von Wilsons Politik in Paris   später nur als eine fürchterliche, aber zeitliche Verirrung der Staatsmänner in der Erinnerung fortleben, durch die der schließ­liche Triumph der Vernunft nicht verdunkelt wird. Aber und das ist das letzte Worf, das ich von der Beobachtung der Tragödien Mitteleuropas   mitbringe Amerita darf seine Hilfe Befreiungswerk der Menschheit übernehmen, das doch in Amerika  nicht verweigern. Es muß seinen Anteil an dem großen seinen Anfang genommen hat.

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Kabinettsfitung in Spaa

Spaa, 8. Juli  .( W.T.B.) Sofort nach der Rüdkehr von der Konferenz traten die Mitglieder der deutschen   Delegation zu einer Besprechung zufammen. Daran anschließend fand eine Kabinetts: sigung statt, die über eine Stunde währte. Die Regies rung hat sich sofort mit den in Berlin   weilenden Mitglie dern des Kabinetts, mit dem Reichspräsidenten  , mit den Führern der politischen Parteien und mit dem Reichsrat in Verbindung gefeht.

weiten Internationale auszuscheiden und einen Weg für den Anschluß an die dritte Internationale in Mos­fau suchen zu wollen.

M.

Die Gefahren von Spaa

R. B. Die Komödianten der Rechten entrüsten sich ge= waltig über eine Rede, die der Genosse Ludwig in der Preußischen Landesversammlung gehalten hat. Dadurch, daß er die Beseitigung der Reichswehr forderte, soll er der Entente Material geliefert haben, auf daß sie sich in Spaa berufen könne. Die vaterlandsverräterische Politik der Un abhängigen sei aufs neue festgestellt.

Dieses Gehaben fann nur lächerlich wirken, und wenn Leute, die kurz vor den Verhandlungen in Spaa einen Mann wie Helfferich als Redner im Reichstag vorschickten, sich darüber beklagen, daß wir die Geschäfte der Gegner be= sorgten, so werden sie mit ihren Denunziationen außerhalb des reises der borniertesten ihrer Anhänger fanm einen Eindruck machen. Der Sprecher unserer Fraktion in der Preußischen Landesversammlung hat den Standpunkt ver­treten, den die Unabhängige Partei seit jeher einnimmt, und der auch der Entente nicht erst seit gestern bekannt ist. Wir haben es stets ausgesprochen und wiederholen es jetzt ganz ohne Rüdsicht auf den Stand der Verhandlungen mit den Alliierten, daß nach unserer Ansicht die vollständige Beseitigung der Reichswehr nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit ist, und daß sich hinter der Behauptung, sie sei um der Ruhe und Sicherheit des Landes willen unentbehrlich, nur der Wunsch verbirgt, jederzeit eine Waffe bereit zu haben, mit deren Hilfe die Ansprüche der Arbeiterschaft vereitelt werden fönnen.

Darlegungen der deutichen Vertreter in Svao nicht z In dieser Auffassung vermögen uns natürlich auch die

schüttern. Sie haben das alte Lied von drohenden kommuni­ stischen   Unruhen gesungen, und wir dürfen ohne weiteres annehmen, daß sie als Beweise für ihre Behauptungen jenes Spigelmaterial vorgebracht haben, daß uns zur Genüge be­fannt ist. Wir wissen ja, wie es gemacht wird, und wenn jetzt die nationalistische Presse Tag für Tag mit neuen Mit­teilungen von Putschvorbereitungen anrüdt, so sind wir nicht im Zweifel darüber, welchen Zweden ihre Lügen dienen sollen. Wir haben des weiteren aber auch stets betont, daß die Be­reitwilligkeit, den militärischen Forderungen der Entente zu entsprechen, eine günstige Rüdwirkung auf die Verhand= lungen über die wirtschaftlichen Fragen ausüben würde, und nur wer auf dem Standpunkt steht, daß die Er­haltung eines möglichst großen stehenden Heeres für Deutsch­ land   wichtiger sei, als die Erleichterung der ökonomischen Lasten, die uns der Friedensvertrag auferlegt, fann uns des Mangels an Verantwortlichkeitsgefühl zeihen. Freilich sind wir uns auch darüber von jeher im flaren gewesen, daß unsere Stellung zu der Entwaffnungsfrage nicht nur bei den deutschen   Reaktionären, sondern auch hier und da im Lager der Verbündeten auf Widerspruch stößt, da es dort Leute gibt, die aus diesem oder jenem Grunde das Vorhandensein einer deutschen   Wehrmacht nicht ungern sehen.

