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Einzelpreis 30 Pfg. 3. Jahrgang

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Sonntag, den 25. Juli 1920

Nummer 296

296 Morgen- Ausgabe

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greiheis

Berliner   Organ

ber Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Neue Niederlagen der Polen

Baranowitsch und Slonim   besetzt

Kopenhagen  , 24. Juli.

Nach einem Telegramm aus Warschau   bejagt der polnische Seeresbericht: Die Polen   haben Baranowitsch geräumt und fämpfen nun westlich des Schara- Flasses. Südlich des Bripjet haben die Polen   den Feind auf Mowo- Stolti zurüd­geworfen. Mehrere feindliche Angriffe auf die Linie am Styr Fluk wurden abgeschlagen. Bei Borovic gelang es jedoch dem Feinde, an bas Dstufer zu tommen. In der Gegend von Dubno fiel bie bolschewistische Reiferei ben Polen in ben Rüdeu. Es tam zu heftigen Kämpfen. Trotzdem starke feind­liche Streitfräfte in den Stampf geworfen wurden, wurden fünf hintereinanderfolgende Angriffe mit schweren Berlusten auf beiden Seiten abgeschlagen. Süblich von Dubno hat der Feind den Fluß überschritten.

Am 23. Juli teilte der polnische Generalstab mit: Polnische Ab­teilungen haben einen Gegenangriff längs des Weges von Sopolta bis Grodno   unternommen. Feindliche Abteilungen haben sich Slonims bemächtigt. Der Feind, der den Uebergang an dem Pripiet zu passieren versuchte, wurde mit schweren Berlusten Juridgeworfen. In der Gegend von Targowca dauern die hartnädigen Kämpfe an.

Die deutsche   Neutralität

Völkerrechtliche Unterlagen

Berlin  , 24. Juli,

Bon zuständiger Seite wird mitgeteilt: Deutschland   hat seine Reutralität gegenüber Ruhland und Bolen erklärt. Maß­gebend für das Berhalten der deutschen   Regierung werden nur bie allgemeinen Grundsähe des Völkerrechts sein, da Deutschland  und Rußland   bem Böllerbung nicht angehören, hinsichtlich der Aus- und Durchfuhr von Waffen das Haager Abkommen Don/ 1907, bas diese zugunsten beider Teile gestattet, aber jebem Staate freiftellt, fie auch zu untersagen. Der Friedensvertrag von Bersailles zwingt Deutschland   nicht zur Abweichung von der Neu­tralität. Zwar hebt er den Friedensvertrag zwischen Deutschland  und Rußland   auf, stellt aber den Kriegszustand dadurch nicht wie ber her( Artikel 116). Aushändigung der von Deutsch  lanb abzuliefernden Waffen an Bolen tann night Derlangt werden, da die Waffen nach ausdrücklicher Be timmung zerstört werden sollen( Artikel 169). Truppentrans porte der Alliierten durch deutsches Gebiet find nur zur Durch fahrung des Friedensvertrages vorgesehen( Artikel 375), tönnen alja nicht zur Unterstügung Bolens im Kriege gegen einen am Friedensvertrage unbeteiligten Staat vorgenommen werden.

Schutzmaßnahmen in stpreußen

Berlin  , 24. Juli.

Dem Präsidenten der Friedenskonferenz in Paris   ist unterm 21. Juli folgende Note überreicht worden:

Nach Mitteilungen, welche die Deutsche   Regierung erhalten hat, find die Truppen der Sowjet- Regierung nur noch wenige Tages märsche von der ostpreußischen Grenze entfernt. Zur Wahrung Der Neutralität, zur Sicherung der Grenzen und zur Beruhigung ber Bevölkerung, t4 noch in Erinnerung an die früheren Ruffeneinfälle aufs äußerste erregt ist, erscheint es erforderlich, eine freiwillige Schuhwehr der Eins Beseffenen zu bilden, die im äußersten Notfall zur Unter­tügung der Grenzschußtruppen herangezogen werden kann.

Die Deutsche   Regierung bittet die Alliierten Regierungen, hierzu ihre Zustimmung zu erteilen und darin nicht einen Berstoß gegen die bei den Berhandlungen in Spaa getroffenen Abreden zu cebliden.

