Nr. 276

Antwort

Beilage zur Freiheit"

im Interesse des Proletariats rasch und unaufhaltsam die Arbeiterklasse und darüber hinaus die vielen Zwischenschich­ten der Gesellschaft gewinnen. Die Eroberung der politi­

an das Erekutivkomitee) en Macht ist die nächste Aufgabe des deutſchen Proleta­

( Fortsetzung)

Der zweite Teil des Antwortschreibens des Exekutiv­fomitees macht den Versuch, die Sünden der U. S. P. aus ihren theoretischen und praktischen Fehlern abzuleiten. Es ist hierbei bemerkenswert, daß das Erekutivfomitee mit feinem Wort auf unser Leipziger Aftionsprogramm zu sprechen kommt, selbst da nicht, wo es sich nicht um Fragen Des praktischen Handelns, sondern um theoreti sche Auffassungen handelt. Auch hier zieht das Ere­futivfomitee es vor, die U. S. P. nicht auf Grund ihrer programmatischen Erklärungen, sondern an der Hand von Unterstellungen zu kritisieren, deren Herkunft reichlich ge= heimnisvoll ist.

So wird beispielsweise behauptet, unsere Partei habe sich auf den Standpunkt gestellt, zuerst die Mehrheit des Volkes durch Wahlen in die bürgerlichen Parla= mente zu erwerben und erst dann die Diftatur des Pro­letariats aufzurichten. Es dürfte dem Exekutivkomitee schwer fallen, eine Erklärung unserer Partei ausfindig zu machen, in der dieser Standpunkt formuliert ist. Unjer Leipziger Aftionsprogramm hat die Diftatur des Prole­tariats als revolutionäres Mittel zur Erringung der sozia­ listischen Demokratie erklärt. Es ist aber müßig, sich dar­über den Kopf zu zerbrechen, wie und unter welchen Umständen es zur Dittatur des Proletariats fommen wird. Daß dies feine Prinzipienfrage ist, ergibt sich schon daraus, daß hervoragende Vertreter des revolutionaren Sozialismus, darunter auch führende russische Kommunisten einer anderen Auffassung der Frage zuneigen, als dies im Schreiben des Erefutivkomitees zum Ausdrud tommt. Sv Schreibt beispielsweise Trotti( ,, Von der Oktober- Revo lution bis zum Brester Friedensvertrag"), es sei im großen und ganzen vollkommen richtig, wenn Kautsky beweise, daß für die arbeitende Klasse die Beibehaltung der Grundlagen demokratischen Aufbaues letzten Endes stets von Nutzen sei. Aber", fährt er fort ,,, wenn es letzten Endes für das Pro­letariat vorteilhaft ist, seinen Klassentampf und sogar seine Dittatur in den Rahmen demokratischer Institutionen zu fleiden, so bedeutet das noch keineswegs, daß die Geschichte des Proletariats immer eine solche Kombination ermög= licht". Und Lenin ( Staat und Revolution ") weist mit Nachdruck darauf hin, daß die von der Diftatur des Prole­tariats ausgehende Gewalt nur gegen die ausbeuteris je Minorität gerichtet sei. Lenin bezeichnet den Bund der ärmsten Bauern mit den Proletariern als einen ,,, ohne den die Demokratie stabil und die sozialistische Umgestaltung un­möglich ist". Ferner sagt Lenin :" Als Unterdrückungs­organ tritt hier nicht die Minorität der Bevölkerung auf, wie es stets bei der Sklaverei, der Leibeigenschaft oder der Lohnarbeit der Fall war, sondern die Majorität des Vol­fels". Marr und Engels selbst erklärten im Kommu­nistischen Manifest: Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Mi­noritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der un­geheuren Mehrzahl". Nehmen wir nun noch das Dezember­programm des Spartakusbundes zur Hand, in dem es heißt: " Der Spartafusbund wird nie anders die Regierungs­gewalt übernehmen, als durch den flaren, unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in Deutschland , nie anders als fraft ihrer bewußten zu­stimmung zu den Ansichten, Zielen und Kampfmethoden des Spartatusbundes".

Die Difiatur des Proletariats ist der Ausdruck der Ueber­nahme der politischen Macht durch das Proletariat. Die Diftatur wird im Auftrage des flassenbewußten Proleta­riat planmäßig und zielbewußt von revolutionären Sozia­Listen im Interesse des Proletariats ausgeübt. In den fapitalistisch entwidelten Ländern bildet das Proletariat bie ungeheure Mehrzahl der Bevölkerung. Wenn die öko­nomisch entscheidenden Schichten des Proletariats Träger der politischen Macht sind, dann fann eine fozialrevolutio­näre Regierungsgewalt durch ihre zielflaren Maßnahmen *) Siehe Freiheit" Nr. 272 und 274.