Das wird schon durch die Tatsache bestätigt, daß die mili­tärischen Dinge in Spaa überhaupt wieder auf die Tages­ordnung gestellt sind. Die Noten, die kurz vor der Konferenz nach Berlin   gelangt waren, hatten versichert, das letzte Wort der Entente sei gesprochen und eine Erörterung des Ab­rüstungsproblems werde nicht mehr zugelassen. Daß es trotz­dem an erster Stelle zur Besprechung gelangte, beweist, wie wenig einheitlich die Auffassung unserer Gegner ist, und es sprechen ja auch alle. Anzeichen dafür, daß sie trog aller drohenden Gebärden sich schließlich mit einer Hinauszögerung segung der Heeresstärke einverstanden erklären werden. des Termins für die endgültige Durchführung der Herab

Erwägungen der verschiedensten Art spielen dabei mit. Wird Deutschland   tatsächlich entwaffnet, so stärkt das die auf die Einschränkung der Rüstungen gerichteten Bestrebungen in England, Frankreich   und Italien  , und die Militaristen auf der anderen Seite wollen von solchen Wünschen ebensowenig wissen, wie die Militaristen bei uns. Sie sind geneigt, den Deutschen   ihre Waffen zu belassen ,, um einen Vorwand für die ungeminderte Aufrechterhaltung ihres eigenen Heeresbestandes zu besitzen. Dazu aber tommt dann jetzt noch die Angst vor der russischen soll die Bereitwilligkeit zu Zugeständnissen bei den Alliierten durch die Nachrichten über den militärischen Zusammenbruch Polens   bestärkt worden sein. Polen   habe aufgehört, einen Schuhwall gegen den Bolschewismus zu bilden und aus Grunde dürfe Deutschland   im gegenwärtigen diesem Grunde Augenblid nicht gar zu sehr geschwächt werden.

benen es nicht gelboll dh e w i it ijchen Bolkskommisjare, Beschlüsse der englischen Bergarbeiter Roten Armee Rach ber Meldung eines bäniſchen Blattes

gelungen war, nach dem Sturz der Proletarier­

diktatur aus Budapest   zu flüchten. Die Angeklagten werden be­schuldigt der Teilhaberschaft an den Verbrechen des Hochverrats und des Aufruhrs sowie des Mordes in 167 Fällen, begangen zu­meist auf Anordnung des Tibor Szamuely  . Ferner werden fie beschuldigt, bei der Uebernahme der Geldinstitute unter An­Drohung der Todesstrafe an den Beamten Erpressungen be gangen zu haben und Geldfälschungen durch Ausgabe von mehr als Breieinhalb Milliarden nachgeahmter Banknoten der Defter­reichisch- Ungarischen Bant. Der Oberstaatsanwalt beantragte die Vernehmung von 400 3eugen.

Rongreß der bulgarischen Sozialisten

Sofia  , 7. Juli.

Der Kongreß der sozialistischen   Partei hat eine Tagesordnung angenommen, in der erklärt wird, daß die Partei von nun an jede Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Barteien ab­lehne und den Kampf um die Eroberung der politischen Macht fortsetzen werde, um die Dittatur der revolutionären Vollsmassen perwirklichen zu können. Die Partei erklärt, endgültig aus der

London  , 7. Juli( Reuter).

Die Konferenz des Bergarbeiterbundes in Leamington   hat den Beschluß des Vollzugsausschusses ange nommen, wonach eine Lohnsteigerung bis zu zwei Schilling täglich für die besten Arbeiter, sowie Aufhebung der Preis erhöhung von 14 Schilling 2 Dear pro Tonne für Hausbrand von der Regierung gefordert werden soll.

Präsidentenwahl in Frankreich  ?

Frankreich   a. M. 8. Juli. Die Frankfurter Zeitung  " meldet aus Genf  , daß Präsident Deschanel infolge seines bekannten Unfalles nicht mehr die Repräsentationspflichten seines Amtes erfüllen tönne und noch vor dem 50. Jahrestag der Republif zurücktreten werde. Die Wahl des Nachfolgers dürfte Anfang August oder Ende Juli er­folgen. Miller and bewerbe sich um die Nachfolgerschaft. Er werde als ernsthaften Gegner Poincares haben.

Ob das auf der Konferenz ausdrücklich betont worden ist, geht aus den Berichten nicht hervor. Aber wir meinen, daß die deutsche Regierung allen Grund hätte, sich gegen den Ver dacht zu wehren, als habe sie sich selbst dieses Argumentes bedient, oder als habe sie sich auch nur gefallen lassen, daß die Gegner ihr Entgegenkommen mit dem Hinweis auf die russische Gefahr begründen. Die deutsche Regierung darf auch nicht im Entferntesten den Anschein erwecken, als sei sie be­reit, sich zum Gendarmen des westlichen Kapitalismus gegen Sowjetrußland gebrauchen zu lassen. Dieser Eindrud würde aber schon dann hervorgerufen werden, wenn sie selbst das Borhandensein einer russischen Gefahr anerkennte oder auch nur ohne Widerspruch zu erheben, die Gegner eine solche Ge­