Gleichzeitig bittet die Deutsche   Regierung, ihr zu gestatten, die Zur Wahrung der Neutralität und für den Schutz der Grenzen ers forderlichen Truppen durch die Abstimmungsgebiete Allenstein   und Marienwerder an die Grenze dieser Ge biete zu senden. Die Deutsche   Regierung geht davon aus, daß nach bem Friedensvertrag die Souveränität im Abstimmungsgebiet bei ihr verblieben und sie daher völlerrechtlich verpflichtet ist, die ge eigneten Vorkehrungen gegen etwaige Berlegungen der Neu Tralität und der Reichsgrenzen zu treffen.

Die Einzelheiten werden zwemäßig mit dem Interalliierten militärischen Ueberwachungsausschuß in Berlin   zu verein

baren sein.

Nach den wiederholten Zuficherungen Sowjetrußlands, die beutsche Grenze unter allen Umständen zu respektieren, halten wir die Befürchtungen der Regierung für start übertrieben. Das große Truppenaufgebot will uns durchaus nicht not­wendig erscheinen. Sollte sich der Krieg tatsächlich bis an die deutsche Grenze ausdehnen, dann könnte es sich doch höchstens barum handeln, versprengte Formationen, die sich über die Grenze verirrt haben, zu entwaffnen. Ein größeres Militär­aufgebot ist dazu nicht unbedingt erforderlich. Für ver­hängnisvoll halten wir auch die Verhängung des Be­lagerungszustandes über ganz Ostpreußen  . Die Macht geht damit auf die politisch höchst unzuver

dafür garantieren, ob diefe ihre Macht nicht miß­

Iässigen militärischen Kommandeure über. Kann jemand dafür garantieren, ob diese ihre Macht nicht miß­brauchen werden? Und besteht nicht der begründete Ver­dacht, daß die unter der Maste des Grenzschutes in Ost­ preußen   tonzentrierten Truppen die Gelegenheit zu einer neuen Verschwörung, zu einem Baltikumabenteuer in zweiter Auflage benügen werden?

Diese Fragen erheischen aufmerksamste Beachtung. Die deutsche Regierung hat wiederholt das Gelöbnis der Neu­tralität abgelegt. Daß es in den strengsten Formen ein­gehalten werde, darüber muß die sozialistische Arbeiterschaft mit angespannten Nerven wachen.

Bon seiten des Reichswehrministeriums wird erklärt, baß ber Ausnahmezustand in Ostpreußen   auf Grund nicht der inneren, son­dern der äußeren Lage erklärt worden ist. Die vollziehende Ge­walt liegt in den Händen des Militärbefehlshabers, Generals von Dassel  . Als Zipilkommissar ist ihm der Oberpräsident bei­gegeben.

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Der Sklave der Entente

Paris, 24. Juli.

Die Sumanite" fagt, Polen   fei in Wirklichkeit seit zwei Jahren Stlave der Entente, besonders aber Gilave Frant reichs. Emporgestiegen durch die Revolutionen in Rußland  und Deutschland   und nicht durch den militärischen Sieg der Entente, hätte es nur ein Interesse gehabt, in Frieden mit seinen ruffischen und deutschen   Nachbarn zu arbeiten. Aber man habe aus ihm einen boppelten Wall gegen Berlin   und Mostau machen wollen, deshalb hätten die Alliierten es gründlich ausgesaugt. Wenn Foch   nach Warschau   ginge, dann jei es um Bolen geschehen und aufs neue tonne man das bekannte historische Wort aussprechen: finis; poloniae.

Die Sumanite" erklärt, die widerfinnige Legende einer Allianz Lenin- Ludendorff, die die bürgerliche Bresse unausgesezt verbreite, male die Gefahr einer Entente zwischen Berlin   und Mostau, zur Vernichtung Bolens und des Friedensvertrages von Versailles  an die Wand. Aber zwischen dem Deutschland   Fehrenbachs und dem Rußland Lenins sei ein Einverständnis unmöglich. Biel   eher jei ein Druck der Entente auf Deutschland   zu befürchten, damit es fich zum Mitschuldigen einer militärischen Handlung gegen bie Sowjetrepublit mache. Die Sumanite" zählt auf die Wachsamteit bes deutschen   Proletariats. Wenn die Verhandlungen zwischen Polen   und Rußland   angetnüpft feien, müsse Rußland  die fofortige Abberufung der französischen   Mission aus Polen   ver langen, und die Barriere müsse fallen, die jede wirtschaftliche Verbindung zwischen Deutschland   und Rußland   verhindere.

