heit. Die französische   Besehung würde in dieser Beziehung weniger lästig sein. Die Pariser   Regierung, die sich im Par­lament feiner starten Arbeiterpartei gegenübersieht, ist vom Sozialismus noch weniger angetränkelt, als die Berliner, und die Generale, die im Ruhrrevier fommandieren würden, wären sicher den Beweisführungen eines Stinnes noch mehr zugänglich als das Berliner   Kabinett. Sie würden sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch rücksichtsloser in den Dienst des Kapitals gegen die Arbeiter stellen.

Gewiß diente eine solche Politik nicht der Erhöhung der Kohlenproduktion. Indessen, Frankreich   fäme trozdem auf seine Rechnung, da die Förderung seinen Ansprüchen genügen würde, und außerdem bliebe noch ausreichend Brennstoff zur Verfügung, um die theinisch- westfälische Industrie, an der Herr Stinnes besonders interessiert ist, zu versorgen. Was aus dem übrigen Deutschland   würde, wäre den Franzosen gleichgültig und die deutschen   Industriellen im Westen würden sich über das Schicksal ihres geliebten Vaterlandes um so schneller zu trösten wissen, je mehr der Weizen ihres Geschäfts blühte.

Wie gesagt: dem Grubenkapital fann nichts passieren. Es müssen ihm, wie nach der Versicherung des Evangeliums, denen, die Gott   lieben, alle Dinge zum besten dienen. Sie Gaben nur eine Angst, und das ist die Sozialisierung, und deshalb hat Stinnes es für zweckmäßig gehalten, im Reichswirtschaftsrat sich noch einmal scharf gegen sie zu enden. Er wird sie in Deutschland   nicht für nahe bevor­shend halten. Aber unter französischer Herrschaft ist diese Gefahr noch weniger dringend. Kurz und gut, von welcher Seite er die Sache auch betrachten mag: eine Besetzung des Ruhrreviers durch die Entente fann für ihn feinerlei Schreden haben. Er läßt es darauf ankommen und benutt die Drohung des Einmarsches einstweilen nur dazu, die Berg­rbeiter stärker schuften zu lassen. Das Kapital bemüht sich, as nationale Gewissen, das es selbst nicht befißt, bei den roletariern zu schärfen.

Eine Stimme der Gerechtigheit Ein Pfarrer gegen den Marburger   Rechtsmord Ein Professor der Marburger   Universität, Dr. Ernst Maaß, hatte den Mut, die von einem Kameradengericht freigesprochenen Mörderstudenten in Schutz zu nehmen. Daraufhin hat der Pfarrer Erhard Boehm aus Schwarz­ hausen   bei Bad Thal mit einem Offenen Brief geantwortet, in welchem er sagt, daß das freisprechende Urteil von Millionen Menschen als ein Schlag ins Antlig der Gerechtigkeit betrachtet werde. Weiter heißt es in dem

Brief:

Auf erlogene und maßlos übertriebene Nachrichten von Greuelzuständen in unserem Gothaer Ländchen hin tun fich in Marburg   die Studenten zusammen, zum größten Teil boch unge, politisch unreife und unaufgeflärte Menschen, die in jedem jozialdemokratischen Arbeiter ohne weiteres einen Sparta= isten" oder" Bolschewi sten" sehen, die in dem Glauben jind, in Gotha   habe sich das ganze Verbrechergesindel von Deutsch­ land  " zusammengefunden, ziehen nach Thüringen  , fallen, von nie­mand gesandt, von niemand gerufen, in einen fleinen Gothaer  Ort ein, nehmen auf Grund einer höchst zweifelhaften Denunziation Verhaftungen vor, ohne jede Autorijation, mit feinem größeren Recht als seinerzeit der berühmte Hauptmann Köpenid, und schleppen dann die Verhafteten unter Kolbens tößen und anderen Mihhandlungen fort, bis dann auf der Land­straße beim Bahnhofe Settelstadt die Sache, die bis dahin eine Affentomödie war, zu einer furchtbaren Tragödie wird. Ist das wirklich ein Verfahren, Herr Geheimrat, das be­dingungslose Anerkennung verdient?"