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Die schwere Stunde

Roman

Don

Victor Banin

Bon Kindheit an fürchte ich mich vor gar nichts; auch der Tob flößt mit feine Furcht ein, obwohl ich mehr als einmal Gelegenheit hatte, ihm von Angesicht zu Angesicht zu be­gegnen, aber mein Herz erzitterte nicht, erbebte nicht im Schrecken der Todesahnung. Aber eines, das einzige, vor dem ich von jeher einen panischen Schreden fühle, das find die Mäuse. Beim Anblid einer Maus erzittere ich am ganzen Leibe, meine Augen öffnen sich weit, und ein unend­licher, unbezwinglicher Etel, der an Schreden grenzt, erfüllt mein ganzes Wesen. Oft versuchte ich, zu Beweisgründen der Logik zu greifen, um diese sinnlose Furcht zu befämpfen, aber es war immer vergeblich; jetzt fühle ich denselben Etel, genau denselben Schreden, das gestrige fönne sich wieder­

bolen.

Obwohl ich weiß, daß mein Beschluß dumm, finnlos ist, lage ich mir andererseits, es sei ja nichts Besonderes dabei, ba ich im Kabinett schlafen werde. Das bedeutet ja noch nicht die endgültige Trennung, das ganze Leben liegt ja noch vor einem, sie ist ja die Mutter meiner Kinder und sie ist vor mir noch gar nicht schuldig.

Ich gehe immer schneller im Kabinette auf und ab, und bente darüber nach, aber je mehr ich nachdenke, um so per worrener werde ich. Es scheint mir, als sei die Kraft meines Berstandes geschwächt, oder als hätte sich in mir eine neue Kraft eingewurzelt, die aller Beweisgründe des Verstandes spottet und, fich meiner bemächtigend, mich auf neue, mir un­befannte Wege führen wird.

Meine Frau fehrt sehr spät heim; ich vernehme ihren Schritt im Vorzimmer und dabei wird meine Unruhe noch heftiger; ich sage mir: Jegt wird es losgehen"... Nach­dem sie abgelegt hat, höre ich, daß sie das Speisezimmer be= tritt; wie sie Licht in meinem Kabinett bemerkt, tommt fie zur Türe, öffnet sie leise und stedt erst nur den Kopf hin­burch; dies ist eine alte Gewohnheit, vor dem Kriege tat fie das, um mich nicht zu stören, wenn ich schrieb. Wie sie sieht, daß ich mitten im Simmer stehe, tritt sie ein und nähert sich mir leichten Schrittes.

riats. In diesem Kampf um die Eroberung der politischen Macht benutzt die Unabhängige Sozialdemokratie neben dem Parlamentarismus alle geeigneten Kampfmittel. Sie läßt aber feinen Zweifel darüber, daß die politische Macht nicht im Parlament erobert werden kann, sondern daß das vornehmste und entscheidenste Kampfmittel die Af= tion der Masse ist.

Nur wer sich sein Urteil völlig nach russischen Verhält­nissen bildet und spezifisch russische Verhältnisse schablonen­haft auf andere Länder überträgt, fann übersehen, daß in jedem Lande im Klassenfampf eine Menge ökonomischer, so­zialer und politischer Sonderheiten beachtet werden müssen, daß das Kräfteverhältnis der fämpfenden Klassen nicht überall und nicht zu jeder Zeit gleich ist. Eine solche ver­einfachte Auffassung, wie sie im Antwortschreiben des Mos­fauer Erefutiofomitees zur Geltung gebracht ist, übersteht auch, daß unser Handeln nicht allein von uns, sondern auch von unseren Gegnern abhängt. Wenn nun die deutschen Kommunisten in dieser Ansicht theoretisch mit uns überein­stimmen, so entspricht dieser theoretischen Eirsicht doch feineswegs die Praxis der deutschen Kommunisten, die, entgegen dem Willen einzelner ihrer Führer- unter dem Einfluß der bolschemistischen Revolution, deren anders ge­artete, soziale Triebfräfte sie übersahen auf den Weg des Putschismus gedrängt wurden. Welche Taftik die rich­tige war, ergibt sich aus der führenden Rolle, die unsere Partei im revolutionären Proletariat Deutschlands spielt und aus der Einflußlosigkeit, zu der die äußerlich in zwei, innerlich aber in mehr als zwei feindliche Lager gespalte­nen Kommunisten herabgesunken sind.