Lloyd Georges Befürchtungen

Amsterdam, 24. Juli.

Nach dem erst heute hier eingetroffenen ausführlichen Wortlaut der Unterhausrede Lloyd Georges sagte dieser mit Bezug auf, das Vorrüden der Bolsche wisten gegen die deutige Grenze noch: Wir müssen uns flar machen, was bas bedeutet. Für Deutschland   mit seinen Lasten, seinen Verpflichtun gen und feiner überwältigenden Schuldenbürde besteht wie für feden anderen Schuldner bie große Versuchung, einen einfachen

und bequemen Ausweg zu finden. Freilich würde dies nur durch Anarchie möglich sein, aber es gibt in Deutschland   Millionen von Menschen, die ungeduldig werden, und es gibt in Deutschland  Millionen friegsgeübter Männer. Die Bolschewisten Find ihre unmittelbaren Nachbarn. Ich bitte nur an die Möglich­teit zu denken, daß die Alliierten der Früchte ihres teuer erkauften Sieges beraubt werden könnten. Die Alliierten sind unter diesen Umständen zu dem Entschluß gelangt, den Marsch der Bolschewisten durch polnisches Gebiet unbedingt zu verhindern.

Polen   braucht auch moralische Hilfe Washington  , 24. Juft Die polnische Regierung hat das Auswärtige Amt der Vereinig­ ten Staaten   ersucht, es möge erklären, daß Bolen die moralis che Unterstützung der Vereinigten Staaten   in seinem Kampfe gegen Rußland   hat

Das neue Kabinett

Paris  , 24. Juli.

Der Leiter der polnischen Militärmission in Paris  , General Rozwadowsky ist zum Chef des polnischen Gene­ralstabes ernannt worden. Nach einer Havas- Meldung aus Warschau   ist dort ein nationales Roalitionsfabinett gebildet worden. Den Borsiz hat Witos  ( Volkspartei), Vize­präsident ist der Sozialist Daizynski. Fürst Sapieha behält bas Ministerium des Auswärtigen.

Sozialistenfurcht Millerands ( Eigene Drahtmeldung der Freiheit,)

Paris  , 24. Juli.

Die franzöfifche sozialistische Partei hat den Genossen Ledebour eingeladen, zur Gedächtnisfeier für Jean Jaurès   am 31. Juli nach Paris   zu tommen. Die frans öfifche Regierung hat die Einreiserlaubnis verweigert

Spaa und das Zechenkapital

Am Sonnabend sind in der Sitzung des Reichswirtschaftss rates die beiden Sachverständigen zu Wort gekommen, die in Spaa gegen die Unterzeichnung des Kohlenabkommens mit der. Entente gestimmt haben: Stinnes und der Ges heime Bergrat Hilger. Sie begründeten noch eins mal ihren ablehnenden Standpunkt. Stinnes erklärte mit Nachdruck, daß er es nicht für möglich halte, das Abs fommen zu erfüllen, und Hilger schloß sich dem, wenn auch in etwas vorsichtigeren, zurückhaltenden Wendungen, an.

Beide Herren aber versprachen, nachdem die Unterschrift einmal vollzogen sei, ihre Mitwirkung bei dem Versuch, das gesteckte Ziel zu erreichen, nicht zu versagen. Das heißt, fie find beide darin einig, daß nicht sowohl sie, sondern die Bergarbeiter ihre ganze Kraft daransehen müssen, das von den Grubenbesitzern für unmöglich Gehaltene möglich zu machen, und besonders Stinnes betonte die Notwendigkeit der Mehrleistung durch die Knappen. Grundsätzlich will er an der bestehenden Arbeitszeit nichts geändert wissen. Natür lich nicht! Indessen, es müssen mehr Ueberschichten verfahren werden, und das bedeutet, daß das Prinzip immer mehr durchlöchert wird, solange, bis das Normwidrige zum Normalen geworden ist und damit die Wünsche des Kapitals Erfüllung finden.