3hr tapferes Studentenkorps" hat unsägliches Unheil über eine Anzahl von Arbeiterfamilien gebracht. Ich habe einen der jetzt Erschossenen selbst getraut, war 3euge bes Glüdes der Neuver mählten und ermesse ben untilgbaren Schmerz der armen jungen Frau. Ich vergegenwärtige mir das Leid des Elternpaares, das von seinen Rieben Söhnen drei durch die Franzosen und wieder drei durch die Marburger   Studenten verlieren mußte. Und so fühlen wir hier alle den Schmerz der Armen mit, um jo tiefer und leidenschaftlicher, als wir uns sagen müssen: Jedes beliebige an­bere unserer Arbeiterdörfer hätte dem gleichen verbrecherischen Leichtsinn, dem gleichen Mangel an Berantwortungsgefühl, für ben Sie unbedingte Anerkennung" verlangen, zum Opfer fallen Lönnen. Ihre Worte, Serr Geheimrat, find, gewollt, Gift in Wunden, für die viel Balsam notwendig ist, wenn sie sich jemals schließen sollten!"

Ein tapferer Pfarrer, der den Mut findet, mit so scharfen Worten die Wahrheit zu sagen. Die in Deutschland   rest dierende Mörderliga wird ihn dafür beim nächsten Putsch be= sonders scharf aufs Korn nehmen.

Berliner   Gefängnisse

Bon Ignaz Wrobel  

Man muß brin gesessen haben, um über fie schreiben zu können. Man muß diese Justizpflege am eigenen Leibe erfahren haben, um etwas Wirtjames über sie aussagen zu können. Man darf sie nicht mit den Augen eines berichtenden Landgerichtsdirektors betrachten. Man muß sie von unten her sehen.

Sans Syan tut das in einem Büchelchen Berliner   Gefängnisse". ( Berlag von Butttammer u. Mühlbrecht, Berlin   1920.)

Die Strafen der deutschen   Justiz find teine Strafen. Strafe muß etwas sein, das in irgend einer Beziehung und in irgend einem Verhältnis zum Delitt steht. Strafe muß irgend einen 3wed haben. Diese deutschen   Strafen regnen auf dich herab wie die Sageltörner, niemand weiß vorher, wie sie ausfallen werden, und niemand weiß, wen fie treffen. Man müßte einmal zusammen stellen, was man in Deutschland   alles für sechs Monate Gefängnis begehen darf. Es fämen die erstaunlichsten Dinge zusammen. Und diese Strafen nützen auch nichts. Sie zerbrechen vielleicht den Menschen( wenn er wertvoll ist; der Zuhälter trägt diese Freiheits­unterbrechungen als Geschäftsrisito und Betriebsspesen). Die Strafverhängung ist neben dem deutschen   Militarismus der bunkelste Punkt dieses Landes. Eine vom Monarchismus und dem Klaffenstaat gezüchtete Kaste fällt unbeirrbar auf Grund ihrer alten Weltanschauung die alten Urteile weiter, und niemand fällt ihr in ben Arm. Aber das ist ein weites Feld. Die Strafvollstreckung liegt nun aber so im argen, daß sie jebe, und sei es die kleinste wohl­tätige Wirkung der Rechtsprechung in ihr Gegenteil verkehrt. Ob ber Richter bei uns unabhängig ist, steht dahin. Daß es der Exe­tutiobeamte sicherlich ist, scheint gewiß.

Syan fennt seine Gefängniswelt. In Preußen ist doch das fo: Wenn einer etwas ausgefressen hat und man klappt ihn dabei, so ist er von diesem Augenblid an rechtlich so gut wie vogelfrei. Die Kinder auf der Straße spielen Räuber und Gendarm und das erste, was der Gendarm mit dem Räuber tut, ist, daß er ihn fürchterlich verhaut. Das ist dem Leben nicht schlecht abgelauscht, bem deutschen   Leben, wo der Arrestant zu einer Menschengattung zweiten Stils heruntersinkt. Für das Publikum ist der Arretierte eine Art Kinderschred, der vollkommen außerhalb des bürgerlichen Lebens steht. Für ihn gelten nicht Gesetz und Recht während sie boch in Wirklichkeit gerabe für ihn gemacht sind und es verstärkt und es verstärkt fich das alte Bild und die alte Vorstellung, daß der deutsche Ge­richtssaal gewissermaßen die gute Stube darstellt und die Straf­anstalten Küche und Kammer. Da unten aber ists fürchterlich

Syan beleuchtet das alles. Er erzählt von den einzelnen Ge­fängnissen Groß- Berlins: von Tegel  , wo es für die Gefangenen noch nicht einmal Wasserklosetts gibt, von Plögensee, wo die alter­tümliche Bauart des Hauses Mizhandlungen begünstigt, von