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Ebenso wie mit der Frage der Diftatur, verhält es sich mit der Frage des Terrors und des Bürgers frieges. Auch hier wird die spezifisch russische Form der Diktatur des Proletariats zum Grundgesetz für das inter­nationale Proletariat erhoben. Hierbei erdrückt die Form den Inhalt und erschwert den Gang der Revolution durch ungenügende Berüdsichtigung der Umstände, die bei einem anderen soziologischen Inhalt auch eine andere Form der Revolution notwendig machen können. Bei der Prüfung des Gewaltproblems kommt in Betracht, daß zwischen Ge­walt und Terror unterschieden werden muß. Wenn auch die Diktatur des Proletariats wie jede andere Diktatur, selbst wenn sie sich in ein demokratisches Gewand hüllt, der Anwendung von Gewaltmitteln nicht entbehren fann, so hängt ihr Ausmaß doch von den fonterrevolutionären Wider­ständen ab. Terrorismus als politische Methode bedeutet die Errichtung einer Schredensherrschaft, bedeutet die Anwen­dung von staatlichen Gewaltmitteln auch gegen Unschul­dige, um durch Einschüchterung und Abschreckung alle Ab­fichten auf Widerstand zu brechen. Dagegen ist zu sagen, daß die internationale Sozialdemokratie diesen Terror nicht nur aus Menschlichkeit und Gerechtigkeit, sondern auch aus Gründen der 3wedmäßigkeit abgelehnt hat. Kann von der Gewalt gesagt werden, daß sie nur die Geburts­helferin jeder alten Gesellschaft ist, die mit einer neuen schwanger geht und daß sie die neue Gesellschaft nicht zu Tage fördern fann, ehe diese nicht im Schoß der alten gereift ist, so muß vom Terror gesagt werden und die Geschichte hat das hundertfach erwiesen, daß seine Anwendung nicht die Stärke einer Bewegung, sondern vielmehr ihre innere Schwäche zum Ausdrud bringt. Unsere Partei handelt des­halb vollkommen im Einklang mit der marristischen Lehre und mit den Erfahrungen der Geschichte, wenn sie es ab­lehnt, den Terror zu verherrlichen. Das Festhalten an diesen Grundsätzen bedeutet nicht, wie uns im Antwort schreiben des Erefutivkomitees vorgeworfen wird, die De­moralisierung des revolutionären Bewußtseins der Ar­beiter". Es bedeuteet vielmehr die Sicherung der dau ernden Interessen des Sozialismus als ganzes betrachtet; es bedeutet den Schutz der proletarischen Dentweise vor dem Eindringen forrumpierender militaristischer Gedanken­gänge, die das dauernde Interesse der Revolution und der Arbeiterbewegung wegen wirklicher oder scheinbarer Augenblickserfolge preiszugeben bereit sind.

( Fortsetzung folgt.)

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,, Das ist einfach unverantwortlich, Kolja", sagt sie, indem fie ihre Unzufriedenheit durch ein Lächeln zu verstecken sucht, ben ganzen Tag erwarten wir dich. Diesen Tag", fie betont besonders das Wort diesen"- ,, hättest du wirklich im Kreise deiner Familie verbringen können."

weige. Gie fährt fort:

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Ich bin nur abends ausgegangen und bin steden­geblieben." Dabei sehe ich, daß sie plötzlich verlegen wird, auf ihrem dicen Gesichte treten rote Fieden hervor, und sie verbirgt ihren Blid vor mir, wobei sie sich von mir abwendet und in diesem Augenblide auch das auf dem Divan ausge breitete Bettzeug sieht.

Ihre Augen öffnen sich weit vor Erstaunen, aber nach und. nach erscheint in ihnen eine scharfe, stechende Bosheit; fie nimmt sich zusammen, jedoch ich bemerke, daß sie vor Wut focht. Ihre Lippen zuden leise, aber sie frägt absichtlich,

um ruhig zu erscheinen, mit veränderter falter Stimme: Was? Beabsichtigst du hier zu schlafen? du fünf Jahre abwesend warst?" Jezt, nachdem

Ich ergreife ihre linte Hand und beginne zaghaft, mit chulbiger Stimme zu erklären, es sei ja nichts Boses dabei,

ich hätte es ja nicht so gemeint, sie müsse doch verstehen, es Jei mir ein wenig peinlich und unbequem... während fünf Jahren verlernt man feine alten Gewohnheiten, und außer­dem wissen sie ja genau, daß ich schreiben müsse, lüge ich voll­tommen bewußt, in den fünf Jahren hat der Mensch so viel gesehen und erlebt, jest muß das alles aufgeschrieben werden. Ja tonnte sie nicht erst darum befragen, da sie nicht zu Sause war, und ich glaubte, sie würde sich dazu ganz ruhig, wie es nötig sei, verhalten.