Es sieht so aus, als ob sich die beiden Industriekapitäne des inneren Widerspruchs in ihrem Auftreten nicht bewußt geworden wären. Wenn sie überzeugt sind, daß sich die Bes dingungen des Vertrages auch beim besten Willen nicht er. füllen lassen, dann ist es doch von vornherein sinnlos, die Arbeiter mit Rücksicht auf das Abkommen zu einer noch größeren Anspannung ihrer Kräfte antreiben zu wollen. Aber wir glauben, es sieht wirklich nur so aus, denn tatsächlich tann ja das Kapital unter feinen Umständen bei einer größeren Arbeitsleistung etwas verlieren. Wird das nois wendige Quantum nicht gefördert, so haben die Zechenbesizer auf jeden Fall den Vorteil, daß sie mehr Kohle erhalten, die fie zu hohen Preisen verkaufen tönnen zu Preisen, an beren Steigerung fte im gegenwärtigen Moment wahrschein lich wieder sehr ernstlich denken- und daß in die Mauer des Normalarbeitstages eine große Bresche gelegt ist.

Ihnen tann ja, wie die Dinge heute liegen, überhaupt nichts geschehen, und so ist auch ihre Haltung zu der Frage der Besetzung des Ruhrreviers durch die Entente zu verstehen. Herr Hilger meinte, der Marsch an die Ruhr wäre jedenfalls nicht ein militärischer Spazier­gang geworden, wie seinerzeit der von Mainz   nach Frank­ furt  , und Herr Stinnes   erklärte den Hinweis auf die 3wangsmaßregeln der Gegner nicht für zutreffend. Das heißt nichts anderes, als daß diese Sachverständigen der fran­ zösischen   Okkupation ohne allzu schwere Bedenken entgegens gesehen haben würden. Das ist nicht erst jetzt bekannt ge­worden, sondern es wurde durch die Ausführungen im Reichs wirtschaftsrat nur noch einmal unterstrichen. Die Stinness sche Rede in Spaa fonnte gar nicht anders ausgelegt werden als eine fast unverhüllte Aufforderung an die Franzosen zum Einmarsch, und man braucht darüber hinaus nur an bie Unterredung zu erinnern, die er unmittelbar nach der betreffenden Sigung dem Vertreter des Pariser Matin" gewährte. gewährte. Wir werden nicht nachgeben", sagte er ihm ,,, es gibt feine Möglichkeit der Verständigung". Und auf die Be­mertung des Franzosen  , daß das das Scheitern der Kon­ferenz bedeute, lautete die brüste Antwort: Ich weiß es und habe es vorausgesehen."

Es hat bestimmt nicht an Herrn Stinnes gelegen, wenn doch noch eine Einigung erzielt und die Besetzung verhindert wurde. Aber der merkwürdige Patriot rechnet damit, daß noch nicht aller Tage Abend gekommen sei. Er ist davon überzeugt, daß zuleht der Einmarsch doch erfolgen werde, da er ja nicht an die Erfüllbarkeit der Bedingungen von Spaa glaubt, und niemand fann den Eindrud haben, als ob ihn diese Aussicht irgendwie mit Sorgen erfülle.

Seine Freunde werden vielleicht behaupten, er sei boshaft genug, die Entente zu einem Experiment zu ermuntern, das unbedingt zu ihrem Schaden ausschlagen muß. Nach unserer Ueberzeugung aber sind es nicht sowohl Erwägungen der Bosheit, als vielmehr solche des tapitalistischen In­teresses, die den Kohlenfönig bei seiner Politik leiten. Eine Stelle aus seiner Rede im Reichswirtschaftsrat ist be= sonders beachtenswert. Da wird über die Zentralisierung des Wirtschaftslebens Klage geführt und gefordert, daß den einzelnen Wirtschaftsgebieten ein volles Betätigungsfeld ges geben werde. Die jetzige Bevormundung von Berlin   sei un­erträglich, sie führe zur Versumpfung der Technif.

Ueber die Gründe, die die Versumpfung der Technik hers beiführen, ließe sich mancherlei sagen. Das eine steht jeden­falls fest, daß für die Vernachlässigung der technischen An­lagen im Bergbau die Zentralisierung die geringste Verant wortung trägt. Was Herrn Stinnes die Berliner   Bevor mundung verabscheuen läßt, ist die Sorge um seine fapita­listische Freiheit. Die Berliner   Regierung ist weit vom Sozialismus entfernt, aber Rüdsichten auf die Stim mung der Arbeiterschaft veranlassen sie doch hier und da zu gewissen Maßnahmen, die dem Unternehmertum unbequem find. Ob diese Maßregeln wirklich der Arbeiterschaft nügen, ist hier gleichgültig, sie ärgern jedenfalls die Kapitalisten und schmälern bis zu einem gewissen Grade ihre Ungebundene