Radek über die Folgen des russisch­  

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polnischen Krieges

Die Sowjetrepublit hatte sich vor dem Beginn des polnischen Angriffs der Entente gegenüber zur Bezahlung eines Teiles der russischen Vorkriegsschulden bereit erklärt, daneben wollte sie noch eine ganze Reihe weiterer Konzessionen zugestehen. Der Sieg Räterußlands über Polen   bringt nunmehr wahrscheinlich den ententistischen Kriegszettelern nicht nur eine schwere Ents täuschung, sondern zugleich auch die Zerstörung ihrer Hoff­nungen, ihre der Zarenregierung gegebenen Anleihen jemals zu­rückzubekommen. Das offizielle russische Regierungsorgan, die 3swestya" bringt einem Artikel Karl Radets über die Bedingungen eines polnisch russischen Friedens, in dem die Annullierung aller früher an die Entente in dieser Sinsicht gegebenen Versprechen unverblümt angekündigt wird. Ra­det sagt, daß Polen   einen Frieden zu solchen Bedingungen erhal­ten werde, daß friedliche wirtschaftliche Arbeit gesichert sei. Ruß­ land   habe die Verbündeten oft gewarnt, Polen   in seiner Angriffs= lust zu ermuntern. Jetzt, wo Rußland   in gerechter Abwehr neue und große Opfer habe bringen müssen, sei es völlig ausge­schlossen, daß Rußland   an die Begleichung seiner Vorkriegsschulden auch nur dente. Die französischen   Sparer mögen sich an ihre Re­gierung wenden, die das polnische Abenteuer ermöglicht habe. Sie mögen jede Hoffnung aufgeben, daß das russische Volt seinen eige­nen Mörder zahle. Rußland   habe keinerlei Rachsucht gegen Po Ten, es ertenne seine Unabhängigkeit an und wünsche in freund­schaftlichen Einvernehmen mit ihm die Wunden zu heilen, die dieser vom polnischen Bolt selbst nicht gewünschte Krieg verur sacht habe.

Englische Zuversicht

TU. London, 24. Jufi.

Mit Ausnahme des sozialistischen   Daily Mail" billigt die ge­samte Presse die Erklärungen Lloyd Georges und Millerands hin­fichtlich der Notwendigkeit, Bolen zu verteidigen. Die Morning poft" bedauert, daß Lloyd George   nicht früher die Gefahr erkannt habe, die darin liegt, den Bolschewismus zu stärken, indem man fich mit ihm anbiedere. Die Times" hofft, daß die Geschehnisse den Frieden nicht neuerdings bedrohen und die von Llyod George flar bezeichnete Gefahr vermieden werden könne. Man werde der Wirklichkeit und Dringlichkeit gegenüber die Augen nicht ver­schließen. Die Gefahren erwachsen aus der Haltung der Räte­regierung. Der Daily Telegraph  " meint, daß die Abreise der französisch englischen Militärmission nach Warschau   und der ge= fürchtete Name Marschall Foch eine heilsame Wirkung auf die Räteregierung ausüben werde. Durch diese Maßnahme werde den Bolschewisten gezeigt, daß die Westmächte die Lage ernsthaft ins Auge faffen und daß man ihnen nicht ungestraft trogen tönne." Daily Herald" bezichtigt Lloyd George   der Doppelsinnigteit und behauptet, daß Lloyd George   im Innersten den Frieden wünsche, daß er aber an den französischen  Militarismus gebunden und in den Händen derjenigen sei, die in England die Verhandlungen mit Rußland   sabotieren wollten.

Ungarns   Absichten

Eigene Drahtmeldun ber Freiheit".

Wien  , 23. Juli.

Das Asylrecht in Defterreich für die ungarischen Boltstommis­fare wurde vor dem Sturz der ungarischen Räteregierung zwischen bem Rätegesandten Böhm, bem englischen Oberst Cunning= ham und dem Grafen Bethlen, Beauftragter der gegenrevo­lutionären Regierung in Szeged  , vereinbart. Diese Vereinba­rung war eine der Vorbedingungen zur unblutigen Uebergabe der Macht der Räteregierung an die Gewerkschaftsregierung Beidl. Der Außenminister der Szegeder Regierung war damals Graf Teleli, der jetzt als ungarischer Ministerpräsident die Auslie­ferung von Deutschösterreich und nunmehr auch schon von Deutschland   fordert. Die ungarische Regierung baut bei der Auslieferungsforderung Khuns und Vargas auf die Will­fährigkeit Bayerns  . An Wien   wurde ein Auslieferungsbegeh­ren nur wegen gemeiner Berbrechen und nicht wegen politischer Bergehen gestellt. Die ungarische Regierung steht dabei auf dem Standpunkt, daß die Räteherrschaft selbst und alle Amtshandlun­gen ihrer Organe gemeine Verbrechen waren. Das ist der Sinn ihrer Forderung, Bela Khun und Varga wegen gemeiner Ver­brechen auszuliefern.