Mit weiblichem Instinkt fühlt sie, glaube ich, meine Un­aufrichtigkeit, fie beißt fortwährend an ihrer Unterlippe und macht dazwischen eine protestierende Bewegung mit dem Kopf.

Plötzlich überkommt mich, gerade jetzt, eine merkwürdige Ruhe, als wären meine Beweisgründe nicht für meine Frau, sondern für mich selbst bestimmt und als hätten sie mich voll­fommen überzeugt. In ruhiger Sicherheit sehe ich mich an meinen Schreibtisch und erwarte den weiteren Verlauf der

Szene.

Sie schweigt, die verschränkten Finger ringend, um ihrer Verzweiflung Ausdruck zu geben, nähert sich sodann dem

Mittwoch, 14. Juli 1920

13. Verbandstag des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands

Hannover , den 11. Juli 1920.

Der Verbandstag der Fabritarbeiter wurde heute eröffnet. Sekretär Contenius( Samburg) begrüßte die Delegierten namens der Zahlstelle Hannover . Er gab den üblichen geschichts lichen Rückblick. Der Bericht liegt als Broschüre vor, desgleichen das Jahrbuch 1919.

Als geladene auswärtige Gäste sind erschienen: Koll. Deleppa haus( Schweden ), Sörensen( Dänemark ). Im Namen des Magistrats der Stadt Hannover begrüßte der Senator Schrader die Tagung. Pabst glaubte die Tüchtigkeit des Kartells Hanno­ ver mit dem Vorhandensein einer Betriebsräteschule nachweisen zu fönnen. Auch weiter sprach er Worte der Verteidigung der Ges werkschaftspolitik in Hannover .

Der Verbandsvorsitzende, Aug. Brey dankte nach allen Seiten und entschuldigte die fehlenden internationalen Verbandsbrüder und macht auf die zu erwartenden Entladungen der Opposition aufmerksam und hofft auf ein glückliches Verziehen des Gewitters. Es erfolgte dann die Konstitution des Bureaus. Die Opposition präsentierte als Vorsitzenden Schumann- Leipzig. Die Wahl ergab 1. Aug. Brey- Sannover, 2. Contentuss Hannover , 3. Schumann- Leipzig . 3u Schriftführern wurden gewählt: Frau Lungwig- Berlin( Opp.), Birtholz- Dresden ( Opp.), Wilh. Müller- Reuß( Opp.), Schäbi z= Bunzlau, Strasser- Waldshut, Ettlich- Koswig.

Die vorgelegte Tagesordnung des Verbandsvors standes fand Annahme.

"

Die Beratung der Geschäftsordnung" brachte zu Punkt 6 eine lebhafte Debatte. Die Opposition forderte, daß nur aus Urwahlen hervorgegangene Delegierte stimmberechtigt sein sollten. Die Tattit des Verbandsvorsitzenden und Verhand lungsleiters mußte dahingehen, diese Gefahr für die Verbandss bureaukraten abzulenten. Der Antrag Bach( Plauenscher Grund) wurde deshalb nach erhitter Debatte mit 254 gegen 136 Stimmen abgelehnt. Brey gab hierauf den Bericht des Vorstandes. Die Verteidigung der Verbandspolitik begann und damit das Ringen der Geister.

3 weiter Verhandlungstag.

Hannover , 12. Juli 1920.

Es folgt zunächst der Bericht des Haupttassierers. Das Verbandsvermögen beziffert sich auf 10 Millionen Mart. Zum Geschäftsbericht der Verbandspresse sprach Redakteur Prüll. Er verteidigt sich gegen die Vorwürfe der Opposition, die in den gestellten Anträgen zum Ausdruck kommen. Im allgemeinen ist zu bemerken, daß von den, im Druck vor­liegenden 212 Anträgen zur Tagung bloß 52 oppositioneller Natur sind.

Den Revisionsbericht gibt Martens- Harburg , der die Angaben des Hauptkassierers bestätigt, die Buchungen in Ord­nung gefunden hat und Entlastung verlangt.

Bach beantragt namens der Opposition unbeschränkte Redefrei­heit für diese zu den Berichten.

Nach scharfer Debatte ergab die Abstimmung schließlich volle Redefreiheit, aber nach beiden Seiten des Hauses.