Ungarn   treibt fieberhaft Vorbereitungen zum Kriege gegen Sowjetrußland und zur Unterstützung der Polen  , wozu es die Erlaubnis und die Zusage zur Unterstügung von der Entente erhalten hat. Die Jagd auf Bela Khun stellt sich als ein Glieb dieser Kette bar.

Moabit  , wo Preußen seine Untersuchungsgefangenen wie bie letzten Canaillen behandelt und vor allem wie Schuldige behandelt, von Moabit  , wo man die Strafrechtsmaschine tlappern hört. Und alle, alle Staatsanwälte und Richter und Referendare und Assessoren: Sie haben nur den einen Wunsch, den Armen schuldig werden zu Tassen. Syan erzählt vom Frauengefängnis in der Barnimstraße, von der Fürsorgestelle im Polizeipräsidium und vom wichtigsten Buntt des ganzen Gebietes: von der Beamtenschaft.

Er läßt dieser Beamtenschaft alle Gerechtigkeit widerfahren. Er bespricht ihre erbärmlichen Lohnverhältnisse, er weist ganz ausgezeich net barauf hin, wie die Beamtenwürbe" ein Aequivalent für die mangelhafte Entlohnung war und ist, und die demokratische Re­publit arbeitet ja mit den lächerlichsten Chinesentiteln genau fo weiter, wie der alte taiserliche Laden. Und vor allem sagt Syan, daß diese alten Militäranwärter, diese sogenannten 3wölfender", ( so genannt nach der Zahl der Jahre, die sie bei den Breußen heruntergerissen hatten) daß dieses Beamtenmaterial im großen und ganzen für seine Aufgabe ungeeignet ist. Eine militaristische Erziehung, die immer und überall nur Rangunterschiede sieht und sehen lehrt, ist nicht die Schule für einen der schwierigsten Berufe, Die es überhaupt gibt. Das was sich da bei dieſem mangelhaften Gefängnisapparat, der in den Arbeitshäusern zum Standal wird, herausgebildet hat, ist garnichts anderes als eine Maschine zum Menschenschinden. Die jungen Studenten lernen allerhand Theo= rien über das Wesen der Strafe: sie tönne Abschreckung sein oder Vergeltung oder Besserung. Sie ist in Wahrheit keins von den breien. Die schönen Symbole, die in Stein gehauen, die Fassaden der deutschen   Gerichtshäuser zieren, find Puppentram und fauler Kulissenzauber. Die Strafe wird ausgesprochen von solchen, die fie nicht tennen und vollstrect von solchen, denen der Eingelieferte ein rechtlofes Stück Vieh ist. Reglements helfen da gar nichts. Es tommt auf die Betrachtungsweise an.

und ge

Das Buch von Hans Syan ist für jeden Kriminalforscher als Material wertvoll. Dide gelehrte Wälzer tuns nicht; es sind die fleinen Züge, die Wert und Ausfall, Wirkung und Verlauf einer solchen Strafe bestimmen. Nach der Lektüre des Büchelchens tochen einem die Adern: oben wirft der Richter grau und stumpf lebendige Menschen in den Trichter einer ungeheuren Maschine rädert, mit zermalmten Knochen, zerschlagen und seelisch zerprügelt, Speit sie dieser fürchterliche Apparat wieder aus und überweist sie dem Verein zur Besserung entlassener Strafgefangener. Ihr er fahrt, wenn ihrs noch nicht wußtet, daß die dümmiten und wider­wärtigsten Bestimmungen von den Disziplinarstrafen und von der Polizeiaufsicht heute noch bestehen, und daß dieses stumpfsinnige Baragraphenvolf lieber Tausende von Menschen unglücklich werden laßt, als daß es die schlimmsten Auswüchse der Strafjustiz beseitigt. Die bedächtigen Politiker mit dem bemokratisch hängenden Sofen Die bedächtigen Bolitiker mit dem demokratisch hängenden Soſen­boden vertrösten uns auf die große Strafrechtsreform. Und in zwischen zudt das und krümmt sich in den Dunkelarrestzelten deut

Der Ministerpräsident Teleti führt gegen Oesterreich wegen des Bontotts gegen Sorthy- Ungarn   und wegen der Ausreise der Boltskommissare eine bedrohliche Sprache, wozu er von bem französischen   Militär ermutigt sein soll. Die Offiziere be treiben trotz Ableugnung geheim Vorbereitungen zu einem o grom gegen politische Gefangene, Sozialdemokraten und Juden Mitglieder der Vereinigung erwachender Magyaren wurden mit Pogromstöden und Handgranaten bewaffnet. In Szeged   versuch ten Offiziere dreißig Gefangene aus dem Gefängnis abzu führen. Sie wurden aber vorläufig vom Gefängnisdirektor abs gewiesen. Offiziere des Ostenburgdetachement wollten die Dienste in dem Gefängnis, in dem sich die Volkskommissare befin den, übernehmen. Die Gendarmerie widersetzte sich jedoch diesem Vorhaben, worauf die Offiziere ein gegenüberliegendes Schul gebäude bezogen. Unter den Gefangenen im ganzen Lande herricht wegen dieser Vorgänge eine große Panit.

Ungarn   stellt das Auslieferungsbegehren

Die ungarische Regierung hat nunmehr bei der deutschen   das offizielle Ersuchen gestellt, Bela Khun auszuliefern. Die Reichsregierung prüft gegenwärtig die rechtlichen Unterlagen der ungarischen Forderung. Bela Khun befindet sich übrigens nicht in Bayern  , sondern in einem Internierungslager in der Nähe von Liegnig. Er wird dort von einem Reichswehrs bataillon streng bewacht. Nach einer Meldung der Telegraphens Union   aus Wien   neigt man dort der Ansicht zu, daß die Ans haltung des Transports nicht im biretten Auftrag der deutschen   Regierung erfolgt sein könne, weil diese ebenso wie die Entente über die Absendung vorher unterrichtet worden sei. Man neigt in Wien   der Ansicht zu, daß die neue Affäre Bela Khun von gewissen deutschen   Militärtreisen ausgegan gen sei, um der Regierung eine Verlegenheit zu bereiten. Die Wiener   Vertreter der Entente werden, wie aus Ententes freisen mitgeteilt wird, sich in die Angelegenheit nicht einmengen. Wir halten es für eine selbstverständliche Pflicht der Regie rung, für ausreichenden Schuh Bela Khuns zu sorgen. Dem Auslieferungsbegehren darf unter teinen Umständen statt gegeben werden. Bela Khun ist eine politisch verfolgte Persön lichkeit. Wenn ihm die ungarische Regierung verbrecherishe Handlungen unterschiebt, so nur deshalb, weil sie Bela Khun in ihre blutigen Hände bekommen will, um an ihm einen Mord zu verüben. Wer ihr dabei behilflich ist, macht sich zum Helfers helfer der ungarischen Henter.

Die Reichszentralftelle für Kriegs- und Zivilgefangene teilt mit: Der Transport russischer Kriegsgefangener aus Desterreich, welcher sich auf der Rückfahrt nach Passau   befand, ist dem Durchgangs lager Reiße zugeleitet. Es ist festgestellt, daß 2 Mann fich nicht einwandfrei als russische Kriegsgefangene ausweisen tonnten. Diese beiden sind zur Feststellung ihrer Personalien ausgesondert und anderweitig untergebracht. Der Transport wird Narwa   heimbefördert.

Die liebe Reichswehr

über

Die Korrespondenz des Herrn Heilmann berichtet: In der Presse wurde jüngst über reaktionäre Ausschreitun gen der in die Marine aufgenommenen Teile der Brigade   Ehr hard in Kuxhaven berichtet. Anderwärts sieht es nicht anders aus. In Kiel   herrschen ganz ähnliche Zustände, seitdem die ver faffungstreuen Marinemannschaften zum großen Teil durch A gehörige der berüchtigten Brigaden Ehrhard und Loewenfeld et segt worden sind. So fand jüngst in Kiel   im Schloßhof eine öffentliche antisemitische Bersammlung des Deutschen  Schutz- und Truzbundes statt, auf der sich der ehrenwerte Rnüppeltunze aus Berlin   produzierte. Die Agitation für diese Versammlung wurde in den Straßen Kiels durch Matrosen in Uniform betrieben, die das Hatenkreuz an gelegt hatten.