Mit erhöhter Spannung wurde das Korreferat des Ge­nossen Re im ann- Berlin entgegengenommen. Er führte aus, daß seitens der Opposition nicht die Absicht bestehe, die ganze verderbliche Kriegspolitik der Gewerkschaften aufzurollen. Aber auch ab 1917 sei das Sündenregister noch groß genug. Wiesen= hüter habe Aeußerungen gemacht, die dazu zwingen, auf den ,, Gau Wiesenhüter" aufmerksam zu machen. Wie sieht es unter den Arbeitern in Pommern aus? Wer das Noskeregime ver­teidigen wolle, möge doch an die ungezählten Gewerkschaftsver­Sammlungen in Berlin denken, die durch Militär gestört wurden. Jezt habe man ja den ehemaligen Wehrminister nach Hannover abgeschoben. Reimann verweist weiter auf einen Gerichts­beschluß, in einem Kampf der Rechtsanwaltsangestellten, wo­nach alle Bestrebungen die auf Streitbetätigung hinzielen, ver­boten werden. Der Klassenkampf jei nicht zu umgehen, oder man erkläre das Erfurter Programm für eine Utopie., Was habe zum Beispiel der Verbandsvorsitzende Brey getan, um das Blutbad am 13. Januar in Berlin zu verhindern? Es sei leicht nachzu­weisen, daß Gewerkschaftspolitik und Parteipolitit miteinander unmittelbar verbunden sind. Es herrsche hier eine tausendfache Personalunion. Wo die berühmte Neutralität und Db­jettivität herkommen solle, werde die anwesende Mehrheit am besten wissen. Was habe Brey getan, um die verschiedenen Belagerungszustände aufgehoben zu wissen? Die Presse habe be richtet, daß er sogar für Beibehaltung derselben eingetreten sei. Was habe der Verbandsvorstand in Sachen der Erwerbslosen­frage" getan? Wie stehe der Verbandsvorstand zu dem wichtigen Gesezentwurf der Schlichtungsordnung? Dann vermissen wir vom zweitstärksten Verbande Deutschlands eine kraftvolle und großs zügige Propaganda. Brey habe erklärt, der Kampf zur Durchführung des Sozialismus sei nicht Sache der

Sessel, der an der anderen Seite meines Schreibtisches steht, finft auf den Lehnstuhl, verdeckt ihr Gesicht in den Händen und bricht in Tränen aus:

Ich denke:

Das ist alles ausgezeichnet berechnet, sie macht auch keine einzige unnüze Bewegung, ein vollendetes Schauspielers talent.

Früher hast du ja Gottlob auch geschrieben", sagt sie unter Tränen ,,, es ist ja nicht zum ersten Male, und doch bist du nie aus dem Schlafzimmer weggegangen; nein, nein! Lüge lieber nicht, ich sehe wohl, daß du mich nicht mehr liebst, ich bin dir einfach widerlich. Und weshalb, sage weshalb?"

Ich kann überhaupt feine. Frauentränen sehen, sie machen auf mich einen merkwürdigen Eindruck, so daß sich mein Herz schmerzhaft zusammenkrampft. ch habe das Gefühl, als werde ich mit stumpfen hölzernen Ahlen gestochen; aber jetzt machen diese Tränen nicht den geringsten Eindruck auf mich Ich sehe mich bequemer in meinem Sessel zurecht und bes beschämt: trachte aufmerksam meine Nägel, obwohl mich mein Verstand

Wie fannst du nur, du Gefühlloser? Es ist ja der Augens blic, in dem dein weiteres Familienleben entschieden wird Jch aber lache innerlich darüber, ich bin ruhig. Durch die früheren Erfahrungen gewigigt, erwarte id einen neuen Redeschwall von Scheltworten, Vorwürfen und schließlich den unvermeidlichen hysterischen Anfall, und dieses widerwärtige, süßlich- bittere Gefühl, das jede Familienszene hinterläßt, bei der die Seelen der Menschen, die sich nahestehend verwandt halten, sich vollkommen vor einander verschließen, und die Leute, von Haß erfüllt, einander nicht verstehen können, oder nicht wollen; so wird vielleicht ein jeber von Verzweiflung erfaßt, weil ein jeder sich der Illusion hingibt, der andere werde ihn sofort verstehen.

Wie groß war jetzt mein Erstaunen, als meine Frau plök lich energisch aufstand und, wie mir schien, ruhigen Schrittes zur Türe ging, indem sie mit unterwegs in verächtlich- ärgers lichem Tone zuwarf:

Run, so schlafe eben wie du willst!"

Sh wollte meinen Ohren nicht trauen. Sollte das wirks lich alles sein? Ich zerbrach mir den Kopf, ohne eine Ers Klärung für dieses Betragen finden zu können. ( Fortsetzung folgt.)