Durch die vom Genossen Stod geleitete Untersuchungstommi fion ist ferner gegen eine Anzahl Kieler   Marineoffiziere wegen ihres Verhaltens in den Kapptagen Dienstentlassung bzw. Dienst enthebung beantragt worden. Bisher ist aber noch keine einzige Entlassung seitens der obersten Marinebehörde durchgeführt worden. Selbst ein Kappist, wie der Oberleutnant z. S. Wever, der mit Admiral v. Lewego w zusammen flüchtete, als der Buts in Kiel   zusammenbrach, tut heute noch immer Dienst. So sieht die Reinigung der Marine durch Herrn Geßler aus!

Herr Heilmann vergißt, daß die bösartigen Kinder Geßlers von Rosie großgezogen worden sind.

Fortdauer der Kämpfe in Belfast  . In Belfast   tam es Freitag nacht zu erneuten Kämpfen. Am Tage trat, abgesehen von einzel nen Schüssen Beruhigung ein. Die Verluste betragen bisher 10 Tote und zwei bis dreihundert Verwundete. Der burd eGschosse und Plünderungen verursachte Schaden ist beträchtlich. Die Unterzeichnung beschlossen. Der türkische   Kronrat hat die Unterzeichnung des Friedensvertrages beschlossen.

scher Gefängnisse. Was tommts drauf an? Lumpen und Ber brecher, Diebe oder am Ende Kommunisten.

Die Zustandsschilderungen Hyans find lesenswert, weil wir alle wissen wollen, auf welcher schönen Erde wir spazieren. Man fann hier viel ändern und reformieren und bessern. Im einzelnen. Le fen Endes aber wird eine großzügige Strafrechtsreform, und damit eine Reform der Strafvollstreckung überhaupt erst möglich sein, mit einer vollkommenen Umwälzung dieser faulen und morschen Welt: durch eine wahre Revolution.

Arbeit!

Der sechste Monat war es nun schon, daß er tagtäglich ben Arbeitsnachweis betrat. Mit einer winzigen Hoffnung ging er des morgens hin, und mit verzagter Kraft seines Herzens ent fernte er sich des Mittags wieder. Und so auch heute.

Sein Weg führte ihm den Norden Berlins   entgegen. Hohe graue Mietstasernen, schlechte unansehnliche Häuser tauch Händchen, alte,' durchfurchte Gesichter von Frauen, zerschliffenes ten auf. Arme, fleine Kinder mit blassen Gesichtern, schmugigen Tuch um den Leib geschlagen, Züge, gezeichnet vom harten Leben, Kämpfen... Entsagen

O

Vor einem alten, fast baufälligem Haus, machte der Arbeitslose Salt, ein paar Gefunden nur, dann schritt er über einen düsteren, lichtlosen Sof, stieg die tnarrenden Treppen empor, dann noch eine Tür, er drehte den Schlüssel im Schloß herum und trat ein. Eine müde Stimme irrte ihm entgegen. Helmut, bu?"

" Ja, Mutter," gab er tonlos zurüd.

Eine welfe, abgezehrte Hand bot sich ihm zum Gruße. Sast du Arbeit?" Heiser lispelte sie die Worte hervor. Immer wieder, täglich hörte er die Frage von den Lippen ber Kranten sprechen. Seine Antwort war das klanglose Rein". So vergingen noch viele Tage, wo er nach Arbeit herum irrte. Doch sollte es tommen, daß er etwas fand. Ein flarer Sommertag brach an. Viele Strahlen sandte die Sonne hernieder, füllte die bumpfen Zimmer, machte die Wohnungen hell und freundlich. Manches arme Menschenherz hatte Freude daran, als flänge ihnen ein winziges Lied von kommenden besseren Tagen entgegen. An solchem Tage tehrte er eines Vormittags heim, ein seltsames Leuchten in seinen Augen und freudig tönte es seiner alten Mutter entgegen, nur das eine Wort Arbeit"!

Am nächsten Tage strebte er bem Innern der Stadt zu. Ein großes Gebäude, über einen Fabrithof und dann stand er in einem Schlug ihm entgegen, ein Saften und Jagen, ein Hin und Her der großen Saal mit vielen Maschinen. Ein Hämmern und Saufen pielen Arbeiter. Und nochmals tlang es in ihm, freudig und heiter Arbeit" Lotte Seller

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